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Biografie

Mike Krzywik-Groß wurde 1976 im verregneten Harz zwischen finsteren Tannen und majestätischen Bergen geboren.

Bereits in jungen Jahren begann sein Herz für Fantasy-Rollenspiele im Allgemeinen und Das Schwarzen Auge im Besonderen zu schlagen. Mittlerweile lebt er unter zauberhaften Giebeln und inmitten finsterer Gassen gemeinsam mit seiner Frau in der Hansestadt Lüneburg.

Mit Angbar Mortis erscheint der zweite Teil der Mortis-Trilogie, welche im April 2011 mit Riva Mortis ihren Anfang nahm.

 

www.krzywikgross.de

 

 

Titel

Mike Krzywik-Groß

Angbar Mortis

Ein Roman in der Welt von
Das Schwarze Auge
©

Originalausgabe

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Impressum

Ulisses Spiele
Band 11076PDF

Titelbild: Melanie Maier
Aventurienkarte: Ralph Hlawatsch

Lektorat: Werner Fuchs, Michael Fehrenschild
Buchgestaltung: Ralf Berszuck
E-Book-Gestaltung: Michael Mingers

Copyright ©2012 by Ulisses Spiele GmbH, Waldems.
DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN und DERE
sind eingetragene Marken.
Alle Rechte von Ulisses Spiele GmbH vorbehalten.

Titel und Inhalte dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt. Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Bearbeitung, Verarbeitung, Verbreitung und Vervielfältigung des Werkes in jedweder Form, insbesondere die Vervielfältigung auf photomechanischem, elektronischem oder ähnlichem Weg, sind nur mit schriftlicher Genehmigung der Ulisses Spiele GmbH, Waldems, gestattet.

Buch-ISBN 978-3-86889-207-9
E-Book-ISBN 978-3-86889-812-5

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Danksagung

Für meine Freunde und Freundinnen.
Ohne euch wäre ich nicht der, der ich geworden bin.
Danke für alles.

 

Prolog

23. ING 1027 BF, Erdtag, Angbar

Angbar brannte in der Nacht.

Flammen züngelten durch die Stadt und fraßen hungrig an den Fachwerkhäusern. Die Straßen waren erfüllt von beißendem, dunklem Qualm. Die Schreie der Verletzten und Sterbenden hallten gespenstisch durch die Gassen.

Menschen und Zwerge gleichermaßen rannten kopflos durcheinander, auf der Flucht vor einem Grauen, wie es der Kosch in seiner langen Geschichte noch nicht erlebt hatte. Mütter und Väter versuchten verzweifelt, ihre Familien in Sicherheit zu bringen, doch es gab keinen Schutz vor dem niederhöllischen Schrecken, der Angbar heimsuchte.

Anfangs hatten die guten Angbarer Bürger nur milde über die wenig glaubhaften Gerüchte gelächelt, als ihnen zu Ohren gekommen war, dass ein riesiger Flammenvogel durch das Fürstentum geistern sollte. Doch mehr und mehr verdichteten sich die Erzählungen über niedergebrannte Dörfer und verwüstete Landstriche, dass selbst die wackersten Bürger zu grübeln begannen. Als die ersten Flüchtlinge die Stadt erreicht hatten, lachte niemand mehr über die Kunde vom alles verzehrenden Feuervogel.

Die verzweifelten Menschen berichteten den staunenden Angbarern von dem Leid, das ihnen widerfahren war. Von marodierendem Gesindel, welches im Windschatten der dämonischen Kreatur durch das Land zog, brandschatzend und mordend über jeden herfielen, dessen sie habhaft wurden. Keiner konnte die genaue Zahl der im Schutze der Nacht umherziehenden Mörder beziffern, und niemand wusste, woher dieses namenlose Grauen stammte.

Innerhalb von nur einem Mond fielen nacheinander Angenburg, Albumin, Auersbrück und zahlreiche weitere Ortschaften und Weiler. Die wenigen Überlebenden, die der Feuersbrunst des dämonischen Vogels und den hackenden Schwertern der Mordbrenner entkommen konnten, kündeten von dem Banner derer zu Jergenquell, welches in dem vergangenen Jahrzehnt immer wieder Tod und Leid in den Kosch getragen hatte. Doch so sehr der gesuchte Verbrecher Ulfing von Jergenquell Angst und Schrecken unter den Koschern verbreitete, auf eines waren sie nicht vorbereitet.

Sein Name machte anfangs nur hinter vorgehaltener Hand die Runde unter den Angroschim. Ein Name, den seit den lang vergangenen Drachenkriegen nur noch wenige aussprachen. Ein Name, der wie kaum ein anderer unter den Zwergen Furcht und Bestürzung auslöste.

Alagrimm.

Der dämonische Feuervogel, der einst von dem verhassten Gottdrachen Pyrdacor selbst geschaffen wurde, um die Angroschim in ihrem Jahrtausende andauernden Kampf gegen die drakonischen Nemesis zu unterjochen. Im zweiten Weltenbrand war der niederhöllische Alagrimm unter erheblichen Opfern von den Altvorderen gebannt und unter den Hallen der Bergfreiheit Koschim in einen ewigen Kerker gesperrt.

Doch die Ewigkeit der Gefangenschaft sollte in diesen Tagen ein jähes Ende finden, als die Geißel der Angroschim entfesselt wurde, um den Kosch erneut zu verheeren.

Eines erkannten die braven Bürger Angbars in dieser Nacht: Das Jahr des Feuers hatte den Kosch erreicht.

Die Hügelzwergin Margtrax Köchelbrock hielt sich ein Stück Stoff vor Mund und Nase, um inmitten der rauchenden Ruinen, die vor weniger als einer Stunde noch die Häuser ihrer Nachbarn waren, atmen zu können. Die Nacht war erhellt von unzähligen Bränden. Schwelend und lodernd fraßen sich die Flammen durch das Gebälk. Ganz Angbar schien lichterloh zu brennen.

Ein entfernt bekannter Geruch lag in der Luft, der sich auch von Margtrax’ Tuch nicht vermeiden ließ. Zu dem Gestank des beißenden Rauches mischte sich das Aroma von gebratenem Fleisch, der dem Duft eines leckeren Bratens nicht unähnlich war, wie sie mit Bestürzen feststellte. Jedoch handelte es sich bei dem brennenden Fleisch um alles andere als ein saftiges Schwein. Es roch nach Tod und Verderben, kochenden Körpersäften und sengender Haut.

Margtrax schaute sich hektisch um, konnte jedoch im flackernden Schein nur tanzende Schatten an den Häuserwänden erkennen. Menschen und Zwerge rannten in heilloser Panik durch die Gassen. Das einstmals so friedliebende Angbar existierte in dieser Nacht nicht mehr.

Sie nahm ihren Mut zusammen und rannte auf die Straße. Noch labten sich erst wenige Feuer an ihrem ehrenwerten Heim, doch in all diesem Chaos war es wohl nur eine Frage von Minuten, bis auch ihr Haus vollends in Flammen aufgehen würde. Niemand in ihrer Nähe verschwendete auch nur einen Gedanken an das Löschen der Brände. Jeder war damit beschäftigt, sich und seine Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen, ohne zu wissen wo diese zu finden war.

Margtrax hatte ein Ziel vor Augen, als sie sich in das wilde Durcheinander der Flüchtenden stürzte.

Mit großen Schritten rannte sie die breite Straße hinab in Richtung der Hafenanlagen am Angbarer See. Sie stieß mit zitternden Menschen und Zwergen zusammen, in deren Augen blankes Entsetzen stand. Sie sah den sonst so mürrischen Schankwirt, genau wie die Tuchhändlerin, die ihr in der letzten Woche einen großzügigen Sonderpreis für ihr neues Wams gemacht hatte. Ihre Gesichter waren rußverschmiert und sie riefen verzweifelt die Namen ihrer Lieben in die Nacht, ohne gehört zu werden.

Mittlerweile hatte sich in das Tosen der panischen Schreie auch das scharfe Hämmern von Stahl auf Stahl gemischt. Kämpfe mussten in den Angbarer Gassen entbrannt sein, auch wenn Margtrax nichts dergleichen in den rußigen Schwaden ausmachen konnte.

Doch ihre Ohren täuschten sich nicht. Sie sah mit tränenverschleierter Sicht, wie ihr panisch schreiende Bürger entgegen gerannt kamen. Sie hielten sich den Wanst oder den Arm, um die Blutungen aufzuhalten, die ihnen von fremden Klingen zugeführt worden waren.

Als sie auf den Neumarkt abbog, waren ihre Kleider bereits schwarz vor Ruß, und ihr Atmen war einem schweren Keuchen gewichen, Folge von Panik, Asche und Margtrax’ gutbügerlich genährten Rundungen.

Plötzlich erhitzte sich die Luft um sie herum so schlagartig, dass es selbst den Brand der in Flammen stehenden Stadt überlagerte. Das sengende Brennen auf ihrer Haut konnte Margtrax nach nur wenigen Augenblicken kaum mehr ertragen.

Dann sah sie ihn.

Einer glühenden Sonne gleich, zog der gigantische Feuervogel seine Kreise über den Giebeln der lodernden Häuser.

Sein Leib war nicht vom Flammen umgeben, wie Margtrax erst vermutete, sondern er bestand ausschließlich aus urtümlichem, dämonischem Feuer, welches sich zu einem drachengleichen Ungetüm zusammenschloss und den Schrecken formte, der Alagrimm genannt wurde. Sein Schweif bestand aus züngelnden Bränden, denen schwarzer Rauch in lang gezogenen Schwaden folgte.

Der Dämon zog eine enge Schleife und kippte über seinen rechten Flügel hinab in die Tiefe – direkt auf die vor Schreck erstarrte Hügelzwergin zu.

Sie hörte einen ohrenbetäubenden, wütenden Klang, der sie an das warnende Zischen einer Esse erinnerte, deren Glut mit einem Blasebalg mächtig angeheizt wurde. Der Alagrimm fuhr auf den Neumarkt nieder.

Starr vor Schreck waren es allein die Augen der Frau, die sich Hilfe suchend umsahen, während ihr die Glieder den Dienst versagten. Um sie herum stoben die Bürger Angbars auseinander und suchten ihr Heil in waghalsigen Sprüngen hinter Kisten und Fässer oder rannten so schnell sie ihre geschundenen Beine noch trugen.

Ein kreischendes Brüllen schlug ihr entgegen, als der Alagrimm sein feuriges Maul aufriss und sie ein Schwall infernalischer Hitze von den Beinen fegte. Geistesgegenwärtig fuhr sie herum und schlug schützend die Arme über dem Kopf zusammen, als sie auf das Pflaster des Platzes schlug. Blind vor Tränen und kaum noch in der Lage zu atmen, verharrte Margtrax reglos am Boden. Wellen des Schmerzes erschütterten sie.

Mit wenigen Schlägen seiner mächtigen Schwingen entzündete der Flammendämon die umliegenden Häuser mit seinem unheiligen Feuer. Dann glitt er über sie hinweg und in die Höhe. Die Geschäfte und Stuben der Angbarer Händler brannten sofort lichterloh.

Plötzlich kehrte Stille ein.

Erstaunt blickte Margtrax auf, und Hoffnung machte sich in ihr breit, den todbringenden Angriff tatsächlich überstanden zu haben.

Einen Moment später wurde sie gewahr, dass sie in Flammen stand.

Ihre Kleider und Haare hatten sich entzündet und brannten wie trockenes Reisig. Verwundert blickte sie an sich hinab, mühte sich auf die Füße zu kommen und hatte immer noch nicht verstanden, dass sie wie Zunder brannte. Zwei Wimpernschläge später erreichte sie der Schmerz, und Margtrax brüllte auf.

Noch niemals hatte sie solches Leid erfahren, wie in diesem Moment, als die Flammen des Alagrimm ihren Leib zur Nahrung für sein Feuer machten.

Ihre Haut schlug Blasen und platze ob der Hitze auf, während ihre geliebten Locken bereits ein endgültiges Opfer des Brandes wurden. Wie eine große Fackel tänzelte sie wenige Schritte über den Marktplatz und warf sich, einer besonnenen Eingebung folgend, wieder zu Boden.

Einem losgetretenen Fass gleich, rollte sie über die Pflastersteine und erstickte so die Flammen mit ihrem eigenen Körper. Selbst als das Feuer längst gelöscht war, mühte sich die Hügelzwergin unter unsagbaren Schmerzen weiter, aus Angst, dass Feuer könnte sich neu entzünden.

Minuten später kam Margtrax Köchelbrock qualmend und nach Atem ringend zur Ruhe. Sengender Schmerz hüllte ihren Leib wie ein Mantel ein, gefüttert mit hunderten von spitzen Nadeln. Ihre feine Bluse war mit der Haut verschmolzen, und auch die verbrannten Reste ihre Kleidung klebten an ihr.

Vor Schmerzen brüllend richtete sich die Hügelzwergin wieder auf und blickte sich verzweifelt nach Hilfe um, doch im heillosen Durcheinander aus Rauch, Flammen und fliehenden Menschen, nahm niemand Notiz von ihr. Jeder schien seine liebe Not zu haben, sich selbst zu retten.

Mit wackligen Beinen, gleich einer Volltrunkenen, setzte sie einen Fuß vor den nächsten. Noch immer hegte die vor Qual fast wahnsinnige Hügelzwergin den unumstößlichen Wunsch, ihr Ziel zu erreichen, koste es was es wolle. Beseelt von diesem einen Gedanken torkelte sie über den Neumarkt und schrie bei jedem Schritt ihre Pein hinaus.

Sie wollte die Kavernen unterhalb Angbars erreichen. Dort würde Margtrax in Sicherheit sein, dort wäre sie geschützt vor den alles verzehrenden Flammen des Alagrimm.

Sie kannte die geheimen Stollen der Angbarer Unterwelt wie ihre Westentasche, war sie doch bereits unzählige Male mit ihren Spießgesellen dort gewesen. Wenn sie es doch nur schaffte, den geheimen Eingang zu erreichen, ehe der Feuervogel erneut auf sie niederfuhr, war sie gerettet. Vor ihrem geistigen Auge sah sie die Kisten und Truhen voller Schmuggelware und war sich dem Platz gewahr, an dem die magischen Alchemika lagerten, unter denen sich auch der eine oder andere Heiltrank verbarg. Sie musste es schaffen, die wenigen dutzend Schritte bis zum verborgenen Einlass in die Unterwelt zu überbrücken.

Diese Hoffnung gab ihr eine schier überzwergische Kraft, sich auf den Beinen zu halten und in die nächste Gasse, die sie in Richtung Angbarer See führte, abzubiegen. Ihre Haut war von dem Flammen bis aufs äußerste gespannt und platze durch ihre Bewegungen an vielen Stellen auf. Unfähig, das Erlebte zu begreifen, klammerte sie sich an die einzige Hoffnung: die Schmugglerkavernen zu erreichen.

Sie wurde jäh enttäuscht, als eine Handvoll Männer und Frauen Schwerter schwingend auf sie zu gerannt kamen. Unter lautem Gebrüll stürmten die Mordbrenner durch die schmale Gasse und hieben auf jede arme Seele ein, die ihnen vor die Klingen lief.

Entsetzt riss die Hügelzwergin die Augen auf und blickte sich Hilfe suchend um. Weder Phex noch Angrosch standen ihr in diesem Moment bei. Machtlos stand sie da und sah die johlenden Mörder vor sich. Es waren keine fünfzig Schritt mehr, die Margtrax von ihre Heilung und Rettung trennten. Doch es hätte auch das Amboss-Gebirge zwischen ihr und den geheimen Stollen liegen können, so unerreichbar war ihr Ziel.

In einem Moment tiefster Enttäuschung und frei von Schmerzen, schloss sie die Augen, ehe der wuchtige Hieb einer Klinge sie zu Boden warf, auf dass sie nie wieder aufstehen würde.