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IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

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© 2012 by Robyn Grady
Originaltitel: „Losing Control“
erschienen bei: Harlequin Books, Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1887 - 2015 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Johanna Lewes

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733721350

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Sämtliche Blicke richteten sich auf die Tür, und die Gespräche im Raum verstummten, als Cole Hunter hereinplatzte und mit düsterer Miene das Büro durchquerte. Er hasste es, wenn man ihm Informationen vorenthielt, vor allem, wenn es dabei um den Menschen ging, für den er am meisten Respekt auf der Welt empfand.

Früher war Coles Vater ein mächtiger Unternehmer gewesen, eine Führungspersönlichkeit, die man bewunderte und nicht selten fürchtete. In letzter Zeit war Guthrie Hunter jedoch weich geworden, und die Verantwortung für die Leitung von Hunter Enterprises lag nun fast vollständig auf Coles Schultern. Als Ältester von vier Geschwistern war er derjenige, auf den sich die Familie in Krisenzeiten verlassen konnte. Dabei spielte es keine Rolle, ob sich die betreffende Krise vor Ort in Sydney oder in einer der Hunter-Niederlassungen in Los Angeles oder New York City ereignete.

An das Drama in Seattle wollte Cole gar nicht erst denken.

Die persönliche Assistentin seines Vaters fuhr erschrocken in die Höhe, doch als sie den eisigen Blick sah, den Cole ihr zuwarf, sank sie wieder auf ihren Stuhl zurück. Wütend marschierte Cole auf die massiven Türen zu, die mit dem geschwungenen Firmenlogo von Hunter Enterprises verziert waren und zum Büro seines Vaters führten. Wie zum Teufel sollte er dafür sorgen, dass alles wie am Schnürchen lief, wenn man ihn nicht auf dem neusten Stand hielt? Verdammt! Er konnte schließlich keine Probleme lösen, von denen er gar nichts wusste!

Cole stieß die Türen auf. Als er sie hinter sich schließen wollte, bemerkte er erst die drei Besucher, die im Vorzimmer bei der Sekretärin gewartet hatten, und die ihn nun überrascht anstarrten. Eine Frau mit großen, blauen Augen und hellblondem Haar, das in seidigen Wellen ihr Gesicht umrahmte, schaute ihm direkt in die Augen. Coles rasender Puls geriet für ein paar Takte ins Stocken. Bei der Arbeit in der TV-Branche begegnete man tagtäglich schönen Frauen. Echte Star-Qualitäten waren jedoch selten, aber diese Frau besaß sie im Überfluss. Cole vermutete, dass sie für eine Show vorsprechen wollte. Vermutlich ein wichtiges Projekt, wenn sein Vater sie höchstpersönlich interviewen würde.

Noch etwas, von dem er nichts mitbekommen hatte.

Mit grimmiger Miene knallte Cole die Tür hinter sich zu und warf dann einen aufgebrachten Blick auf den Mann mit den silbergrauen Haaren, der seelenruhig hinter seinem polierten Hartholzschreibtisch saß und telefonierte. Cole wusste aus sicherer Quelle, dass keine drei Stunden zuvor jemand zum zweiten Mal versucht hatte, seinen Vater umzubringen. Guthrie hatte sich vermutlich schon gefragt, was seinen Erstgeborenen so lange aufgehalten hatte.

Cole blieb in der Mitte des riesigen Büros stehen und stemmte zornig die Fäuste in die Seiten. „Wer auch immer für diese Sache verantwortlich ist, wird das Gefängnis erst wieder verlassen, wenn die Hölle zugefroren ist.“ Cole schnürte es plötzlich die Kehle zu, und er ließ die Fäuste sinken. „Verdammt, Dad, es sind Schüsse gefallen. Dieser Typ wird so schnell nicht aufgeben.“

Guthrie Hunter murmelte etwas in den Hörer und legte auf. Er musterte seinen Sohn und hob dann das glattrasierte Kinn ein paar Zentimeter höher. „Ich habe alles unter Kontrolle.“

„So wie vor einem Monat, als dich jemand von der Straße abgedrängt hat?“

„Die Polizei ist zu dem Schluss gekommen, dass es ein Unfall war.“

Cole verdrehte ungeduldig die Augen. „Die Nummernschilder stammten von einem gestohlenen Wagen.“

„Das bedeutet nicht, dass mich bei dem Unfall jemand umbringen wollte.“

„Ich sage dir, was es bedeutet: Du bekommst Leibwächter, bis diese Sache geklärt ist. Und ich will keine Widerrede hören.“

Als Cole bei diesen Worten auch noch drohend den Zeigefinger hob, war es mit Guthries Gelassenheit vorbei. Der Zweiundsechzigjährige erhob sich mit der Energie eines mindestens dreißig Jahre jüngeren Mannes. Cole ließ sich nicht so leicht einschüchtern, doch sein alter Herr offenbar genauso wenig.

„Es wird dich freuen zu hören, dass ich schon einen Bodyguard angeheuert habe“, verkündete Guthrie. „Er arbeitet gleichzeitig als Privatdetektiv.“

Nach dieser Neuigkeit versuchte Cole, sein hitziges Temperament ein paar Grade herunterzukühlen. „Warum hast du mir nicht direkt Bescheid gegeben?“

„Junge, ich bin gerade erst reingekommen.“ Der Ältere ging um den Schreibtisch herum und legte eine feste Hand auf Coles Oberarm. „Du hast schon genug um die Ohren. Wie ich schon sagte: Ich habe alles unter Kontrolle.“

Cole verzog das Gesicht. Sein Vater machte sich etwas vor.

Vor vier Jahren hatte sich Guthrie Hunter einer Bypass-Operation unterzogen, und nach Coles dreißigstem Geburtstag war das Familienunternehmen schließlich aufgeteilt worden. Seitdem leitete jeder der drei Söhne aus Guthries erster Ehe einen eigenen Geschäftszweig. Cole kümmerte sich in Sydney um die australischen Privatsender und Free-TV-Stationen. Dex, der mittlere Sohn, steuerte in Los Angeles die Filmsparte des Unternehmens, wenn er nicht gerade den Frauen nachjagte. Und der ehrgeizige Wynn leitete als jüngster Bruder von New York aus die Printmedien. Coles Schwester Teagan lebte im Bundesstaat Washington und ging dort ihren eigenen Interessen nach.

Anfangs hatte sich Cole darüber aufgeregt, dass seine Schwester sich als Papas Liebling ihrer Verantwortung entzog und sich weigerte, bei der Leitung der Firma zu helfen. Schließlich hatte Hunter Enterprises immer gut für sie alle gesorgt …

Nun ja, fair betrachtet hatten die drei Brüder alle leitenden Posten besetzt, und für Teagan wäre nur eine untergeordnete Position übriggeblieben. Außerdem war Cole insgeheim ganz froh, dass seine temperamentvolle Schwester beschlossen hatte, nicht mitzumischen. Schließlich hatte er mit den manchmal fragwürdigen geschäftlichen und privaten Entscheidungen seiner beiden Brüder schon genug zu tun.

Natürlich liebte Cole seine Geschwister, und daran würde sich nie etwas ändern. Ihre wunderbare Mutter hatte ihnen eine liebevolle Kindheit beschert, und sie waren als verschworene Gemeinschaft aufgewachsen. Doch dank der Klatschpresse und des Internets wusste die ganze Welt über die Zwistigkeiten zwischen ihnen Bescheid, was die auf mehrere Schultern verteilte Leitung eines solch großen Unternehmens nur noch schwieriger machte. Wegen Dex’ Maßlosigkeit und Wynns Übereifer hatte der Ruf der Firma zuletzt gelitten. Cole war nun entschlossen, zugunsten der Firma die Leitung von ganz Hunter Enterprises zu übernehmen, auch wenn es ihn umbrachte.

Guthrie Hunter wollte, dass seine Kinder ihre Streitigkeiten beilegten. Doch er hatte ein zweites Mal geheiratet, und die Verbindung mit dieser äußerst berechnenden Frau machte es beinah unmöglich, den Anschein einer glücklichen Familie aufrechtzuerhalten, fand Cole. Er trat ans Fenster und schaute hinaus auf den Hafen von Sydney. „Es würde mich freuen, wenn ich Brandon Powell bitten könnte, eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung für dich zu arrangieren“, erklärte er seinem Vater.

„Ich weiß, dass du seit Jahren sehr gut mit Brandon befreundet bist, und dass seine Sicherheitsfirma die beste ist. Ich habe auch schon darüber nachgedacht, aber ich brauche ehrlich gesagt jemanden, zu dem wir nur eine rein geschäftliche Beziehung haben.“

Cole drehte sich abrupt um. „Was willst du damit andeuten?“

„Ich will nur andeuten, dass du von Brandon verlangen würdest, dir ganz genau zu erzählen, was ich tue und was sich unter meinem Dach abspielt. Und das kommt nicht infrage. Ich weiß, du hältst nicht viel von Eloise, aber …“ Guthries grimmige Miene entspannte sich ein wenig. Er war dieses Streitthemas überdrüssig und seufzte. „Cole, meine Frau macht mich glücklich.“

„So glücklich, wie unsere Mutter dich gemacht hat?“

„So glücklich, wie dich hoffentlich eines Tages die Person machen wird, die dir wirklich etwas bedeutet.“

Cole ignorierte geflissentlich das Glänzen in den Augen seines Vaters und das unangenehm beklemmende Gefühl in der eigenen Brust. Er wandte sich zum Gehen. Lust und Liebe waren zwei völlig verschiedene Gefühle. Ein Mann im Alter seines Vaters sollte das eigentlich wissen.

Er stieß die Türen zum Vorzimmer auf und sah sich prompt wieder der Blondine mit den Star-Qualitäten gegenüber, deren lange Beine und sinnliche Lippen ihn erneut in ihren Bann zogen. Welcher Mann im Vollbesitz seiner körperlichen Kräfte würde sich die Chance entgehen lassen, diese wunderbaren Kurven näher zu erkunden? Doch solche Gelüste waren rein sexueller Natur.

Cole hoffte, eines Tages die richtige Frau für sich zu finden. Jemanden, der als Mutter seiner Kinder infrage kam. Jemanden, den er respektieren konnte und der ihm den gleichen Respekt entgegenbrachte. Seine Stiefmutter wusste nicht einmal, was das Wort bedeutete. Es würde ihn nicht überraschen, wenn Eloise sogar hinter den Anschlägen steckte. Trotz der Entscheidung seines Vaters hatte Cole fest vor, Brandon Powell einzubinden.

„Ich sehe, du hast unsere neue Produzentin Taryn Quinn bereits kennengelernt.“

Die Stimme seines Vaters riss Cole aus seinen Gedanken, und er bemerkte, dass er Miss Blauauge immer noch anstarrte. Guthrie, der hinter ihm aufgetaucht war, musterte ihn mit einer Mischung aus Belustigung und Verständnis.

Cole stutzte. Sie war Produzentin? Sie stand hinter und nicht vor der Kamera?

Er musterte die Frau noch einmal genauer und spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Er räusperte sich. Ob nun Produzentin oder talentierte Schauspielerin, sie würde sich mit einem kurzen Hallo begnügen müssen. Er hatte im Anschluss ein Meeting und musste noch wichtige Unterlagen durchsehen.

„Nett, Sie kennenzulernen, Miss Quinn“, murmelte Cole und machte Anstalten, zu gehen. Doch sie hatte sich bereits erhoben und streckte ihm eine schmale Hand entgegen. Sie lächelte ihn an, und das Glitzern in ihren Augen wurde noch intensiver und verführerischer. Cole konnte nicht abstreiten, dass ihm ihr Lächeln durch und durch ging.

„Sie müssen Cole Hunter sein“, sagte sie, als seine Finger sich um ihre Hand schlossen. In diesem Moment spürte er ein warmes Prickeln, wie einen leichten elektrischen Schlag, das ihm bis in den Arm hinaufschoss, und er musste trotz seiner schlechten Laune ebenfalls lächeln.

Nun, er würde wohl doch einen Moment für sie erübrigen können. „Sie sind also Produzentin, Miss Quinn?“

„Für eine Sendung, die ich letzte Woche genehmigt habe“, mischte sich sein Vater ein. „Ich hatte noch keine Gelegenheit, mit dir darüber zu sprechen.“

„Welche Art von Sendung?“, fragte Cole.

„Eine Reiseshow“, antwortete Taryn Quinn.

Aus den Augenwinkeln bemerkte Cole, dass Guthrie mit dem Armband seiner Platinuhr herumspielte. Das tat er immer, wenn er sich unwohl fühlte. In diesem Moment hatte sein Vater auch allen Grund dazu. Die letzte Reiseshow, die Hunter Broadcasting gestartet hatte, war einen schnellen und verdienten Tod gestorben. Falls man den Zuschauern in diesen schlechten wirtschaftlichen Zeiten noch eine TV-Show mit exotischen Reisezielen verkaufen wollte, musste man sich schon jede Woche etwas ganz Besonderes einfallen lassen.

Dazu kamen die exorbitanten Produktionsbudgets. Man konnte die Kosten zwar durch Sponsoren finanzieren, doch wegen der globalen Finanzkrise waren solche Partnerschaften immer sehr knapp kalkuliert. Cole hätte Miss Quinns Idee trotz ihrer unübersehbaren Anziehungskraft ganz schnell abgelehnt.

Noch so eine Sache, die er in Ordnung bringen musste.

„Mr Hunter, Sie wollten doch informiert werden, sobald sich Rod Walker gemeldet hat“, unterbrach Guthries Assistentin Coles Überlegungen.

Guthrie kehrte in sein Büro zurück, drehte sich aber noch einmal im Türrahmen um. „Taryn, ich komme vorbei, sobald ich Zeit habe. Bis dahin …“ Er wandte sich an seinen Sohn. „Cole, ich habe Miss Quinn das Büro neben Roman Lyons gegeben. Sei doch so nett …“

Cole schob wütend die Hände in die Hosentaschen. „Ich habe ein Meeting!“

„Kümmere dich zuerst darum, dass Taryn alles hat, was sie braucht.“ Guthries Miene blieb gleichbleibend freundlich, doch seine Stimme nahm einen harten Unterton an, den Cole nur zu gut kannte. „Dein Meeting kann warten.“

Taryn Quinn lächelte Guthrie Hunter dankbar an und wandte sich dann seinem attraktiven Sohn zu, der es, was sein Aussehen betraf, mit jedem Hollywood-Star aufnehmen konnte. Sie bemühte sich um eine ausdruckslose Miene, während ihr das Herz bis zum Hals schlug. Die Frauen mussten Cole Hunter in Scharen zu Füßen liegen.

„Ihr Vater ist ein fürsorglicher Mann“, sagte sie, „aber wenn Sie beschäftigt sind, lassen Sie sich bitte von mir nicht aufhalten.“

Mit diesen Worten nahm sie wieder Platz, schlug die Beine übereinander und griff nach ihrer Zeitschrift. Cole blieb jedoch wie angewurzelt stehen, und Taryn begann sich zu fragen, ob er von ihr einen Knicks erwartet hatte.

Langsam hob sie den Blick von den Seiten ihres Magazins.

„Ich kann mein Meeting nicht verschieben“, erklärte Cole ihr mit tiefer, rauer Stimme, bei dessen Klang ihr Magen nervös vibrierte.

„Oh, dafür habe ich vollstes Verständnis.“ Sie schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln, auf das er überhaupt nicht einging. Stattdessen schien sich die Falte zwischen seinen dunklen Augenbrauen noch zu vertiefen.

„Mein Vater dürfte bald mit seinem Telefonat fertig sein.“

Taryn nickte freundlich, schlug noch einmal die langen Beine übereinander und widmete sich weiter ihrer Zeitung. Doch als sie die Seite mit den Klatschnachrichten aufschlug, bemerkte sie, dass Cole auf seine Armbanduhr sah.

„Mein Gast fliegt heute wieder nach Melbourne zurück“, erklärte er. „Wir haben nicht viel Zeit.“

Sie hob den Blick. „Dann sollten Sie sich besser beeilen.“

Cole Hunter war nicht schwer zu durchschauen. Er war in erster Linie unglaublich zielstrebig und ehrgeizig. Dafür hatte Taryn Verständnis. Nichts kam an dieses Gefühl heran, wenn man oben angekommen war und finanzielle Sicherheit erlangt hatte. Sie war bei ihrer Tante Vi aufgewachsen, die ihr immer geraten hatte, in die eigene Zukunft zu investieren. Und das bedeutete, eine gute Ausbildung zu absolvieren, Freunden gegenüber loyal zu sein und Ärger, wann immer es ging, zu vermeiden. Was Taryn auf einen weiteren, nur zu offensichtlichen Charakterzug von Cole Hunter aufmerksam machte.

Er war offensichtlich ein sehr sinnlicher Mann, und sie hatte aus irgendeinem Grund sein Interesse geweckt. Das Testosteron in seinen Adern hatte seine meergrünen Augen vor Verlangen dunkel werden lassen – diese Tatsache war genauso wenig zu übersehen wie seine breite Brust und sein kantiges Kinn. Der Mann strahlte eine maskuline Energie aus, die Taryn fast körperlich spüren konnte, und die tief in ihrem Innern ein erregendes Sehnen auslöste.

Doch genau diese Erkenntnis war der Grund für ihr reserviertes Verhalten. Es interessierte sie nicht, wer Cole war, welche Meinung er von sich hatte, mit wie vielen Frauen er geschlafen hatte, und wie leicht es ihm gefallen war, diese ins Bett zu bekommen. Sie würde natürlich nicht unhöflich sein, nahm sie sich vor, aber es war Guthrie Hunter, der sie angeheuert hatte. Wenn also sein Sohn Zweifel an ihrem Können hatte, dann würde sie es überleben.

Trotz ihrer Versicherung, dass er sich nicht um sie zu kümmern brauchte, zögerte Cole immer noch. „Eigentlich liegt Ihr Büro auf meinem Weg“, sagte er schließlich. Als sie Anstalten machte, zu protestieren, fiel er ihr ins Wort. „Ich bestehe darauf.“

Cole streckte ihr seine Hand entgegen, und Taryn erkannte, dass sie in der Falle saß. Also nahm sie seine Hand, und wie erwartet spürte sie wieder dieses elektrisierende Gefühl. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken und verzog keine Miene. Das befriedigte Grinsen in Coles Augen zeigte ihr allerdings, dass er Bescheid wusste. Er hatte es auch gespürt.

Während sie Seite an Seite zum Haupttrakt gingen, sah Taryn im Geiste, wie Tante Vi warnend die Hände hob. Und das zu Recht: Cole Hunter verkörperte die Sorte Ärger, der man besser aus dem Weg ging. Er war heißblütig, willensstark und besaß einen ungeheuren Sex-Appeal.

Zum Glück würden sie nicht zusammenarbeiten.

2. KAPITEL

„Guthrie hat sicherlich erwähnt, dass wir zusammenarbeiten werden.“

Als er auf diese Bemerkung keine Antwort erhielt, war Cole nicht sonderlich überrascht. Taryn Quinn war nicht nur attraktiv und charmant, sie gab sich auch unnahbar und geheimnisvoll. Cole musste sich eingestehen, dass sie ihn reizte – eine Tatsache, die sein Vater wohl schon vorhergesehen hatte.

Denn Guthrie Hunter hatte nur zu bereitwillig den Anruf als Ausrede genutzt, um sich zurückzuziehen, das war Cole sofort aufgefallen. Sein Vater wollte also ihn und die neue Produzentin zusammenbringen. Dabei war es Guthrie natürlich völlig egal, dass Cole erstens keine Zeit hatte und zweitens nicht gewillt war, auch nur einen Dollar in das Konzept von Taryn Quinn zu investieren. Das Geld war derzeit verdammt knapp, und das wusste Guthrie nur zu gut.

Doch als Taryn so desinteressiert wieder Platz genommen, züchtig ihre wohlgeformten Beine übereinandergeschlagen und sich in das Hochglanzmagazin vertieft hatte, konnte Cole nicht widerstehen. Obwohl er es eigentlich besser wissen sollte, hatte er beschlossen, sie in ihr Büro zu begleiten. Er wollte versuchen, ihre unnahbare Schale zu knacken.

Weit war er damit noch nicht gekommen.

Als Taryn weiterhin schwieg, warf Cole ihr einen vorsichtigen Blick zu. Sie starrte ihn völlig entgeistert an. Vielleicht hörte sie aber auch einfach nur schlecht.

„Ich sagte, solange Sie bei Hunter Enterprises sind, werden Sie unter mir arbeiten“, wiederholte er lauter.

„Tut mir leid …“, erwiderte sie, straffte die schmalen Schultern und schaute starr geradeaus, „… aber da irren Sie sich.“

Cole verlangsamte seine Schritte. Sie war weder schwerhörig noch hatte sie ihn missverstanden. Er blickte sich misstrauisch um. Gab es irgendwo eine versteckte Kamera, oder wollte sie ihn absichtlich provozieren?

„Sie müssten doch wissen, welche Position ich bekleide. Ich bin Vorstandsvorsitzender und zugleich Produktionsleiter für jede einzelne Sendung, die bei Hunter Enterprises in Sydney produziert wird. Ich segne die Budgets, die Sponsorenverträge und auch die Konzepte für die einzelnen Projekte ab.“

Taryn zog die dunkelblonden Augenbrauen in die Höhe und blickte ihn direkt an. „Guthrie und ich haben das alles bereits besprochen. Ich werde direkt an ihn berichten.“

Cole machte sich nicht die Mühe, sein hämisches Grinsen zu verbergen. Er hasste Grausamkeit in jeder Form, doch es könnte ihm Spaß machen, der aufmüpfigen Miss Quinn eine Lektion zu erteilen und dabei zuzusehen, wie sie auf ihrem wohlgeformten Hintern landete. Egal, was Guthrie ihr erzählt hatte, sein Vater arbeitete seit Jahren nicht mehr an konkreten Projekten mit.

Plötzlich schossen Cole ein Dutzend anderer Fragen durch den Kopf. Woher war Taryn so plötzlich auf der Bildfläche erschienen? Was war ihre persönliche Geschichte? Hatte sie ein Vorstrafenregister? Und wusste sie etwas über die Mordanschläge auf seinen Vater?

Ein Stück den Flur hinunter kam Roman Lyons aus seinem Büro geschlendert. Der in London geborene Leiter der Comedy-Abteilung pfiff eine alberne Melodie vor sich hin, die Cole sofort auf die Nerven ging. Roman und Cole waren sich von Anfang an nicht grün gewesen, doch Guthrie hatte seinen Sohn überredet, Roman noch eine Chance zu geben. Nun musste Cole zugeben, dass der Brite gute Arbeit leistete. Er hatte sich sogar schon bei ein oder zwei Gelegenheiten von Roman vertreten lassen, als er ins Ausland reisen musste. Aber beste Freunde konnte man sie nicht gerade nennen.

Als Cole nun mit Taryn auf ihn zukam, begrüßte Roman seinen Chef mit einem gespielten Salut, dabei hatte er jedoch nur Augen für Taryn.

„Sie müssen die Neue sein. Taryn Quinn, richtig?“ Lyons zwinkerte ihr verschwörerisch zu und streckte ihr die Hand entgegen. „Neuigkeiten sprechen sich schnell herum.“

Coles Miene verfinsterte sich. Offenbar nicht bis zu mir, dachte er düster.

„Danke für den freundlichen Empfang“, erwiderte Taryn. „Und Sie sind?“

„Mein Name ist Roman Lyons.“

„Sieht so aus, als würden wir Nachbarn, Mr Lyons. Ich habe das Büro neben Ihrem erwischt.“

„Ich wollte mir gerade einen Tee holen“, erklärte Lyons. „Kann ich Sie auch zu einer Tasse verführen?“

Taryns Miene hellte sich auf. „Ich würde alles für einen Kaffee geben.“

„Ich lasse euch zwei allein“, sagte Cole brüsk und wandte sich zum Gehen. „Ich habe ein Meeting.“

„Mit Liam Finlay?“, rief ihm Roman Lyons hinterher. „Ich habe ihn vor einer Minute in Richtung deines Büros gehen sehen. Er sah nicht sehr glücklich aus.“

Cole unterdrückte einen Fluch. Einen Mann wie Liam Finlay ließ man nicht warten. Finlay war der Vorstandsvorsitzende von Australiens beliebtester Football-Liga. Bis zu einem Streit zwischen Guthrie und Finlay vor fünf Jahren hatte Hunter Broadcasting die Senderechte für die meisten Spiele besessen. Danach waren sie an einen Konkurrenten gegangen. Nun waren die heißbegehrten Rechte wieder zu haben. Cole hatte schon Mühe gehabt, Liam überhaupt zu einem Gespräch zu überreden. Daher konnte er zu diesem Zeitpunkt nicht riskieren, Liam zu beleidigen – indem er ihn zum Beispiel in seinem Büro warten ließ.

„Danke, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben, Mr Hunter“, sagte Taryn mit beinah aufrichtiger Stimme. „Ich bin sicher, ich komme jetzt allein zurecht.“

Eine Ader begann an Coles Schläfe zu pochen. Er musste zu seiner Besprechung, aber er war verdammt noch mal noch nicht fertig mit dieser Miss Quinn.

Als Roman davonschlenderte, ging Taryn in ihr neues Büro und trat an die bodentiefen Fenster, um den unbezahlbaren Ausblick auf den Hafen mit der weltbekannten Brücke und dem muschelförmigen Opernhaus auf sich wirken zu lassen.

Cole genoss währenddessen den Ausblick auf ihr langes seidiges Haar und die verführerischen Kurven, die sich unter ihrem blauen Rock abzeichneten. Er lehnte sich gegen den Türrahmen. „Haben Sie noch andere Qualifikationen außer als Fernsehproduzentin, Miss Quinn?“

„Ich arbeite seit meinem Abschluss in Medienwirtschaft beim Fernsehen.“

„Dann haben Sie doch bestimmt Erfahrungen auf anderen Positionen innerhalb dieser Branche gesammelt, richtig?“

„Ich habe als Regieassistentin angefangen und mich hochgearbeitet.“

„Und mein Vater ist von Ihren …“, wieder musterte er ihren Rock, „… Referenzen ausreichend überzeugt?“

Als sie sich zu ihm umdrehte, umspielte ein selbstsicheres Lächeln ihre Lippen. „Guthrie war sogar mehr als überzeugt.“

„Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, jeden meiner Angestellten überprüfen zu lassen, vor allem die auf der Management-Ebene.“

„Du meine Güte, da müssen Sie ja an allen Ecken über vergrabene Leichen stolpern.“

Er verzog den Mund zu einem Lächeln.

Nicht schlecht.

„Gibt es in Ihrem Keller auch ein paar Leichen, Miss Quinn?“, fragte er und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wir haben doch alle unsere Geheimnisse, die aber eigentlich niemanden interessieren dürften.“

„Ich habe das Gefühl, dass mich Ihre Leichen durchaus interessieren könnten.“

Ihre großen blauen Augen wurden schmal, als sie mit einem herausfordernden Hüftschwung langsam auf ihn zukam. Als sie so dicht vor ihm stand, dass ihm der Duft ihres Parfüms in die Nase stieg, blieb sie stehen und stemmte die Fäuste in die Hüften.

Die arme Miss Quinn. Wusste sie nicht, dass er Anfängerinnen wie sie zum Frühstück verspeiste?

„Ich habe genug von Ihrer Zeit in Anspruch genommen“, sagte sie. „Lassen Sie Ihren Gast nicht warten. Ich bin sicher, Ihr Vater wird bald vorbeikommen.“

Cole grinste. Verdammt, er könnte den ganzen Tag mit ihr spielen, wenn er nur mehr Zeit hätte – was nicht der Fall war. „Mag sein, dass mein Vater Sie eingestellt hat, aber ich bin für die Finanzen verantwortlich. Wenn Ihre Show nicht funktioniert, dann wird die Produktion eingestellt. Das heißt, wenn ich sie überhaupt starten lasse.“