Ella Berthoud und Susan Elderkin empfahlen sich bereits beim Literaturstudium in Cambridge gegenseitig Romane. Ella widmete sich anschließend der Kunst, Susan dem Schreiben. Seit 2008 bieten sie an der Londoner School of Life Bibliotherapie-Sitzungen an. Um das wunderbare Chaos des Lebens in den Griff zu bekommen, liest Ella George Perecs Das Leben. Gebrauchsanweisung. Wenn Susan das Gefühl hat, in lauter Verpflichtungen zu ersticken, liest sie Haldór Laxness' Am Gletscher.
Traudl Bünger ist Programmredakteurin der lit.COLOGNE, Literaturkritikerin und Autorin. Ihr literarisches Debüt Lieblingskinder erschien 2012. Gegen Schreibkrisen aller Art liest sie Loriot.
Ella Berthoud & Susan Elderkin
mit Traudl Bünger
DIE ROMANTHERAPIE
253 Bücher für ein besseres Leben
Aus dem Englischen von
Katja Bendels und Kirsten Riesselmann
Insel Verlag
Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel The Novel Cure.
An A to Z of Literary Remedies bei Canongate Books, Edinburgh.
Die Schreibweisen von Autorennamen und Namen von Romanfiguren
folgen jeweils der Ausgabe, die als Quelle für die direkten Zitate
genutzt wurde (s. Quellennachweise).
eBook Insel Verlag Berlin 2013
Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe, 2013.
© der deutschen Ausgabe Insel Verlag Berlin 2013
© Ella Berthoud, Susan Elderkin, Traudl Bünger 2013
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Umschlaggestaltung: glanegger.com, München
Umschlagabbildungen: Here Design, London
Satz: Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn
eISBN 978-3-458-73372-0
www.insel-verlag.de
Für Carl und Ash
und im Gedenken an Marguerite Berthoud und
David Elderkin, die uns lehrten, Bücher zu lieben –
und Regale für sie zu bauen.
Einleitung 9
Lebenslagen und Leiden von A bis Z 13
Epilog 409
Verzeichnis der Lebenslagen und Leiden 412
Verzeichnis der Leseleiden 416
Verzeichnis der Listen der »Zehn besten Romane« 417
Verzeichnis der Romane 418
Quellennachweise der direkten Zitate 422
Dank 428
Bi|blio|the|ra|pie, die
[biːbliotɛʁapiː]
Der therapeutische Einsatz von Literatur zur Behandlung aller Leiden, die das Leben so mit sich bringt.
(Berthoud und Elderkin, 2013)
Dies ist ein medizinisches Handbuch der etwas anderen Art.
Zuerst einmal unterscheidet es nicht zwischen körperlichen und seelischen Schmerzen, sondern bietet Ihnen bei einem gebrochenen Herzen ebenso Hilfe wie bei einem angestoßenen Zeh. Zudem behandelt das vorliegende Buch eine Reihe von allgemeinen Lebenslagen wie Geburtstagsblues, Lustlosigkeit oder Midlife-Crisis. Es stellt sich aber auch den größeren Herausforderungen des Lebens wie dem Verlust eines geliebten Menschen oder dem Umstand, plötzlich alleinerziehend zu sein. Ob Schluckauf oder Montagmorgen-Gefühl, Bindungsangst oder fehlender Sinn für Humor – auch hierbei schafft es Abhilfe.
Und es unterscheidet sich noch in anderer Hinsicht von einem herkömmlichen Gesundheitsratgeber: Unsere Heilmittel bekommt man nicht in der Apotheke, sondern in einem Buchladen und in der Bücherei (oder als E-Book, wenn Sie mögen). Wir sind Autorinnen und Bibliotherapeutinnen, und unser Arbeitsmittel sind Bücher. In unserem Medizinschrank stehen Balzac und Tolstoj, Saramago, Perec und Proust. Wir haben die Literatur der letzten zweitausend Jahre nach den brillantesten Köpfen und den heilsamsten Lektüren durchforstet, von Apuleius, dem Autor des Goldenen Esels aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., bis zu den zeitgenössischen Elixieren einer Ali Smith und eines Jonathan Franzen.
Bibliotherapie mittels Ratgeber- und Selbsthilfeliteratur kennt man seit einigen Jahrzehnten. Doch Literaturliebhaber greifen schon seit Jahrhunderten – bewusst oder unbewusst – zur Linderung aller möglichen Leiden zu Romanen. Wenn Sie also wieder einmal ein Stärkungsmittel brauchen oder sich in einem emotionalen Durcheinander befinden, greifen Sie zu einem Buch. Unser Glaube an die Heilkraft der Literatur als die reinste und wirkungsvollste Form der Bibliotherapie gründet sowohl auf unseren eigenen Erfahrungen mit Patienten als auch auf einer ganzen Lawine anekdotischer Beweise. Manchmal ist es die Geschichte selbst, manchmal der Rhythmus der Sprache, die uns Leser verzaubern und dabei ihre Wirkung auf unsere Seelen entfalten, sei sie nun beruhigend oder stimulierend. Manchmal ist es eine Idee oder die Einstellung einer der Figuren, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie wir selbst. Egal was es ist – Bücher haben die Macht, uns in eine andere Welt zu entführen und uns einen anderen Blickwinkel zu eröffnen. Wenn wir in einen Roman vertieft sind, außerstande, unseren Blick von den Seiten zu lösen, dann sehen wir, was die Menschen in der Geschichte sehen, wir fühlen, was sie fühlen, lernen, was sie lernen. Wir mögen denken, dass wir im Wohnzimmer auf dem Sofa sitzen, aber der wichtigste Teil von uns, unsere Gedanken, unsere Sinne, unser Geist, sind doch ganz woanders. »Lesen bedeutet für mich nicht nur, eine Vorstellung von dem zu bekommen, was der Autor sagen möchte, sondern mit ihm auf die Reise zu gehen«, hat André Gide einmal gesagt. Niemand kehrt von einer solchen Reise als derselbe Mensch zurück, als der er sie begonnen hat.
Woran auch immer Sie leiden, unsere Kuren sind simpel: Ein Roman (oder zwei), regelmäßig gelesen. Einige Therapien werden vollständige Heilung bringen, andere zumindest Trost spenden und Ihnen zeigen, dass Sie nicht allein sind. Doch alle werden Ihnen für eine Weile Linderung verschaffen, dank der Macht der Literatur, uns von unseren Problemen abzulenken und in eine andere Welt zu entführen. In manchen Fällen ist es am effektivsten, die Medizin als Hörbuch einzunehmen oder gemeinsam mit einem Freund laut zu lesen. Wie alle Heilmittel sollten auch unsere literarischen vollständig eingenommen werden, um die beste Wirkung zu erzielen. Neben den angesprochenen Kuren bieten wir auch Abhilfe bei den unterschiedlichsten Leseleiden – zum Beispiel, wenn Sie keine Zeit haben zu lesen oder wissen möchten, was man lesen sollte, wenn man aus einem Alptraum erwacht und nicht wieder einschlafen kann –, sowie eine Liste der jeweils zehn besten Bücher für jedes Lebensjahrzent eines Erwachsenen.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit unseren belletristischen Pflästerchen und Umschlägen. Sie werden Sie gesünder und klüger machen – und zu einem besseren Freund. Ein Leben ohne Bücher ist ein Leben ohne die bereichernden Erfahrungen all jener, die diesen Weg vor uns beschritten haben.
In Büchern stößt man seine Krankheiten ab –
wiederholt Gemütsbewegungen,
sie aufs neue darstellend, um sie zu meistern.
D. H. Lawrence