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Vorwort des Herausgebers

Eckhart von Hochheim (bekannt als Meister Eckhart, um 1260–1328) ist einer der bedeutendsten Glaubenslehrer aller Zeiten. Und dazu wurde er nicht durch Angepasstheit und Gottesfurcht, sondern durch seinen scharfen Verstand und seinen intellektuellen Mut.

Stillstand gab es im Mittelalter allerorten, doch Eckharts Geisteshaltung war das genaue Gegenteil: Er stand nicht still, weder geistig noch örtlich. Aus der Gegend von Erfurt stammend, wo er ins Dominikanerkloster eintrat, studierte er unter anderem in Straßburg, lehrte in Paris und Köln. Als Provinzial seines Ordens stand er formal an der Spitze zahlreicher Klöster und nahm an Konventen überall in Europa teil.

Seine Schriften und Predigten waren geschliffen intellektuell und oft von einer unorthodoxen Auslegung kirchlicher Glaubenssätze geprägt. Er war kein ängstlicher kirchlicher Kleinkrämer, nein, er wollte die Menschen erreichen. Alle: Die, die der Kirche nahestehen, ebenso wie die, die ihr skeptisch gegenüberstehen. Die Studierten und Gebildeten ebenso wie das ungebildete einfache Volk. Denn gerade jene seien es, so Eckhart, denen man den Glauben am nötigsten vermitteln müsse.

Nach jahrzehntelanger erfolgreicher Kirchenarbeit wurde Eckhart in Köln von zwei missgünstigen Ordensbrüdern der Häresie (Abweichung von der Rechtgläubigkeit) bezichtigt, worauf ein offizielles Verfahren eingeleitet werden musste. Die Untersuchung zog letztlich Papst Johannes XXII. direkt an sich, und führte sie an seinem damaligem Amtssitz in Avignon zu Ende. Dort starb Eckhart zwischen Juli 1327 und April 1328, noch vor Abschluss des Verfahrens. Der Papst schließlich kam zu den Urteil, dass Eckhart selbst nicht als Häretiker zu gelten habe, 28 seiner Lehrsätze wurden jedoch als häretisch oder häresieverdächtig eingestuft.

Eckhart hatte nicht nur enorme Wirkung auf seine Zeitgenossen, sondern auch auf Generationen nach ihm kommender Philosophen, Denker und Schriftsteller. Dies nur eine kleine Liste derer, die sich in Essays, Büchern oder Traktaten an ihm abarbeiteten: Nikolaus von Kues, Martin Luther, Franz von Baader, Hegel, Schopenhauer, Martin Buber, Martin Heidegger, Gustav Landauer, Ernst Bloch und Erich Fromm.

C. G. Jung sah in Eckhart den größten Denker seiner Epoche und meinte, er habe eine »relativistische Gottesauffassung« verkündet, die Gott vom menschlichen Subjekt abhängig mache. Er habe Gott als »psychologischen Wert« verstanden und erkannt, dass dieser »Hauptwert« nicht in die Objekte der Außenwelt zu projizieren sei. Andere brachten und bringen Eckhart mit pantheistischem Denken in Zusammenhang, oder erkennen Übereinstimmungen mit fernöstlichen Religionen, insbesondere mit dem Zen-Buddhismus.

Einzelne Autoren zeichneten ihn als Kämpfer gegen das Kirchentum und für eine unmittelbare Beziehung des Gläubigen zu Gott ohne Vermittlung durch Priester. Dies und Eckharts Konflikt mit der kirchlichen Hierarchie tragen bis heute dazu bei, dass sich kirchenkritisch gesinnte Laienkreise auf ihn berufen. Doch bis heute gilt: Wer Eckhart verstehen will, muss ihn lesen. Die von Gustav Landauer zusammengestellte Sammlung seiner Texte ist das beste Mittel dazu.

Redaktion ModerneZeiten