The Cover Image
 

 

»Mit Geschichten geht es wie mit vielen Menschen, sie werden mit zunehmendem Alter schöner und schöner!« Hans Christian Andersen

 

Die kleine Seejungfrau, Das häßliche Entlein, Die Prinzessin auf der Erbse … Seit über zwei Jahrhunderten entführt Hans Christian Andersen Generationen von Lesern in eine magische Welt der Märchen und Wunder, verzaubert und berührt mit seinen Geschichten Jung und Alt. Neben Tierfabeln und Motiven des klassischen Kinder- und Volksmärchens stehen bei Andersen Geschichten, in denen er private Erlebnisse verarbeitet; Eindrücke seiner zahlreichen Reisen durch ganz Europa fließen in seine Märchen ebenso ein wie historische und zeitgenössische Ereignisse. Bis heute gehören sie zum Märchenschatz der Weltliteratur.

 Der vorliegende Band versammelt die schönsten Märchen Hans Christian Andersens.

 

Hans Christian Andersen, am 2. April 1805 in Odense/Dänemark als Sohn eines Schuhmachers geboren, begann schon früh zu schreiben. Seine Werke, neben Gedichten auch Romane, wurden ab 1831 in Deutschland veröffentlicht. Weltbekannt wurde er aber durch seine Märchen. Er starb am 4. August 1875 in Kopenhagen.

 

 

Hans Christian Andersen

Die schönsten Märchen

Aus dem Dänischen von

Mathilde Mann

Ausgewählt und mit einem Nachwort

versehen von Ulrich Sonnenberg

Insel Verlag

 

 

Umschlagabbildung: Rotraut Susanne Berner

 

 

eBook Insel Verlag Berlin 2012

© Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 2000

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das

des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systeme

verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Hinweise zu dieser Ausgabe am Schluß des Bandes

Umschlaggestaltung: bürosüd, München

Satz: Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

 

eISBN 978-3-458-77580-5

www.insel-verlag.de

Inhalt

Das Feuerzeug

Der kleine Klaus und der große Klaus

Die Prinzessin auf der Erbse

Däumelinchen

Die kleine Seejungfrau

Des Kaisers neue Kleider

Der standhafte Zinnsoldat

Die wilden Schwäne

Der fliegende Koffer

Der Schweinehirt

Die Nachtigall

Das hässliche Entlein

Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzchen

Der Schatten

Der Halskragen

Der Wichtel beim Speckhöker

Tölpel-Hans

Eine alte Geschichte wieder erzählt

In der Kinderstube

Die große Seeschlange

Der Gärtner und die Herrschaft

Tante Zahnweh

 

Nachbemerkung

Nachweise

Zu dieser Ausgabe

Das Feuerzeug

Ein Soldat kam die Landstraße dahermarschiert: Eins, zwei! Eins, zwei! Er hatte seinen Tornister auf dem Rücken und einen Säbel an der Seite, denn er war im Krieg gewesen, und nun wollte er nach Hause. Da begegnete ihm eine alte Hexe auf der Landstraße; sie sah ganz abscheulich aus, ihre Unterlippe hing ihr bis auf die Brust herab. Sie sagte: »Guten Abend, Soldat! Was für einen schönen Säbel und was für einen großen Tornister du hast! Du bist ein richtiger Soldat! Jetzt sollst du so viel Geld bekommen, wie du nur haben willst!«

»Vielen Dank, du alte Hexe!«, sagte der Soldat.

»Kannst du den großen Baum sehen?«, fragte die Hexe und zeigte auf den Baum, der neben ihnen stand. »Der ist inwendig ganz hohl! Du musst in seinen Gipfel hinaufklettern, dann wirst du ein Loch sehen, durch das du dich hinablassen und tief in den Baum hineinkommen kannst! Ich will dir einen Strick um den Leib binden, damit ich dich wieder heraufziehen kann, wenn du mich rufst.«

»Was soll ich denn da unten im Baum?«, fragte der Soldat.

»Geld holen!«, sagte die Hexe. »Ich will dir nämlich sagen, wenn du auf den Boden des Baumes hinabkommst, dann bist du in einem großen Gange; da ist es ganz hell, denn da brennen über hundert Lampen. Dann siehst du drei Türen, du kannst sie aufmachen, der Schlüssel steckt darin. Wenn du in die erste Kammer gehst, so siehst du mitten auf dem Fußboden eine große Kiste, oben darauf sitzt ein Hund, der hat ein Paar Augen so groß wie ein Paar Teetassen, aber daran musst du dich nicht kehren! Ich gebe dir meine blau karierte Schürze mit, die kannst du auf den Fußboden ausbreiten; dann gehe schnell hin und nimm den Hund, setze ihn auf meine Schürze, mache die Kiste auf und nimm so viel Geldstücke wie du willst. Sie sind alle von Kupfer; doch willst du lieber Silber haben, so musst du in das nächste Zimmer gehen; da sitzt ein Hund, der hat ein Paar Augen so groß wie Mühlräder; aber daran musst du dich nicht kehren, setze ihn auf meine Schürze und nimm von dem Geld! Willst du aber Gold haben, so kannst du das auch bekommen, und zwar so viel, wie dir zu tragen möglich ist, wenn du in die dritte Kammer hineingehst. Aber der Hund, der hier auf der Geldkiste sitzt, hat zwei Augen, jedes so groß wie der ›Runde Turm‹. Das ist ein richtiger Hund, das kannst du mir glauben! Aber daran musst du dich nicht kehren! Setze ihn nur auf meine Schürze, dann tut er dir nichts, und nimm dir so viel Geld aus der Kiste, wie du willst!«

»Das ist ja gar nicht so übel!«, sagte der Soldat. »Aber was soll ich dir geben, du alte Hexe? Denn etwas willst du doch auch wohl haben, vermute ich!«

»Nein«, sagte die Hexe, »nicht einen einzigen Schilling will ich haben! Du sollst mir nur ein altes Feuerzeug mitbringen, das meine Großmutter vergessen hat, als sie das letzte Mal da unten war.«

»Na, dann binde mir nur den Strick um den Leib!«, sagte der Soldat.

»Hier ist er!«, sagte die Hexe. »Und hier ist meine blau karierte Schürze.«

Und dann kroch der Soldat in den Baum hinauf, ließ sich durch das Loch hinunterfallen und stand nun, wie die Hexe gesagt hatte, unten in dem großen Gang, wo die vielen hundert Lampen brannten.

Nun machte er die erste Tür auf. Hu! Da saß der Hund mit den Augen so groß wie Teetassen und glotzte ihn an.

»Du bist mir ein netter Gesell!«, sagte der Soldat, setzte ihn auf die Schürze der Hexe und nahm so viel Kupfermünzen, wie er nur in seiner Tasche bergen konnte, schloss dann die Kiste, setzte den Hund wieder hinauf und ging in das andere Zimmer. Potzblitz! Da saß der Hund mit den Augen so groß wie Mühlräder.

»Du solltest mich nicht so scharf ansehen!«, sagte der Soldat. »Du könntest Augenschmerzen davon bekommen!« Und dann setzte er den Hund auf die Schürze der Hexe; aber als er das viele Silbergeld in der Kiste sah, warf er all das Kupfergeld, das er hatte, weg und füllte die Tasche und seinen Tornister mit lauter Silber. Dann ging er in die dritte Kammer hinein! – Nein, das war ekelhaft! Der Hund da drinnen hatte wirklich zwei Augen so groß wie der »Runde Turm«, und die liefen ihm im Kopf herum wie Räder.

»Guten Abend!«, sagte der Soldat und griff an die Mütze, denn einen solchen Hund hatte er noch nie gesehen; als er ihn ein wenig genauer betrachtet hatte, dachte er, nun ist es gut, hob ihn auf den Fußboden herunter und machte die Kiste auf. Großer Gott, was war da für Gold! Dafür konnte er ganz Kopenhagen und die Zuckerferkel der Kuchenfrauen, alle Zinnsoldaten, Peitschen und Schaukelpferde in der ganzen Welt kaufen. Ja wahrhaftig, das war Geld! – Nun warf der Soldat all das Silbergeld, womit er seine Taschen und seinen Tornister gefüllt hatte, weg und nahm stattdessen Gold, ja, alle Taschen, der Tornister, die Mütze und die Stiefel wurden gefüllt, sodass er kaum gehen konnte. Nun hatte er Geld! Den Hund setzte er auf die Kiste, schlug die Tür zu und rief dann durch den Baum hinauf:

»Zieh mich jetzt hinauf, du alte Hexe!«

»Hast du auch das Feuerzeug?«, fragte die Hexe.

»Das ist ja wahr!«, sagte der Soldat. »Das hatte ich ganz vergessen!«. Und dann ging er hin und holte es. Die Hexe zog ihn hinauf, und dann stand er wieder auf der Landstraße, die Taschen, Stiefel, den Tornister und die Mütze voll Geld.

»Was willst du nun mit dem Feuerzeug?«, fragte der Soldat.

»Das geht dich gar nichts an!«, sagte die Hexe. »Nun hast du ja Geld bekommen! Gib mir jetzt nur das Feuerzeug!«

»Unsinn!«, sagte der Soldat. »Willst du mir gleich sagen, was du damit willst, sonst ziehe ich meinen Säbel und haue dir den Kopf ab!«

»Nein!«, sagte die Hexe.

Dann hieb ihr der Soldat den Kopf ab. Da lag sie! Aber er band all sein Geld in ihre Schürze, nahm die wie ein Bündel auf den Rücken, steckte das Feuerzeug in die Tasche und ging geradewegs nach der Stadt.

Es war eine wunderschöne Stadt, und in dem allerschönsten Wirtshaus kehrte er ein, ließ sich die allerbesten Zimmer und seine Lieblingsspeisen geben, denn nun war er reich, da er so viel Geld hatte.

Der Diener, der seine Stiefel putzen sollte, fand ja freilich, dass es wunderlich alte Stiefel für einen so reichen Herrn wären; aber er hatte sich ja noch keine neuen gekauft; am nächsten Tage bekam er ordentliche Stiefel und schöne Kleider. Nun war der Soldat ein vornehmer Herr geworden, und die Leute erzählten ihm von all der Pracht, die in ihrer Stadt war, und von ihrem König, und was für eine reizende Prinzessin seine Tochter sei.

»Wo kann man die zu sehen bekommen?«, fragte der Soldat.

»Die kann man gar nicht zu sehen bekommen!«, sagten alle. »Sie wohnt in einem großen Kupferschloss mit vielen Mauern und Türmen ringsumher! Niemand außer dem König darf bei ihr aus und ein gehen, denn ihr ist prophezeit, dass sie einen ganz gemeinen Soldaten heiraten würde, und das kann der König nicht leiden!«

»Die möchte ich wohl sehen!«, dachte der Soldat, aber dazu konnte er ja keine Erlaubnis bekommen.

Jetzt lebte er lustig und in Freuden, ging in die Komödie, fuhr im Königsgarten und gab den Armen viel Geld, und das war hübsch von ihm; er wusste ja aus alten Zeiten, wie schlimm es ist, keinen Schilling zu besitzen! – Er war jetzt reich, hatte schöne Kleider und bekam daher viele Freunde, die alle sagten, dass er ein prächtiger Mensch und ein echter Kavalier sei, und das mochte der Soldat gern hören! Aber da er jeden Tag Geld ausgab und keins wieder einnahm, so hatte er schließlich nur noch zwei Schillinge übrig und musste aus den schönen Zimmern ausziehen, in denen er gewohnt hatte, und in einer winzig kleinen Kammer ganz unter dem Dach hausen, selbst seine Stiefel putzen und sie mit einer Stopfnadel zusammennähen, und keiner von seinen Freunden kam zu ihm, denn es waren gar zu viele Treppen hinaufzusteigen.

Es war ganz dunkler Abend, und er konnte sich nicht einmal ein Licht kaufen, aber da fiel ihm ein, dass ein kleiner Stummel in dem Feuerzeug lag, das er aus dem hohlen Baume, in den ihm die Hexe hinabgeholfen, mitgebracht hatte. Er holte das Feuerzeug und den Lichtstummel heraus, aber in demselben Augenblick, als er Feuer schlug und die Funken aus dem Feuerstein sprühten, sprang die Tür auf, und der Hund mit den Augen so groß wie ein Paar Teetassen, den er unten unter dem Baum gesehen hatte, stand vor ihm und sagte: »Was befiehlt mein Herr?«

»Na nu!«, sagte der Soldat, »das ist ja ein drolliges Feuerzeug. Kann ich denn bekommen, was ich will? Schaff mir etwas Geld!«, sagte er zu dem Hund, und wupp war der Hund weg, und wupp war er wieder da und hielt einen großen Beutel voll Schillinge in seinem Maul.

Nun wusste der Soldat, was für ein prächtiges Feuerzeug das war! Schlug er einmal, so kam der Hund, der auf der Kiste mit dem Kupfergeld saß; schlug er zweimal, so kam der, der das Silbergeld hatte; und schlug er dreimal, so kam der, der das Gold hatte. – Nun zog der Soldat wieder in die schönen Zimmer hinunter und trug wieder schöne Kleider, und da erkannten ihn gleich all seine Freunde wieder, und sie hielten alle große Stücke auf ihn.

Da dachte er einmal: Es ist doch ganz sonderbar, dass man die Prinzessin nicht zu sehen bekommen kann! Sie soll so schön sein, sagen sie alle! Aber was kann das nützen, wenn sie immer in dem großen Kupferschloss mit den vielen Türmen sitzen muss. – Kann ich sie denn gar nicht zu sehen bekommen? – Wo ist denn mein Feuerzeug? Und dann machte er Feuer, und wupp kam der Hund mit Augen so groß wie Teetassen.

»Es ist ja freilich mitten in der Nacht«, sagte der Soldat, »aber ich möchte doch so schrecklich gern die Prinzessin sehen, nur einen kleinen Augenblick!«

Der Hund war gleich zur Tür hinaus, und ehe der Soldat sichs versah, kam er mit der Prinzessin zurück, sie saß auf dem Rücken des Hundes und schlief und war so schön, dass jeder sehen konnte, dass es eine wirkliche Prinzessin war.

Der Soldat konnte es nicht lassen, er musste sie küssen, denn er war ein richtiger Soldat.

Der Hund lief dann mit der Prinzessin zurück, aber als es Morgen wurde und der König und die Königin beim Tee saßen, sagte die Prinzessin, sie habe über Nacht einen so sonderbaren Traum geträumt von einem Hund und einem Soldaten. Sie habe auf dem Hund geritten, und der Soldat habe sie geküsst.

»Das ist ja eine nette Geschichte!«, sagte die Königin.

Nun sollte in der nächsten Nacht eine von den alten Hofdamen am Bett der Prinzessin wachen, um zu sehen, ob es ein wirklicher Traum wäre oder was es sonst sein möchte.

Der Soldat sehnte sich so schrecklich danach, die schöne Prinzessin wieder zu sehen, und so kam denn der Hund in der Nacht, nahm sie und lief, was er laufen konnte, aber die alte Hofdame zog wasserfeste Stiefel an und lief ebenso schnell hinterher; als sie nun sah, dass sie in einem großen Haus verschwanden, dachte sie: »Jetzt weiß ich, wo es ist«, und machte mit einem Stück Kreide ein großes Kreuz an die Haustür. Dann ging sie nach Hause und legte sich schlafen, und der Hund kam auch mit der Prinzessin zurück; aber als er sah, dass ein Kreuz an die Tür des Hauses gemacht war, in dem der Soldat wohnte, nahm er auch ein Stück Kreide und machte Kreuze an alle Haustüren in der ganzen Stadt, und das war sehr klug von ihm, denn nun konnte ja die Hofdame die richtige Tür nicht finden, da Kreuze an ihnen allen waren.

Früh am Morgen kamen der König und die Königin und die alte Hofdame und alle Offiziere, um zu sehen, wo die Prinzessin gewesen war.

»Da ist es!«, sagte der König, als er die erste Haustür mit einem Kreuz darauf erblickte.

»Nein, es ist da, mein Herzensmann!«, sagte die Königin, als sie die zweite Tür mit einem Kreuz sah.

»Aber da ist eins und da noch eins!«, sagten sie alle zusammen; wohin sie sahen, waren Kreuze an den Türen. Da konnten sie denn sehen, dass ihnen alles Suchen nichts helfen würde.

Aber die Königin war eine sehr kluge Frau, die mehr konnte als in einer Kutsche fahren. Sie nahm ihre große, goldene Schere, schnitt ein großes Stück Seidenzeug in Stücke und nähte dann einen allerliebsten kleinen Beutel; den füllte sie mit ganz feiner Buchweizengrütze, band ihn der Prinzessin auf den Rücken, und als das geschehen war, schnitt sie ein kleines Loch in den Beutel, sodass die Grütze auf dem ganzen Wege, den die Prinzessin zurücklegte, heraussickern konnte.

In der Nacht kam nun der Hund wieder, nahm die Prinzessin auf seinen Rücken und lief mit ihr zu dem Soldaten hin, der sie so lieb hatte und so gern ein Prinz gewesen wäre, um sie zur Frau zu bekommen.

Der Hund merkte es gar nicht, wie die Grütze heraussickerte von dem Schloss bis zu dem Fenster des Soldaten, wo er mit der Prinzessin an der Mauer in die Höhe lief. Am Morgen sahen dann der König und die Königin, wo ihre Tochter gewesen war, und da nahmen sie den Soldaten mit und setzten ihn in das Gefängnis.

Da saß er nun. Hu, wie dunkel und langweilig es da war; und dann sagten sie zu ihm: »Morgen sollst du gehängt werden!« Das war nicht erfreulich zu hören, und sein Feuerzeug hatte er im Wirtshaus liegen lassen. Am Morgen konnte er durch das Eisengitter vor dem kleinen Fenster sehen, wie sich die Leute beeilten, aus der Stadt zu kommen, um ihn hängen zu sehen. Er hörte die Trommeln und sah die Soldaten marschieren. Alle Menschen liefen hinaus; darunter war auch ein Schusterjunge mit Schurzfell und Pantoffeln, der lief so im Galopp, dass sein einer Pantoffel abflog und gerade gegen die Mauer, wo der Soldat saß und zwischen den eisernen Stangen hindurchguckte.

»Heda, du Schusterjunge! Du brauchst dich gar nicht so zu beeilen«, sagte der Soldat zu ihm, »es wird doch nichts daraus, ehe ich komme; aber willst du nicht hinlaufen, wo ich gewohnt habe, und mir mein Feuerzeug holen? Dann sollst du vier Schillinge haben! Aber du musst die Beine in die Hand nehmen!« Der Schusterjunge wollte gern die vier Schillinge haben und rannte davon, um das Feuerzeug zu holen, gab es dem Soldaten, und – ja, nun werden wir ja hören!

Draußen vor der Stadt war ein großer Galgen aufgemauert, ringsumher standen Soldaten und viele hunderttausend Menschen. Der König und die Königin saßen auf einem wunderschönen Thron, den Richtern und dem ganzen Rat gerade gegenüber.

Der Soldat stand schon auf der Leiter, aber als sie den Strick um seinen Hals schlingen wollten, sagte er, dass man einem Sünder, ehe er seine Strafe verbüße, ja immer die Erfüllung eines unschuldigen Wunsches gewähre. Er möchte so gern eine Pfeife Tabak rauchen, es sei ja die letzte Pfeife in dieser Welt.

Dazu wollte der König denn auch nicht nein sagen, und da nahm der Soldat sein Feuerzeug und schlug Feuer. Eins, zwei, drei! Und da standen alle Hunde, der mit Augen so groß wie Teetassen, der mit Augen wie Mühlenräder und der, der Augen so groß wie der »Runde Turm« hatte.

»Helft mir nun, dass ich nicht gehängt werde!«, sagte der Soldat; und da fuhren die Hunde auf die Richter und den ganzen Rat los, nahmen den einen bei den Beinen, den andern bei der Nase und warfen sie viele Klafter hoch in die Luft, sodass sie niederfielen und in lauter Stücke zerschlugen.

»Ich will nicht!«, sagte der König, aber der größte Hund nahm ihn und auch die Königin und warf sie beide hinter allen den andern drein. Da erschraken die Soldaten, und alle Leute riefen: »Kleiner Soldat, du sollst unser König sein und die schöne Prinzessin haben!«

Dann setzten sie den Soldaten in die Kutsche des Königs, und alle drei Hunde tanzten vor ihm her und riefen »Hurra!«. Und die Knaben pfiffen auf den Fingern, und die Soldaten präsentierten das Gewehr. Die Prinzessin kam aus dem Kupferschloss heraus und wurde Königin, und das gefiel ihr sehr! Die Hochzeit währte acht Tage, und die Hunde saßen mit bei Tisch und machten große Augen.