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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 EHEC

Prolog

Bekanntschaft mit ETEC

Mikrobielle Evolution und E. coli als Verwandlungskünstler

ETEC, der unangenehme Reisebegleiter

Der eigentliche EHEC

Intermezzo mit weiteren ECs

Der deutsche E. coli-Ausbruch von Mai bis Juli 2011

Wir Menschen aus der „Sicht“ der Bakterien

Epilog

2 MRSA

Prolog

Antibiotika – eine Erfolgsgeschichte

Biologisches und Physiologisches über Antibiotika

Resistenz und Multiresistenz gehen um

MRSA breitet sich aus

MRSA zwingt zum Umdenken

Epilog

Glossar

Literatur

Danksagung

Index

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Autor

Prof. Dr. Gerhard Gottschalk

Georg-August-Universität

Institut für Mikrobiologie und Genetik

Grisebachstr. 8

37077 Göttingen

Vorwort

In diesem Buch geht es um Bakterien, die Infektionskrankheiten hervorrufen; dabei geht es nicht um die pathogenen Mikroorganismen in ihrer Gesamtheit, vielmehr um Erreger, die sich aus weit weniger gefährlichen Vorstufen entwickelt haben. EHEC ging aus unserem völlig harmlosen Darmbakterium Escherichia coli hervor und MRSA aus dem viel leichter zu bekämpfenden Mutterstamm Staphylococcus aureus.

Viren kommen in diesem Buch nicht zur Sprache.

Im ersten Teil des Buches steht natürlich der deutsche Ausbruchstamm, der uns von Mai bis Juli 2011 in Atem gehalten hat, im Mittelpunkt. Es werden aber auch die Kräfte der Evolution beschrieben, die zur Entstehung und Verbreitung neuer Bakterienarten und Varianten wie EHEC führen. Der zweite Teil beginnt mit der Geschichte der Bekämpfung von Bakterien mit Hilfe von Chemotherapeutika und Antibiotika. Die Grundlagen von Resistenzen werden dargestellt bis hin zur Methicillinresistenz.

Auch einige Defizite, die im Umgang mit EHEC und MRSA in Deutschland sichtbar sind, kommen kurz zur Sprache.

Der Autor dankt Petra Ehrenreich, Johanna Temme und Andreas Leimbach für die kritische Durchsicht des Manuskripts, er dankt Daniela Dreykluft für die Hilfe bei der Erstellung des Manuskripts und dem Wiley-VCH Verlag, insbesondere Gregor Cicchetti und Anne du Guerny, für die konstruktive Zusammenarbeit. Für die finanzielle und personelle Unterstützung seiner wissenschaftlichen Arbeiten dankt der Autor dem Institut für Mikrobiologie und Genetik der Georg-August-Universität Göttingen, insbesondere Rolf Daniel, und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Der Autor widmet dieses Buch Carola Simon, Suzane Litthauer und seiner Familie, insbesondere Eckart, für ihre aufopferungsvolle Hilfe in einer schwierigen Situation.

Göttingen,

November 2011

Gerhard Gottschalk

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EHEC

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EHEC-Zellen auf Fibroblasten. Aufnahme: Manfred Rohde, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig.

Prolog

Mit kaum einem Bakterium ist die deutsche Öffentlichkeit durch die Medien so vertraut gemacht worden wie mit EHEC. Dabei wissen viele Menschen wahrscheinlich gar nicht, wofür diese Abkürzung eigentlich steht. EHEC ist ein pathogener, also krank machender Abkömmling unseres Darmbakteriums Escherichia coli, ein enterohämorrhagischer E. coli. Das hört sich kompliziert an. Gut, dass es diese so einprägsame Abkürzung für ihn gibt. Hinter dem Namen verbirgt sich, dass EHEC im Darm lebt (Enteron) und dass er Blutungen (Hämorrhagien) hervorrufen kann. Es wird aber noch komplizierter: Kommt es im Verlauf der Infektion zu Blutungen und zum Nierenversagen, so spricht man von HUS, dem hämolytisch-urämischen Syndrom. Dieses ist eine schwere Komplikation, die mit neurologischen Ausfällen verbunden sein kann.

EHEC ist nicht der einzige unangenehme Abkömmling von E. coli. Es gibt weitere, von denen besonders ETEC (entero-toxischer E. coli), der Erreger der Reisediarrhoe, vorgestellt wird. Und dann wird noch von EAHEC die Rede sein. Wussten Sie schon, dass der deutsche Ausbruchstamm ein genetisch weiter entwickelter EHEC ist, der zutreffender als EAHEC (entero-aggregativer hämorrhagischer E. coli) zu bezeichnen ist? Natürlich wird auch beschrieben, wo diese Keime eigentlich herkommen und wie in Deutschland mit der EHEC (EAHEC)-Epidemie umgegangen wurde.

Bekanntschaft mit ETEC

Es ist erst ein halbes Jahr her, zehn Flugstunden von Deutschland entfernt stellten sich bei Herrn G. Symptome ein, wie sie in jedem Jahr Millionen von Menschen, besonders bei Reisen in ferne Länder, das Vergnügen an dem verderben, was sie sich dort vorgenommen haben: Schweißausbrüche, Rebellion im Magen und immer häufiger werdende Toilettengänge. Herr G. schluckt Tabletten und trinkt Tee oder Coca Cola und sinniert darüber, woran es wohl gelegen haben möge. Waren es die Eiswürfel im Gin Tonic, die so leckeren Salate oder die köstlichen Muscheln? Der Zustand des Herrn G. verschlimmert sich und Kollegen organisieren seine Einweisung in ein Krankenhaus, in dem er nach einer Eingangsuntersuchung an zahlreiche Tröpfe gehängt wird, gefüllt mit Flüssigkeiten, die Elektrolyte und Nährstoffe enthalten, sowie zwei Antibiotika, um Bakterien zu bekämpfen. Nach drei Tagen stellt sich Besserung ein, nach weiteren drei Tagen kann Herr G. die Heimreise antreten. Alle durchgeführten Tests zur Identifizierung des Keims verliefen negativ. Das ist eine Geschichte, wie sie sich jährlich millionenfach ereignet.

Als Mikrobiologe stellt Herr G. natürlich besonders intensive Überlegungen darüber an, welcher Keim ihn wohl in eine solche missliche Lage versetzt hat. Alles was wir zu uns nehmen, sinniert er, muss ja durch den Magen, und dort ist es ziemlich sauer. Eine Bakterienart hat aus dieser Not eine Tugend gemacht: Helicobacter pylori, der sich in der Magenschleimhaut einnistet, Entzündungen und sogar Magenkrebs hervorrufen kann. Mit Durchfällen hat er aber nichts zu tun. Alle übrigen Bakterien, die wir mit der Nahrung konsumieren, werden zum Teil durch die Säure im Magen abgetötet; ein gewisser Prozentsatz jedoch überlebt diese Tortur und wandert weiter durch unser Gedärm. Darunter sind sehr viele nützliche, wie die Milchsäurebakterien, die ja auch häufig in probiotischen Medikamenten enthalten sind. Aber über die guten denkt Herr G. nicht weiter nach. Welche Keime gehen denn einem Fachmann durch seinen fiebrigen Kopf, wenn sich sein Magen umdreht und der Darm nicht mehr das enthält, was er in guten Zeiten enthält und von Zeit zu Zeit in fester Form abgibt? Gefühlsmäßig schließt Herr G. eine Virusinfektion aus. Rotaviren kämen natürlich in Frage, aber ein nur geringer Fieberschub und auch die Zeit zwischen kaltem Buffet und Ausbruch (etwa 20 Stunden) sprechen dagegen. Salmonellen fallen ihm als Nächstes ein. Hier kommt es häufig bereits nach wenigen Stunden zu heftigem Erbrechen; der Grund ist, dass sich die Salmonellen in einem Nahrungsmittel bereits so stark vermehrt haben, dass die verschluckte Toxinmenge ausreicht, um die Erscheinungen einer Nahrungsmittelvergiftung auszulösen. Cholera und eine durch Shigellen hervorgerufene Ruhr sind unwahrscheinlich, da keinerlei Anzeichen für eine Blutzersetzung (Urämie) zu erkennen sind. Es verbleibt u. a. ETEC – dieses steht, wie bereits erwähnt, für entero-toxischer E. coli. Moment einmal, E. coli ist doch ein harmloser Darmbewohner? Wie wird er zu einem Krankheitserreger?

Bacterium coli commune.Escherichia coli