Leo Ochsenbauer
Tiefsee
Reise zu einem
unerforschten Planeten
Warum ignorieren wir die Ozeane?
Weil oben der Himmel und unten die Hölle ist?
Dr. Robert Ballard
Geleitwort von Dr. Robert Ballard, Ozeanforscher und Entdecker der Titanic.
Das packendste Bild der Erde schossen Astronauten auf der Reise zum Mond bei einem Blick zurück: Als sie ihre Kameras noch einmal auf den Heimatplaneten richteten, zeigte er sich als das, was er wirklich ist: eine winzige blaugrüne Murmel im weiten, samtschwarzen Nichts.
Astronauten gehen auf der Mondoberfläche spazieren, Forscher schicken Sonden in die fernsten Winkel unseres Sonnensystems, und vielleicht wird eines Tages auch ein Mensch den Mars betreten. Doch mindestens auf absehbare Zeit wird der größte Teil der Menschheit auf der Erde leben.
Ein Blick in die Zukunft zeigt selbst uns Landratten, dass wir über den weitaus größten Teil unseres Planeten, der unter dem Meeresspiegel verborgen liegt, noch viel mehr erfahren müssen. Um diese unbekannten Regionen zu erkunden, müssen wir in eine Welt eindringen, die uns in vieler Hinsicht unbekannter ist als der Mars. So mögen sich die Seeleute der Antike vorgekommen sein, als sie sich aus der Geborgenheit ihrer Siedlungen aufs weite Meer hinauswagten. Als das Land allmählich hinter dem Horizont verschwand, haben sie vielleicht angstvoll in die Tiefe gestarrt. Das Meer muss bodenlos gewirkt haben, ein geisterhafter Friedhof verlorener Seelen, ein Tummelplatz gewaltiger Ungeheuer, und wer sich dort zu lange aufhielt, forderte die Götter Neptun oder Poseidon heraus, die Herren über die Naturgewalten der Meere.
Bei den ersten Versuchen, die obersten Meeresschichten zu durchdringen, gelangten tapfere Männer zuerst nur ein Stückchen in die Tiefe – 30 Meter vielleicht, eben solange sie die Luft anhalten konnten. Später wagten sich Schwammtaucher mit Helmen, in die über Schläuche Druckluft geleitet wurde, bis in Tiefen von 90 Metern vor. Um sich vor dem tödlichen Druck der Tiefe und den Gefahren beim Einatmen verschiedener Druckgasgemische zu schützen, bauten Ingenieure Unterwasserfahrzeuge, in denen der Luftdruck normal blieb. William Beebe und Otis Barton drangen damit schon in ewige Dunkelheit vor. Und schließlich erreichten Jacques und Auguste Picard die tiefste Stelle im Meer, bevor die eigentliche Erkundung der Tiefsee überhaupt angefangen hatte.
Heute gebührt den Weltmeeren und ihrem Schutz die größte Aufmerksamkeit. Angesichts von Bevölkerungsexplosion, begrenzter Landmasse und des Raubbaus an natürlichen Ressourcen muss uns der Erhalt dieses unerforschten einzigartigen Ökosystems unseres Planeten ein wichtiges Anliegen sein.
Lassen Sie sich in die Tiefen des Meeres entführen, wo sich der Großteil unserer Erde in ewiger Dunkelheit befindet, und denken Sie darüber nach, welche Rolle die Ozeane und die unterseeischen Landschaften in unserer Zukunft spielen könnten.
http://www.jason.org
Einleitende Worte von Herbert Nitsch, dem »tiefsten Mann der Welt«
Das Meer, unendliche Weiten, die mich seit nunmehr bereits über 15 Jahren an sich gefesselt haben. Seit ich im Alter von 26 Jahren meinen ersten Tauchgang – damals im Roten Meer – absolviert habe, lassen mich die Weltmeere einfach nicht mehr los. Einerseits wegen der faszinierenden Tierwelt, die sich einem beim Blick unter die Meeresoberfläche erschließt. Andererseits aber auch aufgrund der Stille, die im Meer allgegenwärtig ist.
Ab einer gewissen Tiefe verschmilzt der Körper mit dem ihn umgebenden Wasser. Man wird eins mit dem Element Wasser und spürt nur mehr sich selbst – das aber ausgesprochen intensiv. Vor allem bei meinen Tauchgängen, die ich ja ohne mitgeführte Luft mache, nur mit dem Atemzug an Luft in meinen Lungen, den ich von der Oberfläche aus mitgebracht habe, kann ich diese Stille noch mehr genießen. Habe ich anfangs noch Tauchgänge im klassischen Sporttauchbereich gemacht, hat mich sehr bald schon die Tiefsee angezogen. Dort unten, ganz allein auf sich gestellt, ist man wirklich ein Fisch unter allen anderen. Meine Tieftauchgänge haben mich, anlässlich meines anerkannten Weltrekords von 2007, mittlerweile ja bereits auf 214 Meter Tiefe geführt. Bei den Trainingstauchgängen war ich sogar noch um einiges tiefer. Hier, in den oberen Regionen des Mesopelagials, habe ich unglaubliche Begegnungen gehabt. Delfinschulen, die mich fasziniert bei meinem Training begleitet haben. Haie, die interessiert den Eindringling in ihrem Element beobachteten oder aber auch glitzerndes Leben rund um mich, Leuchtplankton, das bei jeder Bewegung meiner Flosse die Dunkelheit erhellt hat.
Doch jetzt möchte ich noch weiter in diese unbekannten Tiefen vorstoßen. Mit einer Serie von drei Weltrekordversuchen in der Apnoe-Kategorie "No Limit" möchte ich zuerst im Juni 2012 auf 244 Meter (800 Fuß) Tiefe vordringen. Gefolgt von weiteren Tauchgängen auf 275 Meter (900 Fuß) und 305 Meter (1.000 Fuß), die mir alle mein Sponsor, der Schweizer Uhrenhersteller Breitling ermöglicht. Ich bin mal gespannt, was mich in diesen Tiefen erwartet – die Lektüre dieses Buches, für das ich das Vorwort schreiben durfte, hat mich zumindest ein bisschen auf die Umgebung in diesen Tiefen vorbereitet. Und jetzt muss ich wieder ans Training – in Kürze ist ja schon Juni und ich begebe mich selbst in die Tiefsee – zur Reise zu einem unerforschten Planeten. Sie, liebe Leser, die Sie dieses Buch erst nach meinem Weltrekordversuch durchstöbern können, sind mir da einen bedeutenden Schritt voraus: Sie wissen, wie mein Weltrekordversuch ausgegangen ist und was ich in diesen Tiefen alles erlebt habe.
Viel Spaß beim Lesen,
Euer Herbert Nitsch
Der Berufspilot und derzeit wohl beste Freitaucher der Welt, Herbert Nitsch, wurde am 20. April 1970 in Wien geboren. Er taucht bereits seit Mitte der 1990er Jahre, hat allerdings nie einen Gerätetauchschein gemacht. In seiner langen Karriere kann er bereits auf 32 offiziell anerkannte Weltrekorde zurückblicken, wobei der im Jahr 2007 aufgestellte Weltrekord in der Disziplin »No Limits« mit 214 Metern Tiefe wohl das absolute Highlight seiner bisherigen Karriere war. Seit Juni 2012 dringt Nitsch mit seinem Projekt »Extreme 800« mit nur einem Atemzug in größere Tiefen der Tiefsee vor. Bei seinem ersten – von drei geplanten Tauchgängen – erreichte er am 6. Juni 2012 die neue Weltbestmarke von 249,5 Meter und war damit sogar tiefer, als ursprünglich geplant. Ob und wie weit ihn seine Freitauchgänge noch in das Mesopelagial vordringen lassen, war zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Buches noch nicht bekannt.
www.herbertnitsch.com
Göttervater Zeus hatte wieder einmal einen über den Durst getrunken. Im göttlichen Vollrausch stürzte er sich auf die Menschen-Frau Alkmene und verbrachte mit ihr eine heiße Liebesnacht. Es kam, wie es kommen musste, und Alkmene schenkte ihm nach neun Monaten einen wahrlich göttlichen Sohn – Herakles. Über dieses Geschenk der Liebe wird sich der alte Zeus sicherlich gefreut haben. Da der Vater aller Götter des Olymp das Zeugnis seiner Lenden zu einem herrlichen Gott-in-spe erziehen wollte, sollte auch nur das Beste gerade gut genug für ihn sein. Muttermilch von einer Sterblichen etwa war so gar nicht nach seinem Befinden. Göttliche Milch sollte es sein – vom Feinsten eben.
Auf der Suche nach dieser Delikatesse dachte der alte Zausel, Pardon Zeus, sofort an seine Frau Hera – auch wenn die nichts von ihrem Glück wusste. Also wartete Zeus ein kleines Schläfchen seiner Göttin ab und legte Herakles an ihre Brust. Doch der kleine Racker war einfach zu ungestüm – ganz der Vater eben. Herakles saugte viel zu stark und Hera erwachte. Panisch – und anzunehmender Weise auch schlaftrunken – stieß sie den fremden Bengel von sich… und ihre Muttermilch spritzte über den ganzen Himmel.
So soll unsere Milchstraße entstanden sein – zumindest nach der griechischen Mythologie. Und am Rande dieser mythologischen Milchstraße kreist der kleine, blaue Planet, den wir liebevoll »Mutter Erde« nennen. Eigentlich ist der Name ein Widerspruch in sich selbst. Wie kann ein Planet, auf dem beinahe 75 Prozent der Oberfläche aus Wasser bestehen, »Erde« heißen? Da hat wohl jemand nicht wirklich nachgedacht. Auf den verbleibenden gerade mal 25 Prozent unseres Planeten tummeln sich über sieben Milliarden Angehörige der selbsternannten »Krönung der Schöpfung«. Dass dieses enge Zusammenleben auf so wenig Platz dem Denken gelegentlich nicht zuträglich ist, kann man ja verstehen.
Raum ist also rar auf unserem Planeten, und so zieht es die Menschheit, nachdem sie ihre spärlichen Landmasse mehr oder weniger erforscht hat, ins Weltall, zurück zur Milchstraße. Verständlich irgendwie, immerhin haben göttliche Brüste immer schon Menschen angezogen – zumindest den männlichen Teil der Bevölkerung. Zugegeben – das Weltall ist unglaublich interessant. Seit 1961 gab es 286 bemannte Raumflüge, die mit durchschnittlich 3,5 Personen besetzt waren. Das heißt, knapp über 1.000 Menschen (die Affen, Hunde und Goldfische zählen wir mal nicht mit) hat es bereits in die weiten Sphären verschlagen. Zudem betraten bis zum heutigen Tag 12 Personen die Mondoberfläche. Das dazugehörige Apollo-Programm der NASA lief von Juli 1960 bis 1972, hat rund 25 Mrd. US-Dollar (rund 120 Mrd. US-Dollar nach heutigem Wert) gekostet und bis zu 400.000 Menschen waren daran beteiligt.
Und wie sieht es mit dem Interesse an den Wassermassen unseres Planeten aus? Nun, laut offiziellen Schätzungen hat man bis jetzt gerade mal auf magere drei Prozent der Tiefsee einen Blick geworfen. Wenn man sich den Einsatz und das Engagement sowie die damit verbundenen Kosten vor Augen hält, sticht einem die große Diskrepanz besonders ins Auge: Die erste bemannte Tauchfahrt an die (beinahe) tiefste Stelle auf unserem eigenen Planeten, jene des Schweizers Jacques Piccard und des US-Amerikaners Don Walsh, kostete die US-amerikanische Marine, die das Projekt finanzierte, gerade mal 250.000 US-Dollar. Entwickelt wurde das Tauchboot von Jacques Vater, Auguste, quasi im Alleingang. Dennoch blieb diese Tauchfahrt vom 23. Januar 1960 bis zum März 2012 (da wagte der Kanadier James Cameron einen Solo-Tauchgang in diese Tiefe) die einzige ihrer Art.
Sehen wir uns ruhig einmal die derzeitige Situation an und werfen wir einen Blick in die 2011er Budgets der NASA und der NOAA. Das derzeitige Budget der US-Raumfahrtbehörde NASA beläuft sich auf 13 Mrd. US-Dollar – pro Jahr, versteht sich. Das Budget der ebenfalls staatlichen US-Meeres- und Atmosphärenbehörde NOAA beträgt im selben Zeitraum »nur« 5,4 Mrd. US-Dollar. Allerdings betreut die NOAA neben ihren Aufgaben zur Erforschung der Weltmeere auch ein umfangreiches Satellitenprogramm der USA. Dessen Anteil am Gesamtbudget beträgt stolze 3,06 Mrd. US-Dollar. Zieht man auch noch die Budgets der Teilbereiche Wetterkunde und Luftfahrt ab, bleiben gerade mal rund 700 Mio. US-Dollar für die Erforschung der Ozeane unseres Planeten.
Noch skurriler wird es, wenn man einen genaueren Blick auf alle bemannten Tauchfahrten in die Tiefsee wirft: In der Summe gibt es derzeit gerade mal drei Tauchfahrzeuge – bemannte und unbemannte – die überhaupt zum tiefsten Punkt der Weltmeere vordringen können, und es werden in absehbarer Zeit auch nicht sehr viel mehr. Weitere fünf Tauchboote gibt es, die bis 6.000 Meter Tiefe vordringen können. Und noch eine Handvoll mehr, die es bis 4.000 Meter tief schaffen. Die meisten dieser Forschungsfahrten werden heute jedoch aus Kostengründen unbemannt durchgeführt. Der Hauptanziehungspunkt der bemannten Tauchmissionen ist interessanterweise ein Touristenmagnet: die letzte Ruhestätte des Luxuskreuzers RMS Titanic. Seit dem Film von James Cameron haben in den letzten Jahren über 200 Passagiere eine Tauchfahrt in 3.850 Meter Tiefe gebucht – um ein kaputtes, verrostetes Schiff anzusehen. Das ist ihnen pro Person rund 45.000 US-Dollar wert.
Sei es, wie es ist. Man darf gespannt sein, wie sich der Wettlauf zwischen dem Weltall und dem eigenen Planeten noch entwickelt. Ein bisschen erinnert die Situation ja an das Rennen zwischen Hase und Igel. Im Jahr 2012 ist jedenfalls noch eine weitere Tiefsee-Mission vom Milliardär Richard Branson geplant. Eben jener Branson, der mit seinem Privat-Raumschiff Space Ship Two ab Ende 2012 auch Touristenflüge ins Weltall anbietet. Jetzt hat der Mann (und die Frau) von Welt natürlich die Qual der Wahl. Buche ich eine Reise in die Tiefsee um schlappe 45.000 US-Dollar (bei der mich – aufgrund der Tiefe – ja niemand sehen kann), oder zeige ich doch eher, was ich habe, und buche einen Flug ins Weltall um eben mal 200.000 US-Dollar. Schwierig, schwierig – ein Milliardär hat’s eben schwer. Allerdings ist das wirklich noch ein echtes Schnäppchen: Ein Flug zur Internationalen Raumstation ISS kostet nämlich pro Person rund 50 Millionen US-Dollar.
Warum nur sind uns die Ozeane, unser eigener – unerforschter – Planet, so gleichgültig? Lassen wir dazu den Schauspieler Curd Jürgens im James Bond-Film »Der Spion, der mich liebte« zu Worte kommen. Er drückt aus, was viele von uns denken: »Der Mensch weiß mehr über den Mond, als über die Tiefen der Ozeane – ist das nicht eigentlich erschreckend, und sagt sehr viel über die Menschheit aus?«
Ich hoffe, mit diesem Buch kann ich ein wenig Interesse für unseren eigenen Planeten, und hier vor allem für die Ozeane und das Leben dort, bei Ihnen wecken. Immerhin stammen fast 75 Prozent des Sauerstoffs, den wir zum Leben brauchen, aus diesem Wasser, das unseren Planeten reichhaltig bedeckt. Und wenn der Sauerstoff eines Tages knapp werden sollte, wird es eng mit der Atemluft,
… und dann kann man ja wirklich auch gleich in den Weltraum fliegen.
Aber das ist eine ganz andere Geschichte, die wir hoffentlich unseren Kindern eines Tages noch erzählen können.
Viel Spaß beim Lesen,
Ihr Leo Ochsenbauer
http://www.dasbuch.nullzeit.at/
Leopold Ochsenbauer, wie sein vollständiger Name lautet, wurde am 29.09.1967 in Wien, Österreich, geboren und ist Herausgeber des Wassersportmagazins nullzeit.at, Autor mehrerer Bücher, unter anderem »Nullzeit, Sex und Tiefenrausch – 333 Antworten auf Taucherfragen« und dem Nachfolgewerk »Noch mehr Sex und Tiefenrausch«. Neben diesen Tätigkeiten arbeitet er als freier Journalist und Fotograf für diverse Medien.
Seinen journalistischen Grundstein legte er – nach einigen Jahren Tätigkeit als Aufnahmeleiter beim österreichischen Spielfilm – bei der Austria Presse Agentur (APA). Seit 1994 zählt der Tauchsport zu seinen großen Leidenschaften, seit 2003 ist er auch zertifizierter Tauchlehrer und Erste-Hilfe-Ausbilder (PADI MSDT, IANTD-Instructor, EFR-Instructor) mit über 1500 Tauchgängen weltweit.
325 v. Chr.: Der makedonische König Alexander der Große lässt sich eine Taucherglocke bauen, um die Schönheiten der Ägäis auch unter Wasser zu entdecken. Übrigens soll auch der griechische Philosoph Aristoteles eine solche besessen haben. Das Interesse der Menschen an der Tiefe der Meere ist geweckt.
1521: Der portugiesische Seefahrer Fernando Magellan versucht während seiner Weltumsegelung im Zentralpazifik vergebens, mit einer Kanonenkugel, die er an einem 731 Meter langen Seil hatte befestigen lassen, den Boden auszuloten. Er erklärt das Meer kurzerhand für »unermesslich tief«.
1667: Der britische Universalgelehrte Robert Hooke versucht die Royal Society von der Notwendigkeit zu überzeugen, in die Untersuchung der Meeresböden zu investieren. Nach seiner Theorie sind Fossilien durch Sedimentationsprozesse im Meer entstanden. Also möchte er ebendort nach Prozessen suchen, die das Anheben dieser Schichten erklären könnten. Auch möchte er seine Theorie über einen zyklischen Austausch von Land und Meergebieten untersuchen. Die Royal Society hält dieses Vorhaben für unmöglich und lehnt ab.
1751: Der britische Kapitän und Hobby-Naturwissenschaftler Henry Ellis entdeckt bei Temperaturmessungen im Atlantik, dass der Ozean zwischen 100 und 1.600 Meter Tiefe deutliche Temperaturunterschiede hat und mit zunehmender Tiefe immer kälter wird.
1800: Der französische Astronom und Mathematiker Pierre-Simon, Marquis de Laplace, findet durch Gezeitenbeobachtung und -berechnung der brasilianischen und afrikanischen Küste heraus, dass der Atlantik maximal 3.962 Meter tief ist. Moderne Messungen haben ergeben, dass der Mittelatlantische Rücken bis zu 3.000 Meter Tiefe herausragt. Die maximale Tiefe liegt bei 9.219 Metern im Milwaukeetief. So ungenau war die Berechnung also gar nicht.
1818: Der schottische Polarforscher Konteradmiral Sir John Ross lässt auf der Suche nach der Nordwestpassage im eisigen Nordatlantik einen Greifarm an einem Tau (er nennt diese Konstruktion »Tiefsee-Muschel«) bis in über 1.800 Meter Tiefe hinab. Als der Greifer wieder eingeholt wird, finden sich Würmer und ein Gorgonenhaupt (eine Art Schlangenstern). Bei einem weiteren Versuch in bis zu 2.000 Meter Tiefe werden Krebstiere, Korallen und Muscheln geborgen.
1841: Der Brite Edward Forbes stellt während seiner Arbeit als Naturforscher an Bord der HMS Beacon mit einem Schleppnetz aus Lederschlingen fest, dass die Zahl der Arten mit der Tiefe abnimmt. Er entwickelt daraufhin seine Theorie, dass das Meer unterhalb von 600 Metern eine leblose, azoische Wüste sein müsse. Dort unten »fehlen Strömungen, die lebensnotwendigen Sauerstoff nachliefern«. Was er nicht wissen konnte, war die Tatsache, dass sein Schleppnetz schlicht und einfach zu große Maschen hatte – kleinere Lebewesen schlüpften durch.
1858: Das erste transatlantische Telegrafenkabel, das in der Tiefsee verlegt wird, geht in Betrieb – und versagt nur ein Monat später. Am 27. Juli 1866 erreicht der durch die Atlantic Telegraph Company verlegte neue Strang Neufundland.
1859: Der britische Naturforscher Charles Robert Darwin veröffentlicht sein Jahrhundert-Werk »Die Entstehung der Arten«. Darin erklärt er, wie manche Arten über lange Zeiträume unverändert bleiben können, wenn sie in einer stabilen Umgebung leben. Da für viele die Tiefsee der Weltmeere als ein solcher Ort gilt, der über Jahrmillionen unverändert geblieben ist, setzt eine intensive Suche nach lebenden Fossilien im Meer ein.
1860: Der norwegische Geistliche und Biologe Michael Sars zieht zusammen mit seinem Sohn George Ossian Sars vor der Küste Norwegens in Tiefen von bis zu 1.000 Metern sein Schleppnetz durch die salzigen Tiefen und fischt etliche seltsame Lebewesen aus den Weiten des Ozeans: Seelilien und Seesterne etwa, die seit Millionen von Jahren als ausgestorben galten. Die azoische Theorie von Forbes bekommt erste Risse.
1862: Der britische Meeresbiologe und Arzt George Charles Wallich holt mit einem Lot aus über 2.000 Meter Tiefe Seesterne an Bord des Telegrafenkabel-Legers HMS Bulldog. Kurz darauf entdeckt man an einem gebrochenen Telegrafenkabel, das in 2.300 Metern Tiefe lag, verschiedene verkrustete Tierarten, u.a. auch eine Steinkoralle. Die azoische Lehrmeinung von Forbes beginnt endgültig zu wanken.
1868: Die britische Royal Society finanziert die erste Tiefsee-Expedition. Die schottischen Expeditionsleiter Charles Wyville Thomson und William B. Carpenter kreuzen mit dem umgebauten Kanonenboot HMS Lightning vor der Küste Schottlands und dredschen Schlangensterne, Glasschwämme, Seefedern, Seegurken, Seelilien, Krebse und viele weitere, seltsame Lebewesen aus den Tiefen des Atlantiks.
1869-1870: Thomson und Carpenter erhalten ein besseres Schiff und brechen mit der HMS Porcupine, einem umgebauten Vermessungsschiff, ins Mittelmeer auf. Dabei können sie feststellen, dass in der Tiefsee ein Wasseraustausch stattfindet, der durch Unterschiede in Temperatur und Salzgehalt entsteht. Damit haben sie im Grunde die Entdeckung des Prinzips von Meeresströmungen gemacht. Zudem bedeutete das, dass durch diese Strömungen Sauerstoff in die Tiefe transportiert wird. Am 22. Juli 1969 bringen sie schließlich mit einem Schleppnetz erstmals überhaupt Lebewesen aus 4.289 Meter Tiefe, darunter Würmer, Glasschwämme und Stachelhäuter. Die azoische Lehrmeinung von Forbes ist nun endgültig Geschichte.
1870: Angeregt durch die Diskussionen über mögliches Leben in der Tiefsee lässt der französische Autor Jules-Gabriel Verne in seinem Abenteuerroman »20.000 Meilen unter dem Meer« Kapitän Nemo mit seinem Tauchboot Nautilus bis auf den Ozeangrund in knapp 16.000 Meter Tiefe vordringen – und regt damit die Phantasie der Menschen über mögliches Leben in der Tiefsee noch mehr an. Dabei macht er aber einen entscheidenden Fehler: So treffsicher manche seiner technischen Visionen auch waren, mit seinen biologischen Fiktionen liegt Verne weit daneben. In seinem Roman gibt es unterhalb einer bestimmten Grenze kein Leben mehr – auch er glaubt noch immer ein wenig an die azoische Theorie.
1872-1876: Auf einer Weltumsegelung mit dem britischen Schiff HMS Challenger entdecken Forscher unterseeische Gebirgsketten und bergen aus bis zu 5.500 Metern Tiefe gezählte 4.717 bislang unbekannte Arten, darunter Riesenwürmer, Seelilien und Strahlentierchen (Radiolarien). Der – wieder einmal im Einsatz befindliche, erfahrene – Expeditionsleiter Charles Wyville Thomson gelangt daher zu dem Schluss: »Die Verteilung der Lebensformen hat kein Tiefenlimit.«
1898-1899: Die erste groß angelegte deutsche Expedition zur Erforschung der Tiefsee, die Valdivia-Expedition unter der wissenschaftlichen Leitung des Zoologen Carl Chun, führt 32.000 Seemeilen durch den Atlantischen und Indischen Ozean. Zwar wusste man nun bereits, dass es am Boden der Tiefsee Leben gibt, doch man glaubte immer noch, dass das freie Wasser azoisch sei, also frei von Leben. Expeditionsleiter Chun kann jedoch nachweisen, dass auch im freien Wasser eine enorme Lebensvielfalt herrscht. Zudem werden etliche Lebewesen aus der Tiefsee geborgen und konserviert.
1890-1898: Auch die Österreicher wollen in der Erforschung der Weltmeere nicht zurückstehen und organisieren die Pola-Expedition. Zahlreiche bis dahin unbekannte Tierarten werden entdeckt und am 28. Juli 1891 wird mit 4.404 Metern zudem die bis dahin größte Tiefe des Mittelmeers gemessen, die heute noch Pola-Tiefe heißt.
1912: Angeregt durch die Titanic-Katastrophe am 14. April möchte der deutsche Physiker Alexander Behm die Schifffahrt sicherer machen und entwickelt das Echolot zur Entfernungsmessung. Dabei werden Schallwellen ausgeschickt, an einem Objekt reflektiert und wieder empfangen. Aus den Laufzeiten der Signale lassen sich genaue Distanzen messen.
1930: Der amerikanische Ichthyologe, Ökologe und Ornithologe Charles William Beebe entwickelt gemeinsam mit dem amerikanischen Erfinder Frederick Otis Barton Jr. ein neuartiges Tauchgerät, die Bathysphere, eine Stahlkugel, die vom Trägerschiff »Ready« an einem Stahlseil in die Tiefe herabgelassen wird. Ein Stromkabel sorgt zusätzlich für Beleuchtung, ein Telefonkabel für die nötige Kommunikation mit dem Mutterschiff. Aus Sauerstoffflaschen wird die nötige Versorgung der Taucherkugel mit Sauerstoff sichergestellt, Kalium absorbiert das ausgeatmete Kohlendioxid. Bei einem der ersten Tauchgänge erreichen die beiden Wissenschaftler eine Tiefe von 435 Meter unter Null und können auch Lebewesen in dieser Umgebung beobachten. »Diese Fische hatten nicht nur ein halbes Dutzend Schuppen, sondern sie erstrahlten wie in einer schimmernden Rüstung«, schreibt Beebe über die Pionierfahrt.
1934: Nachdem sie ihre Bathysphere weiter verbessert haben, tauchen Beebe und Barton Jr. am 15. August erneut ab. Diesmal erreichen sie die Rekordtiefe von 923 Metern unter dem Meeresspiegel.
1938: Am 22. Dezember bringt der Kutter »Nerine« mit seiner Ladung auch einen Jahrhundertfang in den Hafen der südafrikanischen Stadt East London: einen Quastenflosser, der schon zu Zeiten der Dinosaurier die Ozeane bevölkerte und seit 65 Millionen Jahren als ausgestorben galt.
1948: Frederick Otis Barton Jr. entwickelt die Bathysphere ohne Beebe weiter und taucht mit seinem neu konstruierten Benthoscope auf 1.370 Meter Tiefe ab.
1950-1952: Im Zuge der dänischen Galithea-Expedition unter der Leitung des dänischen Ozeanographen und Ichthyolgen Anton Frederik Bruun werden im Philippinen-Graben aus 10.916 Meter Tiefe Bodenproben geholt. Dabei kann auch Leben in dieser Tiefe nachgewiesen werden.
1952: Die amerikanischen Geologen Marie Tharp und Bruce Charles Heezen entdecken den Graben im Mittelatlantische Rücken und kartographieren den Mittelozeanischen Rücken erstmals. Dabei legt vor allem Tharp eine solche Detailtreue an den Tag, dass ihre Zeichnungen Jahre später durch Satellitenaufnahmen bestätigt werden. Die Entdeckung der beiden ist vor allem für die Bestätigung der Plattentektonik und den Kontinentaldrift in späterer Folge sehr bedeutend.
1960: Am 23. Januar tauchen der Schweizer Jacques Piccard und der Amerikaner Don Walsh an Bord des Bathyscaph Trieste 10.916 Meter tief ins Challengertief des Marianengrabens hinab. Dabei sichten sie auch einen Plattfisch und Garnelen in dieser Tiefe.
1961: Die amerikanischen Geologen Harry Hammond Hess und Robert Dietz entdecken, dass sich der Meeresboden ständig neu bildet. Daraus entwickeln sie die Theorie der Plattentektonik, nach der die Erdoberfläche aus aneinandergrenzenden, driftenden Schollen besteht. Hess und Dietz bestätigen damit die heftig umstrittene Kontinentaldrift-Theorie des deutschen Geophysikers Alfred Wegener aus dem Jahr 1912. Von 1957 bis 1966 war Hess auch am Mohole-Projekt beteiligt, bei dem die Durchführbarkeit von Tiefseebohrungen untersucht wurde.
1964: Aus Angst, die Sowjetunion würde während des Kalten Kriegs die Tiefsee erobern, verstärkt die US Navy ihre Bemühungen zur Erforschung dieses Lebensraums. Das Ergebnis dieser Anstrengungen ist das legendäre Tieftauchboot Alvin, das ihm Lauf seiner mittlerweile fast 50jährigen Geschichte viele wichtige Missionen unternommen hat, international aber vor allem durch die Entdeckung des Wracks der Titanic 1986 bekannt wurde. Die Ursprungstauchtiefe lag bei etwa 2.000 Metern, 1973 erhält das Boot statt der Stahlkabine eine Druckkapsel aus Titan und ist bis 4.000 Meter einsetzbar. Nach weiteren Umbauten 1994 steigert sich diese Einsatztiefe auf 4.500 Meter. Beim letzten Umbau 2008 wurde die Tauchtiefe auf 6.000 Meter erhöht. Der Stapellauf soll im Jahr 2012 sein.
1966: Die Alvin und ein unbemanntes Navy-ROV bergen eine amerikanische Wasserstoffbombe, die nach einer Flugzeugexplosion vor der spanischen Küste ins Mittelmeer gestürzt ist.
1974: Ein französisch-amerikanisches Forschungsteam entdeckt in einem Graben des Mittelozeanischen Rückens südwestlich der Azoren völlig unerwartet frische Lava, die zwischen den auseinanderstrebenden Kontinentalplatten aufsteigt und neuen Meeresboden bildet.
1977: Die Alvin stößt in der Gegend der Galapagos-Inseln, rund 2.500 Meter unter dem Meeresspiegel, auf heiße Quellen, in deren Umfeld eine Vielzahl völlig unbekannter Arten von Bakterien, Würmern, Krebsen und Fischen gedeiht. Daraufhin wird die Suche nach solchen Hydrothermalquellen verstärkt. 1979 werden erstmals durch die Luken von Alvin Schwarze Raucher gesichtet, die ebenfalls eine charakteristische Lebensgemeinschaft unterhalten. 1984 entdeckt man – wiederum mit Hilfe von Alvin – im Golf von Mexiko kalte Quellen. Auch hier findet man ein reiches Artenspektrum.
1975-1985: Der amerikanische Meereswissenschaftler Charles D. Hollister, Vize-Präsident der Woods Hole Oceanographic Institution, erforscht über zehn Jahre lang die unterschiedliche Beschaffenheit von Tiefseeböden am Kontinentalabhang der Ostküste der USA und entdeckt, dass es in der Tiefsee Stürme gibt, sogenannte benthische Stürme. Dabei werden Strömungsgeschwindigkeiten von fast zwei Kilometern pro Stunde erreicht und Unmengen an Sediment aufgewirbelt und umgeschichtet. Dies ist einer der Gründe für die extrem unterschiedliche Bodenbeschaffenheit mancher Tiefsee-Gegenden und vor allem auch der Veränderung mancher Gegenden in kurzen Zeiträumen.
1987: Dem deutschen Meeresbiologen Hans W. Fricke gelingt es mit Hilfe des Tauchboots GEO vor der Küste der Komoren erstmals, lebende Quastenflosser in ihrem natürlichen Lebensraum zu filmen.
1982: Die Vereinten Nationen verabschieden das Internationale Seerechtsübereinkommen, das u.a. die Mineralien des Meeres zum Erbe der gesamten Menschheit erklärt. Der Vertrag tritt am 16. November 1994 in Kraft.
1985: Der amerikanische Ozeanograph Dr. Robert Ballard spürt nach langer Suche das Wrack der Titanic auf. Ein 1991 von den russischen Tauchbooten MIR 1 und MIR 2 aufgenommener Film brachte das legendenumwobene Wrack erstmals einer breiten Öffentlichkeit nahe. Als schließlich auch noch James Cameron die Schiffskatastrophe verfilmt und mit Originalbildern aus der Tiefsee aufpeppt, ist der Hype um das Wrack am Höhepunkt angekommen. In Folge werden auch Touristen-Tauchfahrten mit der MIR 1 und der MIR 2 zum Wrack der Titanic angeboten.
1985: Das Französische Forschungsinstitut zur Nutzung der Meere (Ifremer) entwickelt die Nautile, ein bemanntes Tauchboot, das bis in eine Tiefe von 6.000 Metern tauchen kann.
1988: Die Sowjetunion beteiligt sich mit ihren zwei Tauchbooten MIR1 und MIR2 am Wettlauf in die Tiefe. Die beiden Fahrzeuge erreichen ebenfalls eine Tiefe von 6.000 Metern.
1990: Die Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology (JAMSTEC) senkt mit dem bemannten Tauchboot Shinkai 6500 die größte mögliche Einsatztiefe um weitere 500 Meter. Die Wissenschaftler von JAMSTEC wollen damit jene Zone erkunden, in der vor Japans Ostküste viele verheerende Erdbeben entstehen, wie auch jenes, das im Jahr 2011 zur Fukushima-Katastrophe geführt hat.
1990: Der Kalte Krieg ist endgültig vorbei und die US Navy stellt bislang geheime Militärtechnik für zivile Forschungszwecke zur Verfügung. So können jetzt z.B. Wissenschaftler auf der ganzen Welt Dank eines weltweiten Netzes hochempfindlicher Unterwassermikrofone auf umfassende Weise Meeressäuger belauschen und Ausbrüche von Tiefsee-Vulkanen verfolgen.
1995: Am 24. März taucht der japanische Roboter Kaiko 10.911,40 Meter in den Graben des Challengertiefs hinab. Nach der Rekord-Tauchfahrt der Trieste ist somit nach 35 Jahren erstmals wieder ein Fahrzeug in dieser Tiefe. Bis zum 29. Mai 2003 führte Kaiko 250 Expeditionen durch. Bei seinem letzten Einsatz wird allerdings während eines Taifuns vor der Insel Shikoku sein Trägerkabel gekappt und er verschwindet in den Tiefen des Pazifischen Ozeans. Als Ersatz diente bis 2007 das ROV Kaiko 7000, das allerdings nicht so tief tauchen kann wie sein Vorgänger.
1995: Die US Navy veröffentlicht Gravitationswerte der Erde, die ursprünglich der Zielgenauigkeit amerikanischer Interkontinentalraketen dienten. Daraus wird von Ozeanographen ein Meeresbodenatlas von enormer Präzision erstellt, der die Topografie der Weltmeere mit einer Detailauflösung von sechs Kilometern zeigt.
1998: Erstmals werden von deutschen und amerikanischen Wissenschaftlern unabhängig voneinander Schwarze Raucher – bis zu zwei Meter hohe Mineralienschlote – vom Meeresboden an die Oberfläche gebracht. Da wertvolle Bodenschätze in der Tiefsee vermutet werden, sichert sich die australische Firma Nautilus Minerals die Abbaurechte für 5.000 Quadratkilometer Meeresboden vor Neuguinea. Die UNO befürchtet dadurch einen Raubbau in der Tiefsee und will ein System von Schutzgebieten einrichten.
1999: Der neue Tauchroboter Victor 6000 des Ifremer ist erstmals im Einsatz. Während einer Fahrt im Auftrag des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in die Grönlandsee holt das ROV Bodenproben aus 5.500 Metern Tiefe. Als Trägerschiff fungiert die deutsche Polarstern.
2000: Die über zehn Jahre anberaumte Volkszählung der Weltmeere (Census of Marine Life) wird ins Leben gerufen. Das Projekt dreht sich um drei große Fragen: Was lebte einst in den Ozeanen? Was lebt jetzt in den Ozeanen? Was wird in den Ozeanen leben? Insgesamt beschäftigt sich ein ständig wachsendes globales Netzwerk von über 2.800 Wissenschaftlern in über 80 Ländern damit, eine Bestandsaufnahme der Ozeane durchzuführen und die Vielfalt der Unterwasserwelt zu erforschen. In über 540 Expeditionen konnten dabei rund 6.000 neue Arten in den Tiefen der Weltmeere festgestellt werden. Dabei entdecken die Wissenschaftler überall Lebewesen, selbst dort, wo Hitze Blei zum Schmelzen bringen würde, Meerwasser zu Eis erstarrt und wo es kaum Licht oder Sauerstoff gibt. Das Projekt erweitert bekannte Lebensräume und Gebiete, in denen Leben bekanntermaßen vorkommt. Es wurde offensichtlich, dass in marinen Lebensräumen Extreme normal sind, aber auch, dass das Ökosystem Meer extrem gefährdet ist. So finden die Wissenschaftler etwa heraus, dass 70 Prozent der Weltmeere frei von Haien sind, und dass seit der Römerzeit 90 Prozent der wichtigsten Arten im Meer verschwunden sind.
2007: JAMSTEC testen erstmals ihr neues unbemanntes Tauchboot ABISMO (Automatic Bottom Inspection and Sampling Mobile). ABISMO ist bis heute eines von nur drei Tauchbooten weltweit, das in Tiefen bis zu 11.000 Meter operieren kann. Die anderen beiden sind die 2009 gewasserte Nereus und die Deepsea Challenger aus dem Jahr 2012.
2009: Am 31. Mai erreicht der unbemannte Tauchroboter Nereus der amerikanischen Woodhole Oceanic Institution eine Wassertiefe von 10.902 Metern im Marianengraben. Er ist damit das dritte von Menschenhand gebaute Fahrzeug (nach der Trieste und Kaiko), das sich in dieser Tiefe aufhält.
2010: Das deutsche Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel IFM Geomar nimmt das AUV (Autonomous Underwater Vehicle) ABYSS in Betrieb. Das bis zu 20 Stunden autonom zu betreibende Tauchboot ist für Einsatztiefen bis zu 6.000 Metern ausgelegt. Mit Hilfe von verschiedenen Echoloten kann es den Meeresboden kartieren und mittels Sensoren die physikalischen Parameter aus der Wassersäule sammeln.
2011: Die chinesische Regierung testet ihr neues Tauchboot Jialong, das für eine maximale Einsatztiefe von 7.000 Metern ausgelegt sein soll, erfolgreich auf einer Tiefe von 5.057 Metern im Pazifik.
2012: Der kanadische Regisseur James Francis Cameron erreicht am 25. März mit seinem von der National Geographic Society und Rolex gesponserten Tauchboot, Deepsea Challenger, den Grund des Marianengrabens in 10.898 Meter Tiefe. Er ist der dritte Mensch, der die Landschaft in dieser Tiefe mit eigenen Augen gesehen hat. Allerdings scheint es ihm nicht so gefallen zu haben, lakonisch beschreibt es sie nach seinem Solo-Tauchgang als »Mond-Landschaft«.
2012: Bis zur Drucklegung dieses Buches haben bereits über 200 Personen eine Tauchfahrt zur Titanic unternommen. Für diese Touren mit den russischen Tauchbooten MIR1 und MIR2 bezahlten die Touristen rund 45.000 US-Dollar pro Person. Allein im Jahr 2012, dem 100jährigen Jubiläum des Untergangs, buchen 48 Personen eine Tauchfahrt zur Titanic.