Inhalt

  1. Cover
  2. Impressum
  3. Chaccos Krieg
  4. Kapitel 2
  5. Kapitel 3
  6. Kapitel 4
  7. Kapitel 5
  8. Kapitel 6
  9. Kapitel 7
  10. Kapitel 8
  11. Kapitel 9
  12. Kapitel 10
  13. Kapitel 11
  14. Kapitel 12
  15. Kapitel 13
  16. Kapitel 14
  17. Kapitel 15
  18. Kapitel 16
  19. Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Chaccos Krieg

1

Wir ritten gegen die Sonne und hatten das wasserlose, raue Land der Gilawüste fast hinter uns gelassen. Wenn wir die zerfurchten Hügel dort vor uns erreichen würden, stießen wir ganz bestimmt auf Wasser. Ich wusste es, denn ich war der Scout und kannte dieses erbarmungslose Land. Ja, es gab da eine Quelle, welche ausreichte für uns alle.

Vierzehn Mann waren wir: ein Lieutenant, ein Sergeant, ein Korporal, zehn Soldaten – und ich. Wir waren nur eine der vielen Patrouillen, die nach Chaccos Fährte suchten. Denn Chacco machte Krieg, und es war ein grausamer Krieg, ein Rachekrieg. Chacco zog eine blutige Fährte durchs Land, die dann plötzlich unsichtbar wurde, so als hätte er sich mit seiner Horde in Luft aufgelöst.

Und so schwärmten auf fünfhundert Meilen in der Runde überall von allen Forts und Armeecamps Patrouillen aus, um Chacco zu suchen. Die Armee hoffte immer noch, ihn einkreisen und endlich stellen zu können. Aber eigentlich hatten wir keine Chance.

Seine Horde war klein und beweglich. Für sie reichten die geheimen Wasserstellen, für die Patrouillen nicht, selbst wenn diese sie gekannt hätten.

Wasser, das war das Problem.

Er zog sich immer dorthin zurück, wo er mit seiner Horde von dem wenigen Wasser leben konnte, die Patrouillen aber bald schon umkehren mussten.

Auch wir waren umgekehrt.

Und wenn wir in den nächsten Stunden kein Wasser fanden, dann kamen wir um. So einfach war das. Ich wusste es längst.

Und mein ungutes Gefühl nahm mit jedem Yard zu, den wir uns den zerfurchten Hügelkämmen näherten.

Da wir gegen die tief stehende Sonne ritten, lagen die Hügel vor uns noch im Schatten. Denn es war früher Morgen, und wir ritten nach Osten, also auf die Santa Catalinas zu.

Unsere Pferde stolperten.

Immer wieder saßen wir ab und liefen eine Meile oder zwei, um die Tiere zu schonen. Aber auch wir waren am Ende.

Der Lieutenant war einige Stunden zu spät umgekehrt.

Die schwarzen Hügel vor uns schienen nicht näher zu kommen, obwohl wir stetig zu ihnen unterwegs waren.

O verdammt!

Ich dachte wieder einmal mehr darüber nach, warum ich als Scout diese Patrouille führte, als ob ich nichts Besseres hätte tun können.

Übrigens, mein Name ist John Laredo. Wahrscheinlich hießen meine Eltern ganz anders, aber das war nicht mehr festzustellen, als mich Bürger der Stadt Laredo damals vor zweiunddreißig Jahren einer Apachensippe abkauften, weil sie sahen, dass ich ein weißes Kleinkind von etwa zwei Jahren war. Ich musste also etwa vierunddreißig Jahre alt sein.

Nun, wir ritten oder liefen also auf die schwarzen Hügel zu, welche dann allmählich die Sonne von oben bekamen, so dass ihre Westseite nicht länger mehr im Schatten lag. Aber dennoch wirkten sie weiterhin geheimnisvoll, so als lauerten in ihnen Tod und Verderben.

Ich jedenfalls hatte dieses Gefühl, und auf meinen Instinkt konnte ich mich schon immer verlassen.

Es war dann gegen Nachmittag – und wir waren bis auf etwa fünf Meilen herangekommen –, als ich es für einen Moment lang an einem der zerklüfteten und zerfurchten Hänge dieser schwarzen Lavahügel aufblitzen sah.

Ich begann darüber nachzudenken. War es nur ein Stein, der sich löste und in dem ein wenig Glimmer war, so dass es in der Sonne blinkte?

Oder war es das Schmuckstück eines Apachen, eine Gürtelschnalle, ein Halskettenanhänger, ein Messer, welches benutzt wurde, um ein Stück Trockenfleisch dicht vor dem Munde abzuschneiden?

Das Blinken konnte von vielen Dingen in der gleißenden Sonne erzeugt worden sein.

Aber was es auch gewesen sein mochte, ich kam mehr und mehr zu der Überzeugung, dass es durch einen Menschen verursacht worden war. Und das konnte nur eines heißen: Dort drüben wartete Chacco auf uns.

Und wenn das so war, dann hatte er mit uns gespielt wie ein Berglöwe mit einem Rudel dummer Hunde.

Zuerst hatte er uns in die Gilawüste gelockt, und weil er schneller und beweglicher war als wir, erreichte er vor uns diese Hügel und lauerte dort auf uns. Er wusste zu gut, dass wir nach einer gewissen Zeit umkehren und zu dieser Wasserstelle kommen mussten.

Es war ja so einfach.

Und weil der Lieutenant nicht auf mich hörte und zu spät umkehrte, waren nicht wir, sondern Chacco zuerst dort beim Wasser.

Ja, so konnte es sein.

Unsere Kolonne schleppte sich nur noch dahin.

Ich hielt an. Sie alle hinter mir und dem Lieutenant taten es mir dankbar nach.

Einer der Soldaten fiel mit einem Seufzen vom Pferd und schlug in den knöchelhohen Staub.

Aber die heisere Stimme des Sergeanten krächzte: »Stellt ihn auf die Füße und helft ihm auf seinen Gaul. Bindet ihn fest, wenn er nicht mehr zu sich kommt. Los, Reiter Donald und Reiter Maffit, ihr macht das!«

Der Lieutenant kam neben mich geritten und sah mich mit seinen geröteten Augen an. Er war noch jung, aber dennoch einigermaßen erfahren in diesem Lande. Und er hasste die Apachen.

Aber wer in diesem Lande hasste sie nicht? Selbst von allen anderen Indianervölkern oder Stämmen wurden sie gehasst.

Die heisere Stimme des Lieutenants fragte mich fast böse: »He, John Laredo, was ist? Warum halten wir an? Nach jedem Anhalten kommen wir nur noch schlechter wieder in Bewegung. Wir haben es doch bald geschafft!«

Ja, er hatte recht. Wir waren etwa bis auf eine Meile an die Hügel inzwischen herangekommen.

Unsere Pferde wirkten jetzt lebhafter als zuvor. Ich wusste, sie konnten das Wasser schon wittern.

Ich starrte in die geröteten Augen von Lieutenant Charles Miles und erkannte darin die Sorge.

Nein, es war keine Angst, keine Furcht – es war Sorge. Er war ein harter und furchtloser Bursche. Doch nun sorgte er sich, dass er die Patrouille nicht vollzählig oder gar nicht mehr nach Camp Catalina zurückbringen könnte.

Er wollte etwas von mir hören, was ihm Zuversicht gab.

Aber ich sagte, wobei ich mit meinem stoppelbärtigen Kinn auf die Hügel deutete: »Chacco wartet dort auf uns. Ich bin ziemlich sicher.«

»Wie sicher?« So schnappte er knurrend.

»Zehn zu eins«, erwiderte ich.

Nun starrte er mich noch böser an, so als wäre ich schuld an allem und hätte ihn und seine Reiter in eine Falle geführt.

Ich hätte ihm sagen können, dass er zu spät umgekehrt sei, aber was würde das geändert haben.

Sein Zorn prallte gegen mich wie ein böser Atem. Aber so waren sie nun mal, diese Offiziere der Armee, ganz besonders hier in diesem verdammten Apachenland. Sie waren arrogant und hielten sich für unfehlbar.

Vielleicht lag das daran, dass ihre Soldaten zumeist der letzte Dreck waren, Abschaum. Für viele dieser Männer war die Armee die letzte Rettung vor dem Arm des Gesetzes oder vor der Rache von Feinden. Die Armee nahm sie alle bei sich auf und damit in Schutz. Dafür aber forderte sie die Treue zur Fahne und die Bereitschaft zum Sterben auf Befehl.

Die Offiziere hielten sich aus diesem Grunde für höhere Wesen.

Der Lieutenant sagte böse: »Dann reiten Sie voraus und sehen Sie nach, ob Ihre Vermutung stimmt. Wenn der Weg frei ist, geben Sie mir mit dem Spiegel ein Blinkzeichen. Drei Mal blinken bedeutet, dass wir kommen können. Also los, Scout John Laredo. Tun Sie Ihren Job. Dafür bezahlt Sie die Regierung der Vereinigten Staaten, nicht wahr?«

Zuletzt höhnte seine Stimme.

Ich aber hatte Lust, ihn mit einem Schwinger vom Pferd zu schlagen.

Doch ich verkniff es mir.

Dann wandte ich mich im Sattel und sah zurück auf die Reiter.

O Moses, sie waren alle Säufer, Hurenböcke und vielleicht auch Hurensöhne von tausend Vätern oder mehr. Die Armee aber war alles, was sie hatten.

Also waren sie arme Hunde.

Ihre geröteten Augen blickten voller Hoffnung auf mich – ja, Hoffnung.

Denn sie wussten, wenn jemand sie heil nach Camp Catalina bringen konnte, dann war das nicht ihr Lieutenant, sondern ich.

Obwohl sie verdammte Sünder waren, die nie etwas getaugt hatten und niemals etwas taugen würden, nur brauchbar waren, solange sie unter Befehl standen und diesen Befehl ausführten, taten sie mir leid.

Denn sie mussten Apachen jagen und gegen Apachen kämpfen in diesem erbarmungslosen Land.

Ja, sie mussten einem leidtun.

Sergeant Jake Banner nickte mir zu. Er war eine Saufgurgel, die sich sogar die Wasserflasche mit Tequila füllte. Aber er war ein eisenharter Kämpfer und ein Glück für die Soldaten jeder Patrouille, denn seine Erfahrung und Härte konnten lebensrettend sein für alle.

Er fragte: »Sir, soll ich mitreiten?« Die Frage galt dem Lieutenant.

Aber der erwiderte: »Nein, Sersch, denn wenn Chacco ihn schnappt, brauche ich Sie hier noch mehr, um diese verdammten Hurensöhne ihre Pflicht tun zu lassen.«

Dann wandte sich der Lieutenant wieder an mich. »Worauf warten Sie noch, Laredo?«

Ich grinste ihn ohne jede Freundlichkeit an. Mein Grinsen war ein Zähnezeigen, und weil er in meine Augen starrte, konnte er darin erkennen, was ich von ihm hielt.

Ich erwiderte: »O Lieutenant, ich höre Sie so gerne reden. Und jedes Mal werde ich danach etwas klüger.«

Nach diesen Worten trieb ich mein stolperndes Pferd mit Schenkeldruck vorwärts. Es war ein gutes Tier, zäh, genügsam und treu. Ich hatte mir diesen Hengst einst aus einer Wildpferdherde gefangen, gezähmt und ihm auch einige Tricks beigebracht. Er war rot und hörte auf »Apache«. Aber unter diesem Namen war er schon vorher als König der Wildpferdherde bekannt gewesen. Viele Pferdejäger hatten ihn zu fangen versucht, aber erst mir war es geglückt.

Ich besaß also ein ganz besonderes Pferd, aber auch Apache war erschöpft und stolperte anfangs, bis es sich nach der kurzen Rast wieder eingelaufen hatte.

Ich ritt also auf die schwarzen Hügel zu, in deren Furchen und Falten das Unheil lauerte. Ich war fest davon überzeugt, dass es so war. Dennoch musste ich hin und nachsehen. Das war mein Job. Ich hatte einen Vertrag mit der Armee.

Und überdies taten mir die armen Hunde leid, deren gute Wünsche mich ganz gewiss wie Gebete begleiteten.

Ja, sie wünschten mir Glück, das war sicher, wenn sie es auch nur aus Eigennutz taten.

Ich legte die knappe Meile langsam zurück, so als hätte ich alle Zeit der Welt.

Dabei dachte ich über Chacco nach.

Denn ich kannte ihn. Ja, wir waren alte Bekannte aus jener Zeit, da er noch keinen Krieg führte und an das Wort der Weißen glaubte.

Damals sicherte ihm der Regierungsvertreter zu, dass man ihn und sein Dorf in Frieden lassen und nicht in ein Reservat bringen würde, wenn sie sesshaft werden und Ackerbau betreiben würden.

Chacco ließ sich mit einhundertundsiebzehn Seelen im Concho Canyon nieder. Sie bauten Mais und Baumwolle an, auch Bohnen und Tomaten, hielten Vieh, begannen eine Pferdezucht und fingen Wildpferde.

Einige Jahre lebten sie friedlich. Das Dorf wurde fast zweihundert Seelen stark.

Doch dann fand man Gold im Concho Creek.

Aber der Creek floss durch den Concho Canyon. Und dieser war von Chacco und dessen Leuten besetzt. Hier waren die Äcker und Felder, die Weiden und Plantagen.

Aber was waren schon zweihundert Apachen gegen die Horde goldgieriger Weißer?

Die böse Horde goldgieriger weißer Christenmenschen nannte sich »Bürgerwehr von Arizona«, und angeblich verfolgte sie die Mörder einer Farmerfamilie. Sie fielen über Chaccos Dorf her – und dann gab es keine sesshaft gewordenen Apachen im Concho Canyon mehr.

Chacco entkam dem Gemetzel nur deshalb, weil er mit einigen seiner Krieger nach Mexiko zum Pferdehandel geritten war.

Aber er kam zurück. Und da auch seine Frau und seine beiden Kinder getötet wurden, konnte sein Hass auf die goldgierigen Weißen nicht größer sein.

Nun machte er Krieg.

Und die beutelüsternen Krieger aller Stämme stießen zu ihm.

Es bestand die Gefahr, dass alle Apachenstämme ihn bald für den neuen Messias halten würden, der ihnen wieder die Macht verschaffen konnte, die sie einst in diesem Lande besaßen.

All dies ging mir durch den Kopf, indes ich unterwegs war zu den Hügeln und zu Chacco, der mich dort erwartete.

Denn dessen war ich sicher.

Ich konnte ihn mit meinem feinen Ahnungsvermögen gewissermaßen »wittern«. Ja, ich war mir sehr sicher, dass ich ihn bald sehen würde.

Was würde dann sein?

Würden sie mich töten?

Oder durfte ich erst noch mit Chacco reden?

Ja, was würde sein?

2

Ich musste nicht weit hinauf, und ich ritt ganz offen, versuchte nicht, mich unbemerkt zu nähern. Denn dies wäre geradezu schwachsinnig gewesen.

Aber ich war bereit, blitzschnell umzukehren und die Flucht zu ergreifen, sobald ich den ersten Apachen sah.

Einige Male dachte ich an den Lieutenant und dessen Soldaten.

Dieser Lieutenant Charles Miles musste damit rechnen, dass er mich in den Tod schickte, dass er mich gewissermaßen opferte, um herauszufinden, ob die Apachen schon auf uns warteten und uns den Weg zum Wasser versperrten.

Er wollte mich opfern wie ein Schachspieler einen Bauern, dieser verdammte Hurensohn. Aber er wusste nicht, dass Chacco mir noch etwas schuldig war.

Und hätte ich nicht die Hoffnung gehabt, dass Chacco seine Schuld mir gegenüber zu bezahlen wünschte, wäre ich gar nicht erst losgeritten.

Nun, ich kam also nicht sehr weit hinauf, als ich Chacco bereits sah.

Er trat hinter einem der schwarzen Lavafelsen hervor und versperrte mir den Weg. Da er etwas höher stand als ich, musste ich zu ihm aufsehen, obwohl ich im Sattel saß.

Ich hielt an. Wir betrachteten uns schweigend.

Dann sah ich mich nach allen Seiten um, auch hinter mich.

Ja, ich saß in der Klemme. Obwohl ich ein erfahrener Jäger war in diesem Land und es mit jedem Apachen in dieser Hinsicht aufnehmen konnte, hatte ich nicht bemerkt, dass ich schon am Fuße der Hügelkette umzingelt gewesen war. Sie hatten sich in den Spalten und Furchen zu gut verbergen können.

Ich sah Chacco wieder an.

Er nickte mir zu.

Dann sprach er in jenem Grenzspanisch: »Ay, Hombre, Laredo-Hombre, wenn du möchtest, darfst du weiter – aber allein. Dann musst du die Soldados vergessen. Ich lasse dich reiten, weil ich noch in deiner Schuld stehe. Aber dann wären wir quitt, Laredo-Hombre.«

Er schloss nach diesen Worten seinen hartlippigen Mund, so dass dieser nun wie eine schmale Messernarbe wirkte. Und in seinen Augen war ein gnadenloses Leuchten.

Aber er schuldete mir wirklich etwas, nämlich sein Leben. Es war schon lange her, viele Jahre. Wir gingen damals in die Missionsschule der Padres von San Pedro und waren Buben von etwa vierzehn Jahren. Als Apache hatte er es schwer unter den anderen Schülern, die ja entweder mexikanischer oder angloamerikanischer Abstammung waren. Eines Tages war er in den Verdacht gekommen, ein Dieb zu sein. Die anderen Schüler hätten ihn vielleicht totgeschlagen, denn es waren raue Burschen unter ihnen, richtige Apachenhasser. Ich fand noch rechtzeitig heraus, wer der wirkliche Dieb war und stand Chacco bei.

Damals sagte er mir, dass er seine Schuld eines Tages gewiss bezahlen würde.

Nun war dieser Tag gekommen.

Und in den vergangenen Jahren hatten sich die Verhältnisse im Lande total verändert. Alles war anders geworden.

Ich hatte also die Wahl. Ja, ich konnte mich davonschleichen und die Patrouille im Stich lassen. Es wäre so einfach gewesen.

Und wer an meiner Stelle hätte seine Haut nicht retten wollen?

Wer hätte nicht den Wunsch verspürt, abzuhauen? O ja, es war schon eine Versuchung.

Ich starrte in Chaccos Augen – und in diesem Moment begann ich ihn zu hassen. Denn obwohl er mir dankbar sein musste und auch bereit war, seine Schuld mir gegenüber einzulösen, abzutragen, spielte er dennoch ein böses Spiel mit mir.

Denn wenn ich sein Angebot annahm, würde ich mich bis an mein Lebensende verachten müssen. Dies würde ihn befriedigen, weil er alle Weißen verachtete. Ich würde dann für ihn keine Ausnahme mehr sein.

Er tat mir fast leid, weil er die Weißen so sehr hasste, dass er zwar mir gegenüber seine Schuld bezahlen, mich dabei aber dennoch zerbrechen wollte – vielleicht, weil ich ein Armee-Scout war.

Apachen dachten anders als Weiße, sehr viel anders.

Immer noch sah ich ihn an.

Er war für einen Apachen sehr groß und wirkte auch wie ein beachtlicher Bursche. Apachen waren eher hässlich, gedrungen, ganz und gar das Gegenteil der Prärie-Indianer, der Sioux, Cheyenne, Aparahoe oder Shoshone. Unter diesen Reitervölkern gab es herrliche Gestalten und außergewöhnliche Persönlichkeiten.

Aber Apachen …

Nun, er sah also für einen Apachen recht gut aus, hätte durchaus auch als Comanche gelten können.

Ich wurde mir plötzlich bewusst, dass ich den Kopf schüttelte. Und dann hörte ich mich zu meinem Erstaunen sagen: »Nein, Chacco, ich schleiche mich nicht davon. Was weiße, goldverrückte Hundesöhne dir antaten, dies verurteile ich sehr. Diese Mörder hätten wahrhaftig den Tod verdient. Ich kann also verstehen, dass du Krieg führst. Wahrscheinlich täte ich das an deiner Stelle auch. Aber ich kann diese Hombres da nicht einfach im Stich lassen.«

»Dann reite zu ihnen zurück und sterbe mit ihnen«, erwiderte er hart.

Und nach einer Pause fügte er hinzu: »Wenn ihr kommt, werden wir euch hier erwarten und Mann für Mann töten. Und wenn ihr dort draußen bleibt, dann werdet ihr verdursten. So einfach ist das.«

Ich nickte. »Ja, so einfach ist das«, erwiderte ich und wiederholte seine Worte. Dann zog ich mein erschöpftes Pferd herum und ritt zurück. Das Tier stolperte wieder unter mir. Ich musste es hochreißen, aber dann lief es einigermaßen sicher zurück. Es ging ja auch ein wenig bergabwärts.

Obwohl die Patrouille erschöpft war, fast schon halbtot und halb verdurstet, bewegten sie sich, als ich ankam. Sie erhoben sich aus dem Staub oder kamen hinter den großen Kakteenbäumen hervor, hinter denen sie Schatten gesucht hatten. Einige kauten Kakteenmark, welches ein wenig Feuchtigkeit enthielt, doch kein Wasserersatz war.

Und alle blickten mir mit geröteten Augen entgegen. Der Lieutenant hatte mit seinem Fernglas alles beobachten können.

Nun fragte er heiser: »War das Chacco, mit dem Sie sprachen, Laredo?«

»Das war er«, erwiderte ich. »Und er sagte mir, dass wir die Wahl hätten, entweder mit ihm und seinen Kriegern zu kämpfen oder hier zu verdursten. Wir haben die Wahl, Mister Miles.«

»Ich bin Premier-Lieutenant der Vereinigten Staaten«, fauchte er.

Ich erwiderte nichts mehr, saß ab, nahm meinem Pferd den Sattel und das Gepäck ab und suchte mir eine der Riesenkakteen aus.

Denn die Sonne stand nun schon ziemlich tief im Westen. Alle aufragenden Dinge warfen länger werdende Schatten.

Ich legte mich in den Schatten des mächtigen Sagueros und zog mir den Hut über das Gesicht.

Und dann schlief ich auch schon ein. Es gab nichts mehr zu sagen oder zu beraten.

Und mit diesem Lieutenant Charles Miles verstand ich mich so wenig wie ein Wolf mit einem Wildkater. Ich ahnte, dass ich ihm mal die Nase breit klopfen oder ihm was auf sein Maul schlagen würde – vielleicht schon bald.

Ich fiel in einen Schlaf der Erschöpfung. Das war kein Wunder, denn als Scout hatte ich mehr Meilen zurücklegen müssen als die Soldaten. Ich hatte immer wieder nach allen Seiten erkunden und nach Fährten suchen müssen, indes sie warteten.

Obwohl ich also zäher und härter war als jeder Mann der Patrouille, war ich ebenso erschöpft wie sie alle.

Ich schlief traumlos.

Aber als ich dann begriff, dass jemand mich an der Schulter fasste, da stieß ich ihm über meinen Leib hinweg meine Revolvermündung zwischen die Rippen.

Aber es war der Lieutenant. Er fragte heiser: »Kommen Sie mit, Laredo – oder bleiben Sie hier liegen bis Sie nicht mehr aufstehen können?«

Seine Stimme höhnte bei den letzten Worten.

Ich setzte mich auf und dachte: Wegen solch einem Arsch habe ich Chaccos Angebot nicht angenommen, oha!