Epub cover

Exzellenz durch differenzierten Umgang mit Fehlern

Kreative Potenziale beim Musizieren und Unterrichten

Herausgegeben von

Silke Kruse-Weber

Inhalt

Präludium. Einführung

Stefan Hörmann: Ein fachliches Strukturmodell und Bachs „Kunst der Fuge“. Kompass für das Symposion

Silke Kruse-Weber: Zwischen Instruktion und Konstruktion. Einstellungen zum Lernen, Lehren und zu Fehlern

Andreas Dorschel (Moderation): Interdisziplinäres Roundtablegespräch mit Sibylle Cada, Ilona Funke, Boris Kuschnir und Anthony Maher.

Gerhard Mantel: Die Kunst, die richtigen Fehler zu machen. Zur Ambivalenz des Fehlerbegriffs

Peter Röbke: Die Fehler und das Schöne. Annäherungen an eine Ästhetik des Unvollkommenen

Martin Widmaier: Falsch!? Zur Rolle von „Fehlern“ im Differenziellen Lernen

Sibylle Cada: Schwan, Möwe oder Amsel? Flexible Fehlernutzung beim Lernen und Lehren

Stefan Hörmann (Moderation): Roundtablegespräch Instrumental- und Gesangspädagogik mit Silke Kruse-Weber, Gerhard Mantel, Peter Röbke und Maria Spychiger

Maria Spychiger: Instrumentalpädagogischer Zugriff im Umgang mit Fehlern. Fehlerkultur in konstruktiv(istisch)en Lernprozessen

Manuel von der Nahmer: Im Rampenlicht. Erwartungsdruck im Orchesteralltag

Silke Kruse-Weber: Fallbeispiele. Zum Umgang mit Fehlern im Instrumental- und Gesangsunterricht, beim Üben und Auftreten

Peter Revers: „bizarr, wie chinesisch“. Falsche Töne? Falsches Hören? Falsche Ausgaben?

Tom Sol: Die Stimme, das Singen oder der Sänger? Über das Akzeptieren, Ausgleichen, Ignorieren und Beschönigen von Fehlern

Anthony Maher: Where failure breeds success. And differences in cultural mindsets

Wolfgang Kallus: Antizipation und Aufmerksamkeit bei der Vermeidung von Fehlern. Ergebnisse aus kritischen Flugsituationen im Simulator

Coda

Autorenhinweise

Für eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Thema „Exzellenz durch dif­ferenzierten Umgang mit Fehlern“ steht unter www.schott-musikpädagogik.de zu diesem Buch eine umfangreiche Literaturliste zur Verfügung.

Unter http://exzellenzdurchumgangmitfehlern.wordpress.com sind alle Vorträge des Symposions als Videoaufzeichnung zu sehen.

Falsch!?

Zur Rolle von „Fehlern“ im Differenziellen Lernen

Martin Widmaier

Aus Fehlern wird man klug – also gibt es keine. So ließe sich, stark verkürzt, der Fehlerbegriff im Differenziellen Lernen umschreiben. Ich werde das gleich mit einer Auswahl von Zitaten illustrieren. Wenn in dieser kleinen Kompilation sportliche Tätigkeiten anklingen, dann ist das nicht zufällig so, denn das differenzielle Lernmodell stammt aus den Bewegungs- und Trainingswissenschaften.

„Im Unterschied zur klassischen Trainingsmethodik, die Abweichungen vom Ideal als Fehler definiert, nutzt das differenzielle Training diese Abweichungen als Lerninformation.“1 „Durch Ausführen der möglichen ‚Fehler‘ in sämtlichen Kombinationen wird so der Bereich des individuellen Optimums ‚vom Athleten selbst gefunden‘.“2 „Auch das Ausführen von extremen Schwankungen bzw. Fehlern ist Bestandteil des Differenziellen Lernens und dient dem ‚Abtasten‘ der potentiellen Streugrenzen.“3 „Erlaubt ist bei diesem Ansatz […] alles, was nicht zu Verletzungen führt.“4 „Limitierendes Kriterium bleibt dann lediglich das Regelwerk [der jeweiligen Sportart].“5

Ganz offenbar ist der Fehlerbegriff im differenziellen Lernmodell ungewöhnlich positiv besetzt. Die Liebe geht sogar so weit, dass der abzutastende „Lösungs-“ oder „Interpolationsraum“ synonym auch „Fehlerraum“ genannt wird.6 Während er sich noch über seine Befreiung aus der Schmuddelecke freut, wird der „Fehler“ allerdings schon mitleidlos hinausgekehrt: Die Verwendung des Begriffs impliziere ein vermeintliches Wissen um das „Richtige“. Da dieses „Richtige“ aufgrund unvermeid­barer Schwankungen nur schwer zu konkretisieren sei, werde im Differenziellen Lernen von der Verwendung des Begriffs „Fehler“ abgesehen.7 So nah beisammen liegen Austerlitz und Waterloo!8

Das bereits in diesen wenigen Sätzen aufscheinende differenzielle Lernmodell ist noch verhältnismäßig jung und nicht allgemein bekannt. Deshalb will ich es nun ers­tens ausführlicher schildern, zweitens einordnen, drittens aufs instrumentale Üben anwenden. Das Thema „Fehler“ soll dabei nicht außer Sicht geraten. Schließen will ich mit einem Seitenblick auf Wildpflanzengärten.

Schilderung des differenziellen Lernmodells

1999 veröffentlichte der Bewegungs- und Trainingswissenschaftler Wolfgang Schöllhorn den Artikel „Individualität – ein vernachlässigter Parameter?“ und stellte darin erstmals sein differenzielles Lernmodell zur Diskussion.9 Acht Jahre später wies ich in der Zeitschrift üben & musizieren auf das faszinierende Forschungsprojekt hin. Hier folgt ein längerer Ausschnitt aus diesem Aufsatz:10

„Die etablierten zielgerichteten Lernmodelle haben, so Schöllhorn, folgende Gemeinsamkeiten:

Orientierung an engen, teilweise widersprüchlichen Zielvorgaben,

sukzessive Annäherung an diese Ziele,

Vermeidung von ‚Fehlern‘,

Einschleifung der ‚korrekten Lösung‘ mittels hoher Wiederholungszahlen.

Zwei Tatsachen machen ein solches Lernverhalten fragwürdig:

1. Keine Bewegung ist wiederholbar. Jeder, auch der tausendunderste Versuch weist etwas Neues, zuvor nicht Beobachtetes auf.

2. Bewegungen sind so unverwechselbar wie Fingerabdrücke. Legten wir es darauf an, könnten wir wohl jeden Menschen an seinen charakteristischen Bewegungen erkennen, das gälte für eine Schneeballschlacht wie für eine Speerwurf-Weltmeisterschaft.

Wolfgang Schöllhorn stellt sich auch die naheliegende Frage, was wäre, wenn alle Athletinnen und Athleten brav ‚zielgerichtet‘ trainierten. Sie würden noch immer und weiterhin im Schersprung hochspringen und mit kreisenden Armen skifliegen. Variabilität also kann entweder (im klassischen Sinn) als mangelnde Bewegungskonstanz betrachtet werden oder aber (im systemdynamischen Sinn) als Grundbedingung allen Lernens.

Allerdings ist nicht ‚Variabilität‘ das Zauberwort: Schöllhorn grenzt differenzielles Lernen durchaus ab von Modellen, die Fachkräften bekannt sind als ‚randomisiertes Lernen‘ oder als ‚schmidtsche Schematheorie‘ und die ebenfalls Variabilität thematisieren. Im differenziellen Lernen variieren wir nicht, um uns geeigneten Lösungen zu nähern und ungeeignete Lösungen auszusortieren; vielmehr tasten wir den Lösungsraum im Randbereich ab und öffnen ihn dabei für zukünftiges spontanes Interpolieren. Wir lernen an Unterschieden. Als Beispiel für den Informationsgehalt von Differenzen dient Schöllhorn die paarweise Anordnung unserer Augen: Erst aus der Differenz der Signale erhält das Gehirn Informationen über den Raum.

Differenzielles Lernen geht davon aus, dass eine Verstärkung der in sämtlichen Phasen des Lernprozesses ohnehin auftretenden Fluktuationen eine leistungssteigernde Wirkung besitzt. In Schöllhorns eigenen Worten: ‚durch mehr Unschärfe zu mehr Schärfe‘.

Angenehmerweise vermag Sport das differenzielle Lernen überaus anschaulich zu machen. Stellen Sie sich eine Läuferin vor, die den Sprintstart übt. Erst kauert sie mit rundem Rücken und startet. Dann mit waagrechtem Rücken. Nun liegt sie auf dem Rücken wie ein Maikäfer, springt auf und zugleich in Laufrichtung und beschleunigt. Nun flach auf dem Bauch. Sie befindet sich im Liegestütz, sitzt mit gestreckten Beinen, sitzt im Schneidersitz, kniet beidbeinig, kniet einbeinig, und jedesmal springt sie auf und zugleich in Laufrichtung und beschleunigt. Diese Sportlerin betreibt nicht etwa ein disziplinübergreifendes Grundlagentraining, sie arbeitet tatsächlich am Sprintstart. Würde sie den Lösungsraum zu weit fassen und vielleicht schwimmen und Fahrrad fahren, bliebe jeder spezifische Trainingseffekt aus. Den Sprintlauf selbst übt sie in fünf Akzentuierungen: aktive Fußgelenkarbeit, Fußgelenklauf auf Druck, Anfersen, Kniehebelauf und Stampflauf – und in zahlreichen Variationen: bergauf und -ab, treppauf und -ab, bei Gegen- und bei Rückenwind, mit vorgegebener Schrittlänge, mit vorgegebener Schrittfrequenz, auf der Aschenbahn, dem Rasen und dem Waldboden, im Sand und im flachen Wasser, barfuß, mit Laufschuhen und mit dem Tretroller.

Die Ergebnisse eines solchen Trainings sind durchweg überzeugend. Angeführt sei eine Studie mit kugelstoßenden Sportstudenten. Die klassisch trainierende Gruppe steigerte sich innerhalb von vier Trainingswochen sehr maßvoll; bereits nach zwei trainingsfreien Wochen war der Zugewinn komplett verloren. Die differenziell trainierende Gruppe steigerte sich in denselben vier Wochen signifikant; nach zwei und vier trainingsfreien Wochen zeigte sich nicht etwa ein Rückgang der Leistung, sondern jeweils eine weitere Steigerung!

Wenn ein Musiker einerseits den Kugelstoß, andererseits ein Ballspiel durchdenkt, beispielsweise Volleyball, dann mag ihm Kugelstoß wie Literaturspiel anmuten, Volleyball wie Improvisation. Bemerkenswert ist die vergleichbare Wirksamkeit differenziellen Lernens in so unterschiedlichen Sportarten. Unvermeidbar auftretende Fluk­tuationen werden im differenziellen Volleyballtraining nicht etwa gezielt minimiert, sondern im Gegenteil bewusst vergrößert; entsprechende offene Aufgabenstellungen (baggern wie eine Katze, wie ein Elefant, mit geringer, mit hoher Körperspannung) werden fantasievoll umgesetzt. Dieses stärkere ‚Verrauschen‘ in der Vorbereitung führt dann im Wettkampf zu geringerer Streuung, also zu genauerem Spiel – ein nur vermeintlich paradoxes Ergebnis, denn gerade auf die Adaptationsfähigkeit kommt es ja an.“

So weit mein Aufsatz von 2007. Weil das Ergebnis der Kugelstoß-Studie erhebli­chen Charme hat, will ich die Gelegenheit nutzen und eine grafische Darstellung nachliefern:11

Ergebnis der Kugelstoß-Studie

Die Probanden waren zweimal zwölf Sportstudenten, die „randomisiert auf beide Versuchsgruppen aufgeteilt wurden und in Bezug auf Kugelstoßen als Anfänger bezeichnet werden“ konnten. Beim Prätest erzielten die Gruppen durchschnittliche Weiten von 6,50 respektive 6,51 Metern. Anschließend wurde vier Wochen lang trainiert, und zwar zweimal pro Woche 45 bis 60 Minuten lang. Die klassische Gruppe führte in etablierter Weise 20 bis 25 unterschiedliche Stoßbewegungen aus, die jeweils zehn- bis fünfzehnmal wiederholt wurden, immer mit anschließender Korrekturanweisung; die differenzielle Gruppe etwa 250 unterschiedliche Stoßbewegungen – „ohne eine einzige Wiederholung und ohne Korrekturanweisungen“. Im Posttest hatte sich die Leistung der klassischen Gruppe um 18 Zentimeter, die Leistung der differenziellen Gruppe um 57 Zentimeter verbessert. Damit war die Leistungssteigerung der differenziellen Gruppe in doppelter Hinsicht signifikant: sowohl in sich selbst als auch im Vergleich zur klassischen Gruppe. Noch interessanter sind die Koordinaten der Retentionstests, die nach zwei und vier trainingsfreien Wochen stattfanden. Während die klassische Gruppe bereits nach zwei Wochen auf ein stabiles Ausgangsniveau zurück­gefallen war, also 100 Prozent der Leistungssteigerung wieder verloren hatte, waren der differenziellen Gruppe nach zwei „Erholungswochen“ weitere 16 Prozent, nach vier „Erholungswochen“ sogar 28 Prozent zugewachsen.

Einordnung des differenziellen Lernmodells

Das Differenzielle Lernen nach Schöllhorn ist ein systemdynamisches Modell. Statt „die Existenz von zentralen, hierarchisch geordneten Mechanismen“ zu postulieren, setzt die Systemdynamik „auf die Wechselbeziehung zwischen den Teilelementen des Körpers und der Umwelt“.12 Um die zugrunde liegenden Gedanken besser zu verstehen, ist es nützlich, die ältere „Informationsverarbeitung“ zu kennen, gegen die sich die jüngere „Systemdynamik“ stellt, genauer, die zwei prinzipiellen Ausprägungen des Informationsverarbeitungsansatzes: die kybernetisch orientierte und die programmorientierte Variante. Ich glaube, dass ich diese beiden Varianten schon hinreichend umreiße, wenn ich nur den jeweiligen Korrekturmechanismus skizziere.

Die kybernetisch orientierte Variante des Informationsverarbeitungsansatzes heißt auch Regelkreis, Servomechanismus oder closed loop (geschlossene Schlaufe) und erinnert in der Sache an eine thermostatgeregelte Heizung.13 Von entscheidender Bedeutung ist hier eine Schiedsstelle im zentralen Nervensystem, bei der sowohl detaillierte Rückmeldungen über eine gegenwärtig ablaufende Bewegung eintreffen als auch Informationen zur eigentlich intendierten Bewegung vorliegen. „Wenn die Daten aus den beiden Quellen miteinander übereinstimmen, bedeutet das, dass die Bewegung richtig ist und keine Anpassungen nötig sind. Aber wenn ein Unterschied zwischen der erhaltenen Rückmeldung und dem Referenzwert besteht, dann zeigt das einen Fehler an, und es bedarf einer Korrektur.“14

In der Instrumentaldidaktik erfreut sich diese Auffassung seit Jahrzehnten großer Beliebtheit.15 Meist wird die so genannte „Klangvorstellung“ bemüht und der tatsächlich erzeugte Klang an dieser gemessen, ja, Klangvorstellung und instrumentale Umsetzung werden gar in einer Art Kanon geführt. Selbstverständlich ist es wesentlich, einen möglichst lebhaften „musikalischen Begriff“ auszubilden – so lebhaft, dass er sich jederzeit auch in inneren Klang entfalten lässt. Die Idee einer kanonischen Führung von Klangvorstellung und instrumentaler Umsetzung verkennt aber die Geschwindigkeit, mit der sich Rückmeldungen über die Nervenbahnen bewegen. Und was schwerer wiegt: Vermutlich steht diese Idee einem erfüllten Musizieren im Wege. In Generalpausen etwa müssen alle Vor-Echos schweigen, müssen Musikerinnen und Musiker mit allen Mitteln versuchen, ganz im Hier und Jetzt zu bleiben (siehe Notenbeispiel).

Franz Schubert: Sonate B-Dur für Klavier D 960, 1. Satz, T. 1-9

Während der kybernetisch orientierte Informationsverarbeiter also die elektrischen Signale, die auf den Nervenbahnen hin und her huschen, zur Grundlage eines seriellen Modells macht, betont der Systemdynamiker, dass sich diese bioelektrischen Vorgänge in einem Zeitpaket abspielen (innerhalb von wenigen hundertstel Sekunden) und die serielle Modellierung nicht unbedingt weiterhilft.16 Hinzu kommt die Evidenz, dass Bewegungen auch ohne Rückmeldungen aus dem eigenen Körper möglich sind, gewonnen in Studien mit Tieren und Menschen,17 und die Einsicht, dass in schnellen Bewegungen Rückmeldungen sogar gar keine Rolle spielen, weil die Bewegung bereits ausgeführt ist, bevor die Korrektur einsetzen kann.18

Die programmorientierte Variante des Informationsverarbeitungsansatzes, seit geraumer Zeit stark von Computermetaphorik geprägt, heißt auch open loop (offene Schlaufe). Hier kreist alles um zentral abgelegte „Repräsentationen“ von Bewegungs­mustern, so genannte „motorische Programme“. Wenn eine von einem motorischen Programm verwaltete Bewegung ihr Ziel nicht erreicht, ist entweder ein Fehler in der Wahl des Bewegungsprogramms oder ein Fehler in der Ausführung dieses Programms unterlaufen, wobei die Neuwahl eines Bewegungsprogramms (z. B. seitwärts statt vorwärts gehen) viel zeitraubender ist als das Anpassen eines bereits gewählten Programms (z. B. in dieselbe Richtung weitergehen, aber etwas langsamer).19

Der skeptische Neurowissenschaftler J. A. Scott Kelso kommentiert die Annahme von Repräsentationen und motorischen Programmen wie folgt: „Das erinnert mich an [Erich] von Holsts Studie, in der er einem Hundertfüßer systematisch Beine amputierte und nur drei Beinpaare verschonte. Der Hundertfüßer, der sich normalerweise so fortbewegt, dass zwischen den benachbarten Beinen eine Phasenverschiebung von einem Siebtel auftritt, verfiel spontan in die Gangart eines sechsbeinigen Insekts, ganz egal, wie groß die Lücken zwischen den verbliebenen Beinpaaren waren […] Es ist lächerlich anzunehmen, Hundertfüßer hielten die Repräsentationen aller denkbaren Koordinationsmuster vorrätig für den Fall, dass irgendein einfallsreicher Forscher (oder ein Kind) Amputationen vornimmt.“20

Während der programmorientierte Informationsverarbeiter also von der Existenz motorischer Programme ausgeht, sieht der Systemdynamiker darin schlicht eine entbehrliche Hypothese – ganz abgesehen von mindestens zwei grundsätzlichen Problemen: dem „Speicherproblem“ (angesichts einer riesigen Zahl motorischer Programme) und dem „Neuigkeitsproblem“ (angesichts noch nie zuvor ausgeführter oder ausgedachter Bewegungen).21

So unterschiedlich die Korrekturmechanismen des kybernetisch orientierten und des programmorientierten Informationsverarbeitungsansatzes auch arbeiten, in der Wahl der längerfristigen Fehlerbewältigungsstrategie sind sich die Varianten einig: Damit Bewegungsfehler seltener werden, müssen mehr korrekte Bewegungen durchgeführt werden. Das erinnert mich ein wenig an die frohe Botschaft, die vor mehreren Jahrzehnten die Titelseite der Zeitschrift Titanic zierte: „Hungerproblem gelöst – einfach mehr spachteln“.22

Zur Abrundung will ich noch einen Einwand anführen, der sich gegen beide Varianten des Informationsverarbeitungsansatzes einschließlich deren Kombinationen und Weiterentwicklungen wendet: das, was in der Philosophie regressus ad infinitum heißt, unendlicher Rückgriff. Welcher Regelkreis sorgt dafür, dass der Referenzwert eines Regelkreises konstant bleibt? Welcher Programmierer programmiert den Programmierer? Nachmals J. A. Scott Kelso: „Any time we posit an entity such as a reference level or a program and endow it with content, we mortgage scientific understanding.“23 Konstrukte wie Referenzwerte und Programme belasten wissenschaft­liches Verständnis mit einer Hypothek, die nie wieder abgelöst werden kann.

Vom differenziellen Üben

Wenn wir Bewegungen letztendlich weder steuern (griechisch kybernetes = Steuermann) noch nach Vorschrift ausführen (griechisch pro-gramma = Vor-Geschriebenes), dann ist das Erlernen und Durchführen von Bewegungen – und das Lernen überhaupt – vielleicht wirklich ein systemdynamisches Ereignis. Auch das variantenreiche Üben vieler Musikerinnen und Musiker weist in diese Richtung.

Günter Philipp etwa verdanken wir eine gute Liste relevanter Variablen für das Fach Klavier. „Beim Üben können wir bewußt verändern: das Zusammenspiel der Hände (also einzeln spielen); das Zusammenspiel der Stimmen (also z. B. eine Stimme weglassen); das Tempo; die Dynamik; den Rhythmus; die Phrasierung und die Artikulation; die Spielart, die Spielbewegung, die Anschlagsart; die Intervalle, die Tonart, die Tastenlage, die Fingersetzung; die Oktavlage; die Pedalisierung; das Instrument; den Übungsraum, die akustischen Verhältnisse; den Sitz; die Einstellung der Aufmerksamkeit und die allgemeine psychische Einstellung; die stilistische Haltung, den Ausdruck, die Agogik.“24 Derselbe Verfasser schreibt zwar auch: „Mit Übung im pädagogischen Sinn bezeichnen wir das bewußt kontrollierte Wiederholen von Handlungsabläufen mit dem Ziel ihrer fortschreitenden Vervollkommnung.“25 Dennoch befinden wir uns auf seiner Liste im Grunde schon mitten im differenziellen Üben. Die nun folgenden konkreten Beispiele mache ich an Impulsen von Wolfgang Rüdiger und Thomas Kabisch fest.

Differenzielles Üben bedient sich aller denkbaren Arbeitsmittel. In Wolfgang ­Rüdigers Buch Der musikalische Körper wird unsere Aufmerksamkeit aufs Atmen, Sprechen und Singen gelenkt, auf Mimik, Gestik und Verkörperung. „Wichtigste Mittel der instrumentalen Nachahmung von Sprache und Gesang sind vor allem: Sprechen und Singen des realen und erfundenen Texts mit klarer Vorstellung und Gestaltung der Phoneme, Phrasen, Ausdrucksgesten, mit Einbezug von Handgestik und Mimik; Atmen vor dem Einsatz im Metrum und Ausdruck des Stücks; gesangsähn­liches Artikulieren, Akzentuieren und Ausformulieren der Gedanken; Dynamisieren, Schattieren und Färben des Klangs; atmendes Phrasieren und freies, kantables Gestalten der musikalischen Zeit (Tempo rubato, ohne ins Schleppen zu geraten); mimisch-gestisches Verkörpern des gesamten Instrumentalgesangs.“26

Mit zwei „Textaufgaben“ will ich das beispielhaft illustrieren – die eine von Beethoven, die andere von Schumann. Das Hauptthema des zweiten Satzes aus Beethovens Grande sonate pathétique folgt keineswegs einer simplen Abzählvers-Periodik. Die vom Komponisten gut bezeichnete Phrasierung ist sogar ausgesprochen vielgestaltig. Vorschlag: einerseits bewusst eine unterkomplexe, in zwei Viertakter zerfallende Variante erproben, andererseits die Melodie umsichtig textieren und unbegleitet sowie vielfältig begleitet singen („Geigen-“, „Bratschen-“ und „Cellopart“ am Klavier mit­spielen, auch in allen Kombinationen): „In der Ferne, / hoch am Himmel / Lichter­pracht / einer Sommernacht – / viele tausend Sterne.“

Ludwig van Beethoven: Sonate c-Moll für Klavier op. 13, 2. Satz, T. 1-8

Auch der Beginn der Überleitung im ersten Satz von Schumanns Klavierkonzert heißt keineswegs so, wie er häufig klingt: als wäre neben dem ersten auch der zweite Viertelwert auftaktig, als befänden sich alle Taktstriche um eine Zählzeit weiter rechts.

Das Metrum ist zwar, wie so oft bei Schumann, halb verschleiert. Wird es aber ganz verkannt, geht der Bezug zum Terzgang do-ti-la verloren, der das gerade verdämmerte Hauptthema an allen Ecken und Enden prägte. Wieder wäre einerseits die metrisch verrutschte Varian­te bewusst zu erproben, andererseits die Melodie umsichtig zu textieren und unbegleitet sowie vielfältig begleitet zu singen (Oberstimme der linken bzw. Oberkante der rechten Hand): „Ein Ton, der das Treiben flieht, / ein Ton, der durch Träume zieht, / erklingt in mir, / zerspringt in mir.“

Robert Schumann: Konzert a-Moll für Klavier und Orchester op. 54, 1. Satz, T. 20-25

Ich möchte mich hier nicht als Dichter bewerben! Ich möchte lediglich einen Umweg skizzieren, auf dem der Wechsel von einem Seinszustand in den anderen tatsächlich gelingen kann – während es nur wenig hilft, aufs vorgezeichnete Metrum zu pochen und eine korrekte Akzentuierung einzufordern.

Differenzielles Üben ist immer auch Kontrastieren. Thomas Kabisch bezieht sich in seinem Aufsatz „Singen auf dem Klavier?“ auf Hans Georg Nägelis Ausführungen „über die künstlichen Grundlagen der Instrumentalmusik“ und schreibt: „Durch die Kritik an Kantabilität und Natürlichkeit sichert Nägeli der Instrumentalmusik Eigen­gesetzlichkeit. Man muss sich auf die Individualität des Werkes einlassen, und man kann nicht auf naturgegebene Kriterien zurückgreifen, wenn man Kunstwerke verstehen will. Man versteht Kunstwerke erst einmal nicht. Durch die Kritik an Kantabilität und Natürlichkeit macht Nägeli das Anders-Sein, die Alterität des Kunstwerks deutlich […] Um ein bedeutendes Musikwerk zu verstehen, müssen Spieler wie Hörer jedes seiner Details im präzisen Sinn dialektisch nehmen, d. h. nicht bloß so wie sie sind und wie sie eingefügt sind in das real erklingende Ganze, sondern im Horizont ihrer Möglichkeiten, die das tatsächlich realisierte Klang- und Beziehungsgeflecht übersteigen. Indem der Spieler-Hörer also die Dialektik des Musikalischen vollzieht, befreit er sich vom Zwang der komponierten Zusammenhänge. Indem er das Werk im Horizont seiner Möglichkeiten hört, befreit er sich von der Gängelung durch den Komponisten. Durch die sich immer erneuernde Fremdheit des Werks wird individuelle musikalische Erfahrung erst möglich – und wie anders denn individuell wäre sie denkbar.“27

Betrachten wir nochmals den Beethoven-Achttakter und erforschen das Verhältnis zwischen Akkordzerlegung und Melodie. „Dazu als Motto ein Satz aus den Notes sur Chopin von André Gide: ‚Pourquoi ne pas laisser le chant surgir et se dégager doucement de l’accompagnement?‘ (Warum lässt man nicht den Gesang aus der Begleitung entstehen und sich sanft von ihr lösen?)“28 Zuerst führe ich den Tonsatz auf vierstimmige Akkorde zurück, dann verflüssige ich ihn wieder und spiele ein bachisches „Präludium“ und eine schumanneske „Studie“, improvisiere auch mit diesen Formeln. Fingern wie Ohren eröffnet sich eine neue Perspektive:

Auch im Fall des Schumann-Konzerts gebe ich ein Antidot, vielleicht mit zwei Tocca­­ten-Figurationen. Dabei lerne ich die wichtigen zweitobersten Töne besser kennen, begeistere mich für sparsamen Pedalgebrauch und werde gewahr, dass die originalen Quintolen, so unruhig sie wirken, gar nicht sehr schnell sind:

Mit den bewussten Fehldeutungen, den Texten, den Figurationen und zahllosen weiteren Arbeitsmitteln taste ich den Randbereich des „Lösungs-“, „Interpolations-“ oder „Fehlerraums“ ab. Ich beschäftige mich sehr gründlich mit der musikalischen Aufgabenstellung und übe wieder und wieder meine Adaptationsfähigkeit. Mein Verständnis und meine Chuzpe wachsen Hand in Hand.29

Ein Seitenblick auf Wildpflanzengärten

Seit einigen Jahren wird die musikpädagogische Debatte vom Phänomen des „wilden Lernens“ belebt.30 Im Blickpunkt steht vor allem das autodidaktische Lernen (vielleicht mit einer Grifftabelle oder einem YouTube-Video) und das praxisgemeinschaftliche Lernen (sei es im Probenkeller oder im venezolanischen Sistema), beide als Gegenentwürfe zum im Unterrichtsraum verorteten „formalen Lernen“. Doch wie wild ist wildes Lernen wirklich?

Wildpflanzengärten jedenfalls haben ein Problem: Sie entstehen nicht so recht von selbst. Auf freien Flächen siedeln sich nur wenige, sehr rücksichtslose und sehr durchsetzungsstarke Arten an – „Rispengras, Quecke, Vogelknöterich, Giersch, Acker­winde, Brennnesseln, Kratzdisteln und so weiter […] Was fehlt, ist die Vielfalt. Was fehlt, ist das Besondere.“31 Hunderte von geeigneten und erwünschten Arten können die Distanz zur Freifläche nicht oder nicht rechtzeitig überwinden. Wenn meine Beobachtung zutrifft, ist es mit dem „wilden Lernen“ ganz ähnlich: Immer wieder werden dieselben Wege ausgetreten. Was fehlt, ist das vielfältige und das besondere Vorgehen. Mit der Wildheit ist es oft nicht weit her.

Ohne die unterschiedlichen Orte aufzuheben, könnte es dem Differenziellen Lernen gelingen, „formale“ und „wilde“ Aspekte miteinander zu versöhnen. Ich vermute sogar, dass das differenzielle Lernmodell in der Lage ist, eine neue Form ins „formale“ und eine neue Wildheit ins „wilde“ Lernen zu tragen. Für einen wäre das Austerlitz und Waterloo zugleich: für den Fehler

1 Michael Sechelmann/Wolfgang Schöllhorn: „Differenzielles Training im Fußballpassspiel“, in: Jürgen Krug/Thomas Müller (Hg.): Messplätze, Messplatztechnik, Motorisches Lernen, Sankt Augustin 2003, S. 134-138, hier: S. 134.

2 Wolfgang Schöllhorn: „Individualität – ein vernachlässigter Parameter?“, in: Leistungssport 2/1999, S. 5-12, hier: S. 10.

3 Wolfgang Schöllhorn/Hendrik Beckmann/Daniel Janssen/Maren Michelbrink: „Differenzielles Lehren und Lernen im Sport. Ein alternativer Ansatz für einen effektiven Schulsportunterricht“, in: Sportunterricht 2/2009, S. 36-40, hier: S. 38. Die Prädikate „sind“ und „dienen“ habe ich aus dem Plural in den Singular gesetzt.

4 Wolfgang Schöllhorn/Peter Hurth/Thorsten Kortmann: „Grundlagen des differenziellen ­Lernens beim alpinen Skifahren. Teil 2: Praktische Konsequenzen aus den biomechanischen Betrachtungen“, in: Leistungssport 4/2007, S. 58-62, hier: S. 58.

5 Jens Römer/Wolfgang Schöllhorn/Thomas Jaintner/Rüdiger Preiss: „Differenzielles Lernen im Volleyball. Ein Unterrichtsvorhaben zur Verbesserung der Annahme“, in: Sportunterricht 2/2009, S. 41-50, hier: S. 44.

6 Sechelmann/Schöllhorn, S. 136.

7 Mathias Koepsel/Wolfgang Schöllhorn: „Differenzielles Training im Tischtennis. Teil 2. Meister werden ohne Übung“, in: VDTT-Trainerbrief 1/2006, S. 4-11, hier: S. 5.

8 Die Zeichnung entstammt Wilhelm Buschs Veröffentlichung Dideldum! von 1874. Eine erste Fassung war vier Jahre zuvor unter dem Titel Wie man Napoliums macht erschienen.

9 siehe Anmerkung 2.

10 Martin Widmaier: „Differenzielles Lernen. Sachgemäßes Üben im Randbereich des Lösungsraums“, in: Üben & Musizieren 3/2007, S. 48-51, hier: S. 49. Quellenangaben zu den einzelnen Aussagen finden sich dort.

11 Die grafische Darstellung wurde freundlicherweise von Hendrik Beckmann zur Verfügung ­gestellt. Die Beschreibung folgt Wolfgang Schöllhorn: „Differenzielles Lehren und Lernen von Bewegung. Durch veränderte Annahmen zu neuen Konsequenzen“, in: Hartmut Gabler/Ulrich Göhner/Frank Schiebl: Zur Vernetzung von Forschung und Lehre in Biomechanik, Sportmotorik und Trainingswissenschaft, Hamburg 2005, S. 125-135, hier: S. 130 ff. Einige Angaben habe ich gemäß folgendem Artikel präzisiert: Hendrik Beckmann/Wolfgang Schöllhorn: „Differenzielles Lernen im Kugelstoßen“, in: Leistungssport 4/2006, S. 44-50, hier: S. 46.

12 Jürgen Birklbauer: Modelle der Motorik. Eine vergleichende Analyse moderner Kontroll-, Steuerungs- und Lernkonzepte, Aachen 2006, S. 116.

13 Der Vergleich mit der thermostatgeregelten Heizung findet sich in der einschlägigen Literatur recht häufig, so auch in Birklbauer, S. 498.

14 Richard A. Schmidt/Timothy D. Lee: Motor Control and Learning. A Behavioral Emphasis, Champaign (Illinois) 2011, S. 158, von mir übersetzt. Original: „If feedback from the two sources is the same, the implication is that the movement is correct and that no adjustments are necessary. But if a difference exists between the feedback received and the reference, then an error is signaled and a correction is required.“

15 vgl. z. B. Günter Philipp: Klavierspiel und Improvisation. Ein Lehr- und Bekenntnisbuch über musikalische, technische und psychologische Grundlagen, Altenburg 2003, S. 260-263.

16 Laut J. A. Scott Kelso: Dynamic Patterns. The Self-Organization of Brain and Behaviour, ­Cambridge (Massachusetts) 1997, S. xiii gehen in den biologischen und psychologischen Wissenschaften bloße Umschreibungen der Fakten häufig als Theorie durch. Und laut Birklbauer, S. 500 findet im Informationsverarbeitungsansatz „die Einheit von Wahrnehmung und Bewegung keine konzeptionelle Entsprechung“. Auf den Begriff „Zeitpaket“ bin ich in folgendem Artikel gestoßen: Fabienne Hübener: Jeder hat seine eigene Zeit, www.fabtext.de/magazin.php (Stand: 15. Januar 2012).

17 Birklbauer, S. 51 unter Verweis auf James A. Adams.

18 ebd., S. 51 unter Verweis auf Richard A. Schmidt.

19 Schmidt/Lee, S. 201-204. Hier werden „errors in program selection“ und „errors in program execution“ ausführlich miteinander verglichen.

20 Kelso, S. 196, von mir übersetzt. Original: „I’m reminded of von Holst’s study in which he sys­tematically amputated the legs of a centipede, leaving only three pairs intact. ­Regardless of how large an anatomical gap was left between remaining legs (up to five segments), the centipede, which normally walks with adjacent legs about one seventh out of phase, assumed the gait of a six-legged insect. It’s ridiculous to suppose that the centipede stores all possible represen­tations of coordination patterns in anticipation that some innovative experimenter (or child) might perform an amputation.“ Erich von Holst (1908-1962) war ein deutscher Physiologe.

21 Birklbauer, S. 59 f.

22 Titanic 12/1980.

23 Kelso, S. 34.

24 Philipp, S. 326. Die Nummerierung habe ich weggelassen.

25 ebd., S. 380.

26 Wolfgang Rüdiger: Der musikalische Körper. Ein Übungs- und Vergnügungsbuch für Spieler, Hörer und Lehrer, Mainz 2007, S. 60. Die Aufzählungszeichen habe ich weggelassen.

27 Thomas Kabisch: „Singen auf dem Klavier? Hans Georg Nägeli über die künstlichen Grund­lagen der neueren Instrumentalmusik“, in: EPTA (Hg.): Zuhause sein im Tonsystem. Dokumentation 2008/2009, Düsseldorf 2011, S. 19-28, hier: S. 23 f. und 28.

28 Thomas Kabisch: „Mendelssohn spielen! Aber wie? (Teil 1)“, in: EPTA (Hg.): Haupt- und Nebenwege der Romantik. Dokumentation 2009/2010, in Vorbereitung.

29 Das Wort „Chuzpe“ in der Bedeutung „charmante, kraftvolle und intelligente Frechheit des ‚Jetzt spielen wir einfach‘“ habe ich aus folgendem Text übernommen: Peter Röbke: „Lösung ­aller Probleme? Die ‚Entdeckung‘ des informellen Lernens in der Instrumentalpädagogik“, in: Peter Röbke/Natalia Ardila-Mantilla (Hg.): Vom wilden Lernen. Musizieren lernen – auch außerhalb von Schule und Unterricht, Mainz 2009, S. 11-29, hier: S. 26.

30 Insbesondere fand 2009 in Wien ein Symposium zu formalen und informellen Lehr- und Lernprozessen statt, das in der eben genannten Veröffentlichung resultierte.

31 Reinhard Witt: Wildpflanzen für jeden Garten. 1000 heimische Blumen, Stauden und ­Sträucher, München 1995, S. 8.

Schwan, Möwe oder Amsel?

Flexible Fehlernutzung beim Lernen und Lehren

Sibylle Cada

Präludium

Es ist nicht wirklich möglich zu beschreiben, was sich in einer Unterrichtssituation ­ereignet. Es ist hingegen möglich, Ansätze für Interventionen zu benennen. Es ist weiterhin möglich zu beschreiben, wie sich aus Beobachtung und Analyse von „Fehlern“ ein Arbeitsthema setzen lässt. Darstellbar sind auch die zur Bearbeitung eingesetzten Methoden. Die Interaktionen (insbesondere die nicht verbalen) entziehen sich jedoch fast gänzlich einer Beschreibung mit Worten. Wie habe ich mimisch, ges­tisch und in welchem Tonfall einem 11-jährigen, schon recht kompetenten Schüler gesagt: „Du hast die Wahl!“, wenn wir Gestaltungsalternativen probierten und ich ihm die Perspektive einer eigenen Entscheidung mitgeben mochte? Wie drücke ich mich gegenüber einer eher scheuen 9-jährigen Schülerin aus, um ihr zu signalisieren, dass ich ihr „Kredit“ gebe, ihr etwas zutraue? Auf welche Weise gelingt es mir, ihr deutlich zu machen, dass ein „Noch-Nicht“ kein persönliches Defizit, sondern eine Lerngelegenheit darstellt? Mit welchen Formulierungen, mit welchen sie begleitenden non-verbalen „Färbungen“ kommuniziere ich mit einer professionellen jungen Pianistin, um auf Augenhöhe Arbeits- und Interpretationsprinzipien zu thematisieren? Welche Signale sind notwendig, um bei Lernenden Selbstinstruktion zu initiieren und ihnen darüber hinaus ein Gefühl von Selbstwirksamkeit zu vermitteln?

Im Folgenden werden drei Unterrichtssituationen im Rahmen eines Workshops geschildert und in Exkursen reflektiert. Im Anschluss an die Darstellung der Arbeitsphasen werden ausgewählte Kommunikationsakte stichwortartig benannt.

Unterrichtssituation 1: „Was ist schön?“ – Ein Dialog

Ausgangssituation: Der 11-jährige Schüler spielt sein Stück, eine Scarlatti-Sonate, schon recht sicher und freundlich.

„Welches waren deine Übe-Ziele in der vergangenen Woche?“ – „Ich möchte das Stück schön spielen.“ – „Was meinst du mit schön? Schön kann ja vieles sein: zart, verträumt, schwärmerisch, vielleicht auch heftig. Sollten wir nicht eher davon sprechen, dass wir der Musik einen bestimmten Charakter geben? – „Es soll leidenschaftlich sein.“ – „Wie können wir das machen?“ – „Mehr Dynamik in die Musik bringen.“ – „Ja! An welchen Stellen wollen wir das probieren?“

Im Folgenden arbeiten wir an dynamischen Tonverbindungen, am Erkunden und Erfahren entsprechender Körperempfindungen in Beziehung zum Instrument, Erforschen und Erkennen der Bedeutung struktureller Gegebenheiten wie Harmonik, Tonart­wechsel, formale Bezüge, Intervallspannungen („Ich glaube, du magst Septimen?!“).

„Jetzt habe ich wunderschöne dynamische Tonverbindungen gehört. Nun habe ich aber noch eine ,verrückte‘ Frage: Du wolltest doch, dass das Stück leidenschaftlich klingt. Kannst du mir vielleicht zeigen, welches Gesicht dazu passt?“

Zum Abschluss erfreuen wir uns an einer deutlich ausdrucksstärkeren Version.

Kommunikationsakte

Thema setzen und darüber Konsens herstellen

Orientierung geben (personal und inhaltlich)

Kompetenzen (Methoden, Analysestrategien) vermitteln

Feedback als Wahrnehmungsrückmeldungen

Vertrauensvorschuss geben

positiv „verunsichern“

Exkurs I – Fehleranalyse als pädagogische Aufgabe

Etwas als Fehler zu bezeichnen, ist abhängig vom Kontext und von einem definierten und erreichbaren Ziel.

Etwas als Fehler zu bezeichnen, ist nur möglich, wenn „das Richtige“ in der Kompetenz des Handelnden liegt (bei jungen Kindern noch nicht immer gegeben!).

n Etwas als Fehler zu bezeichnen, ist nur da möglich, wo es eine Alternative gibt.

Im Sinne einer entwickelten Fehlerkultur stellen Fehler eine Herausforderung an die gemeinsame Problemlösekompetenz von SchülerInnen und LehrerInnen dar. Um Fehler als Lern- und Problemlöse-Anlass zu verstehen und zu nutzen, müssen wir sie beschreiben, verstehen und einordnen können.

Fehler haben ganz unterschiedliche Ursachen. Für ihre Bearbeitung ergeben sich daraus auch unterschiedliche Interventionsansätze. Ich schlage eine Klassifizierung von Fehlerquellen vor, die diese auf drei Ebenen verortet: auf einer Sach-Ebene, auf einer strategischen Ebene (Methodenkompetenz) und auf einer (individuell-psychologischen) Verhaltensebene. Die jeweils hier angesprochenen möglichen Fehlerursachen sind als Beispiele zu verstehen.

Sach-Ebene

Fehler auf dieser Ebene haben meist ihre Wurzeln da, wo es (noch) an Können und Wissen mangelt. Fehlerursachen können zurückzuführen sein auf die nicht angemessene Schwierigkeit von Stücken, auf grundsätzliche technische Mängel, auf ungünstige Fingersätze oder Bogeneinteilungen. Eine Störung etablierter Bewegungsschemata, ungenaues Lesen, Gedächtnislücken sowie unzureichende Klarheit über die musika­lische Struktur eines Stücks oder mangelndes musikalisches Verständnis und Wissen stellen weitere mögliche Fehlerursachen auf dieser Ebene dar.

Strategische Ebene

Fehler auf dieser Ebene ergeben sich meist durch „schlechtes“ Üben, das heißt durch mangelnde Kenntnis allgemeiner Lerngesetzlichkeiten und noch ungenügend zur Verfügung stehende Übe-Methoden. Fehler entstehen z. B. durch Überforderung der Aufmerksamkeit, eine zu große Lernmenge, unklare (Teil-)Ziel-Definitionen, ungenaue Lokalisation von Fehlern, nicht angemessenes Lerntempo, unzureichende oder ineffiziente Methoden, fehlende Trennung von einzelnen Parametern in Wahrnehmung und Bearbeitung.

Psychologische Verhaltensebene

Für unsere Unterrichtskommunikation stellt diese Ebene zweifellos die sensibelste dar. Geht es doch um Aspekte der Persönlichkeit unserer Schülerinnen und Schüler, die ihre individuellen Prägungen und Erfahrungen im Umgang mit Fehlern in ihren Inst­rumentalunterricht mitbringen. Zu diesen Variablen gehören Phänomene wie Angst vor Misserfolg, ein unrealistischer Perfektionsanspruch, mangelnde Frustrationstoleranz, eine begrenzte Ausdauer, Angst vor Risiko (verhindert experimentierendes Üben). Besonders hemmend auf den Übeprozess wirkt sich eine bereits ausgeprägte Fehlerangst aus, die sich in einem häufig zu beobachtenden Fehlervermeidungsverhalten ausdrückt.

Unsachliche, urteilende oder negativ getönte Fehlerrückmeldungen verstärken ein solches Verhalten – meist mit der Folge seelischer und körperlicher Verspannungen, gar Angst. Schon bei Horaz finden wir die Äußerung: „In Fehler führt uns die Flucht vor Fehlern.“ Und Martin Weingardt formuliert: „Je intensiver man dem Fehlervermeidungsprinzip huldigt, desto größer wird langfristig die Wahrscheinlichkeit, dass sich massive Fehler ereignen. Je ausgeprägter die Grundhaltung der Fehlervermeidung ist, desto geringer ist die Bereitschaft zum Aufnehmen von Ungewohntem, zum Umlernen und Anpassen.“1

Unterrichtssituation 2: Schwan, Möwe oder Amsel? – Flexible Fehlernutzung

Ausgangssituation: Die Schülerin spielt das Stück „Die Lerche“ von Michail Glinka (rechte Hand: Melodie, linke Hand: Begleitfiguren aus gebrochenen Dreiklängen) noch etwas stockend und in Anschlag und Dynamik wenig differenziert.

Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass sie den Titel noch nicht kennt und lediglich weiß, dass von einem Vogel die Rede ist. Zudem berichtet sie, dass als Arbeitsfeld im Augenblick das Erarbeiten von „Alberti-Bässen“ definiert sei.

In der besonderen Situation eines Unterrichts vor Publikum kommuniziert das eher scheue Mädchen vorzugsweise nonverbal. Die Schülerin scheint auch noch nicht sehr autonom in ihrem Üben zu sein. Es liegt daher nahe, sich als (nicht vertraute) Lehrende für Kommunikationsakte zu entscheiden, die sowohl Arbeitsthemen setzen als auch Lernwege anbieten und so für Orientierung und Sicherheit sorgen.

Exkurs II – Lehrende als Lernprozess-Begleiter

Aus konstruktivistischer Sicht hängt das, was jemand lernt, in hohem Maß von seinen persönlichen Erfahrungen ab. Das bedeutet, dass Lehrende sich in die innere Wirklichkeit des Lernenden einfühlen und an dessen Vorerfahrungen und Einstellungen anknüpfen müssen. Lehrende sollten eine Lernsituation schaffen, in der Lernende eine Perspektive auf ihr eigenes Lernen entwickeln und sich selbst, ihre Lücken und ihre Schwierigkeiten quasi „von außen“ wahrnehmen können. In der Beschäftigung mit dem Lerngegenstand sollten Lehrende durch entsprechende Impulse neue Perspek­tiven und denkbare Alternativen aufzeigen sowie Methoden anbieten. Ein in dieser Weise gestalteter Lernprozess erleichtert das Lernen, ist fehlerfreundlich und fördert die Entwicklung autonomen Lernens. Lehrende verstehen sich im Kern als Lern-Berater, als Lernprozess-Begleiter.

Schwan, Möwe oder Amsel? – Fortsetzung

Wir entdramatisieren die Fehler („was noch fehlt“), indem wir das Publikum einbeziehen und fragen, welcher Vogel in dem Stück wohl dargestellt wird. Aus den Vorschlägen Schwan, Möwe oder Amsel wählen wir den Schwan als Arbeitsanlass. Durch Fragen2 (punktuell auch mit dem Publikum rückgekoppelt) entwickelt die Schülerin eine Vorstellung des Schwans, wie er aussieht, wie er sich bewegt, wo er lebt – „auf dem Wasser“. Wasser ist das assoziative Stichwort, um die Möglichkeiten differenzierter Klanggestaltung am Instrument (Anschlag, Dynamik, Pedaleinsatz) für die Figuren der linken Hand zu erproben und zu erfahren. Meine Frage, wie diese Figuren sich denn anhörten, wenn es sich nicht um einen Schwan, sondern um einen Storch handelte, soll eine zusätzliche Verdeutlichung der Charakterisierung bewirken.

Zur Gestaltung der kantablen Melodie nähern wir uns in einem wiederum durch Fragen gelenkten Gespräch an den eigentlichen Titel des Stücks Die Lerche an. (Dass es sich um einen Singvogel handelt, gehört erkennbar für die Schülerin noch nicht zu ihrem Erfahrungsbereich und wir vereinbaren, dass sie sich entsprechend kundig macht). Zur Gestaltung melodischer Linien widmen wir uns dem dynamischen Profil von Phrasen. Die Schülerin soll herausfinden, wo die Melodiebausteine jeweils ihren wichtigsten Ton (ihren Zielton) haben. Wir „bleiben dran“: Sie soll versuchen, sich auch durch Bewegung im Raum den energetischen Verlauf der Phrase zu erschließen.

Es schließt sich eine Arbeitssequenz an, in der die Schülerin aufgefordert ist, ­dynamisch gestaltete Tonverbindungen wahrzunehmen und möglichst identisch nach­zuspielen. Den Abschluss bildet eine gemeinsame improvisatorische Musizierphase mit dem Tonmaterial einiger Akkorde des Stücks, denen die Schülerin eine sehr ­persönliche Bedeutung („Mama-Akkord“, „Papa-Akkord“, „Mein Lieblingsakkord“) ­gegeben hat. Über diesen Akkorden lässt die kleine Pianistin improvisierend in kleinen schnellen Figurationen die Lerche trällern.

Kommunikationsakte

durch Einfühlen und Perspektivwechsel Vertrauen herstellen

führen durch Fragen

assoziative „Brücken“ bauen

Vor- und Nachmachen

(Selbst-)Wahrnehmung anregen und einfordern

„dranbleiben“ und ermutigen

Exkurs III – Fehleroffenheit und Fehlernutzung

Martin Weingardt3 hat ein interessantes Konzept für den differenzierten und flexiblen Umgang mit Fehlern entwickelt, das auch für den Instrumentalunterricht spannende didaktische und kommunikative Zugänge bieten kann. Ich habe einige der von ihm angesprochenen Möglichkeiten einer vielfältigen Fehlernutzung ausgewählt:

Fehler als Lernanlass: Der Fehler ist ein Indiz dafür, dass eine Verbesserung von Wissens- und Handlungskompetenz anzustreben ist.

Fehler als operativ-analytischer Helfer: Durch den Fehler kann ein Problem eingekreist und durch Lösungsvarianten behoben werden.

Fehler als Fenster: Gründliche Fehleranalysen stellen einen Schlüssel dar, unerkannte Strukturen (etwa kindlicher) Denkabläufe zu verstehen.

Fehler als Kontrastmittel: Hilft zu erkennen, wie etwas nicht ist oder funktioniert und wie es tatsächlich ist oder geht.

Fehler als „Maßgeber“: als Hilfe zur realistischen Einschätzung momentaner Gegebenheiten (z. B. realistische erreichbare Ziele) bzw. der potenziellen Möglichkeiten und Grenzen einer Person (z. B. Durchhaltevermögen, Leistungsbereitschaft).

Fehler als „Sparring-Partner“: Fehler-Feedback unterstützt den Erwerb von Kompetenzen und Fähigkeiten.

Fehlerereignisse als „Trainer menschlicher Qualitäten“: Frustrationstoleranz, Geduld und Ausdauer lernen, Selbstkritik entwickeln.

Fehler als Solidarisierungsanlass: Verständigung über das Problem und seine Lösung, Konsens-Orientierung, Hilfe anbieten und annehmen, durch Fehlerereignisse Verbundenheit erfahren und soziales Handeln einüben können.

Unterrichtssituation 3: Mozart – Fehlerkultur im professionellen Handeln

Ausgangssituation: Thema der dritten Workshop-Arbeitsphase war der erste Satz der Sonate B-Dur KV 333 von Mozart, gespielt von einer vor ihrem Abschluss stehenden Studierenden der Kunstuniversität Graz.

Diese Arbeitsphase soll hier nur kurz skizziert werden, um dann einige grundsätzliche Überlegungen anzuschließen. Zunächst war eine aufgetretene Gedächtnislücke Anlass, über verbesserte Strategien zur „vernetzten“ Absicherung von musikalischen Texten zu sprechen, neben der kognitiven Klärung z. B. auch das „Körper-Gedächtnis“ zu aktivieren.

Kern der gemeinsamen Arbeit war die Erprobung gestalterischer Alternativen (des Hauptthemas sowie einiger ausgewählter Passagen) über die korrekte Realisierung des Notentextes hinaus. Es entwickelte sich ein Dialog, in dem grundlegende Aspekte von Interpretation zwischen Verantwortung gegenüber der Musik und individueller künstlerischer Freiheit zur Sprache kamen: an strukturellen, ästhetischen und stilistischen Gegebenheiten orientierte Textauslegung, improvisierendes Erkunden von möglichen Varianten, Treffen begründeter Entscheidungen, kommunikative Aspekte der Darstellung.

Kommunikationsakte

„kollegiale“ Interaktion

informieren

beraten

klare Rückmeldung von Mängeln

Konsens herstellen

Offenheit für individuelle Entscheidungen signalisieren

Vorschläge begründen

Unterscheidung zwischen prinzipiellen Aspekten und persönlichen Auffassungen ermöglichen

Coda

„Ein problematischer Punkt in der Diskussion um Unterrichtsziele ist die Einengung des Zielbegriffs auf Ziele im Sinne von finalen Lernergebnissen, die sich als abgeschlossenes Endprodukt eines Lernvorgangs zeigen. Ausgeblendet wird dabei die Tatsache, dass Ziele von Unterricht auch im Ermöglichen von Lernerfahrungen liegen können, die sich direkt aus dem Lernprozess heraus ergeben bzw. diesen selbst auslösen.“4 Implizit spricht Andreas Doerne mit dieser Äußerung an, dass es in der Inst­rumentalpädagogik häufig (noch) an einem produktiven und kreativen Umgang mit Fehlern mangelt. Er konstatiert die in der Ausbildung im Allgemeinen zu starke Fokussierung auf „Ergebnisziele“ und die in der Konsequenz ungenügende Integration von „Prozesszielen“.

Verengt sich das Üben auf korrekte Reproduktion, auf „richtig-falsch“ sowie auf die Automatisierung verlässlich funktionierender Spielabläufe, wird die Arbeitsfantasie von Musikerinnen und Musikern erheblich eingeschränkt. Welche erweiterten Lern- und Interpretationsspielräume sich durch einen fehlerfreundlichen und fehlertoleranten Umgang des Musizierenden mit sich selbst auftun, war eine eindrucksvolle Erfahrung in zwei interdisziplinären Seminaren zum Thema „Üben und Fehlerkultur“ an der Musikhochschule Frankfurt. Veranstaltet wurde dieses Pilotprojekt von Maria Spychiger als Wissenschaftlerin, die schon geraume Zeit Pionierarbeit auf diesem Gebiet leis­tet, und mir als Praktikerin. Wir alle haben erfahren, dass Lernen und Lehren unter dem Primat einer umfassenden Fehlerkultur keineswegs bequem ist, denn es schließt zwingend eine klare Benennung von Defiziten und Problemstellungen ein. Wir haben aber auch erfahren, dass alle Beteiligten durch die Integration von Handeln und Reflexion, nicht-hierarchischer Interaktion sowie von didaktischer Fantasie einen bedeutenden Zuwachs an künstlerischer Profilierung und Selbstwirksamkeit gewonnen haben.

1 Martin Weingardt: Fehler zeichnen uns aus. Transdisziplinäre Grundlagen zur Theorie und Produktivität des Fehlers in Schule und Arbeitswelt, Bad Heilbrunn 2004, S. 257.

2 Fragen sind ein wesentlicher Teil des pädagogischen Methodenrepertoires. „Ein genauerer Blick auf die scheinbar harmlose Methode des Fragens zeigt, dass es sich um eine Form der Intervention handelt, die nicht unterschätzt werden sollte. Es ist unmöglich, Fragen zu stellen, ohne damit zugleich bei den befragten Personen eigene Ideen anzustoßen.“ (Schlippe/ Schweitzer) Fragen lenken die Aufmerksamkeit, zudem können Fragen von Menschen leichter angenommen werden als Aufforderungen oder gar Befehle. Vgl. Arist von Schlippe/Jochen Schweitzer: Systemische Interventionen, Göttingen 2010.

3 a. a. O., S. 274-276.

4 Andreas Doerne: , Wiesbaden 2010, S. 113.