Dramen
Christopher Marlowe
Inhalt:
Christopher Marlowe – Biografie und Bibliografie
Eduard II.
Die Personen der Tragödie.
Der Tragödie I. Teil
Der Tragödie II. Teil
Doktor Faustus
Personen.
Dramen, Christopher Marlowe
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849631284
www.jazzybee-verlag.de
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Engl. Dichter, der bedeutendste Vorläufer Shakespeares in der Tragödie, ward in Canterbury 1564 als Sohn eines Schusters geboren und starb 1593 in London. Er studierte seit 1580 in Cambridge, wo er 1587 zum Magister Artium befördert wurde, übersetzte Ovids »Amores« und den »Raub der Helena« aus dem Lateinischen des Coluthus und wurde berühmt gegen 1587 durch sein Drama »Tamburlaine the Great« (gedruckt 1590; beste Neuausgabe von A. Wagner, Heilbr. 1885), worin er den Übermenschen und die realistische Behandlung eines tragisch angelegten Charakters aufbrachte, sowie den bisher nur höfischen Blankvers in das Volkstheater einführte. Das Stück war so erfolgreich, dass M. bald einen zweiten Teil folgen ließ mit dem Tode des Eroberers; zu den Nachahmern gehörte auch Shakespeare, namentlich im »Titus Andronicus«. Marlowes nächstes Drama war »Life and death of Dr. Faustus« (1588; neu hrsg. von W. Wagner, Lond. 1877; mit Einleitung und Kommentar von A. Ward, Oxf. 1878; 4. Aufl. 1904; historisch-kritisch von Breymann, Heilbr. 1889); vgl. Erich Schmidt, Faust und das 16. Jahrhundert, in den »Charakteristiken« (1. Reihe, 2. Aufl., Berl. 1902), die älteste dramatische Bearbeitung der Faustsage, gemacht nach der englischen Übersetzung des Spießschen Volksbuches von Faust, ein Werk von direktem Einfluss auf Shakespeare und indirektem auf Goethe, auch mehrfach ins Deutsche übersetzt (von W. Müller, Berl. 1818; Ad. Böttger, Leipz. 1857; Bodenstedt, in »Shakespeares Zeitgenossen«, Bd. 3, Berl. 1860; A. v. d. Velde, Bresl. 1870). Es folgte »The jew of Malta« (neueste Ausg. von A. Wagner 1889; deutsch von Kannegießer, Berl. 1808), der aus einer historischen Figur erwuchs und das unmittelbare Vorbild des Shylock wurde, ihn aber bei weitem an Kraft und Konsequenz übertrifft. Nach 1589 schrieb M. ein Drama über die Pariser Bluthochzeit von 1572: »The massacre of Paris«, das sich hauptsächlich um den ehrgeizigen Herzog Guise dreht. Auch in der Historie »Edward II.« spielt ein ehrgeiziger Streber gegen den schwachen, lyrischen König mit Hilfe der buhle rischen Königin die Hauptrolle (hrsg. von W. Wagner, Hamb. 1871; von Fleay, Lond. 1877; von Tancock, Oxf. 1880, 3. Aufl. 1899; deutsch von Prölß, »Altenglisches Theater«, Bd. 1, Leipz. 1881); Shakespeare hat »Richard II.« wesentlich nach diesem Muster gestaltet. Als Fragment hinterließ M. das Trauerspiel »Dido« und eine Bearbeitung des Epos »Hero und Leander« von Musäos. Durch alle seine Stücke geht eine Vorliebe für hochstrebende Männer, neben denen das Weib zur Sklavin wird, oder für dämonische Frauen, die den Mann ins Unglück bringen: beides nach antiken Mustern, Herkules und Klytemnästra. Er war ein Freidenker, soll ausgelassen gelebt und in einem Liebeshandel durch den Dolch eines Nebenbuhlers geendet haben. Gesamtausgaben seiner Werke besorgten A. Dyce (Lond. 1850, 3 Bde.), Cunningham (1872), Bullen (1885, 3 Bde.). Vgl. Ingram, Christopher M. and his associates (Lond. 1904).
König Eduard der Zweite
Prinz Eduard, sein Sohn, späterer König Eduard der Dritte
Kent, der Bruder Königs Eduard des Zweiten
Gaveston
Der Erzbischof von Canterbury
Der Bischof von Coventry
Der Bischof von Winchester
Warwick
Lancaster
Pembroke
Arundel
Leicester
Berkeley
Mortimer der Ältere
Mortimer der Jüngere, sein Neffe
Spencer der Ältere
Spencer der Jüngere, sein Sohn
Baldock
Beaumont
Trussell
Gurney
Matrevis
Lightborn
Sir John von Hennegau
Levune
Rice ap Howell
Ein Abt
Königin Isabella, Gemahlin Königs Eduard des Zweiten
Die Nichte des Königs Eduard des Zweiten, Tochter des Herzogs von Gloucester
Ein Herold
Ein Turnierritter
James
Ein Schnitter
Bittsteller, Lords, Hofdamen, Soldaten, Diener, Mönche
Straße in London. Gaveston, einen Brief lesend.
GAVESTON.
"Mein Vater starb! Komm, Gaveston, und teil
das Königreich mit deinem liebsten Freunde."
O Worte ihr, wie ihr mich ganz verzückt!
Welch größere Lust gäb es für Gaveston,
als leben und des Königs Günstling sein.
Ich komme, Prinz! Dies, dies dein Liebesschreiben
hätt mich vermocht, von Frankreich herzuschwimmen,
mich wie Leander an den Strand zu werfen,
wenn du mir lächelst, mich dein Arm umfängt.
London zu sehn, ist dem verbannten Auge
wie Paradiesesblick dem Abgeschiednen.
Nicht, daß die Stadt ich liebte, noch das Volk,
nur weil sie ihn birgt, den ich so sehr liebe –
den König. – Laßt mich ihm am Herzen ruhn
und mit der ganzen Welt verfeindet sein. –
Was braucht das Volk am Pol die Sterne lieben,
wenn ihm die Sonne scheint bei Tag und Nacht.
Fort, niedrig Buckeln vor den stolzen Peers!
Mein Knie beug sich vor keinem als dem König;
denn all der Haufe – Funken nur geschürt,
emporgekratzt aus ihrer Armut Asche –
ich habs bis hier: eher schmeichle ich dem Wind,
der meine Lippe streift und weiterfliegt!
Doch sieh! Wer sind denn die!
Drei Bittsteller treten auf.
DIE DREI.
Wir träten gern in Euer Gnaden Dienst.
GAVESTON zu einem.
Was kannst du?
ERSTER BITTSTELLER.
Ich kann reiten.
GAVESTON.
Ich aber hab kein Pferd. – Was bist du?
ZWEITER BITTSTELLER.
Ein Weitgereister.
GAVESTON.
Sieh mal an! Du magst mir wohl
bei Tisch aufwarten und lügen, sitz ich beim Mahl.
Gefallen mir deine Mären, nehm ich dich.
Und was bist du?
DRITTER BITTSTELLER.
Soldat und diente gegen Schottland.
GAVESTON.
Wie, gibts Spitäler nicht für deinesgleichen?
Ich zieh in keinen Krieg, drum Bursche, pack dich!
DRITTER BITTSTELLER.
Lebt wohl und fallt von eines Söldners Hand,
da Ihr sie lohnen wollt mit dem Spital.
GAVESTON.
Ha, diese Worte rühren mich grad so viel,
als sträubte sich die Gans zum Stachelschwein
und meinte, mit Federn durchbohrt sie mir die Brust.
Beiseite.
Doch kostets nichts, mit Leuten höflich reden,
ich schmeichle ihnen, laß sie weiter hoffen.
Laut.
Ihr wißt, ich kam aus Frankreich kürzlich erst,
und sah noch nicht den König, meinen Herrn,
hab ich Erfolg, nehm ich euch all in Dienst.
DIE DREI.
Wir danken Euer Gnaden.
GAVESTON.
Ich hab zu tun, laßt mich darum allein.
DIE DREI.
Wir wollen hier warten, bis der Hof vorbeikommt.
GAVESTON.
Tut dies.
Die drei Bittsteller gehen ab.
GAVESTON.
Das sind keine Leute für mich!
Wollüstige Dichter brauch ich, flinke Köpfe,
Spielleute, die mit ihrem Saitenspiel
den schwachen König lenken, wie ich will.
Musik und Poesie sind sein Entzücken;
drum sorg ich nachts für italienische Masken,
Komödien, holden Vortrag, anmutige Bilder.
Und tags, wenn er im Parke sich ergeht,
sollen meine Pagen sich wie Nymphen kleiden,
die Diener Satyrn gleich auf grünem Gras
geißfüßig alten Erntereigen tanzen.
Dann soll ein hübscher Knabe, dianenenhaft
gebaut, mit Haar, das gülden scheint im Wasser,
mit Perlenschnüren um den nackten Arm,
Olivenzweige scherzend in den Händen,
um zu verstecken, was man gerne sieht,
in einem Quell sich baden. Dicht dabei
soll ein Aktäon, spähend durch den Hain,
verwandelt werden durch den Zorn der Göttin,
fortstürmend wie ein Hirsch, vor lauter Meute
zusammenbrechend, zu verenden scheinen.
Derlei gefällt der Majestät am besten.
Dort kommt mein Herr und König und der Adel
vom Parlament. Ich halt mich abseits.
König Eduard, Lancaster, der ältere Mortimer, sein Neffe Mortimer, Kent, Warwick, Pembroke und Gefolge.
KÖNIG EDUARD.
Lancaster!
LANCASTER.
Majestät!
GAVESTON beiseite.
Den Grafen Lancaster tu ich verabscheun!
KÖNIG EDUARD.
Versagt Ihr dies? Trotzdem setz ich es durch;
und diese beiden Mortimer, die mich
so hemmen, sollen wissen, daß ich unzufrieden.
DER ÄLTERE MORTIMER.
Wenn Ihr uns lieb habt, Herr, haßt Gaveston.
GAVESTON beiseite.
Der Schurke Mortimer, er stirbt durch mich.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Mein Onkel hier, der Graf und auch ich selber
beschworen es Eurem Vater, als er starb,
daß er nie wiederkehren sollt ins Land;
und wißt, Mylord, eh daß ich brech den Eid,
soll dies mein Schwert, statt Eurem Feind zu dräun,
in seiner Scheide schlafen, wenn Ihrs braucht,
und unter Eure Banner tret, wer will,
denn Mortimer hängt seinen Harnisch auf.
GAVESTON beiseite.
Gottes Tod!
KÖNIG EDUARD.
Nun, Mortimer, dies Wort laß ich dich reun.
Ziemt dir zu widersprechen deinem König?
Furchst du die Stirne, stolzer Lancaster?
Das Schwert soll deiner Stirne Falten glätten
und diese Knie fällen, die so steif geworden.
Ich fordere Gaveston! Und ihr sollt merken,
wie es Gefahr bringt, eurem König trotzen.
GAVESTON beiseite.
Gut gegeben, Edi!
LANCASTER.
Mylord, was bringt Ihr Eure Peers so auf,
die nach Natur Euch ehrten und Euch liebten,
bloß wegen jenes niedern Gaveston.
Ich hab vier Grafschaften nächst Lancaster:
Derby und Salisbury, Lincoln und Leicester.
Gern gäb ich die, Sold meinem Heer zu schaffen,
eh daß mir Gaveston bleibt in diesem Reich,
darum, wär er schon hier, stracks jagt ihn fort!
KENT.
Barone, Grafen, euer Stolz ließ mich verstummen.
Jetzt will ich sprechen und zur Sache, hoff ich.
Aus meines Vaters Zeit erinnere ich mich,
daß Percy, Lord von North, der schwer gereizt war,
dem Mowbray trotzte in des Königs Beisein.
Das, hätt ihn dieser nicht so sehr geliebt,
hätt ihn den Kopf gekostet! Mit einem Blick doch
war Percys unbezähmter Sinn gebändigt,
und er und Mowbray waren ausgesöhnt.
Ihr wagts, dem König ins Gesicht zu trotzen!
Du, Bruder, räch es und laß diese Köpfe
auf Pfählen ihrer Zungen Vorwitz büßen.
WARWICK.
Wie! unsere Köpfe!
KÖNIG EDUARD.
Eure, drum wär es lieb mir, ihr gäbt nach.
WARWICK.
Halt deinen Zorn im Zügel, edler Mortimer.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Ich kann nicht, und ich will nicht. Sprechen muß ich, Vetter.
Die Köpfe, denk ich, schützen unsere Hände
und köpfen den, der dich uns drohen heißt.
Komm, Ohm, wir lassen diesen blöden König
und sprechen jetztab mit entblößtem Schwert.
DER ÄLTERE MORTIMER.
Wiltshire hat Mannen, uns den Kopf zu schirmen.
WARWICK.
Ganz Warwickshire verläßt ihn meinetwegen.
LANCASTER.
Und nordwärts hat Lancaster viele Freunde.
Lebt wohl, mein König! Ändert Euren Sinn,
sonst schwimmt der Thron, auf dem Ihr sitzen solltet,
im Blut, und an dein buhlerisches Haupt
prallt deines niedern Lieblings Schmeichelkopf.
Alle ab, außer König Eduard, Kent und Gaveston und dem Gefolge.
KÖNIG EDUARD.
Ich kann dies übermütige Drohn nicht tragen;
bin ich denn König, und mein Wort gilt nichts?
Zum Kampf entfalte, Bruder, meine Fahnen;
ich schlag mich mit den Grafen und Baronen
und falle, oder leb mit Gaveston.
GAVESTON tritt vor.
Ich halt mich länger nicht vor meinem Herrn.
KÖNIG EDUARD.
Was, Gaveston, du bists! Nein, nicht die Hand:
küß mich, mein Gaveston, wie ich dich küsse.
Was kniest du hin, weißt du nicht, wer ich bin?
Dein Freund, du selbst, ein andrer Gaveston:
nicht Hylas war von Herkules betrauert
so sehr als du von mir, seit du verbannt warst.
GAVESTON.
Seit ich fortging, litt keine Seel in Höllen
mehr Qual als ich, der arme Gaveston.
KÖNIG EDUARD.
Ich weiß es – Bruder, heißt den Freund willkommen.
Jetzt, Schurken Mortimer, verschwört euch nur,
und du, hochmütiger Graf von Lancaster.
Ich habe meinen Willen, ich sehe dich,
und eher soll das Meer mein Land verschlingen,
als dich auf einem Schiff von hinnen tragen.
Hier mach ich dich zum Lord Erzkämmerling
und zum Minister für den Staat und mich,
zum Grafen Cornwall und zum Herrn von Man.
GAVESTON.
Weit über meinen Wert gehn diese Würden.
KENT.
Bruder, schon die geringste wär genug
für einen Vornehmren als Gaveston.
KÖNIG EDUARD.
Schweig, Bruder, still, ich dulde die Worte nicht!
Dein Wert, Freund, steht weit über meinen Gaben.
Drum, auszugleichen dies, empfang mein Herz.
Und wirst um diese Würden du beneidet,
geb ich dir mehr; denn nur um dich zu ehren,
freut Eduard sich des Königsregiments.
Bangst du für dich? So sollst du Wachen haben.
Brauchst du Gold? Geh in mein Schatzgewölbe.
Soll man dich lieben, fürchten? Nimm mein Siegel.
Schon und verdamm und heisch in unserem Namen,
was deiner Sinne Wünsch und Träume sind.
GAVESTON.
Mich Eurer Liebe freun, ist mir genug,
solang ich die hab, schätz ich mich so groß
als Cäsar, fahrend durch die Straßen Roms,
gefangene Könige vorm Triumphgespann.
Der Bischof von Coventry tritt auf.
KÖNIG EDUARD.
Wohin so schnell, Mylord von Coventry?
DER BISCHOF.
Die Totenfeier Eurem Vater halten. –
Doch ist der schlimme Gaveston zurück?!
KÖNIG EDUARD.
Ja, Paff, und lebt, um sich an dir zu rächen,
da du der Hauptgrund seines Bannes warst.
GAVESTON.
So ists, wärs Achtung nicht vor deinem Kleid,
du schlepptest keinen Fuß von diesem Platz.
DER BISCHOF.
Ich tat nicht mehr, als mir bestimmt zu tun war;
und, Gaveston, rief man dich nicht zurück,
bring ich jetzt gleich das Parlament in Wut,
wie damals, und du sollst zurück nach Frankreich.
GAVESTON faßt ihn an.
Mit Respekt zu melden, – erlaubt mir gütigst –?
KÖNIG EDUARD.
Die goldne Mitra weg! Zerreiß die Stola!
Salb in der Gosse ihn zum zweitenmal!
KENT.
Halt, Bruder, leg nicht Hand an ihn gewaltsam,
denn er beschwert sich bei dem Stuhl von Rom.
GAVESTON.
Mag er Beschwerde führen beim Stuhl der Hölle.
Ich will für das Exil an ihm gerächt sein.
KÖNIG EDUARD.
Nein, schone sein Leben, nimm dafür sein Gut.
Sei du der Bischof, zieh die Renten ein,
und laß ihn dienen dir als dein Kaplan.
Ich geb ihn dir, du brauch ihn, wie du willst.
GAVESTON.
In Haft soll er und dort im Schraubstock sterben.
KÖNIG EDUARD.
Ja, wie du willst, zum Tower oder Fleet.
DER BISCHOF.
Für dies Verbrechen sei von Gott verflucht.
KÖNIG EDUARD zu den Dienern.
Kommt her, bringt diesen Pfaffen in den Tower.
DER BISCHOF.
Wahrhaftig, so ists recht! –
KÖNIG EDUARD.
Doch in der Zwischenzeit geh, Gaveston,
und nimm Besitz von seinem Haus und Gut.
Komm, folge mir, und meine Wachen sollen
für dich es tun und heil dich wiederbringen.
GAVESTON.
Was tut ein Pfaff auch mit so schönem Haus?
Ein Kerker paßt zu seiner Heiligkeit.
In der Nähe von Westminster. Von der Seite kommen die beiden Mortimer, von der andern Warwick und Lancaster.
WARWICK.
Es ist richtig, der Bischof ist im Tower,
sein Gut und Leben Gaveston gegeben.
LANCASTER.
Wollen sie die Kirche auch tyrannisieren?
Ruchloser Fürst! Verfluchter Gaveston!
Der Boden hier, durch ihre Spur besudelt,
werd vor der Zeit ihr Grab oder das meine.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Laßt alberne Franzosen ihn bewachen,
ist seine Brust nicht schwertfest, soll er sterben.
DER ÄLTERE MORTIMER.
Warum, Graf Lancaster, schaut Ihr so trüb?
DER JÜNGERE MORTIMER.
Warum ist Guy von Warwick mißvergnügt?
LANCASTER.
Der Schurke Gaveston ward Graf.
DER ÄLTERE MORTIMER.
Ein schöner Graf!
WARWICK.
Ja, und daneben noch Erzkämmerling,
Reichssekretär und Herr von Man.
DER ÄLTERE MORTIMER.
Wir dürfen und wir wollen dies nicht leiden.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Was eilen wir nicht, Truppen auszuheben?
LANCASTER höhnend.
"Mylord von Cornwall" gehts bei jedem Wort,
und glücklich ist schon der, den eines Blicks
er würdigt, riß er den Hut zur Erde fast.
So – Arm in Arm geht er mit seinem König.
Noch mehr, die Garde folgt ihm auf den Wink.
Der ganze Hof beginnt ihn zu umschmeicheln.
WARWICK.
So auf des Königs Schulter lehnend, nickt er,
kommt wer vorbei, höhnt, oder lächelt gnädig.
DER ÄLTERE MORTIMER.
Und zahlt kein Mensch der Sklavenseele heim?
LANCASTER.
Im Magen liegt er allen, keiner wagt ein Wort.
DER ÄLTERE MORTIMER.
Ach, Lancaster, das zeigt ihre Gemeinheit.
Dächten Baron und Grafen so wie ich,
wir hätten ihn vom König fortgerissen,
am Schloßtor baumelte der Bauer schon,
der giftgeschwollen von Eitelkeit und Ehrsucht
das Königreich und uns verderben wird.
WARWICK.
Da kommt Mylord von Canterburys Gnaden.
LANCASTER.
Schon seine Haltung zeigt, er ist verärgert.
Der Erzbischof von Canterbury tritt auf mit einem Kurier.
DER ERZBISCHOF.
Zerfetzt, zerrissen ward sein Priesterkleid,
dann legten sie gewaltsam Hand an ihn;
dann nahm man ihn in Haft, sein Gut ihm weg:
meld das dem Papst; – zu Pferde, fort.
Der Bote ab.
LANCASTER.
Mylord, wollt Ihr Euch waffnen gen den König?
DER ERZBISCHOF.
Was braucht ihr mich? Gott selber steht in Waffen,
wenn man Gewalt der heiligen Kirche tut.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Verbündet Euch mit uns, die seine Peers,
den Gaveston zu bannen oder köpfen.
DER ERZBISCHOF.
Was sonst, Mylord? Denn nahe gehts mich an;
der Bischofsitz von Conventry ist sein.
Die Königin Isabella tritt auf.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Wohin gehn Eure Majestät so schnell?
KÖNIGIN ISABELLA.
Tief in die Wälder, edler Mortimer,
in Gram und Klagen und in Mißmut leben;
denn seht, Mylord, der König übersieht mich,
lebt nur der Liebe seines Gaveston.
Er streichelt seine Wangen, hängt am Hals ihm
und lacht ihn an und flüstert ihm ins Ohr;
komm ich, kraust er die Stirn, als wollt er sagen:
Geh, wo du willst, du siehst, ich habe ihn.
DER ÄLTERE MORTIMER.
Ist es nicht seltsam, daß er so behext ist?
DER JÜNGERE MORTIMER.
Madame, geht an den Hof zurück; wir werden
den schlau-verführerischen Franzmann bannen
oder das Leben lassen; eh der Tag kommt,
verliert der König seinen Reif; wir haben
Macht und Mut dazu, uns voll zu rächen.
KÖNIGIN ISABELLA.
Erhebt doch nicht das Schwert gen euren König.
LANCASTER.
Nein; Gaveston soll sich vom König heben.
WARWICK.
Doch nur durch Krieg, sonst bleibt er weiter da.
KÖNIGIN ISABELLA.
Dann laßt ihn da; lieber als daß mein Herr
soll unterdrückt durch Bürgerwirren werden,
will ich ein schwermutsvolles Leben fristen
und ihn mit seinem Liebling scherzen lassen.
DER ERZBISCHOF.
Mylords, dies zu erleichtern, hört mich an: –
Wir und der Rest, die seine Räte sind,
wollen alle ihm in Übereinstimmung
bestätigen den Bann mit Schrift und Siegel.
LANCASTER.
Was wir bestätigen, wird der König streichen.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Dann haben wir das Recht ihm abzufallen.
WARWICK.
Doch sagt, Mylord, wo soll die Sitzung sein?
DER ERZBISCHOF.
Im neuen Tempel.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Einverstanden.
DER ERZBISCHOF.
Und bis dahin lad ich euch alle ein,
nach Lambeth mitzugehn und dort zu bleiben.
LANCASTER.
Kommt, laßt uns gehen.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Hohe Frau, lebt wohl.
KÖNIGIN ISABELLA.
Lebt wohl, mein Mortimer, um meinetwillen
erhebt die Waffen nicht wider den König.
DER ÄLTERE MORTIMER.
Nein, wenn Worte nützen, sonst muß ichs tun.
Alle ab.
Gaveston und Kent kommen im Gespräch.
GAVESTON.
Edmund, der mächtige Fürst von Lancaster,
der eine Eselslast von Grafenkronen trägt.
Die beiden Mortimer, zwei saubere Männer,
und Guy von Warwick, der großmächtige Ritter,
sind fort nach Lambeth.
KENT.
Laßt sie ruhig dort.
Im Thronsaal des Königsschlosses von Westminster. Lancaster, Warwick, Pembroke, der ältere Mortimer, der jüngere Mortimer, der Erzbischof von Canterbury und Gefolge.
LANCASTER.
Hier der Erlaß von Gavestons Verbannung:
wollen Eure Lordschaft gütigst unterschreiben?
DER ERZBISCHOF.
Gebt mir das Blatt!
LANCASTER.
Schnell, schnell, Mylord!
Ich sehne mich, meinen Namen hinzuschreiben.
Sie unterschreiben einer nach dem andern.
WARWICK.
Ich sehne mich mehr, ihn fortgebannt zu sehn.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Der Name Mortimers erschreck den König,
wenn er nicht abläßt von dem niederen Knecht.
König Eduard, Gaveston, Kent und ihr Gefolge kommen herein. Der König läßt Gaveston neben sich auf dem Thron sitzen.
KÖNIG EDUARD.
Wie, seid ihr aufgebracht, daß Gaveston
hier sitzt? Es ist unser Wunsch, wir wollen es so.
LANCASTER.
Gut tut Ihr dran, ihn Euch recht nah zu setzen,
denn nirgends ist der neue Graf so sicher.
DER ÄLTERE MORTIMER.
Wer wohl von Stande könnt den Anblick tragen!
Wie schlecht paßt das zusammen!
Seht, wie der Kerl Verachtungsblicke wirft.
PEMBROKE.
Schmeichelt der königliche Leu Geziefer?
WARWICK.
Gemeiner Knecht, der doch wie Phaeton
des Sonnenwagens Führung sich vermißt.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Ihr Sturz ist da und ihre Macht am Ende!
Man soll uns nicht von obenher so anschaun.
KÖNIG EDUARD.
Legt Hand an den Verräter Mortimer!
DER ÄLTERE MORTIMER.
Legt Hand an den Verräter Gaveston!
KENT.
Ist das die Pflicht, die ihr dem König schuldet?
WARWICK zerrt Gaveston vom Thron.
Wir kennen unsere Pflicht, er kenn die Peers.
KÖNIG EDUARD.
Wohin mit ihm? Halt! Oder ihr sollt sterben.
DER ÄLTERE MORTIMER.
Verräter sind wir nicht, drum droht uns nicht.
GAVESTON.
Nicht drohen! Nein, Mylord, zahlts ihnen heim;
wär ich ein König –
DER JÜNGERE MORTIMER.
Hund, was schwatzt du da von einem König?
Du, der du von Geburt kaum adlig bist.
KÖNIG EDUARD.
Und wär er Knecht, wenn er mein Günstling ist,
mach ich den Stolzesten vor ihm sich beugen.
LANCASTER.
Herr, so dürft Ihr uns nicht erniedrigen.
Hinweg mit dem verhaßten Gaveston.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Und mit dem Grafen Kent, der ihn bevorzugt.
Reisige bringen Kent und Gaveston hinaus.
KÖNIG EDUARD.
Dann legt nur gleich die Hand an euren König.
Hier, Mortimer, sitz du auf Eduards Thron;
Warwick und Lancaster, tragt ihr die Krone.
Ward je der König übertrumpft wie ich?
LANCASTER.
Lern du uns besser lenken und das Reich.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Für unsre Tat stehn wir mit Herzblut ein.
WARWICK.
Glaubt Ihr, wir trügen dieses Neulings Hochmut?
KÖNIG EDUARD.
Zorn, Grimm und Wut verschlägt die Sprache mir.
DER ERZBISCHOF.
Was seid Ihr so erregt? Hoheit, Geduld!
Seht erst, was Eure Räte, wir, getan.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Mylords, jetzt laßt uns all entschlossen sein,
erreichen, was wir wollen, oder sterben.
KÖNIG EDUARD.
War das der Zweck, ihr überfrechen Peers?
Eh mir mein Gaveston genommen wird,
soll diese Insel auf dem Ozean schwimmen
und wandern bis zum unbesuchten Indien.
DER ERZBISCHOF.
Du weißt, daß ich des Papstes Nuntius bin:
bei deiner Treue zu dem Römischen Stuhl,
setz deine Schrift unter den Bann wie wir.
DER JÜNGERE MORTIMER.
Verflucht ihn, wenn ers weigert, wir wollen dann
entthronen ihn, und einen andern wählen.
KÖNIG EDUARD.
Darauf läuft es hinaus! Ich geb nicht nach,
flucht mir, entthront mich, treibts so schlimm ihr könnt!
LANCASTER.
Säumt nicht, mein Fürst, und tut es auf der Stelle.
DER ERZBISCHOF.
Bedenke, wie der Bischof ward mißhandelt!
Entweder bannst du den, der schuld daran,
oder ich entbinde diese Lords sogleich
von aller Pflicht und Treue gegen dich.
KÖNIG EDUARD beiseite.
Mir hilft kein Drohn – so geb ich gute Worte.
Laut.
Dem Nuntius des Papstes sei willfahren.
Mylord, Ihr sollt des Reiches Kanzler sein.
Du, Lancaster, der Flotte Admiral,
Onkel und Neffe Mortimer seid Grafen!
Und Ihr, Lord Warwick, Präsident des Nordens,
Zu Pembroke.
und du von Wales. Wenn das euch nicht genügt,
macht Einzelreiche aus der Monarchie
und teilt sie gleicherweise zwischen euch,
wenn mir ein Winkel, eine Ecke nur bleibt,
mit meinem liebsten Gaveston zu scherzen.
DER ERZBISCHOF.
Nichts stimmt uns um; wir haben es beschlossen.
LANCASTER.
Kommt, unterschreibt!
DER JÜNGERE MORTIMER.
Was liebt Ihr ihn, den alle Welt so haßt?
KÖNIG EDUARD.
Weil er mich mehr liebt als die ganze Welt.
Ach, rohe nur und wildgesinnte Männer
vermöchten meinen Gaveston zu stürzen;
ihr, die ihr edelen Bluts, solltet ihn schonen.
WARWICK.
Ihr, fürstlichen Geblüts, schüttelt ihn ab.
Aus Scham schon unterschreibt, und jagt den Lump.
DER ÄLTERE MORTIMER.
So dringt doch in ihn, Lord.
DER ERZBISCHOF.
Seid Ihr entschlossen, ihn des Lands zu bannen?
KÖNIG EDUARD.
Ich seh, ich muß, und drum bin ich entschlossen.
Anstatt mit Tinte schreibe ich mit Tränen.
DER JÜNGERE MORTIMER.