

Nr. 121
Der siebte Kristall
von Horst Hoffmann
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Mythor, der Sohn des Kometen, begann vor rund zweieinhalb Jahren seinen Kampf gegen die Mächte des Bösen in Gorgan. Dann wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von den Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen Achtung zu verschaffen und den Hexenstern zu erreichen, wo er endlich mit seiner geliebten Fronja zusammenkam.
Gegenwärtig befinden sich der Sohn des Kometen und seine Gefährten, zu denen auch Fronja, die ehemalige Erste Frau von Vanga, zählt, inmitten der Schattenzone. Mythor hat mit seiner Schar Carlumen in Besitz genommen, die fliegende Stadt des legendären Caeryll.
Mythors magiekundigen Gefährten ist es inzwischen gelungen, Yhr, die Schlange des Bösen, die Carlumen in ihrem Leib mit sich führt, in Fesseln zu schlagen und Einfluss auf den Kurs der fliegenden Stadt zu nehmen.
Und am 70. Tag der Reise mit Carlumen schafft es Mythor sogar, eine Mumme Darkons, des Herrn der Finsternis, zu töten und einen weiteren DRAGOMAE-Kristall in seinen Besitz zu bringen.
Danach setzt die fliegende Stadt ihre Fahrt fort. Mythors Ziel ist DER SIEBTE KRISTALL ...
Mythor – Der Sohn des Kometen sucht nach dem 7. Kristall des DRAGOMAE.
Shaya – Die Sucherin meldet sich wieder.
Kjobo und Huij – Zwei Freven.
Vuhjoon – Eine Mumme des Herrn der Finsternis.
Gerrek – Der Beuteldrache als Retter in höchster Not.
Sadagar – Der Steinmann folgt einem neuen Ziel.
Die Knospe
Die Ruhe war mehr als trügerisch, doch viele nutzten sie, um einige Stunden Schlaf nachzuholen oder Dinge zu erledigen, die gezwungenermaßen hatten vernachlässigt werden müssen. Carlumen durchteilte die treibenden Staubmassen und glitt in der schweren Luft wie auf der Oberfläche eines Meeres durch die Schattenzone. Ab und an tauchten Hindernisse auf, oder es galt, einer Schule von Schattenwalen auszuweichen. Die Steuerung der Fliegenden Stadt bereitete den Magiekundigen kaum noch Schwierigkeiten, zumal Yhr in den sechs DRAGOMAE-Kristallen gefangen war, die Mythor bislang zusammengetragen hatte. Der Körper der Schlange wand sich durch viele Bereiche. Die Carlumer machten es sich zunutze. Sie zogen den Tillornischen Knoten mit Hilfe der Steine fester, sobald Yhr gegen die Gefangenschaft aufbegehrte, und befanden sich ansonsten auf einer Route, die Caeryll einst genommen hatte. Damals war ihm die Flamme von Logghard erschienen, was auf der Weltkarte eingetragen stand. Mythors und der Gefährten Hoffnung bestand darin, auf dem gleichen Kurs das Licht wiederzufinden, das ihnen den Weg nach Gorgan wies. Allerdings hatte es schon zu viele Enttäuschungen gegeben, und die Unzufriedenheit griff vor allem unter den Kriegern allmählich immer mehr um sich.
Gerrek rührte das nicht. Er lag am Fuß der obersten Wehrmauer und döste so friedlich vor sich hin, als hätte er nie von der Pfaderregel gehört, die da sagte: »Hüte dich vor der Stille, denn in ihr reift das Verderben!«
Was ihn als einziges störte, war Mythor, wenn er sich im Schlaf herumwälzte oder stöhnte. Der Sohn des Kometen lag neben ihm, die Hand am Griff seiner Klinge. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Das Abenteuer am Crusenriff, wo er den Darkon im Kampf besiegte und den sechsten Kristall eroberte, war nicht ohne Spuren an Mythor vorübergegangen.
Der Mandaler blinzelte in das blutrote Wabern über Carlumen. Auch die vierhundert Rohnen hatten sich in ihre Behausungen zurückgezogen. Sie gewöhnten sich zwar allmählich an die Fliegende Stadt, doch nach wie vor machte ihnen die Schattenzone zu schaffen. Tertish als Kriegsherrin hielt mit Hukender, Mokkuf und den Wälsenkriegern an verschiedenen Stellen Carlumens Wache, während sich die Magiekundigen im widderkopfförmigen Bug befanden.
Zumindest Fronja hätte bei Mythor sein sollen. Gerrek seufzte und warf dem Gorganer einen mitleidvollen Blick zu.
»Sei froh, dass du wenigstens mich hast«, murmelte er. »Wenn auf das Weibervolk kein Verlass mehr ist, müssen wir Männer zusammenhalten.«
Er grinste über die Weisheit der eigenen Worte und dachte dabei an Kalisse und einige andere Amazonen, die ihm oft genug das Leben schwer gemacht hatten.
Gerrek schlief ein und wurde erst wieder aus seiner Traumwelt gerissen, als er Mythor lauter denn je stöhnen hörte. Er lag auf der Seite und konnte ihn sehen, wie er sich aufbäumte und wand.
Ein wenig Rücksicht sollte Mythor nun doch nehmen. Gerrek streckte den Arm schon aus, um ihm dies durch einen freundschaftlichen Stoß in die Seite zu verstehen zu geben, als das Unfassliche geschah.
Gerrek stieß einen spitzen Schrei aus, sprang auf und machte entsetzt zwei, drei Schritte von dem Gefährten fort. Er wischte sich über die Augen, doch der Spuk blieb. Mythor lag vollkommen still. Der Schatten schälte sich aus seinem Körper. Etwas unsagbar Dunkles schwebte für einige Herzschläge ganz dicht über Mythor, so als bildete es eine zweite Haut um ihn.
Gerrek sah sich verzweifelt um, doch da war niemand, der ihm in diesem Augenblick beistehen könnte.
Der Schatten wurde zur festen Gestalt. Es war so, als hätte Mythor einen dunklen Zwillingsbruder bekommen, der sich jetzt aus ihm erhob und für einen kurzen Moment über ihm stehenblieb. Gerrek schnürte die Angst die Kehle zu. Er starrte die schwarze Gestalt an und hatte das schreckliche Gefühl, sie starrte zurück. Dann ging sie davon und durch die Mauer hindurch.
Mythor lag reglos noch an der gleichen Stelle. Gerreks Knie gaben nach. Endlich löste sich ein Schrei. Gerrek fuhr herum und rannte davon, als wäre der Schatten hinter ihm her. Sein Gekreische ließ die Rohnen aus den Unterkünften strömen und gleich wieder darin verschwinden, als sie den wild mit den Armen rudernden Beuteldrachen auf sich zukommen sahen. Gerrek stolperte und fiel hin, raffte sich auf und war vollkommen außer Puste, als er endlich die Kommandobrücke erreichte. Er holte tief Luft und versengte Sadagar fast die Kleider, als er zuerst eine Feuerlohe hervorbrachte, dann ein heiseres Kreischen:
»Ihr ... ihr müsst alle mitkommen! Mythor ist ... ist ...!«
»Was ist er, Beuteldrache?«, kam es von Tertish, die hinter ihm auftauchte.
»Da war der Schatten!«, jammerte Gerrek. »Fronja, da war plötzlich der Schatten, und er hat Mythor geholt!«
Fronja zog die Brauen zusammen. Begriff sie denn nichts? Es war ja nicht zu übersehen, dass zwischen ihr und Mythor nicht alles stimmte. Aber so einfach nur dazustehen und ...
»Der Schatten ist aus Mythor gewachsen und durch das Wehr verschwunden!«, schrie Gerrek. »Und Mythor liegt da wie tot!«
Fronja wechselte einen schnellen Blick mit Cryton, offenbar nicht ganz sicher, was sie von Gerreks Worten zu halten habe. Endlich packte sie seinen Arm.
»Dann bringe uns hin, aber du kannst etwas erleben, wenn das wieder einer von deinen dummen Scherzen ist!«
Tertish winkte den Kriegern und lief voraus. Alle anderen folgten, alle außer Cryton.
Als der ehemalige Götterbote allein vor den Kristallablagerungen der Wände stand, in denen sich Caerylls eingeschlossener Körper vielfach spiegelte, fragte die Stimme aus dem Kristall:
»Sage mir, Cryton, wie lange ist es nun noch bis zu ALLUMEDDON?«
Und Cryton knurrte mit nachdenklichem Blick auf den Steuertisch mit dem darüber schwingenden Pendel:
»Wenn die Zeichen nicht trügen, mein Freund, ist ALLUMEDDON schon viel wahrer, als wir alle denken.«
*
Mythor stand gegen die Mauer gelehnt und strich sich mit dem Ärmel über die Stirn. Er fühlte sich elend, wie ausgelaugt. Die bösen Träume schienen sich an seinem Geist festklammern zu wollen, und immer wieder flüsterte es in ihm:
Sieben Mummen hat der Darkon! Eine konntest du ihm nehmen, als du ihn im Kampf besiegtest. Doch sechs weitere Körper, sechs Leben sind noch sein! Es wird nicht viel Zeit vergehen, bis dir der Herr der Finsternis in einer neuen Gestalt gegenübersteht – und stark!
So hatte Shaya zu ihm gesprochen. Es waren nicht genau die gleichen Worte gewesen, doch die Warnung brannte in ihm wie ein alles verzehrendes Feuer. Die Rückkehr des Darkon mochte zu jeder Stunde und an jedem Ort erfolgen. Dann musste er gewappnet sein. Doch er war schwach. Der Schlaf hatte ihm keine neue Kraft geschenkt, sondern Unsicherheit und dieses schreckliche Gefühl innerer Leere.
Mythor stieß sich ab und fuhr herum, als er die Rufe hörte und gleich darauf Tertish an der Spitze der Krieger und Magiekundigen heranstürmen sah. Die Waffen blitzten in ihren Händen. Am schlimmsten brüllte Gerrek, der vergeblich versuchte, sich von Fronja loszureißen.
Die Tochter des Kometen stieß ihn auf Mythor zu, der sie verständnislos anblickte.
»Ich denke, er liegt wie tot da! Und wo ist der Schatten, Beuteldrache!«
»Durch ... durch die Mauer gegangen!«, jammerte Gerrek.
Mythor brauchte eine Weile, bis er sich Ruhe verschaffen konnte. Tertish und Fronja erklärten ihm, was Gerrek beobachtet haben wollte.
»Es war so, Mythor!«, beteuerte der Mandaler. »Glaube wenigstens du mir, ich habe ja neben dir gelegen und es mit eigenen Augen gesehen!«
»Du hast geträumt«, sagte der Gorganer. »Ich lebe und fühle mich ganz wohl dabei. Also hört auf mit dem Unsinn und haltet weiter Ausschau nach der ...«
»Flamme von Logghard«, knurrte Mokkuf. »Du gibst die Hoffnung nie auf, oder?«
Einige andere nickten zustimmend. Sie zerstreuten sich, um ihre Plätze wieder einzunehmen. Nur Fronja blieb zurück. Gerrek setzte sich beleidigt auf einen Stein – jedoch offenbar auch ganz froh, dass man ihm keine Beachtung mehr schenkte.
»Es stimmt nicht«, sagte Fronja. »Du siehst schlecht aus, dir geht es alles andere als gut. Mythor, warum werden wir uns von Tag zu Tag fremder? Warum gehen wir aneinander vorbei?«
Er wusste keine Antwort. Stattdessen nahm er Fronja in die Arme und küsste sie. Er wollte ihr sagen, dass ihre Eifersucht unbegründet war, doch der Name Shaya kam nicht über seine Lippen.
»Irgendwann«, sagte er, »werden wir alle Zeit der Welt für uns haben.«
»Ja.«
Sie senkte den Blick und schritt davon, zurück auf die Brücke. Als sie allein waren, blinzelte Gerrek scheu herüber.
»Ich habe es gesehen, der Schatten war da und wuchs aus dir heraus!«
»Dummes Geschwätz. Ich habe wahrhaftig genug damit zu tun, mir anhören zu müssen, dass wir unsere Zeit mit der Suche verschwenden.«
»Also bitte!« Gerrek sprang auf und stemmte die Arme in seine Hüften. »Der dumme Beuteldrache muss sich von allen anhören, dass er eben nur ein dummer Beuteldrache ist! Der dumme Beuteldrache verschwindet jetzt, aber dann ruft ihn nicht, wenn ihr wieder seine Hilfe braucht!«
Damit schritt er erhobenen Hauptes von dannen, auf den Wurzelstock unterhalb der Pueblostadt zu, der einmal einen mächtigen Baum des Lebens getragen hatte. Gerrek warf dem dreimal mannshohen Trieb einen flüchtigen Blick zu. Der Lebensbaum musste einmal seine gewaltige Krone über Carlumen gebreitet haben, bis die Dunkelmächte ihn fällten. Später war dieser schmächtige Spross aus ihm gewachsen und dann wieder verdorrt.
Erst dann, so hieß es, wenn einer der Äste wieder eine Knospe zeigte, würden auch bessere Zeiten für die Lichtwelt anbrechen.
Gerrek setzte sich mit dem Rücken zum Trieb auf den zehn Schritte durchmessenden Stumpf.
Dann schluckte er.
Ganz langsam drehte er den Kopf.
*
Als die Magiekundigen Mythor die Brücke betreten sahen, zeigte kaum einer von ihnen noch große Begeisterung. Der Flug, den so viele Besatzungsmitglieder für sinnlos hielten, zermürbte sie. Selbst Nadomir und Sadagar hatten sich der Forderung angeschlossen, einen neuen Kurs einzuschlagen, die Schlange Yhr zu zwingen, sie auf direktem Weg in die Düsterzone und schließlich nach Gorgan zu führen. Den Ausschlag, wo das neue Ziel liegen sollte, hatte dabei ausgerechnet Tobar gegeben, der Mythor wie einen Halbgott verehrte. Daran hatte sich nichts geändert. Doch die Krieger drängten darauf, sein Heimatland Tata anzusteuern. Dort sollte es ein Dämonentor geben, an dem sich die Heerscharen der Finsternis zum Einfall nach Gorgan sammelten.
Entsprechend groß war die Erleichterung, als Mythor sich vor dem Steuertisch aufbaute und laut verkündete:
»In Quyls Namen, verlassen wir diese Route. Wir fliegen nach Tata oder so weit die schweren Lüfte der Schattenzone uns an das Land der Tatasen herantragen. Yhr hat sich dazu bereit erklärt, Carlumen in diesen Bereich zu führen, nachdem ich ihr versprach, dafür den Knoten etwas zu lockern.«
»Endlich!«, rief Fronja aus. »Joby, lauf zu Tertish und sage es ihr und den Kriegern! Ich freue mich, Mythor, dass du wieder bei Kräften bist. Eben noch warst du ...« Sie lachte. »Du wirkst wie neugeboren.«
»Ich fühle mich auch so«, lächelte er.
Allein Cryton teilte die allgemeine Erleichterung nicht. Er legte die Stirn in Falten und fragte:
»Glaubst du nicht, dass es ein Wagnis ist, Yhr zuviel Spielraum zu lassen?«
Mythor zog das Schwert aus der Scheide und deutete mit der Klinge auf das Steuerpendel, dann auf den Tisch mit dem Heptagramm. Die sechs DRAGOMAE-Kristalle lagen auf sechs der sieben Sternpunkte.
»Yhr wird es nicht noch einmal wagen, uns in eine Falle zu locken. Mit jedem Stein gewinnen wir mehr Macht über sie! Du steuerst einen vorläufigen Kurs, Cryton. Den genauen kann ich dir nennen, wenn ich Caerylls Karte noch einmal studiert habe.«
Damit steckte er Alton zurück und nahm zwei der Kristalle, machte Cryton einige Angaben und zog sich von der Brücke zurück.
Der Tätowierte war von den Göttern gestraft worden, weil er den Menschen zu sehr geholfen und dabei versagt hatte, Mythor ein Leben an der Seite der Heroen und Halbgötter schmackhaft zu machen. Nun blickte er Mythor sehr nachdenklich hinterher. Seine Körperbemalungen waren ihm zwar belassen worden, doch fehlte ihnen nun jegliche magische Kraft.
»Findet ihr nicht«, fragte er in die Runde, »dass er sich mehr als merkwürdig benimmt?«
»Du meinst seinen Sinneswandel?« Fronja lachte. »Lange genug war er bedrückt und ...«
Cryton schüttelte heftig das Haupt.
»Nicht nur das, Fronja. Ich weiß jetzt, was mich an ihm störte. Wir werden Gerrek wohl Abbitte zu leisten haben. Und es wird nicht bei diesem ersten Versuch bleiben, uns ins Verderben zu führen.«
»Was redest du da?«, fragte Sadagar verwundert.
»Auf gewisse Weise ist er Mythor. Er hat sogar soviel von ihm, dass selbst ihr den Trug nicht durchschaut. Doch ihr saht seine Klinge.«
Nadomir holte tief Luft.
»Sie leuchtete nicht! Wir durchfliegen eine Zone ohne viel Licht. Meinst du das, Cryton? Sie hätte leuchten müssen!«
»Wisst ihr überhaupt, was ihr da sagt?«, flüsterte Fronja. »Dann ... wo ist Mythor – der richtige Mythor!«
»Und wo ist der andere jetzt mit den beiden DRAGOMAE-Bausteinen?«
Fronja rannte aus dem Bug, gefolgt von den Gefährten. In ihren Händen blitzten die Waffen auf, als Carlumen sich in eine blutrot strahlende Luftmasse schob. Nur zwei, drei Herzschläge später bliesen die Sirenen des mächtigen Windhorns Alarm.
*
Gerrek ahnte nichts von dem, was auf der Kommandobrücke geschah. Und selbst wenn, so hätte es ihn nicht mehr aus der Fassung bringen können. Das war er bereits.
Er sah noch einmal hin, ein zweites-, drittes Mal.
»Das ist ein Wunder«, flüsterte er. »Das große Wunder, auf das sie alle warteten. Und ich ...!«
Er schluckte.
Er hatte es zuerst gesehen. Er wollte es in die Welt hinausschreien, wirbelte herum und sah Mythor gerade noch, wie er über die freie Fläche auf eine der Waffenkammern zuging. Schon legte er die Hände wie einen Trichter an sein Drachenmaul.
Er ließ sie wieder sinken.
»Sicher gibt es sie gar nicht«, brummte er trotzig. »Sicher sieht der dumme Beuteldrache nur wieder Dinge, die gar nicht da sind.«
Gerrek setzte sich zurück auf den Rand des Wurzelstumpfs, verschränkte die Arme über der Brust und blieb so hocken, bis Joby vom Widderkopf kam und ihn fragte, ob er Tertish gesehen habe.
»Ich sehe nichts mehr«, versetzte der Mandaler. »Was willst du von Tertish? Nimm meinen Rat, Junge, und lass die Finger von diesen Weibern. Und die Männer auf Carlumen sind auch nicht besser.«
»Ach, du meinst das mit dem Schatten. Tröste dich, Gerrek, auch ich sehe manchmal Dinge, die ...«
Er starrte an ihm vorbei, auf etwas in seinem Rücken. Gerrek versuchte, sich die Richtung des Blickes vorzustellen.
»Sie ist nicht da«, knurrte er.
»Aber sicher! Der alte Trieb hat ... eine Knospe!«
»Hat er nicht. Ich sagte dir, da ist nichts.«
Joby hörte ihn gar nicht. Mit glänzenden Augen blickte er sich um. Mythor kam aus der Waffenkammer zurück und schickte sich an, in den Bug zu steigen. Joby rannte laut rufend auf ihn zu, erreichte ihn und zerrte ihn mit sich.
Gerrek strafte sie beide mit Nichtbeachtung. Er zuckte nur dann leicht zusammen, als auch Mythor die Luft ausstieß und von einer Knospe am Baum des Lebens sprach.
»Du hast sie entdeckt, Gerrek? Bei Quyl und Erain, warum hast du uns nicht alarmiert?«
»Ich laufe und sage es allen!«, ereiferte sich Joby. »Ich muss ohnehin zu Tertish, um ihr und den Kriegern die frohe Nachricht zu bringen, dass du einen neuen Kurs bestimmt hast.«
»Ich habe was getan?«
Joby war schon fort. Mythor zerbrach sich nicht lange den Kopf über seine Worte. Erst jetzt begriff er, was er hier sah.