Die Liebesgedichte des großen persischen Dichters Hafis (1319-ca. 1389) gehören zu den schönsten der Weltliteratur; sie waren Goethe Vorbild für seinen West-östlichen Divan. Hafis’ Verse sind vielschichtig, voller Anmut und Lebendigkeit. Sie besingen die Schönheit der Natur, die Liebe zu Frauen und Knaben, zu Wein, Gesang und Tanz und vereinen das Profane und das Heilige, Sinnlichkeit und Geist, irdische und himmlische Liebe. Die einfühlsamen Übersetzungen von Cyrus Atabay eröffnen die Vielfalt dieser Welt und bringen diesen großen Klassiker dem heutigen Leser nahe.
Liebesgedichte
Ausgewählt und übertragen
von Cyrus Atabay
Insel Verlag
Erstveröffentlichung: Insel Verlag Frankfurt am Main 1980
(Insel-Bücherei 1009)
Umschlagabbildung: Privatsammlung/Dinodia/
The Bridgeman Art Library
eBook Insel Verlag Berlin 2012
© Insel Verlag Frankfurt am Main 1980
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Umschlag: Michael Hagemann
eISBN 978-3-458-73045-3
www.insel-verlag.de
Inhalt
Saghi, schenk ein den Wein
Zwei kluge Freunde
Ich sag’ es offen
Mein waches Glück trat in der Frühe
Dem Geliebten bin ich entgegengegangen
Ich lasse nicht ab
Deinen trunkenen Augen
Engel sah ich gestern nacht im Traum
Ich sah die grüne Saat des Himmels
Lange Jahre sucht’ mein Herz
Wann erreicht mich die Nachricht
Die Pfaffen, die vor Kanzel und Altar
O wilde Gazelle
Wie vereinbart sich
In der Morgenfrühe sprach die Nachtigall
Im Uranfang sprach deiner Schönheit Strahl
Meines Körpers Staub verhüllt als Schleier
Komm, denn das Wunschgebäude ist zerbrechlich
Wenn du das Wort vernimmst
Schlaftrunken ging ich gestern nacht
Die Ernte in der Werkstatt des Daseins
Ja, wir sind von Kummer frei und trunken
Ich sehe Gottes Licht
Der verschollene Joseph
Du bist wie der Morgen
Uns genügt das Blumenantlitz
Trunkenheit und verborgene Lust
Eine Nachtigall gewann
Frohe Nachricht
Erblüht ist die Rose
Ich bin bekannt in der ganzen Stadt
Ich bange, daß die Tränen
Was ist’s, das Fülle spendet?
In der Absicht, zu bereuen
Wenn aus dem Becher des Ostens
Die Liebe zu den Schwarzäugigen
Was könnt’ uns mehr erfreuen
Wer wäre ich
Immerfort bin ich trunken vom Hauch
Gestern nacht kamst du
Es ist Morgen und Tau fällt
Mit gelöstem Haar
Ich sagte: ratlos bin ich deinethalben
Nachwort
Anmerkungen
Saghi, schenk ein den Wein
und laß den Becher kreisen!
Im Anfang schien die Liebe leicht,
die dann zum Rätsel ward.
Wann bringt der Wind
den Moschushauch von deinem Haar?
Von deinen Locken wurden alle Herzen wund.
Wie fänd ich Frieden doch in deinem Haus,
da ruft die Karawanenglocke schon zum Weiterzug!
Färb den Gebetstepppich mit Wein, wie es der Weise sagt,
dann wirst du, Pilger, auch vom Sinn des Weges
dein Teil erfahren.
Was wissen denn die Leichtbebürdeten am Strand von uns,
die Nacht und Wogensturm umgibt …
Durch meinen Eigensinn erwarb ich mir
den schlechten Namen.
Wie kann Geheimnis auch verborgen bleiben,
das bei Zusammenkünften verhandelt wird!
Hafis, erhalt dir des Geliebten Gegenwart,
entsage dieser Welt, wenn du gefunden, den du liebst!
Zwei kluge Freunde, alten Weines zwei, drei Scheffel,
Beschaulichkeit, ein Buch, ein kleines Wiesenstück:
ich gebe solchen Platz nicht her für diese und jene Welt,
auch wenn das Volk mir nachläuft jeden Augenblick!
Ein jeder, der den Winkel der Genügsamkeit
gegen den Prunk der Welt vertauscht,
hat Joseph von Ägypten für ein Nichts verkauft.
Komm, denn der Glanz des Weltgebäudes nimmt nicht ab,
weder durch deine Frömmigkeit, noch durch mein Laster!
Im Auf und Ab der Zeit ist nicht zu sehen,
ob hier Narzissen auf der Wiese blühten, ob Jasmin.
Sieh in des Bechers Spiegel die verworrenen Muster,
denn keiner kann sich solcher Zeit erinnern!
Man staunt, daß noch die Rose leuchtet, Blumenduft verblieb
in diesem Wüstenwind, der über den Garten strich.
Sei du geduldig, Herz, denn Gott wird es nicht dulden,
daß Salomonis Ring der Dämon trägt!
Hafis, das Weltgebäude kam ins Schwanken in dieser Not.
Wo ist des Weisen Denken, des Brahmanen Weg?
Ich sag’ es offen, und ich sag’ es freudig:
»Leibeigener der Liebe bin ich und
von dieser und von jener Welt befreit!«
Ich bin ein Vogel aus dem heiligen Garten,
wie soll ich meine Trennung schildern,
als ich in diese arge Schlinge fiel?
Ich war ein Engel und mein Platz
im höchsten Paradies. Durch Adam
kam ich in dies verfallene Kloster.
Zärtliche Huris, Tubaschatten und der Himmelsborn
entschwanden deinetwillen aus meinem Sinn,
und auf der Tafel meines Herzens
steht nur das Alef deiner einzigen Gestalt.
Was soll ich tun? Kein anderer Buchstab
wurde mir von meinem Meister doch gelehrt.
Kein Astrologe fand noch meinen Schicksalsstern.
O Gott, zu welchem Los hat
mich Mutter Welt geboren?
Seit mit dem Ohrring der Sklavenschaft
ich in der Liebe Weinhaus diene,
kommt jeden Augenblick ein neues Leid,
mir seinen Glückwunsch darzubringen.
Es pressen deine Blicke mir das Herzblut aus,
und der Tribut ist billig:
Was mußte ich mich auch an dich verlieren,
der aller Welt gehört, doch nur nicht mir!
Trockne mit deinen Locken
die Tränen von meinem Gesicht,
sonst reißt der stete Sturzbach noch