Tristan und Isolde

 

Gottfried von Straßburg

 

 

 

 

Inhalt:

 

Gottfried von Straßburg – Biografie und Bibliografie

 

Tristan und Isolde

 

Gottfried.

Riwalin und Blancheflur.

Rual li Foitenant.

Tristan das Kind.

Das Schachzabelspiel.

Die Jagd.

Tristans Weltglück.

Die Erkennung.

Tristans Schwertleite.

Heimfahrt und Rache.

Der Irenzins.

Tristan Tantris.

Die Brautfahrt.

Der Drachenkampf.

Der Splitter.

Der Rechte.

Der Minnetrank.

Der Minne Recht.

Der Minne Schuld.

Rotte und Harfe.

Verrathenes Spiel.

Trug wider Trug.

Melot der Zwerg.

Die Lauscher am Brunnen.

Das Gottesgericht.

Das Hündlein Peticriu.

Die Minnengrotte.

Frauenhut.

Scheiden und Meiden.

Isolde Weißhand.

Die Tristanssänger.

Hand und Herz.

Die Bilderhalle.

Kaedin.

Tristan und Isolde.

Rose und Rebe.

 

 

 

 

Tristan und Isolde, Gottfried von Straßburg

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

 

ISBN: 9783849617417

 

www.jazzybee-verlag.de

admin@jazzybee-verlag.de

 



 

 

 

 

Gottfried von Straßburg – Biografie und Bibliografie

 

Deutscher Dichter des Mittelalters, der glänzendste Stilist unter den höfischen Epikern, lebte am Ende des 12. Jahrh. und starb zwischen 1210 und 1220, war somit Zeitgenosse Hartmanns von Aue, Wolframs von Eschenbach und Walters von der Vogelweide. Er war wahrscheinlich bürgerlichen Standes; wenn er stets »meister« und nie »her« genannt wird, so ist damit freilich nur auf die städtische Herkunft Gottfrieds hingewiesen. Durch gelehrte Bildung seine dichtenden Zeitgenossen fast alle überragend, verfaßte er um 1210 eine größere epische Dichtung: »Tristan und Isolde«. Sie zu vollenden, war ihm nicht beschieden. Der Stoff seines Epos ist aus Erzählungen mannigfaltigen Ursprungs zusammengewachsen und hat seine Ausbildung durch französische Volksdichter in der ersten Hälfte des 12. Jahrh. erlangt (vgl. Golther, Die Sage von Tristan und Isolde, Münch. 1887); er wurde bereits im 12. Jahrh. in weniger kunstvoller Weise von Eilhart von Oberge (s. d.) bearbeitet, wie die Tristansage früh auch schon im Englischen, Spanischen, Dänischen, Norwegischen, Slawischen (Böhmischen) und selbst im Mittelgriechischen dichterische Gestaltung gewann. G. hat als Quelle für sein Epos ein Werk des französischen Trouvere Thomas benutzt, das uns aber nur in Bruchstücken erhalten ist, die an einem kleinen Stück eine unmittelbare Vergleichung ermöglichen (»Le roman de Tristan par Thomas«, hrsg. von Bédier, Par. 1902, Bd. 1). Einigermaßen ersetzt wird diese Quelle durch das Vorhandensein einer (leider kürzenden) nordischen Prosaübersetzung: »Tristrams Saga ok Isondar« (hrsg. von Kölbing, Heilbr. 1878). Der Vergleich zeigt, daß die meisten Züge der Handlung schon dem Original angehören. Der Gang der Erzählung in »Tristan und Isolde« ist im wesentlichen folgender: Tristan, der Sohn Riwalins von Parmenien und Blancheflours, wird nach dem frühen Tode seiner Eltern durch den treuen Marschall seines Vaters, Rual, erzogen und kommt nach mannigfachen Abenteuern zu seinem Oheim, König Marke von Cornwall. Dieser sendet Tristan aus, für ihn um Isolde, die schöne Königstochter in Irland, zu werben. Isolde, welche die Werbung annimmt, geht mit Tristan zu Schiff, und eine der Jungfrauen in ihrem Gefolge erhält von der Königin heimlich einen Minnetrank, den sie Isolde und ihrem Gemahl bei der Hochzeit zu trinken geben soll, um beide mit unwandelbarer Treue aneinander zu ketten. Es ereignet sich aber das Unglück, daß Tristan und Isolde auf der Überfahrt den Zaubertrank, ohne von dessen Wirkung etwas zu wissen, trinken, worauf ihre Herzen von unwiderstehlicher Liebe zueinander ergriffen werden. Isolde wird die Gemahlin Markes, den nun das in allen Künsten der Liebesklugheit meisterhaft gewandte Paar fort und fort betrügt. Nach einer langen Reihe solcher Abenteuer endlich von Marke ertappt, zieht Tristan nach der Normandie, wo ihn die Liebe einer andern Isolde (Isolde Weißhand) fesselt, ohne daß er doch die alte Liebe zu Markes Gattin (der blonden Isolde) vergessen könnte. Mit der Schilderung dieses Zwiespalts in Tristans Seele bricht Gottfrieds Gedicht ab. Die starken sittlichen und ästhetischen Mängel seines Stoffes hat G. nicht überwunden, ja nicht einmal gefühlt. Aber dessen Grundmotiv, die allbezwingende Gewalt der Minne, hat er mit einer Glut und Innigkeit erfaßt und mit einer Kunst der Darstellung durchgeführt wie kein andrer Dichter des Mittelalters. Der Stil des höfischen Epos mit seinen mannigfachen rhetorischen Mitteln hat bei ihm die zierlichste Ausbildung, Vers und Reim haben den gleichmäßigsten Fluß und Wohllaut erreicht. Doch läßt er sich auch schon zu müßiger Tändelei mit Worten und Reimen verleiten. Ein feinsinniger Beurteiler der dichterischen Eigenart seiner Zeitgenossen, weiß er doch die gedankenschwerere Kunst Wolframs von Eschenbach nicht zu würdigen und befehdet sie aus das heftigste. Namentlich auf die alemannischen Dichter gewann Gottfrieds Kunststil einen weitreichenden Einfluß. Wir besitzen von G. auch einige lyrische Gedichte; doch ist der umfangreiche, schwungvolle und reich mit Redeschmuck ausgezierte »Lobgesang auf die Jungfrau Maria« (hrsg. von v. d. Hagen in dessen Sammlung der »Minnesinger« und in Haupts »Zeitschrift für deutsches Altertum«, Bd 4; vgl. auch Watterich, G. von Straßburg, ein Sänger der Gottesminne, Leipz. 1858), der früher dem Dichter zugeschrieben wurde, nicht von ihm, wie Franz Pfeiffer (»Germania«, Bd. 3) schlagend nachgewiesen hat An der Fortsetzung von »Tristan und Isolde« haben sich bald nach Abfassung des Gedichts zwei Poeten versucht: plump und trocken Ulrich von Türheim (s. d.), mehr dem Stil Gottfrieds sich nähernd, gewandt und anmutig Heinrich von Freiberg (s. d.), beide aber nach andrer Quelle als der von G. benutzten. Die älteste Ausgabe von »Tristan und Isolde« findet sich im 2. Band von Myllers »Sammlung altdeutscher Gedichte«; andre Ausgaben besorgten Fr. Heinrich v. d. Hagen (mit beiden Fortsetzungen, den Leiedern etc., Bresl. 1823), E. v. Groote (mit der Fortsetzung Heinrichs von Freiberg, Berl. 1821), Maßmann (mit Ulrich, Leipz. 1843); Ausgaben mit Erläuterungen lieferten R. Bechstein (3. Aufl., das. 1890–91, 2 Bde.) und W. Golther für Kürschners »Deutsche Nationalliteratur« (Stuttg. 1889). Übersetzungen von Gottfrieds Gedicht haben wir von Herm. Kurz (Stuttg. 1844, mit selbständigem Schluß; 3. Aufl. 1877), Simrock (Leipz. 1855,2., ebenfalls mit Fortsetzung und Schluß versehene Auflage. das. 1875) und (die weitaus beste) von Wilh. Hertz (3. Ausg., Stuttg. 1901), mit einem Schluß nach den Bruchstücken des Trouvere Thomas. K. Immermanns mehr selbständige Behandlung des Stoffes ist unvollendet geblieben. R. Wagner hat die Sage zu einem musikalischen Drama verarbeitet. Vgl. R. Bechstein, Tristan und Isolt in deutschen Dichtungen der Neuzeit (Leipz. 1877).

 

 

 

Tristan und Isolde

 

 

Gottfried.

 

Gedächte man Dessen nicht nach Werth,

Der Gutes hat der Welt beschert,

So wär es alles ohne Werth,

Was Gutes wird der Welt beschert.

 

Das, was der gute Mann für gut

Und nur der Welt zu Gute thut,

Wer das nicht nehmen will für gut,

Dem sag ich, daß er übel thut.

 

Ich höre schmälern oft und viel,

Was man doch gerne haben will:

Da ist das Wenige zu viel!

Da will man, was man selbst nicht will!

 

Ein Ding, das man vonnöthen hat,

Soll finden eine gute Statt,

Und loben soll es, wer es hat,

So lang es einnimmt seine Statt.

 

Theuer und werth ist mir der Mann,

Der Gut und Uebel wägen kann,

Der mich und jeden andern Mann

Nach seinem Werth erkennen kann.

 

Ehr, Gunst und Lob, die schaffen Kunst,

Da Kunst geschaffen ist zu Gunst.

Wo Ehre grünt mit Lob und Gunst,

Da blühet jede Art von Kunst.

 

Recht wie ein Ding zu Schanden geht,

Das ohne Lob und Ehre steht,

So wächst eins, das in Ehren steht

Und um sein Lob nicht irre geht.

 

Ich weiß so Manchen, der das treibt,

Daß er das Gute zu Uebel schreibt,

Das Uebele wieder zu Gute schreibt.

Der treibt's nicht wohl: er hintertreibt!

 

Clar leuchten, wie auf goldnem Grund,

Das Urtheil und die Kunst im Bund.

Doch tritt der Neid in ihren Bund,

Da geht Urtheil und Kunst zu Grund.

 

Ha, Tugend, wie so schmal dein Steg!

Wie doch so kümmerlich dein Weg!

Heil, wer ihn wandelt und weicht nicht weg

Von deinem Weg, von deinem Steg!

 

Trieb' ich mein Leben müßig hin,

So reif im Leben, wie ich bin,

Dann führ' ich in der Welt dahin

Nicht also weltlich, wie ich bin.

 

Ich wende an eine Unmüßigkeit

Der Welt zu Liebe meine Zeit

Und edlen Herzen zu einer Labe:

Den Herzen, die ich im Herzen habe,

Der Welt, zu der mein Herze hält.

Nicht mein' ich ihrer Aller Welt,

Nicht die, von der ich höre sagen,

Sie könne nicht Noth noch Schwere tragen

Und wolle nur in Freuden schweben;

Die laß auch Gott mit Freuden leben!

Doch dieser Welt und ihrer Art

Bleibt meine Rede gern erspart.

Ihr Leben und meines scheiden sich.

Eine andre Welt, die meine ich,

Die trägt im Herzen unentzweit

Die süße Herbe, das liebe Leid,

Die Herzliebe, die sehnende Noth,

Das liebe Leben, den leiden Tod,

Den lieben Tod, das leide Leben.

Dem Leben sei mein Leben ergeben,

Der Welt will ich mich weltlich zeihn,

Mit ihr verderben, mit ihr gedeihn.

Ich bin bei ihr bis heute blieben

Und hab mit ihr die Tage vertrieben,

Die mir in wehevollem Leben

Lehr und Geleite sollten geben.

Der halt' ich meine Unmüßigeit

Zur Kurzweil und zur Lust bereit,

Daß sie mit meiner Märe

Ihr Weh und ihre Schwere

Lindre zu halbem Theile

Und ihre Schmerzen heile.

Denn wer etwas zu treiben sinnt,

Davon sein Sinn Unmuße gewinnt,

Der entladet sorgehaften Muth,

Das ist für Herzenssorgen gut.

Es sagen Alle von der Ruh,

Wenn einer müßig und dazu

Mit sehnendem Schaden sei beladen,

So mehre das den sehnenden Schaden.

Bei sehnendem Leide Müßigkeit,

Da wächst je mehr das sehnende Leid.

Darum ist's gut, wer Herzensklage

Und sehnende Noth im Herzen trage,

Daß er mit allem Fleiße

Den Leib zur Unruh weise,

Darüber denn sein Herze ruht;

Das ist dem Herzen mächtig gut.

Doch geb ich nimmermehr den Rath,

Daß, wer da Lieb im Herzen hat,

Unmuße solcher Art erküre,

Die reiner Liebe nicht gebühre:

Ein Lied von Lieb und Leide

Sei seines Herzens Weide,

Er heg's mit Herzen und Munde

Und sänfte so die Stunde.

Nun aber ist ein Wort, das spricht,

Und ich verwerf es wahrlich nicht,

Das Herz des Sehnenden, je mehr

Mit sehnenden Mären es verkehr,

Je mehr daß es beschweret sei.

Demselben Worte stünd ich bei,

Nur daß Ein Ding die Rede schlägt:

Wer innigliche Liebe trägt,

So weh es ihm von Herzen thu,

Sein Herz steht ihm doch je dazu.

Der innigliche Liebesmuth,

So er in seine Schmerzesgluth

Je mehr und mehr sich giebet,

Je mehr und mehr er liebet.

Dies Leid ist also wonnevoll,

Dies Uebel, das thut so herzewohl,

Daß, wo es seine Bürde trägt,

Kein edles Herz sich sein entschlägt.

Ich weiß, nicht wahrer ist der Tod,

Und erkenn es an derselben Noth:

Wer minnt mit edlem Sinne,

Liebt Mären von der Minne;

Darum, wer sehnende Mären will,

Der fahr nicht weiter und steh hier still!

Ich sing ihm Sehneschmerzen

Von zweien edlen Herzen,

Die reiner Liebe zugesagt:

Der Minne Knecht, der Minne Magd,

Ein Mann ein Weib, ein Weib ein Mann,

Tristan Isold, Isold Tristan.

 

Ich weiß wohl, Viele sind gewesen,

Die haben von Tristan gelesen:

Sind ihrer doch nicht viel gewesen,

Die haben recht von ihm gelesen.

 

Thu aber ich dergleichen nun

Und will noch etwas drüber thun,

Als ob mir ihrer Aller Sagen

Von dieser Märe thät mißbehagen,

So red ich anders, als ich soll.

Das thu ich nicht! Sie sprachen wohl,

Und nur aus edlem Muthe,

Mir und der Welt zu Gute.

Bei meiner Treue! sie meinten's gut,

Und was ein Mann in Güte thut,

Das ist auch gut und wohlgethan.

Aber, wie ich gesprochen han,

Daß sie nicht haben recht gelesen,

Das ist, wie ich euch sage, gewesen.

Sie sprachen in der Richte nicht,

Wie Thomas von Britannien spricht,

Der Meister in Aventüren was

Und in britannischen Büchern las

Aller der Landesherren Leben

Und es uns hat zur Kunde geben.

Nun der von Tristan anders nicht

Denn die Richte und Wahrheit spricht,

Begunte ich mit Fleiße

In Büchern beider Weise,

Welsch und latein, zu trachten,

Zu suchen und zu achten,

Wie ich in seiner Richte

Diese Märe dichte.

So mußt ich's lange treiben,

Da fand ich all sein Schreiben

In einem Buche zu lesen,

Wie dieses Abenteur gewesen.

Was aber ich gelesen han,

Und welch Gewand ich umgethan

Der Märe, das leg ich mit Gebühr

Allen sehnenden Herzen für,

Daß sie durch Unmuße genesen:

Es ist sehr gut für sie zu lesen.

Gut? ja, es ist innig gut,

Macht Liebe lieb, edelt den Muth,

Stetigt Treue, reinigt das Leben;

Es kann dem Leben wohl Tugend geben;

Denn so man höret oder liest,

Was von so reiner Treue sprießt,

Da liebt ein treuer Mann die Treue

Und andre Tugenden aufs Neue.

Liebe, Treue und steter Muth,

Ehre und auch manch ander Gut

Ist nirgends ein so theurer Hort

Und nirgends so daheim, wie dort,

Wo man von Herzeliebe saget

Und Herzeleid von Liebe klaget.

Lieb ist selig vor allen Dingen,

Ein also seligliches Ringen,

Daß Niemand ohn ihr Lehre

Noch Tugend hat noch Ehre:

So vieles Glück als die Liebe bringt,

So viel auch Tugend von ihr entspringt.

O weh, daß alles, das da lebet,

Nicht nach der werthen Liebe strebet,

Daß ich so wenig finde Deren,

Die ein herzlauteres Begehren

Zu Freundesherzen wollen leiden,

Nur um den armen Schmerz zu meiden,

Der bei der Liebe zu mancher Frist

Verborgen in dem Herzen ist.

Wie litte nicht gern ein edler Muth

Ein Uebel für tausendfaches Gut?

Den Schmerz zahlt viele Freude ja.

Wem nie von Liebe Leid geschah,

Dem geschah auch Liebes von Liebe nie.

Lieb und Leid, wann ließen die

Im Minnen je sich scheiden?

Man muß mit diesen beiden

Ehre und Lob erwerben,

Oder ohne sie verderben.

Von denen diese Märe spricht,

Hätten sie Leid von Liebe nicht,

Von Herzenswonne sehnendes Klagen

In Einem Herzen nicht getragen,

So wär ihr Name und ihre Mär

Manch edlem Herzen nimmermehr

Zu Statten und zu Liebe kommen.

Uns ist noch heute gern vernommen

Und immer süß aufs Neue

Ihr innigliche Treue,

Ihr Lieb und Leid, ihr Wonn und Noth;

Und sind sie auch schon lange todt,

Ihr süßer Name, der lebet doch;

Es soll der Welt zu gute noch

Lange ihr Tod und immer leben,

Den Treubegehrenden Treue geben,

Den Ehrbegehrenden Ehre tragen,

Ihr Tod muß sich zu allen Tagen

Uns Lebenden lebend und neu erweisen;

Denn wo man je noch höret preisen

Ihre Treue, ihrer Treue Lauterkeit,

Ihr Herzelieb und Herzeleid,

Ist's aller edlen Herzen Brod:

Hiemit so lebt ihr Beider Tod.

Wer nun begehrt, daß man ihm sage

Ihr Leben und Tod, ihr Glück und Klage,

Der neige Herz und Ohren her:

Er findet alle sein Begehr.

 

Riwalin und Blancheflur.

 

Ein Herr war in Parmenienland,

Von Jahren jung, ein Kind genannt,

Derselbe war, wie der Bericht

Von seinen Abenteuern spricht,

Wohl von Geburt der Könige würdig,

An Lande Fürsten ebenbürtig,

Von Leibe hold, den Schönsten gleich,

Getreu und kühn und mild und reich;

Und wem er Freude sollte tragen,

Dem war der Herr in seinen Tagen

Eine Freudespendende Sonne,

Der Welt eine Wonne,

Dem Adel eine Lehre,

Den Magen eine Ehre,

Und seines Landes Zuversicht;

An Tugenden gebrach's ihm nicht,

Die ein Herre haben sollte,

Nur daß er zu ferne wollte

In seines Herzens Lüsten schweben

Und nur nach seinem Willen leben,

Davon ihm auch groß Leid gedieh.

Denn leider, so ist und war es hie:

Aufblühende Jugend und volles Gut,

Die zwei, die führen Uebermuth.

Vertragen, was doch gar mancher Mann

In hochgewaltigem Wesen kann,

Daran gedacht er selten:

Uebles mit Ueblem vergelten,

Kraft erzeigen wider Kraft,

Das war seine Eigenschaft.

Nun geht es auf die Länge nicht,

Wenn Einer mit Kaiser Karls Gewicht,

Was ihm geschieht, vergelten will.

Weiß Gott, der Mann muß mehr als viel

An diesem Handel übersehen,

Oder ihm muß großer Schade geschehen.

Wer keinen Schaden ertragen kann,

Dem wächst noch größrer Schaden an,

Und ist ein unheilvoller Brauch;

So fähet man den Bären auch:

Der rächet jeden einzeln Schaden,

Bis er mit Schaden wird beladen.

Bei Jenem war's ein solches Spiel:

Er rächte sich so oft und viel,

Bis er davon den Schaden nahm.

Daß aber er zu Schaden kam,

Das kam von keiner Bosheit nicht,

Davon doch Manchem Schade geschicht:

Es kam von der Blindheit

Der unmündigen Kindheit,

Daß er in seiner blühenden Jugend

Mit jugendlicher Herrentugend

Wider sein eignes Glücke stritt;

Die spielende Kindheit spielt ihm mit,

Die in seinem Gemüthe

Uebermüthig blühte.

Er that so recht wie alle Kind,

Die meistens ohne Fürsicht sind;

Ihm kamen Sorgen nicht in Sinn,

Er lebt und lebt und lebt so hin,

Seit seines Lebens Licht anfing,

Das wie der Tagesstern aufging

Und in die Welt helllachend sah;

Da wähnte er, was doch nie geschah,

Daß er immer also sollte leben

Und in der lebenden Süße schweben.

Nein, seines Daseins Anbeginn,

Der ging mit kurzem Dasein hin;

Die morgenliche Sonne,

Seines Lebens Wonne,

Kaum ließ sie spielen ihren Schein,

So fiel sein jäher Abend ein,

Der ihm zuvor verborgen,

Und löschte seinen Morgen.

Wie aber er geheißen war,

Das thut uns diese Märe dar:

Die Aventüre nennet ihn

Beim rechten Namen Riwalin

Auch sonst Kanelengres vom Land.

Von Vielen zwar wird er genannt

König im Land zu Lohnoys,

Dagegen Thomas uns bewies,

Der's in den Aventüren las,

Daß er vom Land Parmenien was

Und hatte ein besondres Land

Von eines brittischen Herren Hand,

Und sollte dem sein unterthan;

Derselbe hieß li Duc Morgan.

Nun war der Herre Riwalin

Mit großen Ehren wohl gediehn:

Er trug die Sporn ins dritte Jahr

Und hatte sich erworben klar

Die ganze Kunst der Ritterschaft,

Zu Streit und Orlog volle Kraft;

Er hatte Land und Leut und Gut;

Ob es nun Noth, ob's Uebermuth

Erschaffen haben, weiß ich nicht:

Wie seine Aventüre spricht,

So griff er als einen schuldigen Mann

Morganen, seinen Lehnsherrn, an.

Er kam geritten in sein Land

Mit so gewaltiglicher Hand,

Daß er ihm die Macht verkürzte

Und viele Burgen stürzte.

Die Städte mußten sich ergeben,

Mußten lösen ihr Gut und Leben,

So lieb, so leid es ihnen was,

Bis daß er auf die Letzt besaß

An Gut und Gülten große Kraft,

Damit er seine Ritterschaft

So sehr verstärkt und mehrte,

Daß, wo er hin sich kehrte,

Es wären Burgen oder Städte

Er viel nach seinem Willen thäte.

Auch nahm er oftmals Schaden dran

Und zahlte mit manchem guten Mann;

Denn Morgan war auf seiner Wehr,

Bestund ihn oft mit seinem Heer

Und brach ihm ab von seiner Kraft.

Denn zu Orlog und zu Ritterschaft

Gehört Verlust so wie Gewinn;

Darüber geht der Orlog hin:

Verlieren und gewinnen,

Das muß den Krieg verspinnen.

Dasselbe that ihm Morgan wieder:

Er warf ihm Städt und Burgen nieder

Und brach ihm, weil sich das begab,

An Land und Leuten vieles ab

Und wollt ihn ganz verderben,

Doch konnt er nichts erwerben;

Denn immer aus dem Feld schlug ihn

Mit großem Schaden Riwalin,

Und trieb das also lang und viel,

Bis er ihn brachte ans letzte Ziel,

Daß er auf keinen Sieg mehr baute,

Sich nicht mehr zu erhalten traute,

Als nur in seinen Vesten,

Den stärksten und den besten.

Die belagerte Riwalin

Und gab ihm aus voller Hand darin

Zu bataljen und zu streiten,

Und trieb ihn zu allen Zeiten

Stracks zurück bis in das Thor,

Auch hatte er oftermals darvor

Turnier und glänzende Ritterschaft.

So lag er ihm ob mit seiner Kraft

Und hauste in seinem Lande

Mit Raub und Mord und Brande,

Bis daß der Herzog Frieden bot

Und es erwarb mit aller Noth,

Daß ihm gestattet ward, zu tagen,

Ein Jahr die Fehde zu vertragen:

Der Friede ward von Beiden

Mit Burgen und mit Eiden

Gefestet, wie es billig schien.

Und also kehrte Riwalin

Heim mit den Seinen, reich und froh;

Aus milder Hand lohnt' er sie so,

Daß er sie alle machte reich;

Dann ließ er sie aus seinem Reich

In Freuden und mit Ehren

Wieder zur Heimath kehren.

Nun es Kanelen so gelang,

So dauert es darnach nicht lang,

Bis daß er aber zu einer Fahrt

Ergötzens halber schlüssig ward

Und aber aus dem Lande ritt

Und nahm gar großen Reichthum mit,

So wie der Ehrbegierige thut.

All das Geräthe und all das Gut,

Das er gebrauchen wollte

Und ein Jahr lang haben sollte,

Das ward ihm in ein Schiff getragen.

Er hatte vieles hören sagen,

Wie voller Sitte und Ehre

Der junge König wäre

Von Kornewall Herr Marke,

Der an Ehren starke,

Der Kornewall und Engelland

Beide hatte in seiner Hand.

Durch Erbschaft war er Kornwalls froh,

Um England aber stand es so:

Das erhielt er jenesmales,

Da die Sachsen von Gales

Die Britten all vertrieben

Und Herren vom Lande blieben.

Von denen auch sein Name ist;

Britannien hieß es vor jener Frist,

Erobert aber, ward es genannt

Nach denen von Gales Engelland.

Nun die das Land besaßen

Und unter sich vermaßen,

Da wollten sie alle Königlein

Und Herren für sich selber sein,

Was ihnen allen schlimm gedieh;

Denn alsobald begannen sie

Zu kämpfen und sich zu morden stark

Und befahlen endlich dem König Mark

Sich und das Land zur Pflege.

Seit war es ihm allewege

So hold und unterthänig,

Daß niemals einem König

Ein Königreich gehorchte baß.

Auch sagt uns die Historie, daß

In allen Nebenlanden,

Die unter Marke standen,

Kein König werther war als er.

Dahin war Riwalins Begehr:

Ihm wollt er sich ergeben,

Ein Jahr mit ihm verleben,

In Züchten üben seine Jugend

Und lernen neue Rittertugend,

Daß seine Sitte würde fein.

Sein edles Herz gab ihm das ein,

Daß, wenn er fremder Sitten achte,

Er seine eignen besser machte

Und würde selbst erkannt daran.

In solcher Weise hub er an:

Er befahl so Leut als Land und Gut

In seines Mareschallen Hut,

Der hieß Rual li Foitenant;

Er hatte seine Treu erkannt.

Alsbald fuhr Riwalin zu Meer

Mit zwölf Gesellen und nicht mehr;

Ihm war genug an dem Geleit.

Nun sich also verlief die Zeit,

Daß er zum Lande Kornwall kam

Und auf dem Meere allda vernahm,

Daß Marke der werthe

Zu Tintayol verkehrte,

Beschloß er bald dahinzuziehn.

Er stieg ans Land; da fand er ihn

Und freute sich deß von Herzen sehr.

Sich und die Seinen kleidet er

Reich und wie ihm geziemte wohl.

Nun, daß er kam gen Tintayol,

Empfing ihn Mark, an Tugend reich,

Gar tugendlich und fürstengleich,

Und Alle wollten ihm dienen;

Man bot da Riwalinen

Ehr und Empfang im Saale,

Daß er zu keinem Male

Zuvor und auch an keinem Ort

So hold empfangen ward, wie dort.

Da spielten seine Gedanken froh,

Und Hofessitte gefiel ihm so,

Daß er im Stillen sprach zu sich:

»Bei meiner Treu, Gott selbst hat mich

Zu diesem Landgesinde bracht!

Mein Glücke hat mich wohl bedacht:

Was ich von Tugend und von Zier

An Mark vernommen, ist alles hier.

Sein Leben ist höfisch und wohlgethan.«

Nun sagt er ihm sein Begehren an,

Warum er kommen wäre.

Als Marke seine Märe

Und seinen ganzen Sinn vernommen,

Da sprach er: »Gott und mir willkommen!

Leib, Gut und was ich nenne mein,

Das soll zu Eurem Gebote sein.«

So ging es Riwalinen wohl

Am Hof; der Hof war seiner voll:

Er war bei Allen hochgeehrt,

Bei Arm und Reichen lieb und werth,

Wie nie zuvor ein Gast bei ihnen.

Auch mocht er dessen wohl verdienen,

Der tugendhafte junge Held:

Er war und konnte aller Welt

Mit seinem Leib und Gute,

Mit seinem geselligen Muthe

Getreu sein und zum Dienst bereit.

So lebt' er in der Würdigkeit

Und in der rechten Güte,

Die er in sein Gemüthe

Mit täglich neuer Tugend nahm,

Bis König Marke's Hochzeit kam,

Wozu er alles laden

Vom Land und den Gestaden

So mit Gebot als Bitte hieß.

Wenn er den Seinen bieten ließ,

So kam die Ritterschaft zu Hand

Vom Königreich zu Engelland

Und fuhr je einmal in dem Jahr

Gen Kornwall, eine große Schaar.

Dieselben brachten auf ihrem Ritt

Gar viel der süßen Frauen mit

Und manche andre Herrlichkeit.

Nun war das schöne Fest bereit,

Angesetzt und besprochen,

Die blühenden vier Wochen,

Wo der viel süße Mai einzieht,

Bis daß er wieder von hinnen flieht,

Bei Tintayol auf grünem Plan,

Daß sich die Festgenossen sahn

Auf einer wonnevollen Au,

Wie sie kein Aug im Lenzesblau

Zuvor gesehen oder seit.

Die süße sanfte Maienzeit

Hatte an sie mit süßer Hand

Ihre süße Unmüßigkeit gewandt.

Da waren kleine Waldvögelein,

Die der Ohren Freude sollen sein,

Blumen und Blüthen, Gras und Kraut,

Und was das Auge gerne schaut,

Was edle Herzen erfreuen soll,

Deß war die Sommeraue voll.

Man fand da, was man wollte,

Was der Maie bringen sollte,

Den Schatten zu der Sonnen,

Die Linden bei dem Bronnen,

Die sanften linden Winde,

Die Marke's Hofgesinde

Höfisches Kosen brachten.

Die lichten Blumen lachten

Aus dem bethauten Grase.

Des Maien Freund, der grüne Rase,

Hatte aus Blumen sich gemacht

So wonnigliche Sommertracht,

Daß sie die lieben Gäste

Empfing mit eignem Feste.

Der Bäume Blust sah Jedermann,

Der süße, so süßlachend an,

Daß Herz und Muth, befangen ganz,

Sich an den lachenden Blüthenglanz

Mit spielenden Augen machte

Und ihm entgegen lachte.

Das holde Vogelgetöne,

Das selige, das schöne,

Dem Herzen und dem Sinne

Zu seligem Gewinne,

Erfüllte mit Freuden Berg und Thal.

Die wonnevolle Nachtigall,

Das liebe süße Vögelein,

Das immer soll gesegnet sein,

Da sang aus blühenden Zweigen

Mit solchem Lufterzeigen,

Daß manches Herz, manch edles Blut

Freude gewann und hohen Muth.

Da hatte die Gesellschaft sich

In hohen Freuden wonniglich

Gelagert auf das grüne Gras,

Wie eines Jeden Wille was,

Wie eines Jeglichen Begehr

Auf Freuden stund, darnach lag er:

Die Reichen waren gelagert reich,

Die Höfischen höfisch, Diese weich

Auf Polstern, unterm Seidenzelt,

Die unter Blumen im grünen Feld.

Die Linde gab ein gnüglich Dach,

Und Viele barg ihr Zeltgemach

Mit blättergrünen Aesten.

Von Hofgesind und Gästen

Hat keiner noch geherbergt nie

So wonniglich als bei Marke hie.

Auch war da Vorrath aller Art,

Was ziemt bei Festen, nicht gespart

Von den Speisen und edlen Gewanden

War alles da vorhanden,

Und Jeglicher nach Wunsch versehn;

Auch durfte Keiner leer ausgehn,

Denn König Mark nahm ihrer wahr

So reichlich, daß sie immerdar

Lebten reich und waren froh.

Nun erhob das schöne Fest sich so,

Und was der gerne sehende Mann

Zu sehen guten Muth gewann,

Das ließ die Hochzeit wohl geschehn;

Man sah hier, was man wollte sehn:

Diese kamen, zu sehn die Frauen,

Andre, um den Tanz zu schauen;

Der sah den Buhurt in voller Schaar,

Der sah tjostiren ein Ritterpaar.

Wozu nur Einen sein Wille trug,

Das fand er alles da genug;

Denn Alle, die da waren

In freudehaften Jahren,

Beflissen sich in die Wette,

Wer Freude brächt und hätte;

Und Marke dem guten,

Dem höfisch hochgemuthen,

Ohn andrer Frauen Lieblichkeit,

Die er an seinen Kranz gereiht,

War vor den Schönsten allen

Ein Wunder zugefallen,

Das war seine Schwester Blancheflur,

Ein Fräulein, daß auf keiner Flur

So schöne Rose war geboren.

Von ihrer Schönheit ward geschworen,

Sie sehe kein lebendiger Mann

Mit inniglichen Augen an,

Der nicht davon noch größre Minne

Zu Weib und Tugenden gewinne.

Die selige Augenweide,

Die machte auf der Haide

Munter und keck manch junges Blut,

Manch edles Herze hochgemuth.

Dazu war auf der Aue

Manch andre schöne Fraue,

Die waren alle werth zu minnen,

Der Schönheit reiche Königinnen,

Und ließen alles auf dem Plan

Freude und hohen Muth empfahn

Und machten fröhlich Herz und Sinn.

Darüber ging's zum Buhurt hin:

Die Werthesten und Besten

Von Hofgesind und Gästen,

Die ritten hier und dort zur Schaar;

Auch kam der werthe Marke dar

Und sein Geselle Riwalin

Nebst andrem Hofgesind um ihn,

Die wollten sich auch befleißen,

Sich also zu erweisen,

Daß es würdig der Märe

Und wohl zu loben wäre.

Auch waren Rosse zur Stelle,

Bedeckt mit Zendel und Pfelle,

Die Decken gemacht mit großem Fleiß,

Manche Schabrake schneeig weiß,

Viele von rothen, andre von blauen,

Gelb, braun, grünen Farben zu schauen,

Diese von edler Seide gemacht,

Jene geschlitzt mit mancherlei Pracht,

Bunt gewirkt und parriret,

So und so gefeitiret.

Die Ritterschaft kam auf den Plan,

Mit reichen Kleidern angethan,

Die waren geschlitzt mit großer Zier.

Auch ließ der Sommer schauen hier,

Daß er auf Marke's Seite sei:

Der wonnigen Kränzlein mancherlei

Von Blumen sah man bei der Schaar:

Die brachte er ihm zur Steuer dar.

In diesem herrlichen Lenzesdampf

Erhob sich herrlicher Ritterkampf:

Die waren an einander sehr

Und drängten sich allstets hin und her

Und trieben das so lange fort,

Bis sich der Buhurt zog zum Ort,

Wo Blancheflur im Freien,

Die Wunder-Ros' im Maien,

Dazu manch andre schöne Frau

Im Kreise saßen auf der Schau;

Denn diese ritten so ehrenreich,

So ritterlich, so kaisergleich,

Daß es mit Lust manch Auge sah.

Das Beste, was jedoch geschah,

Das that der höfische Riwalin,

Der auch fürwahr erlesen schien,

Daß er an dem Ort und Tage

Den Kranz vor Allen trage.

Auch nahmen sein die Frauen wahr

Und sagten, daß in der ganzen Schaar

Niemand nach Rittersitte

So leicht und trefflich ritte,

Und lobten alle seine Zier.

»Seht,« sprachen sie, »der Jüngling hier,

Der ist ein wonnevoller Mann:

Wie wonnig steht ihm alles an,

Wie er sich trägt, wie er sich hält!

Wie ist sein Leib nach Wunsch bestellt!

Wie reimen so vollkommen sich

Die edlen Beine königlich!

Wie fest sein Schild zu aller Zeit

An seiner Stelle liegt im Streit!

Der Schaft, wie edel in seiner Hand!

Wie wohl steht ihm all sein Gewand!

Sein Haupt, sein Haar, wie wonnereich!

All seine Gebärden, wie engelgleich!

Wie minniglich sein ganzer Leib!

O immer wohl dem seligen Weib,

Das Freude an ihm erleben soll!« –

Nun merkte ihr Aller Sinn gar wohl

Blancheflur die gute,

Der er in ihrem Muthe

So gut als ihnen Allen,

Der werthe Mann, gefallen.

Sie hatte ihn in ihr Aug genommen,

Er war ihr in ihr Herze kommen;

Das blieb als Königreich fortan

Dem Gewaltigen unterthan;

Er saß mit Scepter und Krone

Auf ihres Herzens Throne,

Nur daß sie es so stille trieb,

Daß es geheim vor Allen blieb.

Als nun vorbei der Buhurt war,

Auseinander ging die Ritterschaar

Und Jeglicher sich wandte,

Wohin sein Herz ihn sandte,

Da kam es, daß von ungefähr

Das Roß trug Riwalinen her,

Wo Blancheflur die schöne saß.

Gleich sprengt er näher durch das Gras,

Und als er ihr in die Augen sah,

Den Gottesgruß entbot er da:

»A, Deus vus sal la bele.« –

»Merzi,« dit la Puzele.

»Dank!« sprach sie und fuhr schamhaft fort:

»Der reiche Gott im Himmel dort,

Der alle Herzen macht froh und reich,

Der reiche Euch Herz und Muth zugleich!

Gar tiefen Dank für den Willkommen,

Und aber des Rechtes unbenommen,

Das ich an Euch zu fordern han.« –

»Ach, Süße, was han ich gethan?«

Sprach Riwalin dagegen fein. –

Sie sprach: »An einem Freunde mein,

Dem besten, den ich je gewann,

Habt Ihr mir Leides angethan.« –

Ja, Herre, dachte er bei sich,

Was Märe ist dies? und was han ich

Gethan wider ihre Hulden?

Was gibt sie mir zu Schulden?

Er wähnte, ob er irgendwen

Der Ihren, Diesen oder Den,

Unwissend an der Ritterschaft

Geschädigt durch des Armes Kraft,

Davon ihr Herz voll Schwere

Und ihm entrüstet wäre.

O nein, der Freund, nach dem sie frug,

Das war ihr Herz, in dem sie trug

Von seinen Schulden Ungemach;

Das war der Freund, von dem sie sprach;

Doch nicht verstand der Ritter sie,

Und mit gewohnter Courtoisie

Sprach er gar minniglich zu ihr:

»Schöne, ich will nicht, daß Ihr mir

Haß oder argen Willen traget;

Drum, ist es wahr, was Ihr mir saget,

So richtet selber über mich:

Was Ihr gebietet, das thu ich.« –

Die Süße sprach: »Ob dieser Mär

Hasse ich Euch nicht allzu sehr;

Auch will ich Euch drum nicht Minne geloben.

Ich will Euch aber baß erproben,

Was ich für Buße soll empfahn

Für das, was Ihr mir habt gethan.«

Da neigt er sich und wollte gehn;

Die Schöne, wie sie das gesehn,

Seufzt ihn gar heimlich an und sprach

Aus inniglichem Herzen: »Ach,

Herzlieber Freund, Gott segne dich.« –

Da erst begann es wissentlich

Zu werden in der Beiden Sinn.

Der junge Ritter ging dahin,

Der sich Gedanken machte

Und viel im Herzen dachte,

Was Blancheflurens Schwere

Und diese Märe wäre.

Den Gruß und alles, was sie sprach,

Den Segen und das viel süße Ach,

All ihre Gebärden sah er an,

Bis er so nach und nach begann

Den Seufzer und den holden Segen

Wohl auf der Minne Weg zu legen.

Fürwahr, ihm kam die Zuversicht,

Die zwei, die seien anders nicht

Erzeugt, als nur durch Minne.

Das entzündt auch seine Sinne,

Daß sie hinwieder fuhren

Und nahmen Blanchefluren

Und führten die alsbald mit zu Hand

In Riwalinens Herzensland

Und kröneten sie ihm darin

Mit Kron und Scepter zur Königin.

Ja, Blancheflur und Riwalin,

Der König, die süße Königin,

Die theilten unter sich wohl gleich

Der Herzen zwiefach Königreich:

Das ihre ließ sie Riwalinen,

Dagegen mußt ihr das seine dienen,

Und wußte doch ihrer Keines nicht

Von des Andern Dienst und Lehenspflicht.

So hatte sich das sehnende Paar

Einmüthiglich und recht fürwahr

Mit Herz und Sinn in Eins verbunden:

Da hat wohl Recht sein Recht gefunden.

Sie lag ihm auch im Herzen

Und mit denselben Schmerzen,

Die sie um seinetwillen trug.

Nun aber er noch nicht genug

Von ihrem Sinne war belehrt,

Nicht wußte, wovon sie war beschwert,

Von Haß oder aber Minne,

Das machte seine Sinne

Noch stets in Zweifel schwanken:

Er schwankte mit Gedanken

Bald auf, bald ab, bald hin, bald her.

Jetzt wollt er von dannen, in Sorgen schwer,

Und auf einmal wollte er wieder dar,

Bis daß er gar verfangen war

In seiner Gedanken Schlingen

Und konnte nimmer entspringen.

Der herzenskranke Riwalin

Erwies wohl an sich selbst hierin,

Daß der sehnende Liebesmuth

Recht wie der freie Vogel thut,

Der in der Freiheit sich ergötzt,

Auf den geleimten Zweig sich setzt:

Wird er des Leimes innen,

So will er wieder von hinnen,

Da klebt er mit den Füßen schon,

Nun regt er die Federn und will davon;

Doch wo er nur berührt das Reis,

Wenn noch so fern, wenn noch so leis,

Da ist er gebunden, ist in Haft;

So schlägt er denn mit aller Kraft

Her und hin, und hin und her,

Bis er mit seiner Gegenwehr

Sich gar am Ende selbst besiegt

Und festgeleimt am Zweige liegt.

Recht in derselben Weise thut

Der unbezwungene Jugendmuth

In sehnender Gedanken Haft,

Wenn Liebe an ihm ihr Wunder schafft

Mit minniglichem Schmerze

Da will das gefangene Herze

Zu seiner Freiheit wieder,

Doch zieht's die Süße nieder

Der verstrickenden Minne.

Da verwirrt es sich darinne

So mächtig, daß es sich aus dem Bann

Sich so, noch so befreien kann.

Und also ließ sich Riwalin

Von seinen Gedanken hinüberziehn

Und verwirren in der Minne

Zu seiner Königinne.

Ihn hatte die Verworrenheit

In wunderlichem Trug entzweit:

Er wußte nicht, ob ihm ihr Muth

Gesinnt war übel oder gut,

Noch immer war es ihm nicht klar,

Ob Haß ihr Sinn, ob Liebe war.

Er konnte nicht Trost noch Zweifel sehen,

Das ließ ihn nicht bleiben, ließ ihn nicht gehen.

Trost und Zweifel führten ihn

Ohne Ende her und hin:

Trost sagt ihm Minne, Zweifel Haß,

Und dieser Streit macht ihn so laß,

Daß er mit gänzlichem Vertrauen

Auf ihrer keines wollte bauen,

Auf Haß, noch auch auf Minne.

So gingen seine Sinne

In dunkler Schwebe hin und wieder:

Trost zog ihn auf, und Zweifel nieder.

Er fand nichts Stetes an den zwei Dingen,

Sie wollten nicht zusammen klingen:

So Zweifel kam und that ihm kund,

Ihn hasse Blancheflur, zur Stund

Wankt er zurück und wollte fliehn.

Alsbald kam Trost und trug für ihn

Ihr Herz und einen lieben Wahn:

Da war es um die Flucht gethan.

Er wußte nicht, nach welchen Enden,

Nicht hier, nicht dahin sich zu wenden.

Je mehr er rang, davonzueilen,

Je mehr ihn Minne zwang, zu weilen;

Je stärker er von hinnen flog,

Je fester ihn Minne rückwärts zog.

So spielte sie mit ihm viel und lang,

Bis doch der Trost den Sieg errang:

Bis er den Zweifel gar vertrieb

Und Riwalin versichert blieb

Von Blancheflurens Minne:

Da waren Herz und Sinne

Einmüthiglich auf sie gewandt,

Und galt hinfort kein Widerstand.

Nun, daß die Minne mit süßem Schmerz

Seine Sinne, sein junges Herz

Zu ihrem Willen ganz gewandt,

Das war ihm doch noch unbekannt,

Welch wehevolle Märe

Herzliche Liebe wäre.

Da er nun ganz von Anbeginn,

Wie es mit seiner Königin

Ergangen war, betrachtete

Und wohl auf alles achtete,

Mund, Wange, Kinn und Stirn und Haar

Und Schläfe sich wieder stellte dar,

Den freudereichen Ostertag,

Der lachend in ihren Augen lag,

Da nahm ihn wahre Minne hin,

Die echte Feuerzünderin,

Die stieß ihr Sehnefeuer an,

Das Feuer, davon sein Herz entbrann,

Das seinem Leben zur selben Stund

Offenbarlich machte kund,

Was herzdrückende Schwere

Und sehnende Sorge wäre:

Denn er trat in ein ander Leben,

Ein neues Leben ward ihm gegeben.

Er wandelte, da ihm's geoffenbart,

Seine Sinnen und seine Art

Und war von Grund ein andrer Mann;

Denn alles, was er jetzt begann,

Da war ein wunderliches Wesen

Und Blindheit viel darin zu lesen.

Die angebornen Sinne,

Die waren von der Minne

So wild und unstet, so verkehrt,

Wie es sein Uebermuth begehrt.

An seinem Leben fraß das Leid:

Von rechter Herzensfröhlichkeit,

Der er sich sonst doch gern ergeben,

Zog er sich ab mit Widerstreben.

Schweigen, traurig und einsam sein,

War seines Lebens Brod und Wein,

Seit sein ganzes Gemüthe

In sehnenden Nöthen glühte.

So auch entging der sehnlichen Pflicht

Die sehnende weiße Rose nicht;

Die war auch mit demselben Schaden

Durch ihn, wie er durch sie, beladen.

Die Gewalthaberin Minne

War auch in ihre Spinne

Gar unversehn mit Sturm gekommen

Und hatte ihr mit Gewalt genommen

Den besten Theil von ihrer Ruh.

Sie war wie umgetauscht im Nu,

War weder sich selber noch der Welt

Nach ihrer alten Art gesellt:

Was ihr von Freuden wohl eh gefiel,

Was sie erkor zu Schimpf und Spiel,

Das war ihr alles ungenehm.

Ihr Leben fügte sich nur nach dem,

Wie ihr die Noth zuwog den Tag,

Die schwer auf ihrem Herzen lag;

Und alles, was sie leiden mußte,

Das litt sie, ohne daß sie wußte,

Woher dieß sehnliche Wehe kam,

Von dem sie nie zuvor vernahm,

Was sogethane Schwere

Und Herzenssorge wäre;

Und sprach gar oft und viel bei sich:

»O weh, Gott Herre, wie lebe ich!

Wie und was ist mir denn geschehen?

Ich habe doch manchen Mann gesehen,

Von dem mir nie kein Leid geschah;

Und seit ich diesen Mann ersah,

Seit ward mein Herz doch nimmermehr

So frei noch fröhlich wie vorher.

Dies Sehen, das mir hier geschehn,

Wär's lieber blieben ungesehn!

Es hat mir schweres Leid gesandt.

Mein Herz, das keine Noth gekannt,

Das ist davon versehret;

Es hat mich ganz verkehret

Dies Sehen an Muth und Leibe.

Sollte jeglichem Weibe,

Wenn sie ihn höret oder sieht,

Geschehen, so wie mir geschieht,

Und ist ihm solches angeboren,

So geht durch ihn viel Huld verloren

Und lebt er nutzlos als ein Mann.

Wofern er aber zaubern kann

Und hat durch seine Wissenschaft

Dies fremde Wunder mir geschafft

Und diese wunderliche Noth,

So wär er ja viel besser todt,

Und sollt ein Weib ihn nimmer sehn.

Um Gott, wie ist mir von ihm geschehn

So bitter Leid und Wehe!

Ich sah doch wahrlich ehe

Noch ihn, noch irgend einen Mann

Niemals mit feindlichen Augen an

Und hab auch Niemand je gehaßt:

Womit verschuld ich nun die Last,

Daß mir von Jemand Leid geschehe,

Auf den ich mit Freundes Augen sehe?

Was schelte ich aber den guten Mann?

Er ist wohl gar unschuldig dran:

Was ich von ihm und seinetwegen

Mag Herzenssorgen nehmen und hegen,

Das ist, Gott weiß, zu allermeist

Was mich mein eignes Herze heißt.

Ich sah bei ihm noch manchen Mann:

Was kann er dafür, daß er's gewann,

Daß vor den Andern allen

Mein Sinn auf ihn gefallen?

Da ich so manches edle Weib

Von seinem kaiserlichen Leib

Und seinem ritterlichen Preis

Lobreden hörte, laut und leis,

Als wie ein Ball wird umgeschlagen,

Und alles von seinem Ruhme sagen,

Auch jede Tugend, die man pries,

Mein eignes Auge mich sehen ließ,

Und als ich so ins Herze faßte,

Was an ihm war von Glanz und Glaste,

Damit verlor ich Sinn und Ruh,

Und hiemit fiel mein Herz ihm zu.

Fürwahr, das hat mich blind gemacht,

Das war der Zauber, durch dessen Macht

Ich mein so gar vergaß im Wahn.

Er hat mir Leides nichts gethan,

Der liebe Mann, von dem ich klage,

Den ich mit Klagen im Munde trage.

Mein kindisch meisterloser Muth,

Der ist es, der mir Leides thut,

Der ist's, der meinen Schaden will:

Er will, und will doch allzu viel,

Was er nicht wollen sollte,

Wenn er bedenken wollte,

Was Fug und Ehre schreiben vor.

Nun aber sieht der blinde Thor

Nur seinen eignen Willen an

In diesem wonnevollen Mann,

Auf den er in so kurzer Frist

So ganz und gar gefallen ist.

Und so mir Gott, ich wähne wohl,

Wenn ich's mit Ehren wähnen soll,

Und soll mich nicht der Rede grämen

Und meines magdlichen Namens schämen,

So dünkt mich, daß die Herzensklage,

Die ich durch ihn im Herzen trage,

Nichts andres sei als Minne.

Dieß werd ich daran inne,

Daß ich so gerne bei ihm wär;

Und wie es auch steh um diese Mär,

Es erwächst mir etwas Neues hier,

Das spricht von Minne und Mann zu mir.

Denn was ich all mein Lebenlang

Von Frauen, welche Minne zwang,

Und von der Liebe je vernommen,

Das ist mir an mein Herze kommen:

Der süße Herzensschmerze,

Der manches edle Herze

Peinigt mit süßen Schmerzen,

Der liegt in meinem Herzen.«

Nun, daß die Höfische, Gute

Mit ganzem Sinn und Muthe

In ihrem Herzen versichert war,

So wie die Minnenden alle zwar,

Daß ihr Geselle Riwalin

Zur Herzenslust ihr sei verliehn,

Daß er ihr Trost sei und ihr Leben,

Begann sie die Augen auf ihn zu heben,

Sah auf ihn, wo sie ihn konnte sehn,

Und wo es die Sitte ließ geschehn,

Ersah sie, wie sie ihn grüße

Mit Blicken gar still und süße.

Mit sehnlichen Augenstrahlen

Sah sie ihn oftermalen

Gar minniglich und gar lange an.

Da aber das der minnende Mann,

Ihr Freund, begunte zu merken,

Da begunte ihn erst zu stärken

Minne und Trost, der ihm sprach von ihr;

Da erst entbrann seine Herzensgier,

Nun sah er sie, die ihm's angethan,

Kühnlicher stets und süßer an,

Wie er sie niemals angesehn;

Und ließ es Zeit und Ort geschehn,

So grüßte auch er mit Augen dar.

Als aber die Schöne ward gewahr,

Daß er sie meinte, wie sie ihn,

Da war ihr ganzer Kummer hin:

Sie hatte immer gewähnt, daß er

Gegen sie habe kein Begehr;

Nun aber erkannte sie, daß sein Muth

So innig stand zu ihr, so gut,

Wie Lieb zum Liebe stehen soll.

An ihr erkannt er das Gleiche wohl,

Und das entzündet ihr Beider Begehr,

Davon begunten sie hin und her

Zu meinen sich und zu minnen

Mit herzinnigen Sinnen.

Da ging es ihnen recht, wie man spricht:

Wenn Lieb in Liebes Auge sicht,

Das ist dem Minnefeuer

Eine wachsende Steuer.

Nun Markes Fest zu Ende kam,

Der Adel seinen Abschied nahm,

Da hörte Mark die Märe,

Wie daß ein König wäre,

Sein Feind, geritten in sein Land

Mit so gewaltiglicher Hand,

Daß, wo er ihn nicht dämpfe zur Stund,

So richte der ihm das Reich zu Grund,

So weit er's überreite.

Da ging's aufs Schierste zum Streite,

Und Mark besandte ein großes Heer

Und trat ihn an mit starker Wehr

Und kämpfte, bis er den Sieg gewann,

Und schlug und fing so manchen Mann,

Daß, wer entkam ungeschlagen,

Der konnte von Wunder sagen.

Da fiel der edle Riwalin

Von einem Speer getroffen hin;

Er war durchstochen und so wund,

Daß ihn die Seinen zur selben Stund

Mit großem Jammer, bittrer Noth

Wegführten aus dem Kampf halbtodt,

Gen Tintayol ihn brachten wieder

Und legten ihn da todtwund nieder.

Alsbald erscholl die Märe,

Kanelengres, der wäre

Verwundet und im Streit erschlagen:

Das gab ein jammervolles Klagen

Am Hof und in dem ganzen Land.

Wem seine Tugend war bekannt,

Dem war sein Tod von Herzen leid.

Sie klagten, daß solche Trefflichkeit,

So schöner Leib, so süße Jugend,

So vielgelobte Herrentugend

So schnelle sollt an ihm vergehn

Und ein so frühes Ende sehn.

Sein Freund, der werthe König Mark,

Beklagte seinen Tod so stark,

Daß er noch nie um keinen Mann

So schmerzensvolle Klage begann.

Ihn beweinte manches edle Weib,

Viel Frauen klagten um seinen Leib;

Und wer ihn je zuvor gesehn,

Den erbarmete, was ihm geschehn.

Doch wem dies Leid am nächsten ging,

Als man die Schreckenskunde empfing,

Das war vor allen Eine,

War Blancheflur, die Reine,

Die Höfische, die Gute,

Die in getreuem Muthe

Mit Augen und mit Herzen

Ihres Herzliebsten Schmerzen

Beklagte dar und immerdar;

Und wo sie nur alleine war

Und ihrem Jammer Zeit gewann,

Da griff sie sich mit Händen an,

Da führte sie wohl manchen Schlag

Dahin, dahin, wo ihr Wehe lag,

Da, wo das Herz entgegenschlug,

Da schlug die Schöne sich wohl genug.

So quälte das viel süße Weib

Den jungen schönen süßen Leib

Mit also klagevoller Noth,

Daß sie jedweden andern Tod,

Der nicht von Minne wäre kommen,

Für ihr Leben hätte genommen.

Sie wäre gar verdorben

Und in dem Leid erstorben,

Nur daß ein Trost sie leben hieß,

Eine Hoffnung sie nicht sinken ließ:

Sie wollte durchaus den Wunden sehn,

Auf welche Art es möchte geschehn,

Und wenn sie ihn nur sähe,

Was ihr hernach geschähe,

Das wollte sie leiden williglich.

Mit diesem Trost erhielt sie sich,

Bis daß sie wieder zu Sinnen kam

Und in Gedanken unternahm,

Ihrem Leide zum Frommen,

Wie sie möchte zum Liebsten kommen.

Da kam ihr etwas in den Sinn:

Sie hatte eine Meisterin,

Die sie alle Zeit und alle Wege

Behielt in ihrer Lehr und Pflege

Und ließ sie kaum aus den Augen fort;

Die nahm sie heimlich an einen Ort,

Wo Niemand war als nur sie Beide,

Da hub sie an von ihrem Leide,

Wie sie immer thaten und noch thun,

Aus welchen solche Schmerzen ruhn.

Ihre Augen überwallten,

Sie konnte die Thränen nicht halten,

Die fielen heiß und bange

Ueber die lichte Wange;

Sie hatte die Hände verschlungen

Und hielt sie flehend gerungen.

»Mein Herz und mein Leben!« rief sie und sprach:

»Ach,« sprach sie, »mein Herz und mein Leben, ach!

Ach, du herzliebe Meisterin,

Nun zeige mir deinen treuen Sinn,

Der groß und herrlich in dir ist:

Und nun du so auserlesen bist,

Daß all mein Rath, mein einzig Gut

Einzig auf deinem Rathe ruht,

So klage ich dir mein Herzeleid

Auf alle deine Seligkeit:

Hilfst du mir nicht, so bin ich todt.« –

»Nun, Fraue, was ist Eure Noth

Und Euer jämmerliches Klagen?« –

»Ei, Traute, und darf ich dir's denn sagen?« –

»Ja, liebe Fraue, sprechet an.« –

»Mich tödtet dieser todte Mann,

Der von Parmenien, Riwalin;

Gern, wenn ich könnte, säh ich ihn,