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Kate Hoffmann, Heather MacAllister, Leslie Kelly, Joanne Rock

TIFFANY EXTRA BAND 2

IMPRESSUM

TIFFANY EXTRA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

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Postfach 301161, 20304 Hamburg
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© 2012 by Peggy A. Hoffmann
Originaltitel: „Not Just Friends“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: BLAZE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Almuth Strote

© 2012 by Heather W. MacAllister
Originaltitel: „Tall, Dark & Reckless“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: BLAZE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Johannes Heitmann

© 2012 by Leslie A. Kelly
Originaltitel: „Blazing Midsummer Nights“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: BLAZE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Alina Lantelme

© 2011 by Joanne Rock
Originaltitel: „Riding The Storm“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: BLAZE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Miriam Höllings

Fotos: Kribenko/ Shutterstock, Getty Images

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY EXTRA
Band 2 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2013 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-95446-510-1

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, STURM DER LIEBE

 

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KATE HOFFMANN

Heißes Wiedersehen in der Wildnis

Es ist nach Mitternacht, als Adam das Camp erreicht und in sein Bett kriechen will. Aber Überraschung, da liegt schon wer: Julia, damals ein niedlicher Teenager – jetzt eine aufregende Schönheit …

HEATHER MACALLISTER

Und jetzt, Dating Doc?

Im Job ist Mark Banning ein Einzelgänger, der das Risiko zu sehr liebt, weshalb ihm jetzt eine Frau zur Seite gestellt werden soll. Doch mit Piper Scott steigt die Gefahr – vor allem für sein Herz …

LESLIE KELLY

Mittsommernachtslust

Nur aus Vernunft wollte Mimi ihren Verlobten heiraten. Von Lust keine Spur! Aber nun hat sie einen neuen Nachbarn, sexy Xander McKinley – und tausend Gründe, warum ihr Plan niemals klappen kann …

JOANNE ROCK

Falsche Jacht, richtiger Mann

Die Pillen gegen Seekrankheit machen Josie so müde … bis sie plötzlich aufschreckt! Die Jacht ist auf hoher See, der Skipper ist ein fremder Traummann, und der Rhythmus der Wellen ist verheißungsvoll …

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Heißes Wiedersehen in der Wildnis

1. KAPITEL

Die warme Sommerluft erfüllte ihr Auto mit dem Duft des Kiefernwaldes und des nahe gelegenen Sees. Julia McKee atmete tief ein und lächelte, nach so vielen Jahren war sie immer noch so aufgeregt wie früher. Es war eine Mischung aus Nervosität und Freude, die sie schon damals kurz vor Erreichen von Camp Winnehawkee immer gefühlt hatte.

Den Moment, als ihre Mutter ihr die Camp-Broschüre gegeben hatte, erinnerte sie noch ganz genau. Es war der erste Sommer nach der Scheidung ihrer Eltern und Lorraine McKee war mit der Erziehung ihrer fünf Kinder völlig überfordert gewesen. Sie hatte sich deshalb dazu entschieden, den Sommer mit Freunden in Kalifornien zu verbringen.

Für Julia bedeutete das, dass sie in einen Bus nach Nord-Wisconsin gesetzt wurde, während ihre vier älteren Brüder allesamt den Sommer in Sportcamps verbringen würden. Die Broschüre von Camp Winnehawkee hielt sie die ganze Fahrt über fest in den Händen und bis zu ihrer Ankunft hatte sie die Vorderseite so oft gelesen, dass sie den Text auswendig kannte. Sie war erst zehn Jahre alt und fürchtete sich sehr vor dem Sommer. Würde sie Freunde fürs Leben finden? Und was sollte das eigentlich bedeuten?

Zuhause hatte sie nicht viele Freunde. Die meiste Zeit verbrachte sie zurückgezogen in ihrem Zimmer und versteckte sich vor ihren rauflustigen Brüdern und deren unablässigen Versuchen, sie zu ärgern. Auch in der Schule las sie lieber ein Buch, als sich mit ihren Mitschülern zu beschäftigen – bald hatten die anderen Kinder ihr deshalb den Spitznamen „Bücherwurm“ verpasst.

Julia blinzelte im Scheinwerferlicht eines ihr entgegenkommenden Autos und warf dann einen Blick auf die Uhr im Armaturenbrett ihres Subaru. Sie war erst spät losgekommen und in Chicago in einen Stau geraten, ihrem Zeitplan hinkte sie inzwischen gute zwei Stunden hinterher. Das bedeutete, dass sie in Winnehawkee nicht vor Mitternacht eintreffen würde.

Sie griff nach dem Handy auf ihrem Beifahrersitz und rief Kate Carmichael Gray an, ihre allerbeste Freundin aus all den Sommern im Camp Winnehawkee. Die beiden waren in ihrem ersten Jahr Zimmergenossinnen gewesen, zusammen mit Frannie Dillon. In den darauf folgenden elf Jahren entwickelte sich zwischen den drei Mädchen eine tiefe Freundschaft, die immer noch anhielt.

Kate war mit Mason Gray verheiratet, genau wie die Mädchen war auch er jedes Jahr in Winnehawkee gewesen und als Teenager dann zum Gruppenleiter aufgestiegen. Die beiden hatten zunächst in Madison gelebt, bis sie sich dazu entschlossen, nach Nord-Wisconsin zu ziehen und dort das Camp zu übernehmen. Mason war eigentlich Highschool-Lehrer und Kate Sozialarbeiterin.

Julia seufzte, als am anderen Ende der Leitung nur Kates Anrufbeantworter dranging. „Hey Kate. Hey Mason. Ich brauche noch mindestens eine Stunde. Es ist schon spät, ich weiß, und ihr habt bestimmt einen langen Tag hinter euch, also geht ruhig schon schlafen. Wir sehen uns morgen früh. Ich finde selbst ein leeres Bett in einer der Hütten, ich weiß mich da schon einzurichten. Bis dann.“

Nachdem sie aufgelegt hatte, überlegte sie, ob sie Frannie anrufen sollte. Frannie und Ben Cassidy, ebenfalls ein alter Freund aus dem Sommercamp, wollten eigentlich etwas früher im Camp eintreffen. Die beiden lebten inzwischen in Minneapolis und waren sofort an Bord gewesen, als Kate und Mason sie um Hilfe gebeten hatten.

„Wir vom Camp Winnehawkee, Freunde für immer und ewig“, sang Julia leise. „Wir kommen jedes Jahr hierher und lieben dich noch immer mehr.“

Sie war im Sommer nach ihrem Schulabschluss zum Gruppenleiter aufgestiegen und auch noch während ihrer Collegezeit jeden Sommer zurückgekommen, um als Kunst- und Handwerkslehrerin die zwölf- und dreizehnjährigen Mädchen aus der Murmeltierhütte zu betreuen.

Über die Jahre war das Camp für sie zu einer Art Ersatzfamilie geworden. Ihre Brüder wollten nichts mit ihr zu tun haben und ihren Vater hatte sie nach der Scheidung kaum noch gesehen, höchstens zu den gerichtlich vereinbarten Geburtstagsbesuchen. Als ihre Mutter schließlich begann, sich wieder mit Männern zu treffen, hatte sie an der Erziehung ihrer kleinen Tochter komplett das Interesse verloren.

In letzter Zeit hatte Julia häufig über das Camp nachgedacht. Den Kontakt zu Kate und Frannie hatte sie in all der Zeit aufrechterhalten, sie riefen sich zu ihren Geburtstagen und an den Feiertagen an und trafen sich einmal im Jahr zu einem Mädelswochenende. Diesmal ging es allerdings darum, das Camp wieder zum Leben zu erwecken.

Winnehawkee war vor sechs Jahren geschlossen worden, die damaligen Eigentümer hatten das Rentenalter erreicht und waren nach Florida gezogen. Statt das Gelände allerdings an irgendwelche Bauunternehmer zu verkaufen, hatten sie im Kaufvertrag festgehalten, dass die Käufer das Camp wiedereröffnen müssen. Es fand sich jedoch zunächst niemand, bis sich Mason und Kate dazu entschlossen, ihre eigentlich für einen Hauskauf beiseitegelegten Ersparnisse in eine Anzahlung für einen Teil ihrer Kindheit zu investieren.

„Wir haben keine Angst, auch wenn wir uns trennen. Denn in unseren Herzen, Camp Winnehawkee, werden wir uns immer kennen.“

Eine Kirchengemeinde hatte das Camp für ihre Jugendgruppe Ende Juli gebucht. Aber bevor Mason und Kate ihre ersten Gäste in Empfang nehmen konnten, brauchten sie einen weiteren Kredit oder einen Investor, der für die wichtigsten Ausbesserungen aufkommen würde. Sie hatten also einige alte Campfreunde zu einer Reise in den Norden aufgerufen, in der Hoffnung, dass Freundschaft, Nostalgie und Neugierde diese mit genug Tatkraft ausstatten würden, um das Camp wieder bewohnbar zu machen.

Julias Handy klingelte.

„Win – ne – wer?“, rief Kates Stimme am anderen Ende der Leitung.

„Win – ne – hawkee!“, antwortete Julia, sich an den Morgenruf erinnernd.

„Du bist wer?“, sangen sie gemeinsam. „Winnehawkee. Winne-wer? Winnehawkee. Bist du dabei? Winnehawkee. Wir sind treu. Winnehawkee, Winnehawkee, Aye!“

„Tut mir leid, dass ich deinen Anruf verpasst habe.“

„Macht ja nichts. Wer ist denn noch da?“ Julia hielt den Atem an. Sie war sich nicht sicher, ob sie seinen Namen hören wollte. Adam Sutherland. Da, schon hatte sie den Namen gesagt – oder zumindest gedacht. Adam Sutherland. Tausend Erinnerungen kamen ihr mit einem Mal in den Sinn und ihr Herz fühlte sich an, als würde es jeden Moment in tausend Teile zerspringen. Sie wusste, dass er und Mason noch immer Freunde waren. Es war also möglich.

„Das sind für heute alle“, sagte Kate. „Morgen wird noch der eine oder andere anreisen. Ich glaube, dass Frannie und Ben noch dazukommen werden. Für dich und Frannie habe ich übrigens die Murmeltierhütte vorbereitet, ich weiß ja, dass ihr gern nah an den Waschräumen schlafen wollt.“

„Die alte Murmeltierhütte“, sagte Julia. „Ich frage mich …“, sie räusperte sich und schob die alten Erinnerungen beiseite. „Egal, wir sehen uns morgen früh. Geh schlafen und erhol dich noch mal. Ich hoffe, dass du deine Tennissachen mitgebracht hast, wir müssen nämlich unbedingt diese Woche spielen.“

„Ich habe seit Jahren nicht mehr gespielt und die neuen Netze haben wir auch noch nicht gespannt, aber ich bin bereit“, sagte Kate. „Ich rechne übrigens fest mit deinen Backkünsten. Ich kann nicht die ganze Woche lang allein für die Verpflegung von acht Leuten zuständig sein!“

„Ich habe ein paar Kuchen im Kofferraum und für morgen zum Frühstück Gebäck und Croissants dabei. Ich habe sogar einen kleinen Winnehawkee-Kuchen gebacken, er sieht aus wie das Haupthaus.“

„Perfekt! Wir haben für morgen Abend ein wunderbares Essen geplant“, meinte Kate. „Nicht wie üblich nur Hot Dogs und Baked Beans aus der Dose.“

„Prima“, sagte Julia. „Wir sprechen uns dann morgen früh.“

„Gute Nacht, Jules. Und vielen Dank noch mal für deine Hilfe, Mason und mir bedeutet das sehr viel.“

Julia legte auf und konzentrierte sich auf die Straße vor ihr. Sechs Leute. Kate und Mason, Frannie und Ben und sie. Wer war der Sechste? Konnte er es sein?

Sie hatte Adam Sutherland in ihrem dritten Sommer im Camp kennengelernt, bereits als Zwölfjähriger war er der Schwarm aller Mädchen gewesen. Seine dunklen Haare, die strahlend blauen Augen und sein umwerfendes Lächeln hatten dazu geführt, dass sich alle Mädchen sofort Hals über Kopf in ihn verliebten. Für Julia begann in diesem Sommer eine zehnjährige Liebesgeschichte, die zwar völlig unerwidert blieb, sie jedoch als intensiver empfand, als alle anderen danach.

Sie hatte ihn in den vergangenen Jahren einmal zufällig gesehen, als er mit einer wunderschönen Frau an seiner Seite in der Weihnachtszeit durch Chicago spazierte. Julia wusste, dass er im Finanzwesen tätig war und für die Kapitalbeteiligungsgesellschaft seines Vaters im Zentrum Chicagos arbeitete. Über die Jahre hatte sie seinen Namen ein paarmal bei Google eingegeben und so inzwischen eine ziemlich umfangreiche Biographie erstellt. Dabei war sie auch auf ein paar Fotos gestoßen, die ihn bei verschiedenen Charity-Events zeigten.

Auch wenn ihre Verliebtheit inzwischen abgeklungen war, ist eine gewisse Neugierde geblieben. Und wann immer ihr Liebesleben mal wieder einen Tiefpunkt erreichte, dachte sie darüber nach, was wäre, wenn Adam sie je wahrgenommen hätte.

Als Teenager schrieb sie alle ihre Gedanken über ihn in ihr Camp-Tagebuch, das sie unter einer losen Diele in der Murmeltierhütte versteckte. Sie erinnerte sich noch genau an den Tag, als sie mit zehn Jahren zu schreiben begann, und dann an ihren letzten Tag im Camp, als sie das Tagebuch bewusst in seinem Versteck liegen gelassen hatte. Sie kehrte Winnehawkee damals mit dem Entschluss den Rücken, das Tagebuch und Adam Sutherland gleichermaßen zu vergessen. Sie hoffte, dass sie mit dem Zeugnis ihrer jugendlichen Qualen diese selbst endlich hinter sich lassen könnte.

Aber auch heute noch, nach so langer Zeit, war jeder Gedanke an Winnehawkee mit Erinnerungen an Adam verbunden. Julia kicherte leise. Mann, sie hatte sich damals echt pausenlos zum Trottel gemacht. Sie hatte sich so angestrengt, ihm aus dem Weg zu gehen, so zu tun, als würde er ihr nichts bedeuten. Und wann immer sie seine Aufmerksamkeit doch irgendwie auf sich ziehen konnte, schaffte sie es, sich total zu blamieren.

Einmal hatte sie sich zum Beispiel ihr Bikini-Oberteil mit Klopapier ausgestopft, nur um direkt ins Wasser geschubst zu werden und ihre neuerworbenen Brüste davontreiben zu sehen. Ein anderes Mal hatte sie ihm zum Geburtstag eine kunstvolle Torte gebacken – und war dann auf dem Weg zu seiner Hütte über eine Baumwurzel gestolpert, sodass sich der gesamte lila Zuckerguss über ihr T-Shirt verteilte.

Der Gipfel der Peinlichkeiten war für sie in dem Moment erreicht, als sie endlich all ihren Mut zusammengenommen hatte und Adam ihre Liebe in einem Brief gestand, den sie auf seinem Kopfkissen hinterlegte. Kurz darauf fand sie heraus, dass Adam zwischenzeitlich mit einem anderen Jungen die Betten getauscht hatte – Dougie O’Neill wich Julia den restlichen Sommer nicht mehr von der Seite und versuchte unablässig, sie zu küssen. Er war überzeugt davon, dass der Brief an ihn gerichtet gewesen sein musste.

Als Camp-Gruppenleiter hatten Adam und sie viel miteinander gearbeitet, sie war ihm gegenüber jedoch immer distanziert geblieben und hatte ihn wie einen Kumpel behandelt. Es war für sie eine der schwersten Herausforderungen ihres Lebens gewesen, ihre Gefühle für sich zu behalten, während er zugleich fast alle anderen weiblichen Gruppenleiter um den Finger wickelte. Aber dieses Verhalten schützte sie wenigstens vor weiteren Erniedrigungen.

Julia seufzte. Inzwischen war sie zum Glück etwas erfolgreicher im Umgang mit Männern. Aber noch immer hatte keine ihrer realen Beziehung sie wirklich erfüllen können. Kein Mann konnte Julias Erwartungen erfüllen – zumindest kein Mann, den sie so kennenlernte.

Den Grund für ihre Unsicherheiten und die daraus resultierenden Enttäuschungen führte Julia einerseits auf die Scheidung ihrer Eltern zurück. Andererseits redete sie sich ein, dass ihr der Richtige einfach noch nicht begegnet war. Ihren Traumprinzen würde sie sofort erkennen, alle Schwierigkeiten würden sich in Luft auflösen und sie endlich die wahre Liebe finden.

Während sie weiterfuhr, kreisten ihre Gedanken um all die Erinnerungen aus den Camp-Jahren. Es waren so viele gute dabei und selbst durch die schlechteren Zeiten hatten sie ihre Träume von Adam Sutherland getragen. Ob das Tagebuch wohl noch in dem Versteck lag? Es könnte ihr vielleicht dabei helfen, den Gründen für ihr noch immer miserables Liebesleben auf die Spur zu kommen.

Nachdem sie ihr Kunststudium abgeschlossen hatte, war sie durch Zufall an einen Job als Kuchendekorateurin in einer der angesehensten Patisserien von Chicago geraten. Ein paar Jahre später hatte sie sich dann mit ihrer eigenen Konditorei selbständig gemacht und war inzwischen eine erfolgreiche Spezialistin für Hochzeitstorten. In zwei Monaten wollte sie nun das Abenteuer ihres Lebens beginnen und nach Paris ziehen, um dort bei einem ihrer ehemaligen Mentoren ihr Handwerk zu perfektionieren.

Jean-Paul war erst ihr Lehrer gewesen, dann ein Freund und nach der Ausbildung auch ihr Liebhaber. Doch obwohl sie ihre Leidenschaft fürs Backen miteinander teilten, konnten sie diese Gefühle nie ins Bett übertragen.

Ehrlich gesagt hatte noch kein Mann ihren Wünschen und Sehnsüchten im Bett entsprechen können. Sex empfand sie als angenehm, ja, aber wo blieb die rasende Ekstase, die überwältigende Anziehung, die ultimative Befreiung durch Sex? Sie sehnte sich danach, gleichermaßen von Leidenschaft und Liebe einfach hinweggerissen zu werden, so etwas hatte sie noch nie erlebt.

In Paris würde sie vielleicht einen sexy Franzosen kennenlernen und mit ihm eine heiße Affäre beginnen – bisher war ihr allerdings im Hochzeitsbusiness noch nie ein diesbezüglich wirklich qualifizierter Mann begegnet. Sie war mehr als bereit dazu, einfach alle Vorsicht in den Wind zu schießen, sich fallen zu lassen und all die Missgeschicke ihrer Vergangenheit hinter sich zu lassen. Nur einmal wollte sie nicht über die Liebe nachdenken, sondern sich einfach der totalen Lust hingeben. Und wo sollte ihr das sonst gelingen, wenn nicht in Paris …

Dazu musste sie sich allerdings von der alten Julia McKee verabschieden und das Mädchen hinter sich lassen, das sich zehn Sommer lang nach einem unerreichbaren Traumtypen verzehrt hatte. Erst dann würde sie ihre Sachen packen, Chicago verlassen und eine völlig neue Julia McKee werden können.

Ihr Blick folgte dem Straßenverlauf; wie präsent ihr die Gegend nach all der Zeit noch immer war. Sie schaute auf ihr Navigationsgerät und verlangsamte die Fahrt, während sie der zum Camp führenden Straße immer näher kam.

Dort war es, das vertraute gelbbraune Schild. Im Licht der Scheinwerfer erkannte sie, dass es frisch gestrichen worden war. Sie musste lächeln, als sie sich daran erinnerte, wie glücklich sie dieser Anblick jeden Sommer gemacht hatte.

Sie erreichte das Haupthaus, die Fenster waren schon dunkel, aber das Licht auf der Veranda brannte noch. Auch oben auf dem Hügel hatte Kate das Licht an der Murmeltierhütte für sie brennen lassen.

Die Hütte verfügte über Schlafplätze für elf Personen, zehn Jugendliche in den Stockbetten sowie ein gemütliches Doppelbett in einem Separee für den jeweiligen Betreuer. Das war der einzige Luxus, den dieser Posten mit sich brachte. Wenn man rund um die Uhr als Ansprechpartner für zehn pubertierende Mädchen zur Verfügung stehen musste, stellten ein bequemes Bett und ein kleiner Rückzugsraum eine absolute Notwendigkeit dar.

Julia nahm ihr Gepäck vom Rücksitz und stieg den Pfad zur Hütte hinauf. Der Wald lag friedlich da, der Wind rauschte in den Baumwipfeln und die Grillen zirpten ein leises Sommerkonzert. Der Geruch des nahen Sees lag in der Luft.

Erst jetzt bemerkte sie, wie sehr ihr dieser Ort gefehlt hatte. Im turbulenten Stadtleben war sie an ihren stressigen und chaotischen Alltag gewöhnt, doch hier fiel mit einem Mal all das von ihr ab, alles wurde einfach und klar und sie fühlte sich wieder wie früher.

Sie betrachtete das Innere der Hütte im Schein der am Ventilator angebrachten Deckenlampe. Es sah immer noch genauso aus, wie sie es erinnerte. Die Betten hatten allerdings nagelneue Matratzen und der Raum war frisch gewischt worden. Kate hatte die Fenster offen gelassen, die Sommerbrise erfüllte die Hütte und ein Maikäfer schwirrte im Raum umher.

Es war beinahe Mitternacht. Erschöpft von der Fahrt schälte Julia sich schnell aus ihren Sachen und schlüpfte in ihr altes, ausgeblichenes Camp-T-Shirt. Wenn Frannie später ankommen würde, könnten sie die Bettenverteilung immer noch ausdiskutieren und gegebenenfalls morgen die Betten tauschen.

Julia ging zum ersten Stockbett und warf einen Blick darunter. Ob ihr Tagebuch nach all der Zeit immer noch dort lag? Oder hatte es inzwischen vielleicht irgendjemand gefunden? Sie war mit einem Mal jedoch todmüde, das Tagebuch würde bis morgen warten müssen. Eigentlich handelte es sich ja nur um eine sentimentale Erinnerung an einen Jungen, den sie heute nicht mal mehr kannte.

Sie machte das Licht aus. Der sanfte gelbe Schein der Verandalampe reichte gerade aus, um zum Bett zu finden, ohne sich irgendwo zu stoßen. Sie machte es sich in dem einfachen Baumwollbettzeug gemütlich, zog die Decke hoch bis ans Kinn und seufzte tief zufrieden. Dann erinnerte sie sich allerdings an die Fledermäuse, die sich mindestens einmal in jedem Sommer nachts in die Hütte verirrt hatten. Zur Sicherheit legte sie sich ihren Tennisschläger auf dem Nachbarbett bereit.

Julia schloss die Augen und entspannte sich nach der langen Fahrt, doch plötzlich drifteten ihre Gedanken in Richtung Adam Sutherland. Ächzend drehte sie sich zur Seite und boxte genervt in ihr Kissen. Sie war inzwischen neunundzwanzig Jahre alt und noch immer gab es diese Momente, in denen sie sich wieder fühlte wie ein Teenager.

Als Adam endlich in die Auffahrt zum Camp Winnehawkee einbog, war es fast drei Uhr nachts. Er hatte kurz überlegt, unterwegs Halt zu machen und sich ein Motelzimmer zu nehmen, aber er konnte es kaum erwarten, endlich das Camp zu erreichen.

Gelbes Licht schien ihm von der Veranda des Haupthauses entgegen und tief im Wald konnte er die Konturen der weiteren Hütten ausmachen. Die meisten Camp-Besucher mochten mit der hier um drei Uhr nachts herrschenden Ruhe nichts anfangen können, Adam hingegen hatte sich früher häufig um diese Zeit aus seiner Hütte gestohlen und die Sperrstunde umgangen. Später, als Gruppenleiter, kannte er alle Tricks und erwischte jeden bei dem Versuch, sich nachts aus den Hütten zu schleichen.

Hier in Winnehawkee hatte Adam einige der wichtigsten Erfahrungen seiner Jugend gemacht – der erste Kuss, die erste Zigarette, die ersten sexuellen Abenteuer; seine Jungfräulichkeit hatte er mitten im Wald an ein etwas älteres Mädchen aus einem Nachbarort verloren. Winnehawkee wurde damals als besonders gesundheitsförderlich und erholsam gerühmt, Adam verband mit dem Camp jedoch viel mehr: Hier konnte er wenigstens für die Zeit der Sommerferien den beengenden Verhältnissen in seiner Familie und den Erwartungen seiner Eltern entkommen und das Leben einfach nur genießen.

Wie viele andere Kinder im Camp kam auch er aus besseren Verhältnissen – sein Vater war Geschäftsführer einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft und seine Mutter war eine Tochter aus gutem Hause. Adam hatte eine exklusive Privatschule in einem reichen Vorort Chicagos besucht und wurde seit seiner Geburt darauf vorbereitet, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und die Firma irgendwann zu übernehmen.

Nach dem College wollte Adam eigentlich seinen eigenen Weg gehen. Der Druck, den seine Familie auf ihn ausübte, war jedoch stärker und so begann er, für seinen Vater zu arbeiten. Vater und Sohn kamen sich dabei allerdings nicht näher, die Distanz zwischen ihnen wurde vielmehr immer größer. Adam war inzwischen von dem blinden Profitstreben der Firma so frustriert, dass die Beziehung zu seinem Vater so gut wie am Ende war.

Mason und Kate machten es richtig. Sie wollten Winnehawkee von dem ehemaligen Sommer-Resort für verwöhnte Kinder aus Chicagos besseren Vororten zu einem Ort machen, an dem benachteiligte Kinder Hilfe finden sollen. Es hatte mal eine Zeit gegeben, da träumte auch Adam davon, mit seinem Leben etwas von Bedeutung zu tun. Dieser Traum war mit der Zeit jedoch längst von all den Familienerwartungen und – verpflichtungen, denen er nachzukommen versuchte, verschüttet worden.

In letzter Zeit hatte er angefangen, immer häufiger über eine Auszeit nachzudenken. Sein Plan war es nun, Mason dabei zu helfen, das Camp finanziell in trockene Tücher zu bringen, und sich dann um sich selbst zu kümmern und eine Aufgabe für sich zu finden, die sich nicht um Geld und Statussymbole drehte. Seine Ideen waren zwar noch nicht sehr konkret, aber er war bereit für eine massive Veränderung.

Er hatte genug Geld angelegt, um für ein paar Jahre bequem davon leben zu können. Verdammt, er könnte alle seine Wertpapiere Mason und Kate überschreiben und immer noch einen Weg finden, selbst gut zurechtzukommen. Das Leben drehte sich doch nicht nur um Gewinn- und Verlustrechnungen, Kapitalanlagenerträge und Risikoabschätzungen. Da musste noch mehr sein.

Winnehawkee war für ihn ein Zufluchtsort gewesen, hier hatte er den nötigen Raum gefunden, um als Teenager seine Persönlichkeit zu entfalten. Es war an der Zeit, sich dafür zu revanchieren. Was war aus dem idealistischen jungen Mann geworden, der er einst war? Er hatte sich familiären Verpflichtungen gebeugt und sich dabei nach und nach an die Bequemlichkeiten, die sein hohes Einkommen mit sich brachten, gewöhnt. Er war dabei, genau wie sein Vater zu werden.

Adam parkte direkt neben einem Subaru und fragte sich, wer wohl noch alles gekommen war. Obwohl es sich bei den Winnehawkee-Hütten um alles andere als Luxusappartements handelte, freute Adam sich sehr darauf, für eine Woche in seine Jugend zurückzukehren. Um den See herum gab es wunderschöne Wanderwege zu entdecken, der See lud zum Kanufahren und Schwimmengehen ein und nachts am Ufer konnte man riesige Lagerfeuer machen.

Vorsichtshalber hatte er sein Zelt und seinen Schlafsack mitgebracht, er konnte jedoch sehen, dass an einer der alten Schlafhütten das Licht an der Tür brannte. Mason hatte erwähnt, dass er noch ein paar andere Leute gebeten hatte, ihm beim Aufbau des Camps zu helfen. Sich mit den anderen einfach eine Hütte zu teilen kam Adam sehr viel unkomplizierter vor, als jetzt noch sein Zelt aufzubauen. Also schnappte er sich seinen Schlafsack und stieg den Hügel zur beleuchteten Hütte hoch. Er brauchte nur eine Mütze voll Schlaf, um direkt am nächsten Morgen tatkräftig mit anpacken zu können.

Die Tür knarrte, als er sie öffnete, und er versuchte im schummrigen Licht der Verandalampe einen Blick ins Innere der Hütte zu werfen. Er stellte seine Tasche ab und setzte sich auf das Ende eines der Stockbetten. Früher war ihm nie aufgefallen, wie klein die Betten eigentlich waren.

Adam warf einen Blick auf die Nische mit dem Gruppenleiter-Bett. Es sah zwar etwas zerwühlt aus, aber wenigstens würde er sich dort in seinem Schlafsack komplett ausstrecken können. Er ging zu der Nische, setzte sich auf das Fußende des Bettes, schälte sich aus seiner Jacke und warf sie achtlos hinter sich. Da schrie jemand und etwas traf ihn am Kopf. Adam sprang auf und drehte sich schnell um.

„Fledermäuse, verdammte Fledermäuse.“ Er machte im Dunkeln die schemenhafte Figur einer Frau aus, die einen Tennisschläger um ihren Kopf wirbelte. Sie traf ihn wieder, diesmal direkt an der Stirn.

„Au!“, rief er. „Hör auf, hier sind keine Fledermäuse.“

Für einen Moment herrschte Stille, dann schrie sie erneut auf, fiel aus dem Bett und landete mit einem Platschen auf dem Boden. Adam sah sich schnell um und entdeckte die Deckenlampe, die am Ventilator hing. Er machte Licht und ging zurück zu der Nische.

Sie saß noch immer an der gleichen Stelle auf dem Fußboden und hielt den Tennisschläger fest an ihre Brust gepresst. Ihre Haare verdeckten den größten Teil ihres Gesichtes. In dem Moment, als sich ihre Blicke trafen, hielt sie hörbar die Luft an. „Ich bin keine Fledermaus“, sagte er und rieb sich die Stirn.

„Ich … das sehe ich“, erwiderte sie und hoffte, unbeeindruckt zu klingen.

Sie stand vorsichtig auf und versuchte dabei, mit dem Saum ihres Shirts möglichst ihre nackten Oberschenkel zu bedecken. Als sie sich das Haar aus dem Gesicht strich, erkannte er sie sofort. Die vollen Lippen waren genau so, wie er sie erinnerte. Und dann die wunderschönen Augen mit den dunklen Wimpern, diese Augen, aus denen sie ihn immer voller Geringschätzung angesehen hatte. Statt eines straßenköterblonden Pferdeschwanzes trug sie ihr Haar inzwischen schulterlang und wellig, in einem weichen Karamellblondton. „Jules?“ Er lachte. „Ich bin’s, Adam Sutherland.“

„Adam“, sagte sie und lächelte nervös. „Richtig, ich … ich wusste nicht, dass du auch kommst.“

„Mason hat mir gegenüber auch nicht erwähnt, dass du kommen würdest.“ Er musterte sie und stellte fest, dass sie sich in den vergangenen Jahren sehr zu ihrem Vorteil entwickelt hatte. Er mochte Julia McKee eigentlich immer, dieses Gefühl beruhte jedoch nie auf Gegenseitigkeit. Adam hatte sie als klug, humorvoll und aufrichtig kennengelernt. Zu schade, dass sie nie etwas für ihn übriggehabt hatte.

Wenn er ganz ehrlich war, vermutete er, dass Julia nichts von seinem durchschlagenden Erfolg bei den übrigen Mädchen im Camp hielt. Sie war die Einzige gewesen, die er mit seinem Charme nicht rumgekriegt hatte – und da lag sie plötzlich, erwachsen und unglaublich sexy, direkt in seinem Bett.

„Erzähl, wie ist es dir ergangen Jules?“

Sie blinzelte, als hätte seine Frage sie erschreckt. Man, das konnte er eigentlich besser. Aber was hätte er denn sonst zu ihr sagen sollen, zu dem Mädchen, das Teil so vieler seiner Fantasien gewesen war? Er lehnte sich über das Bett und reichte ihr seine Hand, um ihr aufzuhelfen.

Sie tat, als sehe sie seine Hand nicht, kam irgendwie wieder auf die Füße, setzte sich auf ihre Bettseite und wickelte das Laken um sich. Dabei ließ sie ihn nicht einen Moment aus den Augen. „Mir geht’s gut.“

Er nickte. Die Situation wurde langsam unangenehm. Er wollte sich einen anderen Schlafplatz suchen, aber vorher musste er die angespannte Stimmung irgendwie noch auflockern. „Ich habe gedacht, dass das Licht für mich angelassen wurde. Ich hatte keine Ahnung, dass du hier im Bett liegst, sonst …“

Endlich entspannten sich ihre Züge und sie lächelte ihn an, diesmal sehr viel herzlicher als zuvor. „Tut mir leid, dass ich dich mit dem Tennisschläger erwischt habe. Da war etwas in meinem Gesicht, ich dachte, es ist eine Fledermaus. Die hatten schon immer eine besondere Vorliebe für diese Hütte.“

„Du hast eine ziemlich beeindruckende Vorhand.“

„Das war meine Rückhand … Tat es sehr weh?“

Sie streckte ihre Hand aus, um über seine Schläfe zu streichen, und als sie ihn berührte, durchfuhr ihn ein Gefühl wie ein elektrischer Schlag. Er schluckte und griff dann nach ihrer Hand, verschränkte seine Finger mit ihren. „Ich – ich werd schon wieder. Entschuldige, dass ich dich geweckt habe. Wann bist du angekommen?“

Sie blickte auf ihre Finger, die noch immer mit den seinen verschränkt waren. „Kurz nach Mitternacht.“ Sie zog ihre Hand zurück. „Wie spät ist es denn?“

„Drei Uhr morgens.“ Er runzelte die Stirn. Warum hatte sich das so gut angefühlt? Er hätte nicht gedacht, dass eine so harmlose Berührung ein so intensives Gefühl in ihm hervorrufen konnte. „Ich war ziemlich k. o. – bis du mich mit dem Schläger erwischt hast. Jetzt bin ich hellwach.“ Hellwach und schwer darum bemüht, das Gespräch bloß nicht abreißen zu lassen. „Und hungrig. Hast du Hunger?“

Sie lehnte ihren Kopf zur Seite und betrachtete ihn mit einer Mischung aus Verwirrung und Vergnügen. „Ich könnte schon etwas essen.“

„Frühstück wäre gut. Gibt es hier irgendwo ein 24-Stunden Diner? Ich könnte hinfahren und uns etwas holen.“

„Wir sind hier nicht in Chicago, ich bezweifle, dass es hier so etwas wie den Ashland Grill gibt.“

„Du kennst den Ashland Grill? Ich liebe den Laden“, sagte Adam grinsend.

„Ich wohne da ganz in der Nähe.“

„Du lebst in Chicago?“

Sie nickte. „Ja, das tue ich.“

„Ich glaube, Mason hat das mal erwähnt“, sagte Adam. „Wo genau?“

„Wicker Park.“

„Lincoln Park“, erwiderte Adam. „Direkt am Wasser.“ Er konnte es nicht fassen, sie wohnten quasi nebeneinander und er hatte keine Ahnung davon gehabt! Logisch, ihre Eltern waren auch aus Chicago. Es kam ihm dennoch sehr merkwürdig vor, dass sie sich eigentlich ständig hätten begegnen können, er aber irgendwie nie an sie gedacht hatte. Warum eigentlich nicht? Was hatte sie wohl in der Zwischenzeit gemacht?

„Mir fällt da was ein“, rief Julia. Sie sprang aus dem Bett und lief leichtfüßig zur Tür. „Bin gleich wieder da.“

„Was hast du vor?“

„Ich muss kurz zu meinem Auto.“

Die Tür fiel hinter ihr zu und Adam beobachtete durch die Glasfront der Hütte, wie Julia den Hügel hinuntereilte. Ihr T-Shirt flog hoch und er konnte die Bikinihose sehen, die sie trug, und auch ihren schön geformten Rücken. Er stellte sich ihren Körper vor, weich und nackt, wie gemacht für seine Berührungen.

Da stieß sie sich den Zeh an einer Wurzel und stolperte laut fluchend durch die Nacht. Er trat vor die Tür, bereit, ihr zu helfen, doch sie lief humpelnd weiter.

Adam lachte leise. Es war eine Weile her, dass eine Frau ihn so fasziniert hatte. Schon komisch, nach all den Jahren hier wieder auf Julia zu treffen. Sie war noch schöner geworden und zugleich noch immer das unbeholfene, tollpatschige Mädchen von früher. Und mit einem Mal war die alte Neugierde wieder da. Julia McKee stellte für ihn eine Herausforderung dar; eine Herausforderung, der er nicht widerstehen konnte.

Das würde eine sehr interessante Woche werden.

Julias Augen füllten sich mit Tränen, als sie zu ihrem Auto humpelte. „Bitte, bitte, lass ihn das nicht gesehen haben“, flüsterte sie wieder und wieder. Sie traute sich nicht, sich umzudrehen und ihn vor der Hütte stehen zu sehen, wie er sie beobachtete, während sie stolpernd durch den Wald lief.

Doch erst als sie den Wagen erreicht hatte, merkte sie, dass der Autoschlüssel noch in der Hütte lag. Aber zum Glück hatte sie vorhin, als sie ihr Gepäck aus dem Auto geholt hat, die hintere Tür nicht abgeschlossen. Julia krabbelte über den Rücksitz bis zu ihrer Kuchenbox. Wenn er hungrig war, würde sie ihn schon zu füttern wissen. „Zimtrollen“, murmelte sie, den Duft tief einatmend.

Auf dem Rücksitz hatte sie außerdem noch einen Leinenbeutel mit ihrem Kaffeezubehör – der Stempelkanne, dem Gourmetkaffee aus ihrer Konditorei und dem Wasserkocher. Sie griff sich noch ein paar Wasserflaschen und ihren Reisebecher und lief zur Hütte zurück, diesmal allerdings etwas vorsichtiger.

„Bau jetzt keinen Mist“, murmelte sie. „Reiß dich zusammen.“

„Brauchst du Hilfe?“

Sie blickte auf und da stand er direkt vor ihr. Gott, er war so unfassbar sexy. Und charmant. Und lustig. All die verrückten Gefühle von früher waren wieder da, sie kam sich wie ein Teenager vor – nur viel schlimmer … oder vielleicht doch besser. „Nimm die Box“, sagte sie.

„Was ist das alles?“

„Frühstück. Du sagtest, du möchtest etwas essen.“

„Du fährst eine komplette Frühstücksausstattung in deinem Auto mit dir rum? Für den Fall, dass du …?“ Er schüttelte den Kopf. „Mir fällt wirklich kein Grund ein, warum du das tun könntest.“

„Ich bin Konditorin und Kate hat mich gebeten, etwas mitzubringen. Und weil ich ohne meinen Kaffee morgens nicht wach werde, habe ich auf Reisen immer mein Kaffeeset dabei.“

Er hielt ihr die Tür auf und folgte ihr zurück in die Hütte. Sie legte ihr Zubehör auf eines der Stockbetten, füllte den Wasserkocher mit Wasser und steckte das Kabel in die einzige Steckdose in der Hütte, direkt am Spiegel. Sie warf einen Blick auf Adam und bemerkte, wie er sie beobachtete. „Du kannst die Box einfach öffnen und dich bedienen.“ Sie schaltete den Wasserkocher ein.

Er öffnete die weiße Box und sah hinein. Der Duft von Hefe und Zimt hing in der Luft. „Sind das etwa Zimtrollen? Wahnsinn.“ Er nahm eine heraus und biss hinein, die Frischkäseglasur hinterließ einen weißen Bart auf seiner Oberlippe. Sie ertappte sich dabei, wie sie ihn anstarrte und sich vorstellte, wie es wohl wäre, die Glasur langsam, ganz langsam von seinen Lippen zu lecken.

„Und die hast du gemacht?“, fragte er mit vollem Mund.

„Das ist mein Beruf“, sagte sie und versuchte dabei, vor Freude nicht aufzuspringen. Es gab eine Zeit, da wurde gutes Essen – sehr gutes Essen – als eine Art Vorspiel begriffen. Es bereitete ihr großes Vergnügen, sich vorzustellen, wie ihm ihre Zimtrollen das ultimative Geschmackserlebnis bereiteten. Und wenn sie Glück hatte, würden sie ja vielleicht später noch zu ganz anderen Gelüsten kommen.

Adam setzte sich mitten auf das große Bett und schlug die Beine übereinander. „Bist du denn sicher, dass wir die jetzt essen sollten? Wird Kate da nicht böse werden?“

„Es sind noch Croissants und ein Apfelkuchen im Auto. Ich habe genug dabei.“

„Damit solltest du dich selbständig machen“, sagte er. „Die sind richtig gut.“

„Ich bin selbständig. Ich bin Inhaberin einer Konditorei.“

„Ja, dann bin ich jetzt in echten Schwierigkeiten“, erwiderte er mit einem ungläubigen Blick. „Du bist wunderschön, und du kannst kochen.“

„Backen“, korrigierte sie ihn, während sie spürte, wie sie errötete. „Kochen kann ich nicht wirklich.“

Sie sollte sich nicht so leicht um den Finger wickeln lassen. Julia wusste, dass hier gerade alles in Adam-typischer Weise ablief. Für ihn war jede Frau eine Eroberung, jede Verführung ein Zweikampf, den es zu gewinnen galt. Sie ging durch den Raum und setzte sich auf die Bettkante. „Der Kaffee ist in ein paar Minuten fertig.“

Er beobachtete sie scharf und leckte sich die restliche Glasur von den Fingerspitzen. „Du konntest nie viel mit mir anfangen, stimmt’s Jules?“

Seine unverblümte Art erwischte sie unvorbereitet. Na immerhin war es ihr offenbar erfolgreich gelungen, ihre Gefühle vor ihm zu verbergen. „Nein. Ich – ich meine, ich mochte dich auch nie nicht.“ Ihr Atem stockte. „Wie kommst du darauf?“

„Ich hatte immer das Gefühl, dass du mich keines Gedankens gewürdigt hast. Wir waren irgendwie nie … auf einer Wellenlänge.“

Julia blickte starr auf ihre im Schoß gefalteten Hände. „Ich denke, dass ich mich einfach ungern hinten anstellen wollte“, flüsterte sie.

„Touché.“ Er lachte leise. „Ich nehme an, das habe ich verdient. Aber du hast schon recht, ein Mädchen wie du hätte mit niemandem konkurrieren sollen.“

„Ein Mädchen wie ich?“

„Ein gutes Mädchen“, sagte er. „Ich meine … nicht gut im schlechten Sinne. Eher … gut. Wertvoll. Weißt du, ich fand dich immer ziemlich cool. Ich habe mir immer gewünscht, dass wir uns ein bisschen besser kennenlernen würden. Als Freunde.“

„Das können wir in dieser Woche ja nachholen, nehme ich an“, sagte sie.

„Also ich werde mich auf jeden Fall immer ganz in der Nähe der Frau aufhalten, die diese Zimtrollen macht.“

Julia kicherte und errötete erneut. Mit Komplimenten hielt er sich nicht zurück, so viel war klar. Und warum sollte sie diese Aufmerksamkeit nicht auch mal genießen? Warum nicht die Woche einfach damit verbringen, mit Adam zu flirten? Und wenn es zu mehr kommen sollte, sollte ihr das auch recht sein. Hier könnte tatsächlich eine Jugendfantasie Wirklichkeit werden!

Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Allein der Gedanke daran, wie sie sich ihm hingeben und in seine Arme, in sein Bett fallen würde, ließ ihren Herzschlag schneller werden und ihren Atem erneut stocken. Sie legte ihre Hand auf ihre Brust und spürte ihr Herz rasen.

„Alles in Ordnung?“, fragte er.

„Kaffee“, sagte sie und sprang auf. Sie konzentrierte sich fest auf die Stempelkanne, füllte Kaffeepulver ein und goss es mit heißem Wasser auf. In ihrer Box fand sie ihre Lieblingstasse und stellte sie auf den Boden.

„Es tut gut, wieder hier zu sein“, sagte Adam, während er sich in der Hütte umsah. „Bei der Anfahrt habe ich mich wie früher gefühlt. Die Landschaft ist so einzigartig, ich habe alles gleich wiedererkannt. Und wie die Luft riecht …“

„Es riecht grün“, meinte Julia. „Ich liebe diesen Geruch.“

Sie verteilte den Kaffee auf zwei Tassen und ging zum Bett zurück. Adam rutschte zum Fußende und lehnte sich an der dort angebrachten Holzwand an, Julia setzte sich ihm gegenüber und lehnte sich an das Kopfende.

Die Atmosphäre war so vertraut, nur die beiden, um sie nichts als die ruhige Nacht. Julia hatte oft von einem Moment wie diesem geträumt und sich gefragt, wie es wohl wäre, ihn ganz für sich allein zu haben. Und da saß er, Hauptdarsteller all ihrer Teenager-Fantasien – und der meisten ihres Erwachsenenlebens auch.

Sie machten es sich auf dem Bett gemütlich und unterhielten sich locker. Dann und wann berührte sein Oberschenkel den ihren und jedes Mal spürte Julia ihr Herz flattern. Sie bekämpfte den Drang, alle Vorsicht über Bord zu werfen, sich zu ihm hinzudrehen und ihn zu küssen.

Adam war keiner, der so eine Avance nicht angenommen hätte. Das wusste sie mit Sicherheit. Sie konnte sich jeden Moment haargenau ausmalen – die Stärke seines schlanken Körpers, die Wärme seiner Lippen, das Gefühl seiner Hände auf ihrem Körper. Julia seufzte und stöhnte leise.

„Entschuldige bitte“, sagte er. „Ich halte dich wach.“

„Nein! Nein, alles gut. Jetzt hatte ich meinen Morgenkaffee, jetzt bin ich wach. Da gibt es kein Zurück mehr.“

„Als ich hier ankam, war ich todmüde, und jetzt fühle ich mich bereit für einen Marathonlauf.“

„Das macht der Kaffee“, sagte sie.

Er lächelte sie an. „Vielleicht. Es könnte aber auch an der Gesellschaft liegen.“

Julia trat spielerisch nach ihm. Er nahm ihren Fuß in seine Hände und massierte ihn sanft. Seine Berührungen lösten eine Wärmewelle in ihr aus, die durch ihren Körper floss und jeden Nerv in Erregung brachte.

„Jaja, ich weiß, diese kitschigen Sprüche wirken bei dir nicht“, neckte er sie. „Einen Versuch ist es aber immerhin wert, finde ich.“

„Ja“, sagte sie. „Das ist es wahrscheinlich.“

Ihre Blicke waren für einen langen Moment ineinander versunken und Julias Herz setzte für einen Schlag aus. Da war eine unglaubliche Anziehung zwischen ihnen, sie spürte es in seinem Blick, in seinem Lächeln, das bildete sie sich nicht ein. War diese Spannung vielleicht schon immer da gewesen? War Julia früher so von ihrer Verliebtheit geblendet gewesen, dass sie das gar nicht wahrgenommen hatte?

Sie lächelte und senkte den Blick auf ihren Kaffee. Nach ihrem einzigen Versuch – der Brief, der so ganz andere Wirkung hatte als erhofft – hatte sie nie wieder gewagt, Adam ihre wahren Gefühle zu zeigen. Doch was wäre gewesen, wenn?

Es gab so einiges, das während ihrer zehnjährigen Verliebtheit in Adam Sutherland furchtbar schiefgelaufen war. Aber das wollte sie nun hinter sich lassen. Sie sehnte sich danach, einfach etwas zu riskieren, zur Hölle mit den Konsequenzen. Und selbst wenn sie sich zum totalen Idioten machte, konnte sie danach einfach nach Frankreich fliehen und sich dort für die nächsten zwei Jahre verstecken.

2. KAPITEL

Adam öffnete die Augen und sah die Morgensonne durch die Bäume blitzen. Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar, setzte sich auf und blickte sich um. Julia war nicht mehr da, ihre Seite vom Bett war ordentlich gemacht. Er musste unwillkürlich lächeln und streckte sich gähnend.

Er wusste nicht, wann er zuletzt eine Nacht mit einer schönen Frau verbracht hatte, ohne dass zwischen ihnen etwas gelaufen war. Aber vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, beim ersten Treffen mal nicht sofort miteinander im Bett zu landen. Was hatte ihm das in der Vergangenheit gebracht? Klar, eine ganze Menge sexueller Abenteuer, aber nichts weiter.

Er war inzwischen fast dreißig Jahre alt. Er wollte mehr vom Leben, als von einer seichten Affäre zur nächsten zu springen, als Beziehungen zu Frauen, die sexy, aber leider hirnlos waren. Er sehnte sich nach einer Herausforderung, nach einer Frau, die ihm nicht immer nur nach dem Mund reden und sich ihm komplett unterordnen würde. Er suchte jemanden, der ihn länger als nur für ein paar Monate faszinieren konnte.

Verdammt, Jules begeisterte ihn seit mehr als zehn Jahren! Und jetzt tauchte sie plötzlich wieder in seinem Leben auf und Adam merkte, dass sein Interesse an ihr nie nachgelassen hatte. Er schwang seine Beine aus dem Bett und dehnte seinen Nacken, während er nach seinem Seesack griff.

Das Frühstück hatte er wahrscheinlich schon verpasst. Aber mit etwas Glück würde er noch einen Rest Kaffee finden und vielleicht war auch von Julias Gebäck noch etwas übrig, das ihn bis zum Mittagessen satt halten konnte. Ums Essen ging es ihm dabei jedoch kaum, er wollte eigentlich nur Julia wiedersehen.

In seinem Seesack fand er ein paar ausgeblichene Cargohosen und ein altes T-Shirt. Seine Sachen vom Vortag, in denen er eingeschlafen war, hatte er bereits ausgezogen und kramte fast völlig nackt nur noch nach einer frischen Boxershorts, da hörte er die Vordertür quietschen.

Überrascht drehte er sich um und sah Julia mit einer Kaffeetasse in der Hand im Türrahmen stehen. Allein ihr Anblick reichte aus, dass er wie ein Teenager sofort grinsen musste. Sie trug ein hellblaues Jäckchen, einen leichten Baumwollrock und Sandalen, die ihre pink lackierten Fußnägel zeigten.

Dass sie Konditorin war, sah man ihr wirklich nicht an. Sie war schlank und groß gewachsen, ihr Körper weckte in ihm den unbedingten Wunsch, sie zu berühren. „Morgen“, sagte er. „Ist das für mich?“

„Ja, jeder wundert sich schon, wo du bleibst. Ich meinte, du bist erst heute früh angekommen, kurz nachdem ich aufgestanden bin.“ Während sie näher kam, um ihm den Kaffee zu geben, ließ sie ihren Blick langsam seinen Körper hinabgleiten.

Adam lächelte. Es gefiel ihm, wie sie ihre Augen nicht von ihm lassen konnte. Vielleicht war sie sogar etwas neugierig? Vor ihnen lag eine ganze gemeinsame Woche und Adam hatte nicht vor, einen einzigen Augenblick davon zu vergeuden. Er wollte mehr über sie erfahren, Zeit mit ihr verbringen, herausfinden, wohin die Reise für sie beide gehen könnte. Ihm war jedoch klar, dass er behutsam vorgehen musste. Jules war keine von denen, die, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, einfach mit jemandem ins Bett gehen würde.

„Ich bin wohl eingeschlafen“, sagte er und nahm ihr den Kaffee ab. „Ich hätte wahrscheinlich eines der Stockbetten beziehen sollen, aber …“

„Alles gut“, winkte sie ab und wippte zugleich nervös von Fuß zu Fuß. „Es ist ja nichts passiert, du warst der perfekte Gentleman.“

„Wenn du meine Gedanken lesen könntest“, sagte er, während er einen Schritt in ihre Richtung machte. Sie wich nicht zurück, was Adam als gutes Zeichen deutete. Er berührte sie an der Taille und ließ die Hand behutsam über ihre Hüfte wandern. Dann beugte er sich langsam zu ihr vor und strich mit seinen Lippen sanft über ihre. Das war eine Art Test, dachte er sich. Wenn sie ablehnend reagieren sollte, wüsste er genau, wie sie zueinander stehen. Aber wenn sie stattdessen …

Im gleichen Augenblick schlang Julia ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn zurück. Doch dieser Kuss war heißblütig und ungestüm – und absolut kein Test mehr.