Austrofred: Ich rechne noch in Schilling/Austrofred
Wien: Czernin Verlag 2013
ISBN: 978-3-7076-0481-8
© 2013 Czernin Verlags GmbH, Wien
Gestaltung und Supervision: Mitter Klaus
Titelfoto: Habbel Conny
Lektorat: Steffen Eva
Danke: Pollanz Wolfgang / edition kürbis, Bayrhuber Wolfgang,
Almer Wolfgang, Binder-Reisinger Thomas, Gollackner Elisabeth,
Laudien David, The Gap, Landjäger.
Produktion: www.nakadake.at
ISBN: 978-3-7076-0481-8
Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe
in Print- oder elektronischen Medien
Sehet die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Diesen an und für sich sehr erbaulichen Spruch aus der Bibel lässt öfter einmal ein Dodl herüberwachsen, wenn er glaubt, er kann sich über uns Künstler und Musiker aufpudeln, weil wir seiner Meinung nach nichts hackeln. Das stimmt aber nicht: Harte Arbeit ist das tägliche Brot eines jeden seriösen Kunstschaffenden, und genau davon handelt dieses Buch. Es beschreibt den mühsamen und teilweise direkt brutalen Überlebenskampf eines Rockmusikers hinter den bunten, aber hohlen Kulissen der Unterhaltungsindustrie, vergisst dabei aber nicht auf die positiven Seiten, die es natürlich auch gibt. Stichwort: Austrofred intim.
Viele werden sich (beziehungsweise mich) jetzt fragen, wieso ein Tagebuch? Ganz einfach: Es ist für einen modernen Rockkünstler im 21. Jahrhundert – zumindest nach meinem Berufsverständnis – nicht mehr genug, dass er auf der Bühne ein bisschen mit dem, pardon, Arsch wackelt. Das hat vielleicht noch für einen Elvis gepasst, von mir aus auch für einen Michael Jackson, aber von einem heutigen Star erwartet sich das Publikum mehr. Er muss sich auch privat öffnen, er muss „menschlich“ sein, ehrlich – und er muss den Leuten moralische Richtlinien für ihren eigenen Weg durchs Leben bieten.
Ich müsste gar keine prophetischen Fähigkeiten haben, um zu wissen, dass ich mir mit diesem Buch nicht nur Freunde mache. Aber der Champion ist halt keiner, der sich die feinen englischen Hygiene-Handschuhe anzieht, wenn er seinen Finger in die offenen Wunden unserer Gesellschaft hineinsteckt. Weil so wie der Austrofred oft von den Medien nicht geschont wird – und auch gar nicht geschont werden will! –, genauso nimmt er sich auch selber kein Blatt vor den Mund, wenn er sieht, es rennt wo ein Radl im Dreck. Und wieso? Weil ich nicht anders kann.
Die Literaturwissenschaftler unter meinen Fans wird es interessieren, dass diese Ansichten eines unbequemen Zeitgenossen, wie es im Untertitel ganz richtig heißt, ursprünglich gar nicht als Buch geplant waren, sondern als sogenannter Blog, also als spontane Kommentare zu Themen, die mich und Österreich in den letzten Jahren bewegt haben, und die ich tagesaktuell auf mein Service-Portal www.austrofred.at hinaufgestellt habe. (Wobei ich eine spätere Buchveröffentlichung immer schon im Hinterkopf gehabt habe, aber das war von Anfang an rein nur mehr zum Abcashen gedacht.)
Freilich schreibt sich so ein Buch wie Ich rechne noch in Schilling nicht von selber, sondern das ist, und damit bin ich wieder beim Thema, viel Arbeit. Und wenn ihr, liebe Leser – am besten probierts ihr das gleich aus –, mit der Nase ganz nahe an die Seiten herangehts, dann könnts ihr vielleicht sogar noch ein bisschen etwas von dem vielen Schweiß riechen, den dieses Buch nicht nur mich gekostet hat, sondern auch meine vielen Helfer und Helfershelfer, die ich aber zum Teil aus steuerlichen Gründen hier nicht nennen darf. Stellvertretend möchte ich mich bei meinem Kompetenzteam bedanken: bei meinem Chef-EDVler Weinzettl Sam, der mir die spannende Welt des Internets überhaupt erst zugänglich gemacht hat, seinem Bruder Roman, der während der langen Schreibarbeiten immer das Catering vom Billa geholt hat, und natürlich beim Mitter Klaus, meinem Assistenten und Hausdesigner, der dieses Buch auch optisch wieder so toll gestaltet hat, dass alle sagen: wau.
Weil auch wenn der Klaus und ich – wie es in diesem Buch in aller Schonungslosigkeit dokumentiert ist – hin und wieder vielleicht einmal ein bisschen eine Meinungsverschiedenheit haben, ist er im Endeffekt ja doch ein Weltdesigner. Ihm verdanken alle meine Produktionen und teilweise sogar ich selber ihren unverwechselbaren stylischen Look. Es kommt nämlich gar nicht so selten vor, dass ich in der Früh von meiner Wohnung ins direkt angrenzende Austrofred-Kompetenzzentrum herübergehe und er mich noch in der Tür zusammenstaucht, weil ich mir wieder einmal den Bart schief ausrasiert habe. Mit so einer Schneefräse kannst du dich ja auf keine Bühne stellen, schimpft er dann und geht gleich noch einmal mit seiner Schneiderschere drüber.
Besonders danken möchte ich meinen Eltern, dass sie mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin, auch wenn sie immer dagegen waren, dass ich einmal so werde. Fred, bist du leicht mit dem Moped der Katze über den Schweif gefahren, hat meine Mutter gerne gesagt, wenn ich als Jugendlicher an meiner Gesangstechnik gearbeitet habe. Das war als Schmäh gemeint, aber ein bisschen hat sie damit auch ihre Meinung ausgedrückt, dass ich mein Glück lieber in meinem erlernten Beruf als Speditionskaufmann suchen soll und nicht im Rock’n’roll. Wir klauben dich später einmal sicher nicht aus dem Straßengraben heraus, hat mein Vater diesbezüglich gesagt, wir nicht. Heute sammelt er Zeitungsausschnitte über mich und meine Erfolge und sortiert sie chronologisch in dicke Ordner.
Last, aber alles andere als least, ist an dieser Stelle auch einmal eine tiefe Verneigung vor meinen Fans angebracht: Ohne euch – und das meine ich genau so, wie ich es sage – wäre ich nichts. Euer Enthusiasmus, eure Bewunderung, euer Engagement und eure tiefe Liebe zur gehobenen Rockmusik machen ein solches Phänomen wie mich überhaupt erst möglich. Ihr verleiht mir Kraft und Kreativität. Ich weiß nicht, wie ich euch jemals dafür danken kann. Am liebsten würde ich ja jeden Einzelnen von euch auf ein Bier einladen, aber das ist natürlich rein logistisch nicht möglich, dafür seids ihr einfach zu viele. Das würde erstens zu lange dauern und zweitens zu sehr ins Geld gehen. Und außerdem: Für was soll das überhaupt gut sein.
You can be anything you want to be
Just turn yourself into anything you think that you could ever be
Be free with your tempo, be free be free
Surrender your ego – be free, be free to yourself
QUEEN, INNUENDO
Ich sage es, wie es ist: Ich bin ernsthaft angefäult. Gerade gehe ich zu meinem Auto, weil ich ein paar Sachen – Sound-Equipment und Bühnen-Outfits – für meinen Gig in St. Pölten einräumen will, auf einmal denke ich mir, hoppla, irgendwie schaut der Seitenspiegel aber heute komisch aus, was hat es da. Und dann erst checke ich: Da ist ja gar kein Spiegel mehr! Da hat sich einfach wer meinen Spiegel gebrockt! Ich meine, dass sich jemand einen Mercedesstern fladert als jugendlichen Halsschmuck, das habe ich ja schon öfters gehört, das verstehe ich auch irgendwie – aber wer hängt sich denn bitteschön einen Opelspiegel um?!? Ich kann nur hoffen, dass Richtung St. Pölten heute keine Kieberei steht, weil sonst soll ich als Opfer womöglich auch noch pecken deswegen.
Mit dem Täter von dieser mutwilligen Scheißaktion täte ich gern einmal ein paar ernsthafte Worte wechseln. Nicht weil ich mich rächen möchte oder so, dafür bin ich viel zu friedliebend, sondern ich würde einfach gern wissen, was das für ein Mensch ist, der so etwas macht. Ich möchte rein psychologisch verstehen, was ein solcher für Beweggründe hat. Wobei es schon sein könnte, dass meine Faust kurz einmal ein bisschen Ich liebe dich zu ihm sagen täte – nur ganz zärtlich natürlich – oder dass mein Astra, wenn mich der Hundling zufällig auf der A1 überholt, gach ein bisschen ausschwenkt. Ich kann ja nachher immer noch sagen, ich hab ihn nicht gesehen. Wie denn auch, ohne Spiegel?
Ich habe mir ausgerechnet, dass ich in meinem Leben schon über zweitausend Mal im Hotel übernachtet habe, was eigentlich, wenn man sich das einmal überlegt, eine gewaltige Zahl ist, die sich noch dazu rein auf meine berufliche Laufbahn als Musiker bezieht, weil durch das, dass ich aus einem relativ einfachen Elternhaus komme, haben wir nie einen Urlaub gemacht, wie ich klein war. Das ist sich finanziell einfach nicht ausgegangen. Dafür waren wir öfters in Mariazell, das war auch schön.
Seither habe ich das Hotelgewerbe aber sehr zu schätzen gelernt. Mir taugt es einfach, wenn ich mich nach einer strapazenreichen Anreise gach auf ein Stunderl hinhauen kann, wenn ich ein gemütliches Bett habe, einen Fernseher, eine Minibar und eine Dusche, und mir nach dem Konzert in einer „netten“ Gesellschaft noch ein, zwei Bierli zischen kann. Und ganz besonders mag ich es – auch wenn das zugegebenerweise ein bisschen eitel ist –, wenn ich dann in der Früh mit verpickten Augen in den Frühstücksraum hinunterkomme und die Servierdamen flippen komplett aus, weil der leibhaftige Austrofred, den sie sonst nur aus den Zeitungen kennen, zu ihnen herabgestiegen ist und sich jetzt ihre Hamundeggs hineinstellt oder eine Eierspeis mit einem herausgeprasselten Speck.
Solche Annehmlichkeiten erleichtern einem das harte Tourleben ganz enorm, weil das ist ja schon oft anstrengend auch. Direkt zermürbend manchmal. Entgegen dem, wie viele sich das vorstellen, findet nämlich ein sogenannter Sex, Drugs und Rock’n’roll in der realen Wirklichkeit nur ganz selten statt, das ist ein Mythos. Der Laie glaubt ja auch immer automatisch, wenn die Worte Hotel und Rockstar im selben Satz vorkommen, da werden jetzt die Fernseher zertrümmert. Das ist eine gebräuchliche Denk-Kombination, die aber auf einem Blödsinn basiert, wo mich interessieren täte, wo der herkommt. Ich habe in meiner Karriere viele, viele hochrangige Kolleginnen und Kollegen kennengelernt und keiner von denen hat jemals mutwillig einen Fernseher kaputt gemacht. Gut, vielleicht hat von den Stones oder von den Who einmal wer einen aus dem Fenster hinausgeschmissen, aber das war halt eine andere Zeit. Und auch da gehe ich von einem Einzelfall aus, von einem verjährten, beziehungsweise von einem Schwarz-Weiß-Fernseher. Heutzutage täte es gerade einem ökonomisch denkenden Menschen wie dem Mick Jagger sicher nicht mehr einleuchten, wieso er einen Fernseher kaputt machen soll, wo du auch beim Saturn mindestens zweihundert Euros zahlst für den billigsten. (Für ein gescheites Home Cinema legst du überhaupt schnell einmal einen fünfstelligen Betrag aus.)
Ich persönlich habe in meinen zweitausend Hotelnächten ca. 1980 Mal einen Fernseher im Zimmer gehabt1, und von diesen 1980 Fernsehern habe ich gerade einmal zwei kaputt gemacht. Das ist im Schnitt gar nichts. Und auch in diesen zwei Fällen war da keine rock-klischee-typische Gewalt im Spiel oder eine Drogenaktivität, sondern es waren beides reine Unfälle, wobei ich mich an den ersten nicht einmal mehr erinnern kann, weil da war ich angesoffen.
1 In den restlichen zwanzig Hotels hat es keinen gegeben, weil sie mit dem Bio- respektive Wellness-Schmäh gefahren sind, und nach denen ihrer Weltanschauung geht ja vom Fernseher eine tödliche Strahlung aus. Beziehungsweise haben sie in Wallfahrtsorten wie Mariazell oder Altötting oft auch deswegen keine Fernseher am Zimmer, weil sich die Wallfahrer dort auf die spirituelle Einkehr konzentrieren sollen und nicht auf die vielen Sexler, die sie in der Nacht am Kabel spielen.
Beim zweiten Mal habe ich mir ganz normal ein Fußballspiel angeschaut, nämlich die spätere 0:9-Katastrophe gegen die Spanier unterm Schneckerl2, der dazumals Teamchef war. Leider war aber der Fernseher, mit Verlaub, ein billiges Klumpert mit einer 29er-Röhre, wenn überhaupt, jetzt wollte ich mir nach dem 0:5 aus einer Perversion heraus, beziehungsweise wegen der schlechten Sicht auf dem Schneckerl sein schuldiges Gesicht, den Fernseher am Kabel näher zum Bett her ziehen und da ist er dann vom Kasten heruntergefallen. Wir haben das aber relativ unkompliziert über die Haushaltsversicherung vom Veranstalter regeln können.
2 Herbert „Schneckerl“ Prohaska: DIE Ikone des österreichischen Fußballs, und da kann sich jetzt der Krankl noch so giften, wenn er das liest.
Ja, viele schöne Erinnerungen verknüpfe ich mit Hotels. Einmal – das war aber nicht wirklich in einem Hotel, sondern in einer Privatpension – ist mitten in der Nacht die Tochter des Hauses zu mir ins Zimmer gekommen. Wir haben uns beim Abendessen gut unterhalten gehabt und jetzt wollte sie quasi einen „Nachschlag“. Durch das, dass das Schlafzimmer von den Eltern gleich daneben war, haben wir ganz leise sein müssen, aber das hat uns natürlich nicht von dem abgehalten, was zum Tun war. Im Gegenteil sogar, weil durch die Heimlichtuerei hat die Geschichte ein direkt abenteuerliches Flair gekriegt.
Ansatzweise dürfte aber doch etwas zum Hören gewesen sein, weil wie ich mich am nächsten Tag zum Frühstück gesetzt habe, da habe ich sie schon aus der Küche herausweinen gehört, und dann ist ihre Mutter gekommen und hat mir wortlos die Eier und den herausgeprasselten Speck auf den Tisch geklescht, und mit dem Kaffee hätte sie mir fast die Melody Hand – so heißt beim ausgebildeten Keyboarder die rechte Hand – verbrüht. Müsli habe ich gleich gar keines gekriegt. Dann ist sie wieder in die Küche gegangen und hat ihrer Tochter ein paar geschnalzt. An und für sich hätte ich in dieser Situation natürlich sofort aufspringen und der Frau meine Meinung sagen müssen, aber ich habe ein starkes Kopfweh gehabt, und für was soll man da auch so ein Trara machen deswegen. In Wirklichkeit bin ich eh nicht so der Müslitiger.
Es ist zum Narrischwerden: Jedes Jahr, wenn der Fasching längst vorbei ist und es wieder einmal Zeit wäre für ein bisschen Ernsthaftigkeit, kommt der ORF noch einmal mit seinem größten Witz respektive Anti-Witz daher, nämlich mit den Amadeus3-Nominierungen. Lei-lei!
3 Amadeus: Sogenannter österreichischer Musikpreis, bei dem in Wirklichkeit nur die Affen von den Plattenfirmen den Affen vom Fernsehen hinten hineinkräulen und umgekehrt. Wie man für diesen Schwachsinn den Namen von einem so hochwertigen Musikerkollegen wie dem Woiferl Amadeus Mozart beschmutzen kann, verstehe ich bis heute nicht.
Leider machen es mir die Medien fast unmöglich, dass ich dieses Kasperltheater ignoriere. Heute Vormittag stehe ich zum Beispiel gerade mit dem Mitter Klaus vor der Hofburg, schießt schon ein Rudel Journalisten her zu uns, weil sie den Champion und seinen Longino erspechtelt haben. Longino nennen sie den Klaus, weil er fast zwei Meter groß ist, was den Vorteil hat, dass er immer einen guten Überblick über die österreichische Musikszene hat, aber eher unpraktisch ist, wenn man sich vor ein paar lästigen Journalisten verdünnisieren will, die unbedingt wissen wollen, wie meine Fachprognose für die heurige Amadeus-Verlosung ausschaut und ob es mich nicht ärgert, dass ich selber schon wieder nicht nominiert bin. Wobei die zweite Frage schnell beantwortet ist, indem ich routiniert den Vogel zeige, und zwar in Richtung Küniglberg, zum dortigen ORF-Zentrum.
Aber jetzt zur eigentlichen Frage, wenn es denn sein muss, nämlich zu meiner Amadeus-Prognose: Was mir bei den Nominierungen dieses Jahr als erstes aufgefallen ist, das ist der hohe Anteil an Starmania4-Wastln – noch ein Grund, warum ich die Bezeichnung Musikpreis ablehne. Ich meine, dass bei den Damen die Christl Stürmer nominiert ist, das lasse ich mir ja noch einreden, auch die Vera ist nicht zwider und hat eine gewisse Stimme, aber die sogenannte Niddl – ich weiß nicht recht. Und von der ebenfalls nominierten „Tamee Harrison“ hab ich überhaupt noch nie etwas gehört, die ist mir vollkommen unbekannt. Ein Tipp ist deswegen fast nicht möglich, am ehesten gewinnt mangels Alternativen die Christl. Am ehesten.
4 Starmania: Österreichische TV-Casting-Show Anfang der nuller Jahre. Gottseidank bereits vielfach wieder in Vergessenheit geraten, weswegen ich mir extrige Fußnoten zu verwandten lexikalischen Begriffen wie „Niddl“, „Uran“ oder „Tschuggnall“ spare.
Bei den Herren ist es ein bisschen besser, indem da neben den spezifischen Karaoke-Koffern Uran und Tschuggnall auch verdiente Künstler wie der Ambros, der Ostbahn Kurti und der André Heller vertreten sind. Reißen wird, meiner Meinung nach, den Preis der Heller, weil der hat heuer seine erste Platte seit zwanzig Jahren herausgebracht, von dem her ist er schon wieder ein bisschen ein Exot und hat den dementsprechenden Bonus. Andererseits hat der Ostbahn Kurti gerade offiziell seine Karriere beendet, vielleicht schmiert ihm da der ORF noch ein Preiserl hintennach. Täte mich nicht wundern. Möglicherweise tricksen sie es auch so hin, dass der Ambros bester Sänger wird, der Ostbahn Kurti kriegt den Preis fürs Lebenswerk und der André Heller den FM4 Alternative Award. Sicher sogar. Obwohl viele ja der Meinung sind, dass eine Kategorie namens Bester männlicher Künstler ohne den bescheidenen Schreiber dieser Zeilen sowieso ein Unding ist an sich, aber so ist das halt. Und was bringt es dir denn, wenn du dich bei jeder Frechheit von diesen Leuten aufregst? Einen hohen Blutdruck bringt es dir und sonst gar nichts.
Bei den Gruppen relativ chancenreich sind die STS mit gewohnt altvaterischer Qualität und die EAV, meine persönlichen Favoriten, die gleichzeitig auch ein heißer Tipp für den FM4 Alternative Award sind, weil genau wie der André Heller war ja auch die EAV immer schon ein bisschen anders, schräg und alternativ.
Naja, schauen wir einmal.
Dank meines einzigartigen Gespürs für das österreichische Musikbiz habe ich bei meiner Amadeus-Prognose fast alle Preise richtig erraten. Die einzige Ungenauigkeit hat sich ergeben, weil mir nicht bekannt war, dass der Peter Kraus einmal mit der Lindner, der ORF-Chefin, in die Handelsschule gegangen ist und von dem her den Preis für das beste Lebenswerk gekriegt hat und nicht, wie ich getippt habe, der Ostbahn Kurti, weil der ist nur der Bruder vom Schauplatz-Moderator. Wenn ich diese Information rechtzeitig gehabt hätte, dann hätte ich natürlich auch das richtig vorhergesagt.
Goldrichtig bin ich dafür bei den Siegen vom Heller und vom Ambros gelegen, indem dass der André bester nominierter männlicher Sänger geworden ist und der Wolfi den FM4 Alternative Award abgeräumt hat, allerdings unter seinem Pseudonym i-Wolf, also quasi umgedreht. Aber wir in der Szene wissen natürlich, wer dahintersteckt.
Übrigens, weil wir gerade bei den Pseudonymen sind: Ich bin ja, darf ich behaupten, der Einzige in der gesamten Branche, der den André Heller mit seinem richtigen Vornamen anreden darf, nämlich Franzi. Bei jedem anderen flippt er da total aus. Dabei ist das ein so ein schöner und, wie ich finde, auch absolut passender Name für ihn. Weil so wie der Heilige Franz von Assisi mit den verschiedensten Tieren sprechen hat können, kommuniziert ja auch der Franzi beziehungsweise André als Multimediakünstler über die verschiedensten Medien mit seinem Publikum und macht es sich so in großen Massen zutraulich.
Gerade habe ich im Radio gehört, dass der Woiferl Ambros mit schweren Verbrennungen im Spital liegt. Ich stehe, wie viele andere in diesem Moment wahrscheinlich auch, direkt unter einem Schock und kann nur das Beste hoffen, beziehungsweise das am wenigsten Schlimme. Woiferl, halt durch.
Das momentane Thema Nummer 1 ist natürlich der Unfall von unserem Woiferl Ambros nur zwei Tage nach seinem Triumph bei der Amadeus-Verlosung, wo man lange nicht gewusst hat, was ist wirklich passiert, und vor allem, wird er wieder? Etliche besorgte Austropop-Liebhaber haben mich sogar am Privat-Handy angerufen und gefragt, Austrofred, du hast ja sicher Informationen aus erster Hand, weißt du etwas Genaueres? Das ist natürlich richtig und ich freue mich, dass ich alle Ambros-Fans beruhigen kann: Dem Woiferl geht es schon wieder viel besser.
Passiert ist das Unglück laut Sonntagskrone, wie der Wolfgang in seinem Gartl in Pressbaum ein paar Äste anzünden hat wollen. Dabei dürfte er unabsichtlich ein bisschen einen zu starken Benzin erwischt haben und es ist zu einer gachen Stichflamme gekommen, die ihm über zwanzig Prozent Körperoberfläche verbrannt hat, und zwar ersten Grades! Der Sanitäter Bauer Martin vom Roten Kreuz Purkersdorf und die Frau Notärztin Dr. Novak haben dann, wie sie nach Pressbaum gekommen sind, den Woiferl sofort erstversorgt und an den angesengten Stellen verbunden. Das hat wild ausgeschaut: Sein Gesicht war komplett einbandagiert, nur Augen und Mund waren zum Sehen, hat ein Augenzeuge gesagt, steht in der Sonntagskrone.
Aber wenn wer glaubt, so etwas kann einen Ambros aufhalten, dann ist er auf dem Holzweg – weil der Woiferl ist aus einem anderen Holz geschnitzt und längst schon wieder am aufsteigenden Ast. Momentan liegt er zwar noch im AKH und kuriert sich aus, aber so wie ich ihn kenne, brennt er schon drauf, dass er bald wieder seinen Fans mit einer zündenden Show und einem Feuerwerk seiner größten Hits so richtig einheizen kann.
Mit den Fans ist es oft so eine zweischneidige Sache: Ich meine, ich stehe total auf meine Fans – klar, ich verdanke ihnen alles, aber es gibt auch Grenzen. Heute waren wir zum Beispiel bei den 2 Lieserln,5 meinem Lieblings-Schnitzellokal, mittagessen, das gesamte Kompetenzteam: der Mitter Klaus, die Weinzettl-Brüder, der Schneckerl und ich. Aber glaubts ihr, ich wäre zum Essen gekommen? Keine Chance! Dauernd ist wer hergekommen und hat gesagt, gehns, Herr Austrofred, meine Enkelin ist ein so ein Fan von Ihnen, die hat ihr ganzes Jugendzimmer tapeziert mit Ihren Posters, könnten Sie mir da nicht gach ein Autogramm schreiben? So ist das die ganze Zeit dahingegangen. Und während sich meine Burschen schon den zweiten Mohr im Hemd hineingestellt haben, wäre ich fast vor dem vollen Teller verhungert, weil jedes Mal, wenn ich mir gerade ein Pommes Frites in den Mund stecken wollte, schon wieder wer um ein Foto mit mir gebettelt hat. Und das ist zwar eine große Ehre für mich, aber halt leider auch eine kleine Sphäre, nämlich eine kleine Privatsphäre. Schön langsam ist es ja fast so, dass ich mein Schnitzel gar nicht mehr in der Gaststube essen will, sondern mich gleich direkt in den Darkroom hineinsetzen lasse.
5 Alt-Wiener-Beisl Zu den 2 Lieserln, Burggasse 63, 1070 Wien.
So schnell geht das im modernen Kommunikationszeitalter: Gerade erst habe ich geschrieben beziehungsweise „gepostet“, dass ich mit dem Schneckerl essen war, und nur zwei Minuten später kriege ich schon das erste E-Mail: He Fred, wieso warst leicht du mit dem Schneckerl essen? Plants ihr leicht ein gemeinsames Projektl, eine Maxi-CD zur Fußball-EM vielleicht?
Ausnahmsweise muss ich euch aber enttäuschen. Nicht von unserem Jahrhundertfußballer Herbert „Schneckerl“ Prohaska war nämlich die Rede, sondern von meinem Teilzeit-Producer Suzuki „Schneckerl“ Yokohama, der mir seit einigen Monaten als MIDI-Programmierer bei der Komponierarbeit zur Hand geht. Nachdem ich nämlich nicht mehr alles selber machen kann, rein zeittechnisch, habe ich mir da ein bisschen Unterstützung von außerhalb geholt, beziehungsweise sogar von ziemlich weit her. Der Schneckerl ist nämlich ein gebürtiger Japaner und spielt als Keyboarder bei ihm daheim bei den Spotlight Tigers, einer sehr angesehenen Emerson, Lake und Palmer-Coverband. Das sagt auch schon einiges über seine Fähigkeiten aus, weil der Keith Emerson, den er da nachspielt, ist ja bekannterweise ein sehr, sehr guter und schneller Keyboarder. Aber diesen Standard derpackt der Suzuki locker. Letzten Donnerstag hat er in der Mittagspause das komplette Tarkus heruntergespielt, fehlerlos, und das ist immerhin eine der anspruchsvollsten Rock-Kompositionen überhaupt.
Schneckerl haben wir den Suzuki übrigens aus einer Gaudi heraus getauft, weil in Wirklichkeit hat er nämlich gar keine geschneckerlten, sondern, ganz im Gegenteil, glatte schwarze Haare mit einem bis ins Genick ausgeprägten Glatzenansatz. Wir haben ihm aber eingeredet, dass Schneckerl auf Österreichisch so etwas wie schöner Mann oder geiler Hund heißt, jetzt hat er sich mords gefreut drüber und gar nicht gecheckt, dass sich andere Leute über diesen Beinamen ziemlich abpecken. Weil er hat am Anfang noch nicht viel Deutsch gekonnt und war völlig auf unsere Übersetzungen angewiesen.
Insgesamt haben wir ihn aber super integriert.
Diese Nacht haben wir nicht nur den Mond im sechsten Haus gehabt, astrologisch gesprochen, sondern sogar den Vollmond im sechsten Wiener Gemeindebezirk, auf den ich aber leidergottes stark allergisch und schlafgestört reagiere – auf den Vollmond, nicht auf den sechsten Bezirk. Weil ich bin ja ein Krebs, von dem her. Jedenfalls bin ich nicht und nicht eingeschlafen. Ich habe mich von links nach rechts gedreht und von rechts nach links, nichts hat geholfen. Dann habe ich drei, vier Bier getrunken, aber von denen bin ich nur noch munterer geworden. Um vier habe ich mich dann zum Komponiertisch gesetzt, damit ich die schlaflose Zeit wenigstens ein bisschen kreativ nutze. Aber Welthit schaut in so einem Zustand natürlich auch keiner heraus.
Vielleicht hat es ja auch gar nichts mit dem Mond zu tun gehabt, dass ich nicht schlafen habe können, sondern mit der neuen Fendrich-Platte. Die liegt mir nämlich schwer im Magen. Ich meine, ich halte den Rainhard für einen absolut kompetenten Kollegen und einen großartigen Künstler und habe selber fast alle CDs von ihm daheim, die meisten sogar als Sicherheitskopien. Trotzdem muss ich sagen, so schwer es mir fällt, mit seiner Neuen ist ihm da leider ein bisschen eine Katastrophe passiert, das ist gar nichts. Ein solcher Schlager-Schwachsinn ist der Marke Fendrich nicht würdig. Dabei haben wir in der Szene schon bei seinem Musical6 gesagt, weiter hinunter geht es nicht.
6 Wake Up – das Musical von Rainhard Fendrich und Harold Faltermeyer ist 2002 im Wiener Raimundtheater uraufgeführt worden. Lange gerannt ist es dann allerdings nicht.
Klar, es ist nicht leicht, wenn du in der Bild-Zeitung als Jahrhundert-Hirsch heruntergedodelt wirst, mit Geweih und allem, und dann sollst du wieder deinen kreativen Output bringen. Aber einen derartigen Leistungsabfall kann ich mir auch damit nicht erklären. Irgendwie wirkt halt der Rainhard momentan ein bisschen uninspiriert und ausgebrannt. Ganz im Gegensatz zum Beispiel zum Ambros, der zwar vielleicht von außen ein bisschen angesengt ist, aber innerlich, also vom Künstlerischen her, lodert bei ihm noch ganz das alte Feuer. Dem Rainhard seine künstlerische Flamme dagegen ist, so wie es ausschaut, verloschen.
Aber jetzt etwas ganz anderes: Seit Neuestem habe ich in meinem Gartl mitten in Wien ein Kauzerl, also einen Wald- beziehungsweise Stadtkauz. Gesehen hab ich ihn noch nicht, aber in der Nacht macht er immer Uhuu uhuu. So uhumäßig halt. Direkt romantisch könnte man werden, wenn man ihm so zuhört, in einer warmen Sommernacht. Schade, dass ich niemanden habe, mit dem ich solche romantischen Gelegenheiten teilen kann.
Lange Zeit habe ich mir nicht erklären können, warum es beziehungstechnisch bei mir nie so recht hingehaut hat, langfristig, weil an und für sich hätte ich ja alles, was sich die handelsübliche Frau unter einem Mann so vorstellt. Mittlerweile habe ich dieses Rätsel aber gelöst, und zwar mit Hilfe der chinesischen Typenlehre. Der Chinese unterscheidet nämlich vom Sexualverhalten her zwischen Tigermenschen und Hasenmenschen, und ich selber, habe ich herausgefunden, zähle dabei zu den Tigermenschen, zu den Angreifern. Das heißt also, ich bin ganz einfach schon von Haus aus kein Beziehungstyp. Ja, so ist das leider, da kann man nichts machen.