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Nr. 1026

 

Der Favorit

 

Er spielt eine gefährliche Rolle – ein Betschide bei der Lugosiade

 

von MARIANNE SYDOW

 

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Mehr als 400 Jahre sind seit dem Tag vergangen, da Perry Rhodan durch seine Expedition mit der BASIS tiefe Einblicke in die kosmische Bestimmung der Menschheit gewann und in die Dinge, die auf höherer Ebene, also auf der Ebene der Superintelligenzen, vor sich gehen.

In folgerichtiger Anwendung seiner erworbenen Erkenntnisse gründete Perry Rhodan Anfang des Jahres 3588, das gleichzeitig zum Jahr 1 der Neuen Galaktischen Zeitrechnung (NGZ) wurde, die Kosmische Hanse, eine mächtige Organisation, deren Einfluss inzwischen weit in das bekannte Universum hineinreicht.

Dennoch ist der Hanse selbst im Jahre 424 NGZ nichts über das Herzogtum von Krandhor bekannt und auch nichts über die Betschiden, die ihre Herkunft von dem legendär gewordenen Generationenschiff SOL ableiten.

Um drei dieser Betschiden geht es nun! Seitdem sie für die Flotte von Krandhor rekrutiert wurden, führen sie ein gefährliches Leben, reich an Abenteuern und Komplikationen.

Gegenwärtig halten sich die ehemaligen Jäger von Chircool auf Couhrs, dem Planeten der Spiele, auf. Dort nimmt die Lugosiade ihren Lauf, und einer der Betschiden beginnt eine besondere Rolle zu spielen, denn er wird DER FAVORIT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Surfo Mallagan – Der Betschide wird zum Favoriten der Lugosiade.

Brether Faddon und Scoutie – Mallagans Gefährten.

Cylam – Ein Meisterkämpfer wird übertölpelt.

Doevelynk – Meister des Martha-Martha.

Gu – Der Herzog erscheint zur Eröffnung der Lugosiade.

1.

 

Couhrs-Yot war wie im Fieber, denn der Tag, an dem die fünfzigste Lugosiade eröffnet werden sollte, rückte immer näher. Diesmal aber überwog nicht die freudige Erwartung, ein aufregendes Spektakel beobachten zu können, sondern Nervosität und Unruhe breiteten sich aus.

Der Grund dafür war einfach: Doevelynk war entführt worden, der Favorit der Tarts, unumstrittener König des Martha-Martha, das weit mehr als nur ein Spiel war. Mitten in einem Super-Spiel gegen Hunderte von Gegnern zugleich, einer Martha-Martha-Orgie, wie es sie noch nie gegeben hatte, waren Angehörige der Bruderschaft zu Doevelynk vorgedrungen und hatten ihn verschleppt. Die Tarts, von denen der Favorit umgeben gewesen war, reagierten viel zu langsam, weil sie sich auf ihr Spiel konzentrierten, statt an Doevelynks Sicherheit zu denken. Und die Wachen, die es in diesen Tagen überall in Couhrs-Yot gab, hatten offensichtlich geschlafen.

Seit diesem dreisten Überfall stand die Stadt kopf.

Die Lugosiade zählte zu den wichtigsten Ereignissen, die es im Herzogtum von Krandhor gab. Abordnungen von allen bewohnten Planeten reisten nach Couhrs, und jede Gruppe brachte ihren Favoriten mit. Der Überfall auf Doevelynk war ein einmaliger Zwischenfall. Den Teilnehmern der Lugosiade und ihren Betreuern wurde plötzlich klar, dass möglicherweise auch sie in Gefahr waren. Wenigstens schien es ihnen so.

Cylam und Wyskynen wussten es besser.

Doevelynk war nicht nur der Favorit der Tarts, sondern der Spiele schlechthin. Die Bruderschaft hatte also nicht irgend jemanden verschleppt, sondern ausgerechnet den Mann, der die größten Chancen hatte, an dem Spiel, das der Lugosiade folgte, teilzunehmen. Abgesehen davon war nicht nur Doevelynk verschwunden. Die Bruderschaft hatte außerdem die drei Betschiden mitgenommen, die zum Zeitpunkt des Überfalls das gigantische Martha-Martha-Spiel beobachteten.

In Couhrs-Yot maß man dem Verschwinden dieser drei Wesen reichlich wenig Bedeutung bei. Die Betschiden stammten von einem gerade erst entdeckten Planeten. Sie hatten keine Begleiter, die die Menge auf ihre Darbietungen aufmerksam machten, und für die Lugosiade war es sicher völlig unwichtig, ob die Betschiden teilnahmen oder nicht – auf dem Ednuk, bei dem Spiel, würde man ihnen gewiss nicht begegnen.

Auch zu diesem Punkt hätten Cylam und Wyskynen einiges sagen können, aber sie ließen es bleiben. Es hatte keinen Sinn, noch mehr Staub aufzuwirbeln. Das hieß jedoch nicht, dass sie die Hände in den Schoß legten, ganz im Gegenteil: Sie suchten mit großer Intensität nach den Entführten. Dabei lag ihnen Doevelynk weniger am Herzen als die drei Betschiden.

Natürlich waren auch die Tarts auf der Suche, und die gesamte Schutzgarde von Couhrs-Yot fahndete nach den Mitgliedern der Bruderschaft. Man hätte annehmen sollen, dass Cylam und Wyskynen sich unter diesen Umständen die Mühe hätten sparen können. Aber die beiden hatten auch zu diesem Punkt ihre eigene Meinung, von der sie sich nicht abbringen ließen ...

 

*

 

Cylam, der Krane, war nahe daran, die Geduld zu verlieren, und das wollte bei ihm sehr viel bedeuten. Seit seiner Kindheit war er darauf trainiert worden, seine Emotionen im Zaum zu halten. Jetzt aber hatte er diesen verstockten Jungen vor sich, aus dem einfach nichts herauszubekommen war.

Rujum war am Tag zuvor bei ihm aufgetaucht, mit einem Empfehlungsschreiben von Nyrm, einem Marschbefehl nach Skand und einigen Zeugnissen ausgerüstet. Nyrm war eine direkte Nachkommin des legendären Herzogs Lugos. Sie genoss großes Ansehen, nicht nur auf Couhrs, sondern auch auf anderen Planeten. Wenn sie um etwas bat, dann war es besser, diese Bitte als einen Befehl zu betrachten. Und Nyrm bat in ihrem Schreiben darum, dass Cylam den Jungen unterrichtete. Nicht ohne Grund lag der Marschbefehl nach Skand ebenfalls vor, denn dorthin wollte der Krane sich nach der Lugosiade begeben. Und die Zeugnisse bewiesen, dass Rujum außergewöhnlich begabt war.

So war Cylam zu einem neuen Schüler gekommen.

Was das Empfehlungsschreiben und den Marschbefehl betraf, so wollte er sich vorerst kein Urteil erlauben. Bei den Zeugnissen dagegen war er sicher, dass es sich um Fälschungen handelte, um sehr gute Fälschungen allerdings. Diejenigen, die diese Dokumente angefertigt hatten, waren entweder nicht darauf gefasst gewesen, dass Cylam Zeit haben würde, sich mit seinem Schüler näher zu befassen, oder sie schätzten den Kranen völlig falsch ein. Auf jeden Fall hatte Rujum nicht die Leistung bringen können, die er den Zeugnissen nach hätten bringen müssen. Den Kranen hätte das nicht weiter aufgeregt, denn an derartige Überraschungen war er gewöhnt. Er galt als der Mann, der die traditionellen Kampftechniken der Kranen am besten beherrschte, der seit nunmehr sechs Jahren ungeschlagen aus jedem Kampf hervorgegangen war. Er hätte ein Volksheld sein können, wenn er sich nicht darauf versteift hätte, auch Artfremde zu unterrichten. Seine freundschaftlichen Beziehungen zu vielen Nicht-Kranen waren einigen einflussreichen Leuten ein Dorn im Auge – und es gab genug andere, die auf mitunter sehr krummen Wegen versuchten, in Cylams Nähe vorzudringen. Der Junge hätte einer von diesen Fanatikern sein können – wenn er nicht Träger eines Doppel-Spoodies gewesen wäre.

Cylams Ausnahmestellung erlaubte es ihm, sich auf unauffällige Weise Unterlagen zu beschaffen, die andere nie zu sehen bekamen. Er hatte sich im Haus der Kämpfer einquartieren lassen, und er hatte gewusst, wer dort bis zur Beendigung der Lugosiade wohnte, ehe er noch das Tor durchschritten hatte.

Gemessen an der Gesamtheit derer, die die Lugosiade erfolgreich beendeten und in das Spiel berufen wurden, bildeten die Bewohner des Hauses der Kämpfer eine Minderheit. Um in der Lugosiade zu bestehen, reichte es nicht, wenn man ein Schwert besonders geschickt handhaben konnte oder schnell mit den Fäusten war. Cylam hatten binnen weniger Minuten herausgefunden, dass es auch diesmal keinen großen Favoriten gab, der aus dieser Umgebung kam. Es existierte jedoch ein unbekannter Faktor, und das waren die drei Betschiden. Diese Wesen gaben Rätsel auf. Wie sie zur Teilnahme an der Lugosiade gekommen waren, wusste man nicht. Ihre Laufbahn war höchst erstaunlich und in erster Linie von Fehlschlägen geprägt. Es schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, die drei reibungslos in den Flottenbetrieb einzugliedern. Die Beurteilungen derer, die mit den drei Neulingen zu tun gehabt hatten, reichten von »genial« bis »unmöglich«.

Rujum trug einen illegalen Doppel-Spoodie, und das bedeutete, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit zur Bruderschaft gehörte. Cylam hätte den Jungen längst den Jägern vorstellen müssen, aber er war entschlossen, ihn solange bei sich zu behalten, bis er entweder die volle Wahrheit erfahren hatte oder gezwungen wurde, den Fall weiterzugeben.

»Du bist wegen der Betschiden hergekommen«, sagte er, wobei er sich gewaltsam zur Ruhe zu zwingen musste. »Warum gibst du das nicht zu?«

Der Junge schwieg.

»Es gibt außer den drei Fremden niemanden in diesem Gebäude, für den sich die Bruderschaft sonst interessieren könnte«, fuhr Cylam fort. »Welchen Auftrag hattest du?«

Rujum sah nicht einmal auf. Er hockte vornübergebeugt in einem Sessel und starrte den Fußboden an. Cylam hatte den Eindruck, dass der Junge ihm gar nicht zuhörte, sondern seltsamen Träumen nachhing.

Er sagte sich, dass es keinen Sinn hatte. Der Junge würde nicht antworten – selbst dann nicht, wenn Rujum den Eindruck gewinnen musste, dass es um sein Leben ging. Die Bruderschaft hatte ihre Hände im Spiel, und sie verstand es, sich abzusichern.

Er stand auf und ging hinaus. Rujum schien es nicht einmal zu bemerken. Der Krane schloss die Tür ab und vergewisserte sich, dass dem Jungen kein Fluchtweg blieb. Er sah kurz in den Raum, in dem Wyskynen untergebracht war, aber der Prodheimer-Fenke war noch nicht zurück. Er hatte sich in der Stadt umsehen wollen, und das würde einige Zeit in Anspruch nehmen.

Cylam verließ das Haus der Kämpfer und rief einen Schweber herbei. Er wusste, wo er Nyrm finden konnte.

Wenig später stand er einem wuchtigen Tart gegenüber, der ihm zwar nur bis zur Brust reichte, dafür aber doppelt so breit wie der Krane war.

»Was willst du?«, fragte der Tart unfreundlich.

»Ich muss mit Nyrm reden«, erklärte Cylam und nannte seinen Namen. »Melde mich bitte an.«

»Nyrm ist nicht zu sprechen!«, behauptete der Tart und trat zurück. Die Tür schloss sich automatisch, und sie tat das so schnell, dass ein lebendes Wesen keine Chance hatte, in das Gebäude zu gelangen. Cylam aber bewegte sich so schnell, dass der Tart nur einen dunklen Schatten sah. Ehe er es sich versah, stand der Krane ihm erneut gegenüber, und als der Tart die Fäuste hob, um den unerwünschten Gast eigenhändig hinauszuwerfen, traf ihn ein Schlag, der ihn quer durch die Eingangshalle warf. Benommen starrte er den Kranen an.

»Melde mich an!«, sagte der Krane unbewegt.

Der Tart rappelte sich ernüchtert auf.

»Du bist der Cylam?«, fragte er kleinlaut.

Der Krane lächelte.

»So etwas muss einem doch gesagt werden!«, murmelte der Tart nervös. »Warte einen Augenblick.«

Damit verschwand er in einem winzigen Raum. Cylam hörte ihn sprechen, dann erklang eine andere Stimme. Der Tart tauchte wieder auf und bedeutete ihm, dass er ihm folgen sollte.

Nyrm eilte dem Kranen entgegen, als sie das zweite Stockwerk erreichten. Sie war klein und zierlich – nach kranischen Maßstäben – und trug statt der üblichen Einheitskleidung einen weißen Hausanzug aus weichem Stoff, der sie noch schlanker erscheinen ließ.

»Ich will nicht gestört werden!«, sagte sie zu dem Tart, um sich dann dem Kranen zuzuwenden. Sie begrüßten sich auf die bei ihrem Volk übliche Weise, dann führte Nyrm den Gast in ein behaglich eingerichtetes Zimmer.

»Wie lange haben wir uns nicht gesehen?«, fragte sie mit leuchtenden Augen.

»Seit fünf Jahren«, erwiderte Cylam nüchtern.

»Mir kommt es viel länger vor. Ich wusste gar nicht, dass du auf Couhrs bist. Willst du dir die Lugosiade ansehen?«

»Ich werde daran teilnehmen«, sagte der Krane lächelnd.

Nyrm starrte ihn entgeistert an.

»Ich habe davon noch nichts gehört«, sagte sie schließlich. »Was soll das, Cylam? Hältst du es geheim – oder tun das andere für dich?«

»Beides. Aber das ist jetzt unwichtig.«

»Aber ...«

»Es war nicht meine Entscheidung«, fiel Cylam ihr ins Wort. »Wir sollten nicht weiter darüber reden. Ich bin wegen eines Jungen hergekommen, der ein Empfehlungsschreiben vorzuweisen hatte. Er heißt Rujum. Erinnerst du dich an ihn?«

Nyrm stutzte.

»Oh ja«, sagte sie dann. »Ein Sohn von Tarnis. Ist etwas nicht in Ordnung?«

»Nein«, murmelte Cylam, während seine Gedanken sich überstürzten.

Tarnis war einer der drei Stadtverwalter von Couhrs-Yot. Cylam hatte ihn von einem seiner Besuche her als einen ruhigen, besonnenen Mann in Erinnerung, der weise und gerecht über alles urteilte, was ihm vorgetragen wurde. Tarnis galt obendrein als Vertrauter der drei Herzöge.

»Hat Tarnis dich gebeten, das Schreiben zu verfassen?«, fragte er.

»Nein, das war Rujum selbst. Er verehrt dich und deine Ideen. Es war sein größter Wunsch, dein Schüler zu werden. Als er erfuhr, dass ich dich kenne, hat er mich stundenlang nach dir ausgefragt. Er ist sehr begabt.«

»Hast du ihn jemals kämpfen sehen?«

»Ja, mehrmals.«

»Würdest du gegen ihn antreten?«

»Ich hasse Niederlagen!«

Cylam sah die Kranin nachdenklich an. Nyrm beherrschte die alten Kampftechniken, die in der Praxis kaum noch zur Verwendung kamen, bis zum siebenten Grad. Rujum dagegen war vier Stufen darunter stecken geblieben. Und noch etwas war seltsam: Tarnis war gewiss nicht der Mann, der seinen Jungen dazu erzog, dass er sich Artfremden gegenüber für etwas Besseres hielt.

Natürlich konnte der Doppel-Spoodie für die Veränderungen verantwortlich sein. So ein zweifacher Symbiont mochte Rujums Reaktionen beeinträchtigen, so dass er nicht mehr imstande war, einmal Gelerntes in die Tat umzusetzen, und er konnte den Charakter beeinflussen.

Cylam holte das Bild hervor, das er von dem Jungen gemacht hatte, und zeigte es Nyrm.

»Ist das Rujum?«, fragte er.

Sie sah das Bild lange an.

»Ja«, sagte sie schließlich.

»Bist du ganz sicher?«

»Nun«, sagte sie zögernd. »Er ist ein Junge, und du weißt, wie das mit solchen Bildern ist. Es könnte genauso gut ein anderer Krane in seinem Alter sein, der lediglich große Ähnlichkeit mit dem Jungen hat. Aber du kannst dir leicht Gewissheit verschaffen. Er ist mal während der Jagd von einem Dodar angefallen worden. Das Tier hat ihm zwei Stiche versetzt, beide am rechten Oberschenkel. Die Narben müssten noch aufzufinden sein.«

Cylam nickte nachdenklich und stand auf.

»Musst du schon wieder gehen?«, fragte Nyrm enttäuscht.

»Ich komme wieder, wenn du es möchtest«, versprach der Krane.

»Was ist eigentlich los? Stimmt mit Rujum etwas nicht?«

»Ich weiß es nicht. Aber ich werde es herausfinden. Tu mir einen Gefallen, Nyrm: Sprich nicht mit Tarnis darüber!«

Sie war nicht sehr angetan von dieser Bitte, aber schließlich versprach sie es ihm. Sie brachte ihn zur Tür, und unwillkürlich sah er sich nach dem Tart um. Der Wächter ließ sich nicht blicken.

»Er ist selbst schuld daran«, bemerkte Nyrm, die seine Blicke richtig deutete. »Er schießt häufig über das Ziel hinaus. Außerdem sind die Tarts jetzt alle sehr nervös. Ich kann es verstehen.«

»Ich auch«, murmelte Cylam. »Sage ihm, dass es mir leid tut.«

Als er wieder im Schweber saß, spürte er plötzlich eine starke Unruhe in sich aufkommen. Er hatte gelernt, solche Gefühle ernst zu nehmen. Er beschleunigte und raste mit Höchstgeschwindigkeit zurück zum Haus der Kämpfer.

Die Tür zu dem Zimmer, in dem er den Jungen zurückgelassen hatte, stand offen. Rujum kauerte auf dem Boden und lächelte töricht. Auf seinem Kopf klebte ein Stückchen Verbandstoff.

Cylam brauchte nicht erst nachzusehen, um zu wissen, was geschehen war: Man hatte den Doppel-Spoodie entfernt. Natürlich konnte sich das nicht so schnell auf den Verstand des Jungen auswirken. Darum hatte man mit einer Droge nachgeholfen.

Der Krane schluckte den Fluch hinunter, der sich ihm auf die Lippen drängte. Er befahl dem Jungen, sich aufs Bett zu legen und vorher die Oberkleidung auszuziehen. Dann untersuchte er Rujums rechten Schenkel und fand an zwei Stellen ein paar weiße Haare. Als er das Fell auseinanderblies, sah er auch die Narben. Erst da war er sicher, dass er wirklich Tarnis' Sohn vor sich hatte.

Er fragte sich verzweifelt, wie er dem Stadtverwalter die bittere Wahrheit beibringen sollte. Es war sehr unwahrscheinlich, dass Rujum jemals wieder zu einem normalen Kranen wurde, auch wenn man ihm einen neuen Spoodie gab.

Cylam ballte in ohnmächtiger Wut die Fäuste und wünschte, er hätte die vor sich, die für Rujums Schicksal verantwortlich waren. Es konnte sich nur um Anhänger der Bruderschaft handeln. Wenn diese Leute sich derart widerwärtiger Methoden bedienten, dann hatten sie Großes im Sinn. Aber was planten sie? Und welche Rolle hatte Rujum in ihrem Plan spielen sollen?

Der Krane zerbrach sich darüber den Kopf, bis Wyskynen ihn aus seinen Grübeleien aufschreckte.

2.

 

Sie führten Rujum zu einem Schweber. Der Junge ließ alles widerstandslos mit sich geschehen. Er war friedlich wie ein kleines Kind.

Während sie zu Tarnis unterwegs waren, berichtete Wyskynen, was er in der Stadt erfahren hatte.

»Sie sind alle restlos durcheinander«, sagte der Prodheimer-Fenke. »Bei den Tarts braut sich allmählich etwas zusammen. Sie haben den Schock jetzt halbwegs überwunden und fangen an, an Rache zu denken. Sie wissen nur noch nicht recht, an wem sie ihre Wut austoben sollen. Die anderen Abordnungen reagieren unterschiedlich. Einige geben sich gelassen. Sie meinen, dass es sich um einen Streich handelte, der allein gegen die Tarts gerichtet war. Es gibt sogar ein Gerücht, wonach Doevelynk von Leuten aus seinem eigenen Volk entführt worden ist. Man munkelt von einem Rivalen, dem Doevelynks Martha-Martha-Demonstration nicht gefallen hat.«