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GPS-Gangster

erzählt von Marco Sonnleitner

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 - 24. Dezember 2009)

 

 

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© 2012, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

 

Based on characters by Robert Arthur.

 

ISBN 978-3-440-13433-7

Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Prinzessinnen

Der Wald um sie herum wurde immer dichter. Zweige schlugen ihnen ins Gesicht und zerrten an ihrer Kleidung. Immer wieder mussten sie über Wurzeln und totes Geäst am Boden hinwegsetzen. Nur der Atem der drei Jungen war zu hören – und in einiger Entfernung ein leises Rauschen. Justus lief voraus, den Blick immer auf das GPS-Gerät in seiner Hand gerichtet, Peter dicht hinter ihm, der dritte Detektiv als Letzter.

»Wie weit … ist es noch?« Bob konnte kaum sprechen. Die trockene Hitze kratzte in seiner Kehle wie Sandpapier.

»Hundertzwölf Meter«, keuchte Justus.

Peter wischte sich den Schweiß von der Stirn und sah auf seine Uhr. »Noch etwas mehr als zwei Minuten. Das schaffen wir nie, Kollegen. Nie!« Verzweiflung stand in seinen Augen.

Der Erste Detektiv schluckte mühsam. »Wir müssen es schaffen. Nur wir können sie noch retten.«

Eineinhalb Minuten später standen sie schnaufend am Fuß eines großen Felsens. Das Rauschen war lauter geworden. Irgendwo musste ein Wasserfall sein.

»34 Grad, 2,831 Minuten nördliche Breite, 118 Grad, 35,186 Minuten westliche Länge«, las Justus vom Display und sah sich hektisch um. »Hier muss es sein. Uns fehlen nur 0,004 Minuten Richtung Osten. Unter Berücksichtigung der Abweitung auf diesem Breitengrad sind das maximal zwölf Meter.«

Bob deutete auf den Felsen. »Dann kann es nur da oben sein. Über die Höhe wissen wir ja nichts.«

»Du hast recht, Dritter. Nichts wie rauf!«

»Dreißig Sekunden«, murmelte Peter, »dreißig Sekunden! Unmöglich!«

Den Felsen zu erklimmen war zwar kein Problem. Er war dicht bewachsen, die Steine griffig, es gab jede Menge Ritzen und Vorsprünge. Doch die Zeit verrann unerbittlich. Peter sprang die Wand förmlich hinauf und zählte dabei die Sekunden mit: »Fünfzehn, vierzehn, dreizehn …«

»Rette sie!«, rief Justus nach oben, als Peter sich nach ihm umdrehte. »Mach schon! Verlier keine Zeit!«

»Zweiter, los!«, trieb ihn auch Bob an.

Peter wandte sich wieder um, hievte sich über die letzte Kante und fand sich auf einem kleinen Plateau wieder. Niedriges Gehölz, schwarze Steine, ein dunkler Teich, dessen Auslauf auf der anderen Seite in die Tiefe stürzte.

Und da stand sie! Langes, blondes Haar, ein Kleid aus blauem Dunst, ein zartes, zerbrechliches Geschöpf. Gefangen in einem eisernen Käfig, der über dem Teich schwebte und an dessen Aufhängung dieser kleine, teuflische Kasten befestigt war. Schwarz, ein paar Drähte, der große Knopf, eine rot leuchtende Digitalanzeige, auf der eine Vier zu sehen war, eine Drei …

»Nein!« Der Zweite Detektiv stürzte nach vorne.

»Peter!«, rief Bob verzweifelt.

Doch es war zu spät. Ein leises Klicken öffnete die Verriegelung. Für einen Moment hing der Käfig noch in der Luft, als wollte er dem Gesetz der Schwerkraft trotzen. Doch dann rauschte er nach unten und tauchte in das schwarze Wasser, das die Prinzessin mit einem dumpfen Gurgeln in seine nassen, tödlichen Arme nahm.

 

Eine knappe Stunde später hatte endlich auch das letzte Team den Weg zurückgefunden. Benjamin Rodman konnte beginnen. Schon seit geraumer Zeit trat der hagere Junge mit den ungebändigten blonden Haaren in dem kleinen Pavillon, der als Bühne diente, von einem Bein aufs andere. Immer wieder sah er seine Zettel durch und murmelte dabei leise vor sich hin. Bob lächelte. Vor seinem Referat gestern in Chemie hatte er sich ähnlich gefühlt.

Benjamin klopfte auf das Mikrofon. »Liebe …« Er hüstelte. »Crack-Tracks, nein, Tack-Packs«, seine Augen weiteten sich, »äh, Crack-Packs …« Unvermittelt verstummte er und wurde knallrot. Fröhliches Gelächter erklang unter den etwa fünfzig Anwesenden. Seine Mutter, die Arm in Arm mit ihrem Mann Samuel ebenfalls auf dem Podium stand, zwinkerte ihm aufmunternd zu, Samuel Rodman hob den Daumen. Benjamin räusperte sich und versuchte es noch einmal. »Liebe, ähm, Track-Cracker, Freunde und Feste … Gäste …«

»Der Arme ist ja total nervös.« Neben Bob stand ein hochgewachsener Mann mit schwarzen Stoppelhaaren. Er trug ein lässiges Cordhemd und eine Jeans. Dem Block in seiner Hand und der Kamera um seinen Hals nach zu urteilen, war er von der Presse. »Letztes Jahr hat die Ansprache noch Daddy gehalten.« Er zeigte auf Samuel Rodman. Der Mann mit den grauen Schläfen und der Hakennase drückte seiner Frau eben einen Kuss auf die Wange.

Bob nickte, während der Reporter ein Foto schoss. Dann wandte sich der dritte Detektiv seinen beiden Freunden zu. Oben stotterte sich Benjamin weiter durch seine Zettel. »Just, was macht Rodman noch mal?«

»Bitte?« Der Erste Detektiv starrte auf das Stück Papier in seiner Hand.

»Rodman. Was der macht? Beruflich.«

»Wer?«

Bob seufzte. »Just, jetzt lass es gut sein. Die Dame konnte das Bad verschmerzen. Sie war aus Plastik.«

»Da!«, rief Justus auf einmal und tippte auf das Rätsel. »Das ist es! Mist! Hätte ich das gleich gesehen, hätte ich die Koordinaten viel schneller entschlüsselt und Peter hätte diesen vermaledeiten Knopf rechtzeitig drücken können. Ich Hornochse!«

Peter grinste. »Vielleicht hätten sie Valery in den Käfig sperren sollen. Dann hättest du dich sicher viel mehr angestrengt.«

Justus blickte ihn böse an. »Ich kann dir nicht folgen.«

Peter nickte unauffällig nach rechts. »Ich meine jenes bezaubernde dunkelhaarige Wesen dort drüben mit den grünen Augen. Du erinnerst dich? Sie saß neben dir, als uns Benjamin über Geocaching informierte und den Wettbewerb erklärte. Ihr habt euch unterhalten. Das heißt«, Peter tat, als überlegte er, »eigentlich hat nur sie geredet. Du hast geleuchtet wie eine Strandboje und ungefähr hundertmal ›ähm‹, ›tja‹ und ähnlich Geistreiches von dir gegeben.«

»Unsinn!«, ereiferte sich Justus.

»Bob?«

»Zweihundertmal.« Der dritte Detektiv grinste.

Justus wollte gerade etwas erwidern, als vom Podium ein Trommelwirbel aus den kleinen Boxen erklang. Alles lauschte konzentriert.

»Und die diesjährigen Sieger des Kennenlern-Wettbewerbs der Track-Cracker sind … tatam!« Benjamin Rodman machte eine unbeholfene Geste. »Die drei ??? – Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews! Kommt bitte zu mir!«

Unter dem Applaus der Anwesenden erklommen die drei Jungen die Stufen zum Podium und stellten sich neben Benjamin.

»Gratuliere! Ihr habt in diesem Jahr die Rätsel mit Abstand am schnellsten gelöst. Ihr habt zwar leider die Prinzessin nicht retten können.« Er schaute betont betrübt und einige Zuschauer machten »Ooooh!«. »Aber ihr wart als Neulinge sogar schneller als unsere Track-Cracker-Profis! Das hatten wir noch nie!«

Wieder brandete Applaus auf und als Justus so unauffällig wie möglich zu Valery hinsah, flog ihm ein strahlendes Lächeln zu.

»Wie habt ihr das nur geschafft?« Benjamin hielt dem Ersten Detektiv das Mikro unter die Nase.

»Ähm … tja … wir … äh … haben … waren … schnell.«

»Aha«, erwiderte Benjamin irritiert, während sich Peter und Bob wissend zulächelten. »Und wie seid ihr auf uns aufmerksam geworden?« Diesmal bekam Bob das Mikro.

»Wir haben von eurem Wettbewerb in der Zeitung gelesen und sind neugierig geworden. Da haben wir uns gesagt: Hey, lasst uns dieses Geocaching doch mal ausprobieren! Das ist sicher spannend, das Gerät wird gestellt und zu gewinnen gibt es auch etwas. Und hier sind wir!«

»Super!« Benjamin hatte seine Nervosität mittlerweile abgelegt und fühlte sich sichtlich wohl als Moderator. »Und? Wie wär’s? Hättet ihr nicht Lust, zu uns zu stoßen? Zu den Track-Crackern? Ihr scheint’s ja wirklich drauf zu haben!«

Peter war dran. »Wenn ihr dauernd Prinzessinnen rettet«, sagte er verschmitzt, »dann auf jeden Fall.«

Alle lachten, während sich Benjamin von seinem Vater einen kleinen Korb und ein Päckchen reichen ließ. »Nun, vielleicht erleichtert das ja eure Entscheidung.« Er holte drei silberne Anstecker aus dem Korb, die wie Kompassnadeln aussahen, und heftete sie nacheinander den drei Detektiven an ihre Jacken. Peter bemerkte, dass Benjamin die gleiche Nadel in Gold trug. »Hiermit verleihe ich euch die Track-Cracker-Nadel in Silber«, verkündete Benjamin feierlich und wieder ertönte Applaus. Dann überreichte er Bob das Päckchen. »Und das ist euer Preis!«

Der dritte Detektiv sah ihn gespannt an. »Darf ich es … gleich aufmachen?« Bob deutete auf das Geschenkpapier.

»Unbedingt!«, rief ihm Samuel Rodman lächelnd zu.

»Dann los«, ermunterte Peter seinen Freund. Bob ließ sich nicht zweimal bitten, öffnete die gelbe Schleife und riss das Papier ab.

»Wow!«, entfuhr es Peter. »Ein nagelneues GPS-Gerät!«

Auch Justus fand seine Sprache wieder. »Ein Treasure X 35! Das Beste vom Besten!«

Benjamin lächelte. »Damit ist ab jetzt kein Schatz mehr sicher vor euch!«

»Und das Büffet hoffentlich auch nicht!«, sagte Deborah Rodman in den aufkommenden Applaus hinein und deutete über den kleinen See hinweg. »Die Tafel ist hiermit eröffnet!«

Während alles klatschte und jubelte und zu der kleinen Holzbrücke drängte, die über den See führte, gab sie ihrem Mann einen innigen Kuss und steuerte auf die drei ??? zu.

Captain Skull

»Na, ihr drei? Das war ja wirklich ganz große Klasse, wie ihr das gemacht habt!« Deborah Rodman, eine dunkelhaarige, sehr schöne Frau um die Vierzig, die betörend gut duftete, nickte noch einmal ihrem Mann zu, der eben die Stufen des Pavillons hinablief und sich dann vom See entfernte.

»Muss Ihr Mann schon gehen?«, fragte Bob überrascht.

»Nein, nein, er kommt gleich wieder.« Deborah Rodman deutete auf die Brücke. »Jetzt müsst ihr drei euch aber erst einmal stärken!«

Das Anwesen der Familie Rodman war sehr weitläufig und wunderschön. Der Geocaching-Wettbewerb hatte zwar im benachbarten Tuna Canyon Park stattgefunden, aber mit ein wenig Mühe hätte man das auch auf diesem riesigen Grundstück hinbekommen. Große Rasenflächen und Buschgruppen wechselten sich mit kleinen Gehölzen ab, in denen Kiefern, Rauchbäume und Wüsteneisenholzbäume wuchsen. Auf der Rückseite des Wohngebäudes befand sich ein Tennisplatz. Ein künstlicher See umgab das Haus und ließ nur die breite Auffahrt frei. Die Villa der Rodmans sah aus wie ein mexikanisches Landhaus, war überwuchert mit Efeu und Bougainvillea und hatte sicher an die zwanzig Zimmer. Rodman Enterprises, eine stadtbekannte Werbeagentur, florierte offenbar prächtig.

»Und ihr wusstet vorher gar nichts über Geocaching?« Deborah Rodman geleitete die drei ??? über die schmale Holzbrücke. Vorn machten sich schon die ersten Gäste über das Büffet her.

Justus machte eine vage Geste. »Nun ja, mir war bekannt, dass es sich dabei um eine Art moderner Schnitzeljagd handelt, bei der es gilt, mittels eines GPS-Geräts sogenannte Caches, also Verstecke, zu finden, von denen nur die Koordinaten, also die Angabe von Längen- und Breitengrad, bekannt sind. Diese Caches beinhalten dann Gegenstände aller Art und ein Logbuch, in dem man den eigenen Fund vermerkt. Die Gegenstände selbst können ausgetauscht und durch einen eigenen sogenannten Stash ersetzt werden, oder sie bleiben vor Ort.«

Deborah staunte. »Du bist ja ein wandelndes Geochaching-Lexikon! Was aber immer noch nicht erklärt, wieso ihr die Rätsel so schnell lösen konntet, die euch zu der Prinzessin führen sollten.«

»Nicht schnell genug, leider«, grummelte Justus.

Peter lächelte. »Unser Erster kann es gar nicht ab, wenn sich ihm ein Rätsel verweigert.«

»Unser Erster?«, fragte Deborah verwirrt.

Bob griff in seine Tasche, holte eine ihrer Visitenkarten hervor und überreichte sie Deborah Rodman. »Wir betreiben ein kleines Detektivbüro unten in Rocky Beach. Und Just hier ist der Erste Detektiv.«

Deborah Rodman las interessiert, was auf der Karte stand.

Visitenkarte.tif

»Das klingt ja spannend. Und wofür stehen die drei Fragezeichen?«

»Für alle ungelösten Rätsel und Geheimnisse, die noch auf ihre Entschlüsselung warten«, erklärte Peter.

Deborah Rodman nickte. »Detektive. Die drei ???. Das erklärt natürlich, wieso ihr die Rätsel so schnell lösen konntet. Und wieso ihr euch bei dem Wettbewerb so genannt habt.« Sie dachte kurz nach und wollte eben etwas sagen, als von rechts eine helle Stimme erklang.

»Mrs Rodman! Diesmal war es ja noch besser als letztes Jahr! Fantastisch!« Deborah und die drei Jungen wandten sich um. Valery stand hinter ihnen und strich sich eben eine kleine Haarsträhne aus der Stirn. Ihr Lachen war warm und offen und ihre grünen Augen funkelten in der Sonne wie kleine Smaragde. »Der Wettbewerb, die Rätsel, dieses Büffet!« Sie hob die Schultern. »Einfach klasse!«

»Danke dir, Valery«, sagte Deborah. »Und schön, dass du es doch noch geschafft hast zu kommen.«

»Das lasse ich mir doch nicht entgehen! Genauso wenig wie diese Welttorte mit Längen- und Breitengraden aus Marzipan und diesen einmaligen Früchtepunsch.« Valery hob den Teller und den Becher in ihren Händen. »Davon brauche ich unbedingt das Rezept! Den Punsch kann ich vielleicht sogar in dem neuen Sommerbuch unterbringen, das mein Verlag gerade plant.«

Deborah lachte. »Das Rezept gebe ich dir gerne, obwohl es wirklich nichts Besonderes ist. Frisch gepresster Orangensaft und Rooibos-Tee – und dann vor allem Zimt und Nelken. Und?« Sie wies auf die drei ??? neben sich. »Was sagst du zu unseren Siegern? Clevere Jungs, oder?«

»Und wie!« Valery nickte den Jungen anerkennend zu und ließ ihren Blick auf Justus ruhen. »Wir haben uns vorhin auch schon kurz kennengelernt. Aber da konnte ich noch nicht ahnen, wie gefährlich ihr uns werden würdet.« Die Andeutung eines Lächelns huschte über ihr hübsches Gesicht.

Justus wollte zurücklächeln, doch seine Gesichtszüge verunglückten und heraus kam eine schiefe Grimasse. »Wir, wir haben sicher auch ein wenig, ähm, Glück gehabt.«

»Unsinn!« Samuel Rodman hatte sich unbemerkt von hinten genähert. Er nahm die Hand seiner Frau und schüttelte energisch den Kopf. »Ihr seid gut! Wirklich gut. Die Rätsel hatten es diesmal in sich.«

»Sehe ich genauso«, pflichtete ihm Valery bei. »Auf unsere drei Sieger!« Sie prostete den Jungen zu und nahm einen Schluck aus ihrem Becher.

»Auf die drei!« Samuel Rodman hob erneut den Daumen. Dann sagte er zu seiner Frau: »Schatz, ich muss noch einmal ins Geschäft. Ich beeile mich aber.«

»In Ordnung.« Deborah lächelte ihm zu und die beiden küssten sich zum Abschied.

»Sind sie nicht süß?«, flüsterte Valery Justus zu. »Verliebt wie am ersten Tag. Ich könnte immer dahinschmelzen, wenn ich sie sehe.«

Der Erste Detektiv grinste, machte »Hm« und hatte das Gefühl, dass sein Ohr lichterloh zu brennen anfing, als es Valerys Pferdeschwanz berührte. Peter biss sich auf die Lippen.

»So«, wandte sich Deborah wieder ihren Gästen zu, während Samuel Rodman in Richtung der Garagen lief. »Sollen wir uns mal zum Büffet durchschlagen?«

Bob nickte. »Unbedingt!«

»Ich komme um vor Hunger«, sagte Peter.

Justus sagte gar nichts und rieb sich das Ohr.

Deborah Rodman blieb bei den drei ???, während die Jungen sich mit Torte, Punsch, Käsehappen und Würstchen im Schlafrock versorgten. Valery unterhielt sich noch eine Weile mit Justus, dem es nur langsam gelang, seine Befangenheit abzulegen und wieder Herr über seine Gesichtsmuskeln zu werden. Als sich Valery schließlich verabschiedete, standen die drei ??? und Deborah in der Nähe der kleinen Brücke, über die sie vorhin gegangen waren.

»Ich hätte da noch eine Frage«, sagte Deborah mit einem kurzen Zögern. »Ihr sagtet doch vorhin, dass ihr ein Detektivbüro habt?«

»Ja«, bestätigte Bob.

Wieder zögerte Deborah. »Sagt euch vielleicht der Name Captain Skull etwas?«

»Captain Skull?« Justus sah noch einmal zu Valery hinüber, die eben über die Wiese entschwebte. »Natürlich. Die Zeitungen haben ausführlich über ihn berichtet. Ein Dieb, der wertvolle Kunstwerke aus Privathäusern und Museen stiehlt und am Ort des Verbrechens eine rückwärts laufende Uhr und ein Rätsel hinterlässt, das auf bestimmte Koordinaten hinweist. Dort findet sich wieder ein Koordinatenrätsel, das auf einen dritten Punkt hinweist, der schließlich mittels eines letzten Rätsels zum gestohlenen Objekt führt – das aber weg ist, wenn die Polizei nicht rechtzeitig kommt. Was ihr bisher erst einmal gelungen ist.«

»Sie haben damals doch einen Jungen geschnappt, der das Diebesgut wieder abholen wollte«, erinnerte sich Bob. »Eine chinesische Holzschatulle, auf deren Deckel das Fabelwesen Ki-Lin abgebildet war. Aus der Ming-Dynastie, sehr wertvoll. Aber der Junge war nicht der Dieb – er war anonym angeheuert worden.«

»Und seinen Namen hat Captain Skull wegen seines Erscheinungsbildes«, fiel Peter ein. »Ein Opfer hat ihn mal gesehen, als er ein Bild stahl. Er trägt ein schwarzes Kopftuch und darunter eine Totenkopfmaske, deren eines Auge wie eine Kompassrose aussieht.«

Deborah Rodman sah zu Boden und nickte verhalten. »Ich sehe, ihr wisst Bescheid.« Die drei ??? warteten, während Deborah nachdachte. Dann sprach sie weiter, leise, betrübt. »Ich habe ein Problem mit diesem Skull.« Sie sah auf.

»Ein Problem?«, fragte Justus. »Was für ein Problem?«

Deborah kniff die Lippen zusammen. »Seit dieser Kerl sein Unwesen treibt, habe ich das Gefühl, dass die Leute bei Wörtern wie Koordinaten, Längen- und Breitengraden, Navigation und so weiter nur noch an Diebstahl und Verbrechen denken.« Ihr Blick verfinsterte sich. »Ich weiß das aus zahllosen Gesprächen. Unlängst hat ein Bekannter sogar gescherzt, dass dieser Captain Skull vielleicht aus den Reihen der Track-Cracker kommt. Ich fand das gar nicht lustig. Die ganze Sache hat allmählich einen wirklich schlechten Einfluss auf das wunderschöne Hobby meines Sohnes. Einige Eltern haben ihre Kinder auch schon aus dem Club abgemeldet, Neumitglieder gibt es kaum noch.«