KATHARINA VON DER LEYEN

Der Hund von Welt

Menschen
mühelos erziehen

KOSMOS

Inhalt

Ein gut erzogener Hund

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Der Hund und sein Mensch

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Der Hund und Tischmanieren

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Wo der Hund schläft

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Der Hund in der Öffentlichkeit

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Der Hund auf Reisen

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Der Hund und das menschliche Baby

Ein gut erzogener Hund kommt nicht von ungefähr: Gute Erziehung fängt beim Menschen an. Mich erstaunt immer wieder, dass Hundebesitzer von ihrem Vierbeiner Contenance und makellose Manieren erwarten, ihrerseits aber herumschreien, weder ordentlich an der Leine gehen, noch „Bitte“ und „Danke“ sagen können – geschweige denn, die Hinterlassenschaften ihres Hundes zügig verschwinden lassen.

Dabei hat wohl jeder Hund einen Menschen verdient, der ihm das Kissen aufschüttelt, ihm liebevoll die Mahlzeiten zubereitet und den Personal-Trainer für ihn spielt. Ein gut erzogener Mensch kann der beste Freund des Hundes werden.

Ich persönlich lebe mit vier Hunden zusammen: Luise, eine schwarze Großpudelhündin, Ida, ein ähnliches Modell in Braun, Harry, ein völlig neurotisches, aber durchaus charmantes Italienisches Windspiel, und Fritz, ebenfalls ein Windspiel, das nur etwas zu groß geraten ist. Sie – und alle Hunde, mit denen ich vorher zusammenlebte – haben mich seit frühester Jugend sehr erfolgreich erzogen. Ich mache lange Spaziergänge, bin äußerst geschickt darin, verlorenes Spielzeug wiederzufinden und zu apportieren, ich gehe auch nachts spazieren, wenn es sein muss, und habe gelernt, meinen Tagesablauf praktisch vollständig den Bedürfnissen meiner Hunde unterzuordnen. Ich bin sehr gehorsam, 100%-ig stubenrein und ein anhänglicher, hingebungsvoller Hundefreund.

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Das Geheimnis unserer guten Beziehung liegt im gegenseitigen Verständnis. Meine Hunde wissen, dass meine Sinnesorgane mit den ihrigen schlicht nicht mithalten können: Ich benutze meine Nase hauptsächlich dafür, meine Brille darauf zu befestigen. Mein Gedächtnis lässt zu wünschen übrig; nie kann ich mich erinnern, wo eigentlich meine Autoschlüssel sind. Ein Hund vergisst jahrelang nicht, wo er einen Knochen vergraben oder einmal um ein Haar ein Kaninchen erwischt hat, während der Mensch stundenlang alle Schränke durchwühlen muss, um seinen Lieblingsschal zu finden, und dann seinen Ehepartner anschnauzt, wo der/die den Schal hinverräumt hat.

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Ich weiß nichts von den Geheimnissen eines Kaninchenbaus, ich bin ahnungslos, was das besondere Aroma eines vor sieben Wochen verstorbenen Fisches betrifft, aber meine Hunde verzeihen mir diese Unzulänglichkeiten – sogar, wenn ich sie in totaler Ignoranz daran zu hindern versuche, wertvolle Nahrungs-Ressourcen in Sicherheit zu bringen, wie im Park herumliegende Grillabfälle, zeigen sie noch freundliches Entgegenkommen.

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Vor nicht allzu langer Zeit waren Hunde noch eine Notwendigkeit, keine Accessoires. Sie trieben Schafe durch bergiges Gelände, brachten halberfrorenen Bergsteigern wärmenden Schnaps in die Felsspalten, in die sie gefallen waren, und beschützten Haus, Hof und die Menschen darin vor Dieben und Wegelagerern. Sie liefen frei herum, weil sie ihren Unterhalt verdienten, ihre Wehrhaftigkeit und ihr Bewegungsbedürfnis wurde gepriesen, nicht an die Leine gelegt. Es war eine Zeit, in der sie mit allen Vieren auf dem Boden blieben, anstatt in kleinen gefütterten Täschchen herumgetragen zu werden, in der sie bei Bedarf mit dem Gartenschlauch abgespritzt wurden und nicht in den Hundesalon gekarrt wurden. Es war eine Zeit, in der Hunde genau das sein sollten und durften, was sie sind: eine andere Spezies.

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Meine Hunde haben mir beigebracht, sie nicht als kleine, haarige Versionen des Menschen zu betrachten, sondern nie zu vergessen, dass wir zwei völlig unterschiedlichen Spezies angehören – egal, wie ähnlich wir uns manchmal zu sein scheinen. Wenn der Mensch versucht, den Hund zu imitieren, macht er seinen Hund damit ganz nervös: Der Hund sollte ebenso wenig versuchen, das Leben des Menschen zu bestimmen, wie der Mensch sich wie ein Hund behandeln lassen sollte (im historischen Gebrauch dieses Ausdrucks). Sie sollen Freunde werden, aber nicht versuchen, einander zu imitieren: Wenn der Mensch das Spiel mit der Gummimaus seines Hundes zu ernst nimmt, wird der Hund ganz unsicher und überlegt sich, ob er nun auch auf zwei Beinen gehen und Zigarren rauchen soll, wird befangen, wenn er keine modischen T-Shirts trägt, und fängt an, seinen Schwanz zu jagen und Nägel zu kauen.

Ein guter Hundemensch erkennt die Tatsache an, dass zwischen Hund und Mensch Welten liegen, was Überblick, Intelligenz und Weisheit betrifft, und wird nicht versuchen, das Unmögliche von sich und seinem Hund zu verlangen.

Nicht alle Hunde sind in der Erziehung so erfolgreich wie meine. Manche Hunde verwöhnen ihre Menschen zu sehr, andere nörgeln, ziehen und zerren, bis der Mensch völlig gestresst ist. Der Schlüssel – um das noch einmal ganz deutlich zu betonen – liegt im gegenseitigen Verständnis für die Möglichkeiten und Grenzen des anderen: dann ist alles möglich. Überlegen Sie doch: Ohne meine Hunde wäre dieses Buch ja nie geschrieben worden.

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Der Hund und sein Mensch

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Luise sagt:

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Das Zauberwort erfolgreicher Erziehung ist Geduld. Training ist keine Einbahnstraße; der Hund muss erst einmal lernen, sich selbst im Griff zu haben, bevor er versuchen kann, seinen Menschen unter Kontrolle zu bekommen. Viele Menschen sind angespannt, hochsensibel oder gar neurotisch; wenn der Hund aufgrund kleiner Versäumnisse gleich cholerisch wird und zur Strafe den nächstbesten Schuh zerkaut, wird er nur erreichen, dass der Mensch das Vertrauen in ihn verliert. Mir ist ein Fall bekannt, in dem ein Terrier immer wieder nach seinem Menschen schnappte oder ihn anknurrte, wenn der sich beim Bürsten ungeschickt anstellte bzw. ihm sein Mittagessen nicht in absoluter Ruhe servierte. Das Ergebnis war, dass der Mensch hundescheu wurde und sich gar nicht mehr traute, mit dem Hund umzugehen.

An Hunde werden seit jeher große Erwartungen gestellt. Es wird erwartet, dass sie grundsätzliche Dinge verstehen wie „Nein!“, „Komm!“, „Sitz!“, „Fuß!“, „Platz!“ und „Hey, nicht auf dem Teppich!“. Ob Hunde die fortgeschrittene Kommunikation mit dem Menschen weiterbringt, ist bisher nicht geklärt: Katzen beispielsweise kümmern sich nur sehr selten darum, was der Mensch von ihnen erwartet, und genießen trotzdem – oder gerade deshalb – dessen vollen Respekt. Vögel oder Fische leisten noch weniger für ihren Lebensunterhalt und werden dennoch genauso häufig gefüttert wie Hunde.

Die Psychologie von Regeln

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Für ein erfolgreiches Zusammenleben von Hund und Mensch müssen bestimmte Regeln aufgestellt werden, Rituale, nach denen beide sich richten können. Hier treffen sich die tiefen Grundbedürfnisse von Hund und Mensch: Völlig ungebundene Hunde ohne Strukturen sind unglückliche Hunde – genau wie der Mensch, der mit der Freiheit, für die er die letzten zweihundert Jahre gekämpft hat, auch nichts anfangen kann, und sich permanent neue Fußfesseln schafft wie Handys oder Laptops, mit denen er ununterbrochen erreichbar und eben das Gegenteil von „frei“ ist.

Die meisten Hundebesitzer sind sich einig, dass Hunde den Unterschied zwischen Teppichen und Rasenstücken lernen müssen. Das nennt sich „Erziehung zur Stubenreinheit“ und ist ideal, um den Menschen gleich von vornherein darin zu trainieren, rund um die Uhr auf den Hund und dessen subtilste körpersprachliche Signale zu achten. Wenn der Hund es richtig anstellt, ist ihm von frühester Kindheit an alle drei Stunden ein kleiner Kurztrip nach draußen gewiss – wirklich Begabte halten dies zumindest eine Zeitlang auch nachts durch.

Erziehung kann anstrengend sein, ist aber auf jeden Fall die Mühe wert: Ein gut erzogener Mensch ist ein fügsamer, angenehmer, liebevoller Begleiter, auf den man sich verlassen kann und der seinem Hund fast alle Wünsche von den Augen abliest. Durch die richtige Erziehung kann der Mensch des Hundes bester Freund werden. Das Training beginnt dabei bereits in dem Moment, in dem Mensch und Hund einander kennen lernen. Wer zu lange wartet, nicht rechtzeitig ausreichend Zeit in die Erziehung investiert und die Dinge schleifen lässt, wird es dafür später deutlich schwerer haben, wenn der Mensch erst faul, unmotiviert und unkooperativ geworden ist. Wer dagegen mit der Erziehung gleich jetzt und heute beginnt, wird später mit einer viel intensiveren Hund-Mensch-Beziehung und einem insgesamt ausgeglicheneren, glücklicheren Menschen belohnt werden.

Der Mensch sollte von Anfang an nicht zu sehr verwöhnt und bekuschelt werden. Sein Gesicht abzulecken ist sowieso eine unhygienische Sache, der Gebrauch von Babysprache eine Beleidigung sowohl seiner, als auch der Intelligenz des Hundes. Menschen wollen ihren Hund respektieren, sie wollen ihm gefallen und von ihm geliebt werden: Das ist die Basis einer funktionierenden Erziehung. Der Hund muss freundlich und geduldig sein, aber von Anfang an klarstellen, wer hier der Boss ist.

Ida sagt:

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10 Gebote zum Thema „Meins + Deins“

hundepfote.tifEs gehört mir, also ist es meins.

hundepfote.tifIch hab‘s zuerst gesehen, also ist es meins.

hundepfote.tifWenn es in mein Maul passt, ist es meins.

hundepfote.tifWenn ich es dir wegnehmen kann, ist es meins.

hundepfote.tifWenn ich vorhin damit gespielt habe, ist es meins.

hundepfote.tifEs kann überhaupt nicht sein, dass es deins ist, weil es nämlich meins ist.

hundepfote.tifWenn ich etwas zerkaut habe, sind alle Einzelteile meins.

hundepfote.tifWenn es aussieht, als wäre es meins, ist es meins.

hundepfote.tifWenn du mit irgendwas spielst und es dann hinlegst, wird es damit automatisch meins.

Kommunikation

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Es ist natürlich wichtig, dass Hund und Mensch so eindeutig und effektiv wie möglich miteinander kommunizieren. Der Hund kann den Menschen so viel anbellen, wie er will – wenn der Mensch nicht weiß, was der Hund ihm damit sagen will, bringt es überhaupt nichts. Will hund also beispielsweise nach draußen, ist es wirkungsvoller, den Menschen traurig anzustarren und laut zu seufzen. Es mag auch sinnvoll sein, leicht an der Tür zu kratzen. Wenn der Mensch auch dann noch zu langsam ist, dürfte das Herumschleppen der Leine mit lautem Geklimper selbst dem größten Träumer die Botschaft deutlich machen. Der Mensch wird mit Gebrummel seinen Mantel und feste Schuhe anziehen und mit dem Hund ins Freie gehen. Diese Übung sollte regelmäßig wiederholt werden, bis der Mensch gelernt hat, ohne Aufforderung von ganz alleine zu regelmäßigen Zeiten mit dem Hund spazieren zu gehen.

Alle Menschen reden mit ihren Hunden. Manche besprechen sich mit ihrem Hund, weil sonst gerade keiner da ist, andere reden überhaupt gerne und am liebsten, wenn der andere nicht widerspricht oder unterbricht. In jedem Fall sollte der Hund immer gut zuhören, wenn der Mensch mit ihm spricht: Er möchte dann meistens etwas Bestimmtes ausdrücken.

Schwierig wird es dagegen, wenn Menschen nicht wirklich meinen, was sie sagen. Beispielsweise reden sie den Hund in autoritärem oder ärgerlichem Tonfall an, während ihr Gesichtsausdruck aber wirkt, als fänden sie irgendetwas ziemlich lustig. Wenn der Hund z.B. auf dem Tisch steht und aus der Blumenvase trinkt, kann er normalerweise davon ausgehen, dass der Mensch jetzt Ärger machen möchte. Manche Menschen aber nicht: Die amüsieren sich heimlich über irgendetwas. Es ist normalerweise trotzdem besser, umgehend vom Tisch zu springen und die Angelegenheit nicht mehr zu erwähnen.