Inhalt

  1. Cover
  2. Was ist DER HEXER?
  3. Der Autor
  4. Vorwort
  5. Titel
  6. Impressum
  7. Labyrinth der weinenden Schatten
  8. Vorschau
  9. Die Serie auf einen Blick
  10. E-Book-Titel von Wolfgang Hohlbein
  11. Unsere Empfehlungen

Was ist DER HEXER?

Der Hexer ist eine Romanserie in der Tradition von H.P. Lovecraft, geschaffen von Wolfgang Hohlbein, der auch die meisten Folgen schrieb. Das Epos wurde 1984 in der Reihe »Gespenster-Krimi« begonnen und später als eigenständige Serie unter »DER HEXER« und schließlich als Paperback und Sammeledition fortgesetzt.

Die Geschichte spielt hauptsächlich in London des 19. Jahrhunderts und verstrickt den Hexer Robert Craven und später auch seinen Sohn in fantastisch-schaurige Abenteuer. Immer wieder kommt es dabei zu Begegnungen mit den GROSSEN ALTEN – göttergleichen Wesen, die den Menschen feindlich gesonnen sind – und deren Vertretern auf der Erde.

Der Autor

Wolfgang Hohlbein ist ein Phänomen – einer der produktivsten Autoren fantastischer Literatur mit mehr als hundertsechzig Büchern und einer Weltauflage von über vierzig Millionen Exemplaren! Bekannt wurde er neben seinen Jugendbüchern vor allem durch den Romanzyklus DER HEXER. Die E-Book-Sammleredition präsentiert die Hexer-Geschichten als »Director’s Cut« in ihrer ursprünglichen Form und in chronologischer Reihenfolge, gespickt mit vielen Hintergrundinfos.

Vorwort

Wolfgang Hohlbein gibt in ebenso informativen wie amüsanten Vorworten Einblick in die heiße Schaffensphase der Hexer-Reihe. Seine Anmerkungen beziehen sich dabei in der Regel gleich auf mehrere E-Book-Folgen. Hier das Vorwort zu Band 13 bis 15.

Die Geschichte mit der Katze hatte ein Nachspiel, aber es sollte eine Weile dauern. Der Siegeszug des Hexers hielt unaufhaltsam an (dachten wir), und die begeisterten Leserbriefe stapelten sich immer höher auf Michaels Schreibtisch. Damals waren Verlage noch viel eher bereit, ein gewisses (*hüstel*) Risiko einzugehen, und so stand schon bald die Frage im Raum (und in roten Leuchtbuchstaben auf meiner Stirn), warum dem Hexer eigentlich keine eigene Serie geben?

Nicht, dass ich etwas dagegen gehabt hätte. Unglückseligerweise war da die Geschichte mit dem Manuskript, das ich pünktlich einen Tag nach dem unwiderruflich allerletzten Termin abgeliefert hatte (den drei M die Geschichte von der Katze und der Computertastatur zu erzählen, habe ich mir gespart – sie hätten sie sowieso nicht geglaubt). Redakteure glauben niemals einer Ausrede, und wenn sie wahr ist, schon gar nicht, und in der Diskussion, die der endgültigen Entscheidung, dem Hexer eine eigene Serie zu geben, vorausging, fielen so hässliche Worte wie »Pünktlichkeit«, »Zuverlässigkeit« und »Drucktermine«.

Spaß beiseite: Natürlich muss ein Verlag dafür sorgen, dass eine regelmäßig erscheinende Serie auch regelmäßig erscheint (fragen Sie den Redakteur dieser E-Book-Sammler-Edition, er weiß, was ich meine …), und ich hatte damals schon das eine oder andere Angebot, Bücher zu schreiben oder in anderen Serien mitzuarbeiten, sodass allen (außer mir) klar war, dass eine regelmäßig erscheinende 14-tägige Serie vielleicht ein bisschen viel für mich allein war. Langer Rede, kurzer Sinn: Rolf Schmitz, der damalige Cheflektor, bestand darauf, mindestens einen, besser aber mehrere Co-Autoren in die Serie einzuarbeiten und vielleicht auch ein paar Bände »auf Vorrat« schreiben zu lassen, nur für den Fall, dass ich krank werden, mir eine neue, noch dürrere Katze zulegen, für die Konkurrenz arbeiten oder sonst wie ausfallen könnte, und letzten Endes musste ich zähneknirschend zustimmen.

Als Allererster stand Dieter Winkler zur Debatte, der als enger Freund und Kollege bereits den Band »Tage des Wahnsinns« beigesteuert hatte – aber inzwischen nach München zu einer Computerzeitschrift entfleucht war. Danach Frank Rehfeld (der auch recht bald dazu stieß), aber der erste Roman eines »Fremdautors« kam dann doch von anderer Seite – und vollkommen überraschend. Ich war damals mit Elmar Wohlrath und seiner Frau Iny Klocke befreundet, zwei »Fandom«-Autoren, die schon die eine oder andere Story in Fanmagazinen und kleineren Publikationen veröffentlicht hatten. Ich weiß selbst nicht mehr warum, aber irgendwie erzählte ich ihnen von der Entscheidung des Verlages, Co-Autoren zu suchen – und Elmar legte mir ungefragt ein fertiges Hexer-Manuskript vor, das er »nur so zum Spaß« geschrieben hatte … Ich las es, war platt vor Staunen – und bequatschte Michael, es sofort einzuplanen.

Leider blieb es (aus persönlichen Gründen) der einzige »Gastauftritt« der beiden. Aber keiner, für den sie sich schämen müssten. Ganz im Gegenteil.

Danke!

Wolfgang Hohlbein

Wolfgang Hohlbein

Wolfgang Hohlbein

DER HEXER

Band 15
Labyrinth der weinenden Schatten

BASTEI ENTERTAINMENT

 

Es war alt, uralt und voller Gier noch Leben. Die Quelle dämonischer Kraft tief im Inneren seines monströsen Leibes, sein im Takt der Zeit pulsierendes Herz, der dunkle Keim seines Selbst, war voller Gier und Hunger. Einem Hunger, der niemals zu stillen war.

Es tötete, es verschlang und fraß und nahm die Dinge in sich auf, deren es auf seinem Weg durch die Ströme der Zeit habhaft werden konnte, versuchte seine Gier an den Auren lebendiger Geschöpfe und an den so seltenen Trägern reiner Magie zu stillen.

Und nun schloss sich seine Falle wieder um ein Opfer. Ein ganz besonderes Opfer diesmal. Eines, auf das es lange, sehr lange gewartet hatte …

»Die Stele der GROSSEN ALTEN! Endlich! Arne, wir haben es geschafft!« Mit einem begeisterten Ausruf eilte Magnus Morjaerd auf den grauen Stein zu, der in der Mitte des sonst leeren, sternförmigen Raumes stand. »Wir haben es geschafft, Arne! Geschafft!« Seine Stimme zitterte vor Erregung, und seine Bewegungen, sonst eher behäbig und langsam, waren mit einem Male hektisch und voll kaum noch unterdrückter Nervosität und Ungeduld.

Arne Sten konnte den Triumph seines Herrn nicht ganz teilen; im Gegenteil. Das Gefühl dumpfer, substanzloser Bedrohung, das Unwohlsein, das er die ganze Zeit schon gespürt hatte, wurde mit jedem Moment stärker. Sein Herz schlug schnell, und seine Finger kribbelten, als würden unsichtbare Ameisen über seine Haut rennen.

Er blieb an der Tür stehen und starrte misstrauisch auf den – doppelt mannshohen Findling, der das Ziel ihrer Suche war. Ohne dass er einen Grund dafür nennen konnte, erfüllte ihn der Anblick mit fast körperlichem Unbehagen. Die Linien und Konturen des Steines waren … falsch. Falsch und verdreht, als wären sie nach den Regeln einer Geometrie erschaffen, die anders als die war, die er kannte. Und er schien … zu leben, dachte Arne schaudernd.

Eben hatte das Ding noch bis auf drei halbkugelförmige Auswüchse vollkommen glatt gewirkt. Jetzt aber zeigten sich auf dem grauen Stein von einem Augenblick auf den anderen bizarre Linien, die tief in die Oberfläche des Gebildes eingeschnitten waren oder sich wie ungefüge Schlangen aus ihm emporwölbten. Form und Farbe des Steins schienen sich in jeder Sekunde zu verändern, und Morjaerds Diener hatte den Eindruck, als sei er mit einer Art unheilvoller, tückischer Intelligenz erfüllt; ein böses, steinernes Grinsen, mit dem er die beiden Eindringlinge lautlos verhöhnte.

Aber nicht allein die Kuppel wirkte bedrohlich. Der ganze Raum schien in eine giftige schwarze Wolke gehüllt, die wie der heiße Atem eines Höllenhundes um Arnes Glieder strich. Irgendwo im Hintergrund glaubte er ein höhnisches, selbstzufriedenes Kichern zu hören.

Arne zuckte zusammen und sah sich rasch und erschrocken um. Morjaerd schien das Geräusch nicht zu bemerken, doch Arne war sicher, es sich nicht eingebildet zu haben.

Aber sein Herr schritt langsam um den Stein herum und streckte die Hand aus, als ob er ihn streicheln wollte. Dann rieb er sich nervös die Hände und drehte sich ungeduldig zu seinem Diener um.

»Arne, wo bleibst du denn? Gib mir endlich die Tasche!«

»Meister, bitte, lasst uns gehen!«, flüsterte Arne. Voller Angst ließ er die Tasche auf den Boden fallen. Das Geräusch hallte dumpf in der Stille des Raumes wider. »Hier ist es nicht geheuer! Hier lauert etwas Böses!«

»Gehen?«, keuchte Morjaerd. »Bist du verrückt geworden? Ich stehe hier vor der Krönung meines Lebens! Soll ich etwa so kurz vor dem Ziel aufgeben und dies alles zurücklassen?«

»Ja, Herr! Ich bin sicher, Ihr geht zu weit! Ich fühle es, ich …«

»Was ist denn jetzt auf einmal mit dir los? Vertraust du mir plötzlich nicht mehr?« Morjaerd lächelte, gleichzeitig voller Verachtung und voller Verständnis. Aber es war die Art von Verständnis, die man einem Idioten oder einem dummen Tier entgegenbringt.

»Arne, erinnere dich daran, wer ich bin! Ich habe die geheime Magie der ägyptischen Pharaonen studiert. Ich bin in den Dschungel von Guatemala eingedrungen, um die Mysterien der Maya-Priester zu enträtseln und meinen magischen Kompass zu finden. Ich habe mir Kenntnisse und Fähigkeiten angeeignet, die kein zweiter Mensch auf dieser Erde besitzt. Und das soll ich alles umsonst getan haben, nur weil du nach all den Jahren an meiner Seite plötzlich die Hose voll hast? Arne Sten …« Er seufzte und schüttelte tadelnd den Kopf. »Ich bin enttäuscht von dir!« Morjaerd streifte sein Faktotum mit einem verächtlichen Blick und kam zurück, um seine Tasche selbst zu holen.

Einen Augenblick verharrte er noch in der stolzen Pose, die Arne so gut kannte, dann öffnete er die Tasche. Als Erstes zog er einen weiten Talar hervor, dessen roter Samt über und über mit kabbalistischen Symbolen bestickt war, und schlüpfte hinein.

Dann hängte er sich eine Kette aus einem Metall, von dem Arne wusste, dass es weder aus den Tiefen der Erde noch aus den Weiten des bekannten Himmels stammte, um den Hals. Ein blutroter Widderkopf hing an der Kette, und das gleiche Symbol schmückte auch den Ebenholzstab, den er zuletzt aus der Tasche nahm.

»Freue dich, Arne, mein getreuer Servant, denn du wirst Zeuge eines Zaubers, den bisher noch kein Mensch gewoben hat«, rief er mit sonorer Stimme. »Dort drinnen«, er zeigte mit seinem Stab auf die Kuppel, »dort drinnen liegt der Schlüssel zur Macht! Und er wird mir, Magnus Morjaerd, dienen!«

Unter allen anderen Umständen hätten die Worte theatralisch und albern geklungen. Jetzt erfüllten sie Arne mit einer Angst, die er sich selbst nicht erklären konnte. In den Augen seines Meisters loderte ein Feuer, das er noch nie zuvor an ihm beobachtet hatte.

Während Arne Sten hilflos die Hände rang und ihm das Grauen mehr und mehr die Kehle zuschnürte, zog sein Meister mit fluoreszierender Kreide einen Kreis um den lebenden Stein.

Danach schritt er, unruhig den Boden absuchend, durch den Saal und malte schließlich ein fünffarbiges Pentagramm auf eine Stelle, an der die Reste eines verwaschenen Symboles zu sehen waren; vielleicht auch nur eine natürliche Maserung im Stein, das konnte Arne nicht so genau unterscheiden. Er wollte es auch gar nicht. Alles, was er wollte, war, von diesem Ort zu verschwinden, so rasch und so weit fort wie nur möglich.

Arne kam es vor, als trete dieses Symbol im gleichen Augenblick, in dem Morjaerds Pentagramm geschlossen wurde, deutlicher aus dem Grund und begänne zu zittern. Doch es lag keine Furcht in diesem Beben, das fühlte er genau. Eher eine gierige Vorfreude und ein dunkles Verlangen, wie es auch aus allen Ritzen und Winkeln des Raumes herauskroch und sie lauernd umschlich.

Warum nahm das der Meister denn nicht wahr?, dachte er entsetzt. Er musste doch sehen, was um ihn vorging!

Er wollte Morjaerd eine Warnung zuschreien, doch er brachte nur ein unverständliches Stammeln hervor. Er streckte die Arme aus und wollte zu ihm hinlaufen, ihn aus der Mitte des Pentagramms wegzerren, fort von diesem schrecklichen, bösen, namenlosen Etwas, das dort lauerte …

Doch er kam nicht mehr dazu. Wieder glaubte er dieses dunkle, böse Kichern zu hören, und im selben Moment wallte eine schwarze Wand rings um ihn auf und hüllte ihn ein wie undurchdringlicher Nebel.

Eine entsetzliche Kälte begann durch seine Poren zu dringen und machte sich in seinen Gliedern breit. Gleichzeitig wurde ihm so heiß, dass ihm der Schweiß in Strömen über die Stirn und den Rücken rann.

Seine Beine knickten unter ihm weg, er taumelte, griff Halt suchend um sich und stürzte als hilfloses Bündel auf den Boden des Zimmers. Durch das Wallen und Wogen des schwarzen Nebels glaubte er Dämonenfratzen in den Raum quellen zu sehen, scheußlich verzerrte Visagen, die sich aus jedem Stein und jedem Stück Holz herausschälten und von Sekunde zu Sekunde deutlicher wurden.

Dann drang die Stimme seines Meisters in seine Gedanken. Morjaerd hatte mit seiner Beschwörung begonnen, dachte Arne entsetzt. Er schien nicht einmal bemerkt zu haben, was mit seinem getreuen Diener geschehen war!

Ein leichtes Summen drang aus dem Stein, und einer der drei Buckel, die aus der Stele herausstanden, drehte sich knackend um seine Achse. Es klang wie ein Kanonenschuss, der von den Wänden widerhallte und den Magier aus seiner Konzentration riss.

Jetzt erst bemerkte Morjaerd den schwarzen Nebel, der nun auch ihn umgab und gierig an seiner Kutte zerrte. Mit einem Schrei wollte er zurückspringen, doch seine Füße waren wie auf dem Boden festgenagelt. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, und aus seiner Kehle brach ein gellender, unmenschlicher Schrei.

Aber er verhallte ungehört. So wie all die anderen Schreie, die vorher die unheilige Stille der Kammer durchbrochen hatten …

»Tut mir leid, Mijnheer – ich kann Ihnen nicht sagen, wo Sie die Van Dengsterstraat finden. Amsterdam ist groß, wissen Sie?« Der Portier lächelte Verzeihung heischend, reichte mir den Zettel, auf den ich die Adresse geschrieben hatte, über die Theke zurück und fuhr sich mit der Linken durch das schwarze, ölig glänzende Haar.

Enttäuscht faltete ich das Blatt wieder zusammen und wandte mich um; mit einer Mischung aus Resignation und langsam stärker werdendem Zorn. Trotz der frühen Stunde herrschte in der hohen, verschwenderisch ausgestatteten Hotelhalle bereits ein unablässiges Kommen und Gehen, und der Portier sprach bereits wieder mit einem der anderen Gäste; schnell und in unverständlichem holländischen oder belgischen Gebrabbel – für mich machte das keinen Unterschied; ich verstand beides nicht.

So wenig, wie ich diese Stadt verstand, genauer gesagt, die Leute, die sie bewohnten. Nach allem, was ich auf der Überfahrt und auch vorher schon über Amsterdam gehört hatte, hatte ich eine freundliche, vor Leben sprudelnde Stadt mit netten Menschen erwartet.

Nun – was die Stadt anging, waren meine Erwartungen fast übertroffen worden; was die Menschen anging, nicht. Ich war seit drei Tagen in Amsterdam. Den ersten Tag hatte ich zusammen mit Howard damit verbracht, unser weiteres Vorgehen zu besprechen (und mich von ihm zu verabschieden, was den allergrößten Teil der darauffolgenden Nacht und vier Flaschen Genever in Anspruch genommen hatte), die beiden anderen damit, die Van Dengsterstraat zu suchen.

Bisher allerdings vergeblich. Ich hatte am Hauptbahnhof einen Stadtplan erstanden, aber die Straße, die uns der sterbende Templer genannt hatte, war nicht darauf eingetragen – was kein Wunder war, denn Amsterdam wuchs in den letzten Jahren schneller, als die Kartenzeichner und Verlage mithalten konnten.

Danach hatte ich angefangen, auf andere Weise nach der Van Dengsterstraat zu suchen; zuerst auf dem üblichen Wege, in dem ich mich bei Droschkenfahrern und Kutschern erkundigte, später beim Hotelportier – nicht dem, der jetzt Dienst tat, sondern seinen Vorgängern –, dann bei der Polizei, im Rathaus, schließlich sogar bei einer Spedition.

Und alles war vergeblich gewesen. Es war nicht so, dass es die Van Dengsterstraat nicht gab – auch diese Möglichkeit hatte ich nach meinen ersten enttäuschenden Erlebnissen in Betracht gezogen –, sondern vielmehr, dass man mir nicht sagen wollte, wo sie war. Ich spürte ganz deutlich, wie die Männer und Frauen, die ich nach dem Weg fragte, innerlich zusammenfuhren, wenn sie den Namen auch nur hörten. Und ich hätte nicht unbedingt ein Magier sein müssen, um zu erkennen, dass ihr gebrabbeltes Kannitverstan oder Weißichnicht gelogen war.

Und mir blieben noch genau zwei Tage, um die Van Dengsterstraat zu finden und herauszubekommen, wovor uns DeVries im Augenblick seines Todes hatte warnen wollen, wenn ich pünktlich in Paris ankommen wollte, um mich mit Howard zu treffen.

Nein – ich hatte bisher bewusst darauf verzichtet, eines meiner besonderen Talente in die Waagschale zu werfen; aber es sah ganz so aus, als bliebe mir jetzt keine andere Wahl mehr, wollte ich die Mauer des Schweigens, gegen die ich bisher angerannt war, brechen.

Plötzlich hatte ich es sehr eilig. Rasch durchquerte ich die Halle und verließ das Hotel, ohne meine Zeit mit dem ausgiebigen holländischen Frühstück zu vergeuden. Es war ohnehin erst neun Uhr vormittags. Zu so nächtlicher Stunde hätte ich sowieso nicht mehr als eine Tasse Kaffee und ein Marmeladenbrötchen vertragen.

Ich lief auf die Straße und winkte einen Kutscher herbei. Der Wagen hielt schwerfällig, und der Mann auf dem Bock beugte sich herab. »Wohin kann ich Sie hinbringen, Mijnheer?«, fragte er höflich.

Ich zögerte einen Moment, dann zauberte ich den unschuldigsten Ausdruck der Welt auf mein Gesicht, nannte ihm in perfekt geschauspielertem, geistesabwesenden Ton die Van Dengsterstraat und wollte einsteigen.

Aber ich wollte es nur.

Der Kutscher beugte sich mit einer blitzschnellen Bewegung vor, fauchte irgendetwas auf Holländisch und stieß mir ziemlich grob den Peitschenstiel vor die Brust. Seine Wangenmuskeln zitterten so stark, dass er kaum sprechen konnte.

»Tut mir leid, Mijnheer«, sagte er. »Aber dort fahre ich Sie nicht hin!«

»Doch«, antwortete ich, so ruhig ich konnte. »Das werden Sie, mein Freund. Ich bin ganz sicher.«

Ich hatte ganz leise gesprochen, aber es waren auch nicht meine Worte, auf die es ankam. Im gleichen Moment, in dem mich der Kutscher ansah, bannte ich seinen Blick, brach seinen geistigen Widerstand und befahl ihm mit aller suggestiven Macht, meinen Befehlen zu gehorchen.

Der Droschkenlenker erstarrte mitten in der Bewegung. Sein Unterkiefer klappte herunter, und seine Gesichtsmuskeln erschlafften, als hätte er plötzlich nicht mehr die Kraft, sie unter Kontrolle zu halten. Mit einem Male war sein Blick leer.