Das Buch
Für Fähnrich Andy Dahl geht mit seinem Dienstantritt auf der Intrepid, dem Flaggschiff der Universal Union, ein Traum in Erfüllung. Ein Traum allerdings, aus dem es schon bald ein böses Erwachen gibt – denn irgendetwas an Bord scheint nicht in Ordnung zu sein. So stellt er fest, dass die Sterblichkeitsrate bei Außeneinsätzen immer dann in die Höhe schnellt, wenn ein leitender Schiffsoffizier mit dabei ist. Und jedesmal, wenn einer der Offiziere auftaucht, scheinen die Besatzungsmitglieder irgendetwas anderes Wichtiges zu tun zu haben. Zusammen mit drei weiteren Fähnrichen versucht Dahl, hinter das dunkle Geheimnis zu kommen – und geht dorthin, wohin noch kein Mensch zuvor gegangen ist: in die Wartungsschächte des Schiffes. Auf der Suche nach Antworten stürzen sich Dahl und seine Kameraden in ein Abenteuer, das buchstäblich die Grenzen ihrer Galaxis sprengt …
Der Autor
John Scalzi, Jahrgang 1969, wuchs in Kalifornien auf. Nach dem College arbeitete er zunächst als Filmkritiker und später als Redakteur des Internet-Magazins America Online. Bereits sein Debütroman Krieg der Klone war so erfolgreich, dass John Scalzi sich von da an hauptberuflich dem Schreiben seiner Science-Fiction-Romane widmete. Darüber hinaus war er als Berater für die TV-Serie Stargate Universe tätig, und nebenbei unterhält er schon seit Jahren seinen vielbesuchten Blog Whatever. Mit seiner Frau und seiner Tochter lebt der Autor in Ohio.
Mehr über John Scalzi und sein Werk auf: whatever.scalzi.com
Von John Scalzi sind bei Heyne folgende Romane lieferbar:
Krieg der Klone, Geisterbrigaden, Die letzte Kolonie, Androidenträume, Agent der Sterne, Zwischen den Sternen und Metatropolis.
www.twitter.com/HeyneFantasySF
@HeyneFantasySF
www.heyne-magische-bestseller.de
JOHN SCALZI
Roman
Deutsche Erstausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Titel der amerikanischen Originalausgabe
REDSHIRTS
Deutsche Übersetzung von Bernhard Kempen
Deutsche Erstausgabe 12/2012
Redaktion: Ralf Dürr
Copyright © 2012 by John Scalzi
Copyright © 2012 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München,
unter Verwendung eines Bildes von © Peter Lutjen / Getty Images
Satz: C. Schaber Datentechnik, Wels
ISBN: 978-3-641-09555-0
Redshirts ist folgenden Personen gewidmet:
Wil Wheaton, den ich mit aller Herzlichkeit beherze, die ein Herz beherzen kann,
Mykal Burns, meinem Freund seit den TRS-80-Tagen an der öffentlichen Bibliothek von Glendora,
sowie Joe Mallozzi und Brad Wright, die mich ins All mitnahmen.
Prolog
Fähnrich Tom Davis hockte auf einem großen Felsblock und blickte quer durch die weitläufige Höhle zu Captain Lucius Abernathy, Wissenschaftsoffizier Q’eeng und Chefingenieur Paul West, die auf einem zweiten, noch größeren Felsblock saßen, und dachte: Das ist echt scheiße.
»Borgovianische Landwürmer!«, sagte Captain Abernathy und schlug mit der offenen Handfläche auf den Felsen. »Ich hätte es wissen müssen!«
Du hättest es wissen müssen? Wie zum Henker hättest du es nicht wissen können?, dachte Fähnrich Davis und blickte auf den weitläufigen Erdboden der Höhle. Die pulverartige Oberfläche erzitterte sich hier und da in schemenhaften Wellen, die auf die Bewegungen der riesigen fleischfressenden Würmer hindeuteten.
»Ich finde, wir sollten da nicht einfach hineinspazieren«, hatte Davis zu Chen gesagt, dem zweiten Besatzungsmitglied des Außenteams, als sie auf die Höhle gestoßen waren. Doch Abernathy, Q’eeng und West waren bereits eingetreten, obwohl Davis und Chen ihr Sicherheitskommando waren.
Chen, der noch neu war, hatte nur geschnauft. »Ach, komm schon«, sagte er. »Es ist doch nur eine Höhle. Was soll es da drinnen schon geben?«
»Bären?«, hatte Davis gesagt. »Wölfe? Irgendwelche anderen Raubtiere, die eine Höhle als willkommenen Schutz vor den Elementen betrachten? Warst du noch nie campen?«
»Es gibt keine Bären auf diesem Planeten«, hatte Chen erwidert und hartnäckig Davis’ Argument ignoriert. »Außerdem haben wir Pulswaffen. Nun komm schon. Dies ist meine erste Außenmission. Ich möchte nicht, dass sich der Captain wundert, wo ich abgeblieben bin.« Dann war er den Offizieren hinterhergelaufen.
Von seinem Felsblock blickte Davis auf den blutigen Schmierfleck im Höhlenboden, der von Chen übrig geblieben war. Die Landwürmer waren von den Geräuschen der Menschen in der Höhle angelockt worden und hatten sich zu ihm vorgegraben, um ihn dann hinunterzuziehen, bis nur noch seine hallenden Schreie und der Schmierfleck von seiner Anwesenheit gezeugt hatten.
Obwohl das nicht ganz stimmt, dachte Davis und starrte ein Stück tiefer in die Höhle, wo die Hand lag, die immer noch die Pulswaffe hielt und die Chen rein gar nichts genützt hatte, wie sich herausstellte.
Der Boden bewegte sich, dann war die Hand mit einem Mal verschwunden.
Na gut, jetzt stimmt es, dachte Davis.
»Davis«, rief Captain Abernathy. »Bleiben Sie, wo Sie sind! Jede Bewegung auf dem Boden würde die Würmer anlocken, die Sie im nächsten Moment fressen würden!«
Danke für diese nutzlose und völlig offensichtliche Information, du Volltrottel, dachte Davis, aber er sagte es nicht, weil er ein Fähnrich und Abernathy der Captain war. Stattdessen sagte er: »Aye, Captain.«
»Gut«, sagte Abernathy. »Ich möchte nicht, dass Sie unbedacht losstürmen und diesen Würmern zum Opfer fallen. Ihr Vater würde es mir nie verzeihen.«
Was?, dachte Davis und erinnerte sich plötzlich daran, dass Captain Abernathy an Bord der Benjamin Franklin unter seinem Vater gedient hatte. Der unglückseligen Benjamin Franklin. Davis’ Vater hatte dem damaligen Fähnrich Abernathy tatsächlich das Leben gerettet, als er den Bewusstlosen in die Fluchtkapsel geworfen hatte, bevor er selbst hineingesprungen war und die Kapsel gestartet hatte, als die Franklin genau in diesem Moment auf spektakuläre Weise um sie herum explodierte. Drei Tage lang waren sie im All getrieben und hatten fast den letzten Rest ihrer Atemluft verbraucht, als sie endlich gerettet wurden.
Davis schüttelte den Kopf. Es war sehr merkwürdig, dass jetzt all diese Einzelheiten über Abernathy in seinem Kopf auftauchten, vor allem in Anbetracht der Umstände.
Wie aufs Stichwort sagte Abernathy: »Ihr Vater hat mir einmal das Leben gerettet, müssen Sie wissen.«
»Ich weiß …«, begann Davis und wäre dann fast von seinem Felsblock gestürzt, als die Landwürmer sich unvermittelt dagegenwarfen und ihn wanken ließen.
»Davis!«, rief Abernathy.
Davis kauerte sich nieder und drückte sich an den Felsblock, um einen möglichst guten Halt zu haben. Er blickte zu Abernathy hinüber, der sich nun mit Q’eeng und West beriet. Ohne sie hören zu können, wusste Davis, dass sie sich ins Gedächtnis riefen, was sie über borgovianische Landwürmer wussten, und einen Plan auszuarbeiten versuchten, wie sie die Kreaturen unschädlich machen und ohne Gefahr tiefer in die Höhle vordringen konnten, bis sie die Kammer mit dem uralten Zentralcomputer der Borgovianer erreicht hatten, der ihnen vielleicht einen Hinweis auf das Verschwinden dieses weisen und mysteriösen Volks geben konnte.
Du solltest dich wirklich auf deine aktuelle Situation konzentrieren, dachte ein Teil von Davis’ Gehirn, und er schüttelte erneut den Kopf. Davis konnte dieser Empfehlung nicht widersprechen. Sein Gehirn hatte sich einen komischen Moment ausgesucht, um einen ganzen Schwung irrelevanter Informationen vom Stapel zu lassen, die ihm in seiner derzeitigen Lage nicht weiterhalfen.
Die Würmer rüttelten wieder an seinem Felsblock. Davis hielt sich fest, so gut er konnte, und sah, wie Abernathy, Q’eeng und West sich noch aufgeregter um eine Lösung des Problems bemühten.
Davis kam plötzlich ein Gedanke. Du gehörst zum Sicherheitskommando. Du hast eine Pulswaffe. Du könntest diese Dinger einfach verdampfen lassen.
Davis hätte sich gegen den Kopf geschlagen, wenn die Würmer nicht bereits dasselbe mit dem Felsblock getan hätten. Natürlich! Die Pulswaffe! Er griff an seinen Gürtel, um das Waffenholster zu öffnen. Gleichzeitig fragte sich ein anderer Teil seines Gehirns, warum Captain Abernathy oder einer der anderen es ihm nicht längst befohlen hatte, wenn die Lösung ganz einfach darin bestand, auf die Würmer zu schießen.
Ich scheine heute eine Menge Stimmen im Kopf zu haben, sagte ein dritter Teil von Davis’ Gehirn. Er beachtete diese Stimme nicht weiter und zielte auf eine Welle, die sich durch den Sand auf seinen Felsblock zubewegte.
Abernathys Ruf »Davis! Nein!« erklang in genau dem Moment, als Davis feuerte und einen gepulsten Strahl aus kohärenten, disruptiven Partikeln in den Sand jagte. Aus der Bodenwelle kam ein schrilles Kreischen, gefolgt von peitschenden Bewegungen, gefolgt von einem bedrohlichen Rumpeln. Schließlich brach der Boden der Höhle auf, als Dutzende Würmer gleichzeitig an die Oberfläche kamen.
»Die Pulswaffe ist unwirksam gegen borgovianische Landwürmer!«, hörte Davis die Worte des Wissenschaftsoffiziers Q’eeng inmitten des unbeschreiblichen Lärms der um sich schlagenden Würmer. »Die Frequenz des Pulses treibt sie in den Wahnsinn. Fähnrich Davis hat soeben sämtliche Würmer der Umgebung herbeigerufen!«
Hättest du mir das nicht sagen können, bevor ich geschossen habe?, hätte Davis gern zurückgeschrien. Du hättest schon vorher sagen können: Ach, übrigens sollte man niemals mit einer Pulswaffe auf borgovianische Landwürmer feuern. Schon bei der Einsatzbesprechung im Schiff. Als wir die Landung auf Borgovia geplant haben. Wo es verdammte borgovianische Landwürmer gibt.
Davis schrie es nicht, weil ihm klar war, dass Q’eeng ihn auf gar keinen Fall hören würde. Außerdem war es bereits zu spät. Er hatte gefeuert. Die Würmer waren bereits durchgedreht. Wahrscheinlich würde jetzt jemand sterben.
Höchstwahrscheinlich würde es Fähnrich Davis sein.
Durch das Rumpeln und den aufgewühlten Staub blickte Davis zu Abernathy hinüber, der zu ihm herüberblickte, die Stirn in tiefe Sorgenfalten gelegt. Dann fragte sich Davis, wann Abernathy jemals vor dieser Mission mit ihm gesprochen hatte.
Aber Abernathy musste mit ihm gesprochen haben – schließlich waren er und Davis’ Vater seit der Vernichtung der Franklin enge Freunde geworden. Gute Freunde. Es war sogar wahrscheinlich, dass Abernathy Davis bereits als kleinen Jungen kennengelernt hatte, und vielleicht hatte er sogar seine Verbindungen spielen lassen, um dem Sohn seines Freundes einen begehrten Posten in der Intrepid zu verschaffen, dem Flaggschiff der Universalen Union. Der Captain konnte nicht allzu viel Zeit mit Davis verbracht haben – ein Captain durfte sich keine Günstlingswirtschaft mit den unteren Rängen erlauben –, aber sie hatten sich bestimmt schon einmal unterhalten. Ein paar Worte hier oder da, wenn sich Abernathy vielleicht nach Davis’ Vater erkundigte. Oder auf anderen Außeneinsätzen.
Doch Davis konnte sich an nichts dergleichen erinnern.
Plötzlich hörte das Rumpeln auf. So schnell, wie die Würmer in Raserei verfallen waren, schienen sie sich wieder in den Boden zurückzuziehen. Der Staub legte sich.
»Sie sind fort!«, hörte Davis sich rufen.
»Nein«, erwiderte Abernathy. »Sie sind intelligenter, als Sie glauben.«
»Ich könnte es zum Höhleneingang schaffen!«, hörte Davis sich sagen.
»Bleiben Sie, wo Sie sind, Fähnrich!«, sagte Abernathy. »Das ist ein Befehl!«
Aber Davis war bereits von seinem Felsblock gesprungen und lief auf den Höhleneingang zu. Ein Teil seines Gehirns empörte sich über diese irrationale Handlung, aber dem Rest von Davis war es egal. Ihm war nur klar, dass er sich bewegen musste. Es war wie ein zwanghafter Trieb. Als hätte er keine andere Wahl.
Abernathy schrie »Nein!«, fast in Zeitlupe, und Davis legte die Hälfte der Strecke zurück, die er vor sich hatte. Dann brach der Boden auf, als die Landwürmer im Halbkreis vor Davis aufragten und sich auf ihn stürzten.
Und in dem Moment, als er taumelnd zurückwich und während sein Gesicht große Überraschung zeigte, hatte Fähnrich Davis eine Offenbarung.
Dies war der entscheidende Moment seines Lebens. Der Grund, warum er überhaupt existierte. Alles, was er zuvor getan hatte, alles, was er gewesen war, gesagt oder gewollt hatte, hatte ihn zu genau diesem Moment geführt, in dem er zurückwich, während sich borgovianische Landwürmer durch den Erdboden und die Luft schoben, um ihn zu packen. Dies war sein Schicksal. Seine Bestimmung.
Als er auf die nadelspitzen Zähne starrte, die in den evolutionär sehr suspekten rotierenden Kiefern der Landwürmer aufblitzten, blickte Fähnrich Tom Davis in die Zukunft. Hier ging es eigentlich gar nicht um das mysteriöse Verschwinden der Borgovianer. Wenn dieser Moment vorüber war, würde nie wieder jemand über die Borgovianer sprechen.
Es ging um ihn – oder eher um das, welche Folgen sein bevorstehender Tod für seinen Vater haben würde, der inzwischen ein Admiral war. Oder, noch genauer, darum, welche Auswirkungen sein Tod auf das Verhältnis zwischen Admiral Davis und Captain Abernathy haben würde. Davis sah die Szene vor sich, wie Abernathy dem Admiral mitteilte, dass sein Sohn gestorben war. Er sah, wie sich die Fassungslosigkeit in Wut verwandelte, wie die Freundschaft zwischen den beiden Männern daran zerbrach. Er sah die Szene, wie die Militärpolizei der Universalen Union den Captain verhaftete, nachdem der Admiral eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung fingiert hatte.
Er sah die Gerichtsverhandlung, bei der Wissenschaftsoffizier Q’eeng, der als Abernathys Verteidiger auftrat, den Admiral im Zeugenstand fertigmachte, bis dieser gestand, dass es nur um den Verlust seines Sohnes ging. Davis sah, wie sein Vater mit dramatischer Geste die Hand ausstreckte und den Mann, den er fälschlich angeklagt hatte und verhaften ließ, um Verzeihung bat, und er sah, wie Captain Abernathy sich in einer herzzerreißenden Szene im Gerichtssaal wieder mit ihm versöhnte.
Es war eine wunderbare Geschichte. Ganz großes Drama.
Und alles hing von ihm ab. Von diesem Moment. Von seinem Schicksal. Von Davis’ Bestimmung.
Fähnrich Davis dachte: Scheiß drauf, ich will leben! Und er wich zur Seite aus, um den Landwürmern zu entgehen.
Doch dann stolperte er über einen, und ein anderer Landwurm fraß sein Gesicht, und er starb trotzdem.
Zwischen Q’eeng und West schaute Captain Lucius Abernathy hilflos zu, wie Tom Davis den Landwürmern zum Opfer fiel. Er spürte eine Hand auf seiner Schulter. Es war die Hand von Chefingenieur West.
»Das tut mir leid, Lucius«, sagte er. »Ich weiß, dass er ein Freund von dir war.«
»Mehr als ein Freund«, sagte Abernathy und kämpfte gegen seine Trauer. »Er war auch der Sohn eines Freundes. Ich habe gesehen, wie er aufgewachsen ist, Paul. Ich habe meine Beziehungen spielen lassen, um ihn in die Intrepid zu holen. Seinem Vater habe ich versprochen, dass ich mich um ihn kümmern werde. Und das habe ich getan. Die ganze Zeit habe ich auf ihn aufgepasst. Natürlich ohne in Günstlingswirtschaft zu verfallen. Aber ich habe ihn im Auge behalten.«
»Der Admiral wird schwer erschüttert sein«, sagte Wissenschaftsoffizier Q’eeng. »Fähnrich Davis war das einzige Kind, das der Admiral mit seiner verstorbenen Frau hatte.«
»Ja«, sagte Abernathy. »Es wird hart für ihn sein.«
»Es ist nicht deine Schuld, Lucius«, sagte West. »Du hast ihm nicht gesagt, dass er mit der Pulswaffe feuern soll. Du hast ihm nicht gesagt, dass er zum Höhleneingang laufen soll.«
»Nicht meine Schuld«, stimmte Abernathy zu. »Aber meine Verantwortung.« Er zog sich an den fernsten Punkt des Felsblocks zurück, um allein zu sein.
»Gütiger Himmel!«, sagte West murmelnd zu Q’eeng, als der Captain weit genug weg war, um endlich frei sprechen zu können. »Welcher Idiot kommt nur auf die Idee, mit einer Pulswaffe auf den Boden einer Höhle zu feuern, in der es von Landwürmern wimmelt? Und dann versucht er auch noch, nach draußen zu laufen! Er mag der Sohn eines Admirals gewesen sein, aber er war nicht besonders klug.«
»Das ist in der Tat sehr bedauerlich«, sagte Q’eeng. »Die Gefährlichkeit borgovianischer Landwürmer ist allgemein bekannt. Chen und Davis hätten es besser wissen müssen.«
»Die Qualitätsstandards werden immer schlechter.«
»Das mag sein«, sagte Q’eeng. »Wie auch immer, auf dieser und anderen Missionen der jüngsten Zeit kam es zu beträchtlichen und traurigen Verlusten an Menschenleben. Ob sie nun unseren Qualitätsstandards entsprechen oder nicht – es bleibt die Tatsache, dass wir mehr Besatzungsmitglieder brauchen.«
1
Fähnrich Andrew Dahl blickte durch das Fenster des Orbitaldocks, der Raumstation der Universalen Union über dem Planeten Erde, und starrte auf sein nächstes Raumschiff.
Er starrte auf die Intrepid.
»Wunderschön, nicht wahr?«, sagte eine Stimme.
Dahl drehte sich um und sah eine junge Frau in der Uniform eines Fähnrichs, die ebenfalls auf das Schiff blickte.
»Das ist sie«, stimmte Dahl ihr zu.
»Das Flaggschiff der Universalen Union Intrepid«, sagte die junge Frau. »Erbaut im Jahr 2353 im Marsdock. Flaggschiff der Universalen Union seit 2356. Erster Captain Genevieve Shan. Seit 2462 geführt von Captain Lucius Abernathy.«
»Und Sie sind die Reiseführerin für die Intrepid?«, fragte Dahl lächelnd.
»Sind Sie ein Tourist?«, fragte die junge Frau und lächelte zurück.
»Nein«, sagte Dahl und streckte ihr seine Hand hin. »Andrew Dahl. Ich wurde der Intrepid zugeteilt. Ich warte hier nur auf das 15-Uhr-Shuttle.«
Die junge Frau ergriff seine Hand. »Maia Duvall«, stellte sie sich vor. »Ebenfalls der Intrepid zugeteilt. Auch ich warte auf das 15-Uhr-Shuttle.«
»Was für ein Zufall!«, sagte Dahl.
»Wenn Sie es als Zufall bezeichnen wollen, dass zwei UU-Raumflottenangehörige in einer UU-Raumstation auf ein Shuttle zum UU-Flaggschiff warten, das genau vor dem Fenster des Shuttledocks liegt, dann ist es in der Tat ein Zufall«, sagte Duvall.
»Wenn Sie es so formulieren, zweifellos«, erwiderte Dahl.
»Warum sind Sie so früh hier?«, fragte Duvall. »Es ist erst Mittag. Ich dachte, ich wäre die Erste, die hier auf das Shuttle wartet.«
»Ich bin aufgeregt«, sagte Dahl. »Dies ist mein erster Einsatz.«
Duvall musterte ihn von oben bis unten mit fragendem Blick.
»Ich bin ein paar Jahre später als üblich an die Akademie gekommen«, erklärte er.
»Wie das?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Dahl.
»Wir haben viel Zeit«, sagte Duvall. »Sie könnten mir die Geschichte erzählen, während wir etwas essen.«
»Ähm«, sagte Dahl. »Eigentlich warte ich hier auf jemanden. Einen Freund. Der ebenfalls der Intrepid zugeteilt wurde.«
»Der Restaurantbereich ist gleich hier drüben«, sagte Duvall und zeigte auf die Verkaufsstände auf der anderen Seite der Wartehalle. »Schicken Sie ihm einfach einen Text. Notfalls würden wir ihn von dort sehen. Kommen Sie. Ich spendiere die Drinks.«
»Oh, gut, wenn das so ist«, sagte Dahl. »Man würde mich sofort aus der Raumflotte werfen, wenn ich einen freien Drink ablehnen würde.«
»Sie haben mir eine lange Geschichte versprochen«, sagte Duvall, nachdem sie sich das Essen und die Getränke besorgt hatten.
»Ich habe nie irgendetwas versprochen«, entgegnete Dahl.
»Das war die stillschweigende Voraussetzung«, protestierte Duvall. »Außerdem habe ich Ihnen einen Drink spendiert. Unterhalten Sie mich, Fähnrich Dahl.«
»Na gut«, sagte Dahl. »Ich kam recht spät auf die Akademie, weil ich auf dem theologischen Seminar studiert habe.«
»Okay, das ist einigermaßen interessant«, sagte Duvall.
»In Forshan«, sagte Dahl.
»Okay, das ist ungemein interessant«, sagte Duvall. »Also sind Sie ein Priester der Forshan-Religion? Welches Schisma?«
»Das linksseitige. Und nein, ich bin kein Priester.«
»Probleme mit dem Zölibat?«
»Linksseitige Priester müssen nicht zölibatär leben«, erklärte Dahl, »aber in Anbetracht der Tatsache, dass ich der einzige Mensch auf dem Seminar war, lief es praktisch auf ein Zölibat hinaus.«
»Für manche Leute ist das kein Hinderungsgrund«, gab Duvall zu bedenken.
»Sie haben noch keinen theologischen Forshan-Studenten aus der Nähe gesehen«, sagte Dahl. »Ich stehe nicht auf Xenosex.«
»Vielleicht haben Sie nur noch nicht den richtigen Xeno gefunden«, sagte Duvall.
»Ich ziehe Menschen vor«, sagte Dahl. »Sie dürfen mich als langweilig bezeichnen.«
»Langweilig«, sagte Duvall spöttisch.
»Und Sie haben soeben in Rekordzeit meine persönlichen Präferenzen ausspioniert«, sagte Dahl. »Wenn Sie schon bei jemandem, den Sie gerade erst kennengelernt haben, so rangehen, wage ich mir gar nicht vorzustellen, wie Sie mit Leuten umgehen, die Sie schon sehr lange kennen.«
»Oh, ich bin nicht bei jedem so«, sagte Duvall. »Aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, dass ich Sie mag. Wie auch immer. Also kein Priester.«
»Nein. Mein offizieller Status ist ›Auswärtiger Pönitent‹«, sagte Dahl. »Man erlaubte mir, den vollständigen Studiengang zu absolvieren und einige Rituale durchzuführen, aber dann fehlten mir einige der körperlichen Voraussetzungen für eine Priesterweihe.«
»Zum Beispiel?«, fragte Duvall.
»Zum Beispiel die Selbstbefruchtung«, sagte Dahl.
»Ein kleines, aber sehr relevantes Detail«, sagte Duvall.
»Und dann haben Sie sich Sorgen wegen des Zölibats gemacht«, sagte Dahl und nahm einen Schluck von seinem Drink.
»Wenn Sie sowieso niemals Priester werden konnten, warum sind Sie dann überhaupt aufs Seminar gegangen?«, wollte Duvall wissen.
»Ich empfand die Forshan-Religion als sehr entspannend«, sagte Dahl. »In jüngeren Jahren übte das einen großen Reiz auf mich aus. Meine Eltern starben, als ich noch sehr jung war, und hinterließen mir ein kleines Erbe. Also bezahlte ich damit einen Lehrer, um die Sprache zu lernen, und reiste dann nach Forshan, um ein Seminar zu suchen, das mich aufnehmen wollte. Ich hatte vor, für den Rest meines Lebens dort zu bleiben.«
»Aber das haben Sie nicht getan«, sagte Duvall. »Ich meine, ganz offensichtlich.«
Dahl lächelte. »Zu Beginn fand ich die Forshan-Religion sehr entspannend. Aber auf den Forshan-Religionskrieg traf das nicht mehr zu.«
»Ach so«, sagte Duvall. »Aber wie kommt man von einem Forshan-Seminar an die Akademie der Raumflotte?«
»Als die UU kam, um zwischen den religiösen Fraktionen auf Forshan zu vermitteln, brauchte man einen Dolmetscher, und zufällig hielt ich mich auf dem Planeten auf. Es gibt nicht viele Menschen, die mehr als einen Forshan-Dialekt sprechen. Ich beherrsche die vier wichtigsten Dialekte.«
»Beeindruckend«, sagte Duvall.
»Ich bin sehr zungenfertig.«
»Jetzt gehen Sie aber ganz schön ran.«
»Nachdem die UU-Mission scheiterte, wurde allen Nichteinheimischen geraten, den Planeten zu verlassen«, sagte Dahl. »Der Verhandlungsführer der Union sagte, die Raumflotte braucht immer gute Linguisten und Wissenschaftler, und empfahl mich für einen Platz an der Akademie. Zu diesem Zeitpunkt war mein Seminar niedergebrannt, und ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte, und hatte auch kein Geld mehr, um irgendwohin zu gehen. Die Akademie schien mir den besten Ausweg zu bieten. Dann habe ich vier Jahre lang Xenobiologie und Linguistik studiert. Und nun bin ich hier.«
»Das ist eine gute Geschichte«, sagte Duvall und hielt Dahl ihre Flasche hin.
Er stieß mit seiner an. »Danke«, sagte er. »Was ist mit Ihrer?«
»Längst nicht so interessant«, sagte Duvall.
»Das bezweifle ich«, sagte Dahl.
»Keine Akademie für mich«, sagte Duvall. »Ich habe mich als Rekrut für die UU-Friedenstruppe verpflichtet. Das habe ich ein paar Jahre gemacht und wurde dann vor drei Jahren zur Raumflotte versetzt. Bis dahin war ich an Bord der Nantes.«
»Beförderung?«, fragte Dahl.
Duvall grinste. »Nicht ganz. Es handelt sich eher um eine Versetzung aufgrund persönlicher Konflikte.«
Bevor Dahl nachhaken konnte, summte sein Phon. Er zog es hervor und las den empfangenen Text. »Blödmann«, sagte er lächelnd.
»Was gibt es?«, fragte Duvall.
»Einen Moment«, sagte Dahl und drehte sich auf seinem Stuhl herum. Dann winkte er einem jungen Mann zu, der mitten im Wartesaal stand. »Wir sind hier, Jimmy«, rief Dahl.
Der junge Mann grinste, winkte zurück und machte sich auf den Weg zu ihnen.
»Vermutlich der Freund, auf den Sie gewartet haben«, sagte Duvall.
»Genau der«, sagte Dahl. »Jimmy Hanson.«
»Jimmy Hanson?«, wiederholte Duvall. »Er ist nicht zufällig mit James Hanson verwandt, dem Besitzer und Vorstandsvorsitzenden von Hanson Industries?«
»James Albert Hanson der Vierte«, sagte Dahl. »Sein Sohn.«
»Muss nett sein.«
»Er könnte diese Raumstation mit seinem Taschengeld kaufen«, sagte Dahl. »Aber so ist er gar nicht.«
»Wie meinen Sie das?«, sagte Duvall.
»Hallo«, sagte Hanson, als er schließlich den Tisch erreicht hatte. Er sah Duvall an und hielt ihr seine Hand hin. »Ich bin Jimmy.«
»Maia«, sagte Duvall und ergriff die Hand.
»Also sind Sie eine Freundin von Andy?«, fragte Hanson.
»Richtig«, sagte Duvall. »Wir kennen uns schon eine scheinbare Ewigkeit. Seit ungefähr einer halben Stunde.«
»Großartig«, sagte Hanson und lächelte. »Andy und ich kennen uns nur ein klein wenig länger.«
»Das will ich doch hoffen«, sagte Duvall.
»Ich werde mir etwas zu trinken holen«, sagte Hanson. »Möchtet ihr noch was? Soll ich eine weitere Runde schmeißen?«
»Ich bin versorgt«, sagte Dahl.
»Ich könnte noch eins vertragen«, sagte Duvall und schwenkte ihre fast leere Flasche.
»Noch mal das Gleiche?«, fragte Hanson.
»Klar«, sagte Duvall.
»Großartig«, sagte Hanson und klatschte in die Hände. »Ich bin gleich zurück. Haltet ihr den Stuhl für mich frei?«
»Aber klar«, sagte Dahl.
Hanson entfernte sich zu den Verkaufsständen.
»Er macht einen netten Eindruck«, sagte Duvall.
»Das ist er auch«, sagte Dahl.
»Aber keine allzu stark ausgeprägte Persönlichkeit«, stellte Duvall fest.
»Er hat andere Qualitäten.«
»Ab und zu eine Runde ausgeben?«
»Nun ja, das auch«, sagte Dahl, »aber das meinte ich nicht.«
»Darf ich dir eine sehr persönliche Frage stellen?«
»Da wir bereits beim Du angelangt sind und über meine sexuellen Präferenzen gesprochen haben, natürlich nicht«, sagte Dahl.
»Warst du schon mit Jimmy befreundet, bevor du wusstest, dass sein Vater sich einen oder zwei Planeten kaufen könnte?«
Dahl zögerte einen Moment, bevor er antwortete. »Ist dir klar, inwiefern sich die Reichen von dir oder mir unterscheiden?«, fragte er zurück.
»Du meinst, mal davon abgesehen, dass sie mehr Geld haben?«
»Ja«, sagte Dahl.
»Nein«, sagte Duvall.
»Was sie von uns unterscheidet – zumindest die klügeren unter ihnen –, ist die Tatsache, dass sie ein sehr gutes Gespür haben, warum andere Leute ihre Nähe suchen. Ob es daran liegt, dass sie Freunde sein wollen, wobei es nicht um einen leichteren Zugang zu Geld, Einfluss und Macht geht, oder ob sie nur Teil des Gefolges sein wollen. Kannst du mir so weit folgen?«
»Klar«, sagte Duvall.
»Gut«, sagte Dahl. »Bei Jimmy lief es so ab: Als er jung war, erkannte er eines Tages, dass sein Vater einer der reichsten Menschen in der UU ist. Dann erkannte er, dass er selbst eines Tages einer der reichsten Menschen in der UU sein wird. Dann erkannte er, dass es sehr viele andere Leute gibt, die diese beiden Tatsachen zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen wollen. Und dann erkannte er, wie er solchen Leuten aus dem Weg gehen kann.«
»Verstanden«, sagte Duvall. »Jimmy hätte es sofort bemerkt, wenn du nur wegen seines Vaters nett zu ihm gewesen wärst.«
»Es war sehr interessant, ihn während unserer ersten paar Wochen an der Akademie zu beobachten«, sagte Dahl. »Einige der Kadetten – und einige der Ausbilder – versuchten sich mit ihm anzufreunden. Ich glaube, sie waren überrascht, wie schnell dieser reiche Junge sie durchschaut hatte. Er hatte genug Zeit, außergewöhnlich gut darin zu werden, Leute zu beurteilen. Er musste es lernen.«
»Wie bist du also an ihn herangekommen?«, fragte Duvall.
»Gar nicht«, sagte Dahl. »Er kam zu mir herüber und sprach mich an. Ich glaube, ihm war klar, dass es mir egal war, wer sein Vater ist.«
»Jeder muss dich einfach lieben«, sagte Duvall.
»Zum einen das, und zum anderen hatte ich eine sehr gute Note im Biologiekurs, mit dem er Schwierigkeiten hatte. Nur weil Jimmy wählerisch ist, was seine Freunde betrifft, muss er noch lange nicht frei von Egoismus sein.«
»Er scheint bereit zu sein, mich als gute Freundin zu betrachten«, sagte Duvall.
»Weil er glaubt, dass wir Freunde sind, und weil er meinem Urteil vertraut«, sagte Dahl.
»Sind wir es?«, fragte Duvall. »Freunde, meine ich.«
»Du bist etwas aufgedrehter, als ich es normalerweise mag«, sagte Dahl.
»Ja, ich habe die ›Ich mag es entspannend‹-Botschaft empfangen«, sagte Duvall.
»Dem entnehme ich, dass du nicht so auf Entspannung stehst«, sagte Dahl.
»Ich schlafe von Zeit zu Zeit«, sagte Duvall. »Ansonsten nicht.«
»Wahrscheinlich müsste ich mich darauf einstellen«, sagte Dahl.
»Das müsstest du«, bestätigte Duvall.
»Ich habe die Drinks«, sagte Hanson, als er hinter Duvall auftauchte.
»Jimmy!«, rief Duvall. »Jetzt bist du endgültig mein Lieblingsfreund.«
»Ausgezeichnet«, sagte Hanson, reichte Duvall einen Drink und setzte sich an den Tisch. »Also – welches Gesprächsthema habt ihr am Wickel?«
Kurz bevor das Shuttle eintraf, kamen zwei weitere Personen in die Wartehalle. Genauer gesagt waren es fünf Personen: zwei Besatzungsmitglieder in Begleitung von drei Angehörigen der Militärpolizei. Duvall stupste Dahl und Hanson an, die sich daraufhin umschauten.
Eins der Besatzungsmitglieder bemerkte es und zog eine Augenbraue hoch. »Ja, ich habe ein Gefolge«, sagte er.
Duvall ging nicht darauf ein, sondern wandte sich direkt an die MP. »Was ist los mit ihnen?«
Die Militärpolizistin deutete auf den Mann mit der hochgezogenen Augenbraue. »Dieser hier ist mehrfach angeklagt, unter anderem wegen Schmuggel, Verkauf von Schmuggelware und Angriff auf einen Ersten Offizier.« Dann zeigte sie auf den zweiten Mann, der missmutig dastand und sich bemühte, mit niemandem Blickkontakt aufzunehmen. »Dieser arme Kerl ist sein Freund. Ihm wird vorgeworfen, mit ihm unter einer Decke zu stecken.«
»Die Anklage ist fingiert«, sagte der erste Fähnrich. »Der Erste Offizier ist voll drogenabhängig.«
»Von Drogen, die du ihm gegeben hast!«, sagte der Mann, der immer noch den Blick gesenkt hielt.
»Niemand kann beweisen, dass ich sie ihm gegeben habe«, sagte der erste Mann. »Außerdem waren es gar keine Drogen. Es waren exotische Pilze. Und sie können gar nicht der Grund gewesen sein. Von den Pilzen wird man völlig entspannt. Dann greift man niemanden an und verlangt von ihm, sich zu verteidigen.«
»Sie haben ihm Xeno-Pseudoagaricus gegeben, nicht wahr?«, sagte Dahl.
Das erste Besatzungsmitglied sah Dahl an. »Wie ich bereits sagte, kann niemand beweisen, dass ich dem Ersten Offizier irgendetwas gegeben habe«, sagte er. »Aber das könnte es gewesen sein.«
»Xeno-Pseudoagaricus erzeugt auf natürliche Weise eine Substanz, die auf die meisten Menschen entspannend wirkt«, sagte Dahl. »Doch bei etwa zehn Prozent der Menschen wird das genaue Gegenteil bewirkt. Die Rezeptoren in ihrem Gehirn unterscheiden sich ein klein wenig von allen anderen. Und von diesen zehn Prozent kann es bei etwa einem Zehntelprozent passieren, dass sie völlig ausrasten. Wie es scheint, gehört Ihr Erster Offizier zu dieser kleinen Gruppe.«
»Wer sind Sie? Wer kennt sich so gut mit Alien-Pilzen aus?«, wollte das Besatzungsmitglied wissen.
»Jemand, der weiß, dass man unter gar keinen Umständen innerhalb der Befehlshierarchie nach oben dealen sollte«, sagte Dahl.
Der Mann grinste.
»Warum sind Sie also nicht im Bau?«, fragte Duvall.
Der Mann deutete auf Dahl. »Fragen Sie Ihren Freund. Er weiß doch auch sonst alles.«
Duvall sah Dahl an.
Dahl zuckte nur mit den Schultern. »Jedenfalls ist Xeno-Pseudoagaricus nicht illegal«, sagte er. »Auch wenn es nicht sehr klug ist, ihn zu benutzen. Man sollte entweder Xenobiologie studiert haben oder sich genauer für nicht offiziell verkaufte, nicht offiziell illegale Stimmungsverstärker von Fremdwelten interessieren, möglicherweise zu geschäftlichen Zwecken.«
»Aha«, sagte Duvall.
»Wenn ich raten müsste«, sagte Dahl, »würde ich raten, dass unser Freund hier …«
»Finn«, sagte der Mann und nickte zu seinen Kollegen. »Und das ist Hester.«
»… unser Freund Finn sich auf seinem letzten Posten den Ruf erworben hat, der Mann zu sein, zu dem man gehen sollte, wenn man bestimmte Substanzen braucht, die es einem ermöglichen, einen Urintest zu bestehen.«
Hester schnaufte nur.
»Weiter würde ich raten, dass sein Erster Offizier nicht möchte, dass bekannt wird, dass er Drogen genommen hat …«
»Pilze«, stellte Finn richtig.
»… welcher Art auch immer. Jedenfalls kam es dazu, dass der Xeno-Pseudoagaricus ihn durchdrehen ließ, worauf er Finn angriff, der sich streng genommen lediglich verteidigt hat. Also wurde entschieden, Finn nicht in den Bau zu stecken und möglicherweise in ein Wespennest zu stechen, sondern ihn lieber still und leise zu versetzen.«
»Ich kann diese Interpretation der Ereignisse weder bestätigen noch abstreiten«, sagte Finn.
»Wieso ist dann die MP hier?«, fragte Hanson.
»Sie sollen dafür sorgen, dass wir die Intrepid ohne irgendwelche Umwege besteigen«, sagte Hester. »Sie wollen nicht, dass er sich einen neuen Vorrat anlegt.«
Finn verdrehte dazu die Augen.
Duvall sah Hester an. »Ich spürte hier eine gewisse Verbitterung.«
Hester nahm schließlich doch Blickkontakt auf. »Der Mistkerl hat seinen Vorrat in meinem Spind versteckt«, sagte er zu Duvall.
»Und Sie wussten nichts davon?«, fragte Duvall.
»Er sagte mir, es wären Süßigkeiten, und wenn die anderen Besatzungsmitglieder davon wüssten, würden sie sie aus seinem Spind stehlen.«
»Das hätten sie wirklich getan«, sagte Finn. »Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass tatsächlich alles kandiert war.«
»Du hast auch gesagt, sie wären für deine Mutter«, sagte Hester.
»Nun ja«, sagte Finn, »in diesem einen Punkt habe ich wirklich gelogen.«
»Das habe ich dem Captain und dem Ersten Offizier zu erklären versucht, aber es hat sie überhaupt nicht interessiert«, sagte Hester. »Für sie stand fest, dass ich ein Komplize bin. Dabei mag ich den Kerl nicht mal!«
»Und warum haben Sie sich dann einverstanden erklärt, seine … Süßigkeiten aufzubewahren?«, wollte Duvall wissen.
Hester murmelte etwas Unverständliches und brach den Blickkontakt ab.
»Er hat es getan, weil ich nett zu ihm war und er sonst keine Freunde hat«, erklärte Finn.
»Also haben Sie ihn ausgenutzt«, sagte Hanson.
»Es ist ja nicht so, dass ich ihn gar nicht mag«, sagte Finn. »Außerdem war es nicht meine Absicht, dass er meinetwegen in Schwierigkeiten gerät. Eigentlich hätte er gar nicht in Schwierigkeiten geraten können. Im gesamten Vorrat war nichts Illegales. Aber dann drehte unser Erster Offizier durch und versuchte, meine Knochenstruktur umzuarrangieren.«
»Vielleicht hätten Sie besser über Ihr Produktsortiment informiert sein sollen«, sagte Dahl.
»Wenn ich das nächste Mal etwas bekomme, werde ich es zuerst an Ihnen ausprobieren«, sagte Finn sarkastisch. Dann deutete er auf das Fenster, wo zu sehen war, wie sich das Shuttle dem Dock näherte. »Aber damit werden wir noch eine Weile warten müssen. Wie es aussieht, ist unsere Mitfluggelegenheit eingetroffen.«