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Christian von Löwe

Familienstiftungen

Gründung und Gestaltung – ein Leitfaden für Stifter und Berater

StiftungsRatgeber, Band 5

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Wegen der besseren Lesbarkeit wird der Begriff „Stifter“ in diesem Ratgeber geschlechtsneutral verwendet. Weibliche Personen sind immer mitgemeint.

Verlag:

Autor:

© Bundesverband Deutscher Stiftungen, Berlin Nachdruck 2013

Coverfotos ©, v.l.n.r.: Child of nature; Kzenon; LianeM, alle Fotolia.com

Inhalt

Grundlagen

1. Allgemeines

2. Begriff der Familienstiftung

3. Besondere Eigenschaften der Familienstiftung

4. Fragen im Vorfeld der Errichtung einer Familienstiftung

Familienstiftung – die richtige Rechtsform?

Besteht Stiftungsreife?

Risiko von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüchen

5. Motive für die Errichtung einer Familienstiftung

Erhaltung des Familienvermögens bzw. Familienunternehmens

Versorgung der Familie

Sonstige Motive

6. Abgrenzung der Familienstiftung

Abgrenzung der rechtsfähigen von der nicht rechtsfähigen Familienstiftung

Abgrenzung der Familienstiftung von der „gemeinnützigen Familienstiftung“

7. Unternehmensverbundene Familienstiftung

Erscheinungsformen

Sonderform Doppelstiftung

Einsatzmöglichkeiten

Der Weg zur Gründung einer Familienstiftung

1. Wer kann Stifter sein?

2. Vornahme des Stiftungsgeschäftes

3. Stiftungssatzung als Anlage zum Stiftungsgeschäft

Stiftungszweck

Stiftungsvermögen

Stiftungsorgane

4. Anerkennung der Familienstiftung

5. Stiftungsverzeichnis

6. Bearbeitungsgebühren der Stiftungsaufsichtsbehörde

7. Übertragung des Stiftungsvermögens

8. Gestaltungsmöglichkeiten

Vermögensausstattung der Familienstiftung in zwei Schritten

Errichtung von zwei oder mehreren Familienstiftungen

9. Laufende Stiftungsaufsicht

Das Steuerrecht der Familienstiftung

1. Besteuerung der Vermögensausstattung bei Errichtung der Familienstiftung

Einkommen- und Gewerbesteuer

Erbschaft- und Schenkungsteuer

Umsatzsteuer

Grunderwerbsteuer

2. Laufende Besteuerung der Familienstiftung

Körperschaftsteuer

Gewerbesteuer

Umsatzsteuer

Erbersatzsteuer

3. Besteuerung von Zustiftungen an die bestehende Familienstiftung

4. Besteuerung von Zuwendungen der Familienstiftung an die Destinatäre

Einkommensteuer

Schenkungsteuer

5. Besteuerung der Aufhebung der Familienstiftung und der Vermögensauskehrung

Körperschaft- und Gewerbesteuer

Einkommensteuer

Schenkungsteuer

Anhang

1. Mustertexte

Muster für die Satzung einer rechtsfähigen Familienstiftung

Muster für ein Stiftungsgeschäft unter Lebenden zur Errichtung einer rechtsfähigen Familienstiftung

2. Einschlägige Gesetzestexte

Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

Auszug aus der Abgabenordnung (AO)

Auszug aus dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG)

Auszug aus dem Einkommensteuergesetz (EStG)

Auszug aus dem Umsatzsteuergesetz (UStG)

Auszug aus dem Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG)

Auszug aus dem Körperschaftsteuergesetz (KStG)

Auszug aus dem Gewerbesteuergesetz (GewStG)

3. Service

Literatur

Über den Bundesverband Deutscher Stiftungen

Adressen und Hinweise

Über den Autor

Grundlagen

Grundlagen

1. Allgemeines

Die Familienstiftung ist eine privatnützige Stiftung. Sie verfolgt den Zweck, dem Interesse der Mitglieder einer Familie zu dienen. Die Förderung der Familieninteressen kann vor allem in der Gewährung von Zuwendungen an vom Stifter bestimmte Familienmitglieder und der Aufrechterhaltung von Familienvermögen bestehen. Da es keine Eintragungspflicht in ein bundesweites Stiftungsregister gibt, kann die genaue Zahl der Familienstiftungen nicht ermittelt werden. Nach Schätzung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen dürfte die Anzahl der Familienstiftungen in Deutschland bei etwa 700 liegen. Den Anteil der Familienstiftungen an den Stiftungen insgesamt schätzt der Verband auf 3 bis 5 Prozent. In der Datenbank des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen sind derzeit über 550 Stiftungen erfasst, die laut ihrer Satzungszwecke vorrangig oder ausschließlich dem Unterhalt von Familienangehörigen dienen (Stand: März 2010). In der Stiftungswirklichkeit ist die Vielfalt unter den Familienstiftungen groß: Es bestehen Familienstiftungen mit kleinem Vermögen und mit Mehrheitsbeteiligungen an Großunternehmen ebenso wie Familienstiftungen mit wenigen Begünstigten und jahrhundertealte Familienstiftungen mit über eintausend Begünstigten.

Hervorzuheben ist, dass die Familienstiftung kein „Steuersparmodell“ ist. Die Familienstiftung erfährt auch keine steuerlichen Begünstigungen wie eine gemeinnützige Stiftung, weil sie keineswegs vorrangig dem Wohl der Allgemeinheit dient. Familienstiftungen unterliegen vielmehr der normalen Besteuerung von privatnützigen Stiftungen. An dieser Stelle sei auf den Ratgeber „Die Gründung einer Stiftung“ hingewiesen, der weitere hilfreiche Informationen für den Stifter enthält.

2. Begriff der Familienstiftung

Die hier beschriebene Familienstiftung ist eine Anwendungsform der – im Regelfall – rechtsfähigen Stiftung des Privatrechts im Sinne von §§ 80 bis 88 des Bürgerlichen Gesetzesbuches (BGB). Unter einer rechtsfähigen Stiftung versteht man eine mitgliederlose Einrichtung, die einen oder mehrere dauerhafte Zwecke mithilfe eines vom Stifter gewidmeten Vermögens verfolgt. Eine Familienstiftung liegt nach den Landesstiftungsgesetzen dann vor, wenn eine Stiftung ausschließlich oder zumindest überwiegend dem Interesse bzw. Wohl einer bestimmten oder mehrerer bestimmter Familien dient.

3. Besondere Eigenschaften der Familienstiftung

Die Familienstiftung weist im Vergleich zu anderen Rechtsformen spezifische und üblicherweise für den Stifter unbekannte Züge auf. Eine Besonderheit der Familienstiftungen und jeder anderen rechtsfähigen Stiftung ist, dass sie juristische Personen sind, an denen keine Mitgliedschafts- oder vermögenswerte Beteiligungsrechte bestehen. Die Stiftung kennt im Gegensatz zu einem Verein oder einer Gesellschaft weder Eigentümer noch Mitglieder. Sie ist gewissermaßen eine verselbstständigte Vermögensmasse und damit prinzipiell „unsterblich“.

Die Stiftung hat lediglich Begünstigte, das sind die in der Stiftungssatzung bestimmten Adressaten der Stiftungsleistungen (sogenannte Destinatäre). Die Destinatäre sind die Nutznießer des Stiftungsvermögens. Sie haben keine Einflussmöglichkeit auf die Tätigkeit und Entwicklung der Familienstiftung. Diese „Rechtsstellung“ des Destinatärs kann nicht beliebig weitervererbt werden. Das Nachrücken in die Destinatärstellung wird in der Regel durch die Satzung bestimmt.

Mit der Errichtung der Stiftung enden grundsätzlich die Eingriffsmöglichkeiten des Stifters auf die Familienstiftung. Vor allem ist der Stiftungszweck der Disposition des Stifters sowie dem Zugriff der Stiftungsorgane entzogen. Die Familienstiftung wird vom Stifterwillen beherrscht und geführt, wie er im Stiftungsgeschäft sowie in der Satzung zum Ausdruck kommt. Dieser zum Zeitpunkt der Errichtung bestehende Stifterwille ist maßgebend für das Verständnis des gesamten Stiftungsrechts.

4. Fragen im Vorfeld der Errichtung einer Familienstiftung

Familienstiftungen sind auf Dauer ausgelegt und sollen normalerweise über Generationen bestehen. Ihre Gründung bedarf daher in vielerlei Hinsicht reiflicher Überlegung und sorgfältiger Vorbereitung. Jede Stiftungsgründung erfordert eine weit in die Zukunft schauende Planung.

Wenn Sie über die Gründung einer Familienstiftung nachdenken, sollten Sie im Vorfeld zunächst folgende grundlegende Fragen kritisch betrachten und sorgsam prüfen.

Familienstiftung – die richtige Rechtsform?

Stellen Sie sich am Anfang der Überlegungen die Frage, ob die Familienstiftung die sachgerechte und optimale Rechtsform zur Erfüllung Ihrer Absichten ist.

Eine andere Rechtsform als die der Familienstiftung (z.B. Kapital- oder Personengesellschaft) ist besonders dann zu wählen, wenn der Stifter die Zweckbestimmung künftig ändern oder nach Bedarf konkretisieren will. Denn diese Absicht ist unvereinbar mit der Eigenständigkeit einer Stiftung und der eigenverantwortlichen Stellung der Stiftungsorgane. Als Stifter sollten Sie die Form der Familienstiftung wählen, wenn Sie sicherstellen möchten, dass die Mittel auf Dauer dem ursprünglichen Zweck zugutekommen.

Des Weiteren ist es ratsam, dass Sie außer der Familienstiftung alternative erbrechtliche Lösungen in Betracht ziehen. Grundsätzlich sollte eine Familienstiftung nur dann eingesetzt werden, wenn ein nicht unerhebliches Vermögen auf lange Sicht für Familienzwecke eingesetzt und die Verfolgung dieser Zwecke der eigenverantwortlichen Initiative von Organmitgliedern anvertraut werden soll. Die Stiftungsform ist ungeeignet, wenn nur bestimmten Personen einzelne Gebrauchsgegenstände oder Geldbeträge zugewendet werden sollen, die kurzzeitig bestimmungsgemäß zu verwenden sind. Für solche Anliegen bestehen andere Gestaltungsformen wie z.B. die Schenkung, das Vermächtnis (unter Auflage) oder der Vertrag zugunsten Dritter.

Besteht Stiftungsreife?

Als Stifter müssen Sie sich im Klaren sein, dass Sie im Zuge der Errichtung einer Familienstiftung Ihr im Stiftungsgeschäft versprochenes Vermögen an die Familienstiftung „verschenken“. Sie erlangen im Gegenzug für Ihre Vermögenshingabe weder ein eigentums- noch ein mitgliedschaftsähnliches Recht am Stiftungsvermögen, sondern können lediglich Nutznießer des Stiftungsvermögens sein. Die errichtete Familienstiftung steht unter staatlichem Bestandsschutz und ist jeder Fremdbestimmung entzogen. Dieser Bestandsschutz besteht auch gegenüber dem Stifter. Eine Einwirkung des Stifters ist nicht zulässig, soweit nicht durch Gesetz oder durch Satzung bestimmte Einflussmöglichkeiten vorgesehen sind. Diese besonderen Rahmenbedingungen der Rechtsform „Stiftung“ muss der Stifter bereit sein anzuerkennen („Stiftungsreife“).

Risiko von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüchen

Die Errichtung einer Familienstiftung ist für vorhandene Erben nachteilig. Zum einen wird das zu vererbende Vermögen durch die Vermögensübertragung auf eine Familienstiftung geschmälert. Zum anderen können die Erben auch als Begünstigte (Destinatäre) der Familienstiftung nicht über das Stiftungsvermögen verfügen. Die pflichtteilsberechtigten Erben erhalten somit bei Ableben des Stifters einen Pflichtteilsanspruch. Außerdem können sie sogenannte Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen, wenn der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall Zuwendungen an eine Familienstiftung tätigte.

Wenn der Stifter im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebt, können Vermögenszuwendungen an die Familienstiftung Ausgleichsansprüche begründen. Hierbei werden Vermögenszuwendungen in den letzten zehn Jahren vor der Beendigung des Güterstandes zur Ermittlung des Ausgleichsanspruchs mitberücksichtigt.

PRAXISTIPP: Um einen drohenden Liquiditätsentzug der Familienstiftung zu vermeiden, muss es im Interesse des Stifters sein, einen Interessenausgleich herbeizuführen. Er sollte die Familienstiftung durch Erb- bzw. Pflichtteilsrechtverzichtverträge schützen. Mit dem Ehepartner kann ein Verzicht auf den Zugewinnausgleichsanspruch geregelt werden.

5. Motive für die Errichtung einer Familienstiftung

Die individuellen Beweggründe für die Errichtung einer Familienstiftung sind verschieden und vielschichtig. Typischerweise möchte der Stifter einer Familienstiftung erreichen, dass das Vermögen erhalten bleibt und gleichzeitig eine Versorgung und wirtschaftliche Absicherung der Nachkommen gewährleistet wird.

Erhaltung des Familienvermögens bzw. Familienunternehmens

Die Familienstiftung kann auf Wunsch des Stifters das Familienvermögen „auf ewig“ zusammenhalten. Das Vermögen der Familienstiftung unterliegt keinem Erbgang, sodass die Familienstiftung eine Aufsplitterung des Vermögens im Zuge der Generationenfolge verhindert. Liquiditätsabflüsse wegen Abfindungen an weichende Erben sind genauso wie Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüche ausgeschlossen. Zudem können sich keine negativen Auswirkungen von Erbstreitigkeiten auf das Stiftungsvermögen ergeben. Die Familienstiftung weist damit Vorteile auf, die sich durch die erbrechtlichen Instrumente (z.B. Ausschluss der Auseinandersetzung, die Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung, die Teilungsanordnung in der letztwilligen Verfügung sowie die Anordnung einer Auflage) nicht verwirklichen lassen.

Der Einsatz einer Familienstiftung wird häufig diskutiert, wenn ein Unternehmen im ungeteilten Bestand als Existenzgrundlage für die Familie erhalten werden soll:

Bei der Familienstiftung sind Liquiditätsabflüsse wegen Gesellschafterkündigungen oder unvernünftigen, nur an Privatinteressen ausgerichteten Entnahmen ausgeschlossen.

Die Familienstiftung schützt das Unternehmen vor gegenläufigen (Gesellschafter-) Interessen der Familienmitglieder.

Die Familienstiftung verhindert, dass die Erben „Kasse machen“ und den Unternehmenswert durch Veräußerung realisieren.

Die Familienstiftung ist „heuschreckenresistent“ und bewahrt das Unternehmen vor feindlichen Übernahmen.

Die Familienstiftung sichert in bestimmtem Maße Kontinuität. Das Unternehmen ist nicht mehr den Risiken ausgesetzt, die Unternehmensnachfolge nach einem Unfall, einer Krankheit oder dem Tod des Alt-Unternehmers spontan regeln zu müssen und keinen geeigneten Nachfolger zu finden.

Versorgung der Familie

In der Familienstiftung bleibt das Vermögen der Familie über die folgenden Generationen als Einkunftsquelle erhalten, sodass die Versorgungsbedürfnisse gedeckt sind. Im Vordergrund stehen oft das Ermöglichen einer Ausbildung sowie das Abwenden einer eventuellen Not. Mit der Begünstigtenstellung der Familienmitglieder ist nicht notwendig ein unternehmerischer Einfluss auf das Familienvermögen bzw. -unternehmen verbunden.

Sonstige Motive

Die Familienstiftung bietet einen „Hauch von Unsterblichkeit“. Der Stifter kann mithilfe der Familienstiftung seinen Namen verewigen und ein besonderes Anliegen über den eigenen Tod hinaus unbefristet verfolgen. Häufig bringt der Stifter sein Lebenswerk in die Familienstiftung ein. Diese soll dann das Schaffen des Stifters darstellen oder in seinem Sinne weiterwirken. Ein weiteres Motiv für die Errichtung einer Familienstiftung kann der Wunsch sein, das Familienvermögen vor dem Zugriff Dritter zu schützen. Das Vermögen soll nicht durch Ansprüche von Gläubigern oder negativen Einfluss dritter Personen beeinträchtigt werden. Schließlich kann die Familienstiftung beispielsweise durch die Organisation und Finanzierung von Familientagen den Zusammenhalt der Familie stärken.

6. Abgrenzung der Familienstiftung

Die Familienstiftung kann als rechtsfähige oder nicht rechtsfähige (= treuhänderische) Familienstiftung in Erscheinung treten. In der Praxis hat sich ferner der Begriff der „gemeinnützigen Familienstiftung“ eingebürgert.

Abgrenzung der rechtsfähigen von der nicht rechtsfähigen Familienstiftung

Die rechtsfähige Familienstiftung ist eine juristische Person und damit ein selbstständiges Rechtssubjekt. Sie ist Träger von Rechten und Pflichten und kann selbst im eigenen Namen im Rechtsverkehr auftreten. Die §§ 80 bis 88 des BGB gelten nur für rechtsfähige Stiftungen des Privatrechts.