Inhaltsverzeichnis


An meine Kinder
Erster Theil
Zweyter Theil
Caroline von Wolzogen

Agnes von Lilien

e-artnow, 2018
Contact: info@e-artnow.org
ISBN 978-80-268-2063-5

Zweyter Theil

Inhaltsverzeichnis

Während der Genesung von einer schweren Krankheit, ist das Gemüth zum stillen Hoffen und Dulden mehr als zum heftigen Verlangen gestimmt. Das Gefühl, eine freudenreiche lebenvolle Gegenwart nicht mit vollen Sinnen genießen zu können, beruhigt über einen freudenlosen Zustand.

Unser Gemüth ergreift Vergnügen und Schmerz mit gleicher Gewalt, und eben so stehen Sorge und Verlangen in gleichem Verhältniß. Auf diese Art ertrug ich meine höchstsonderbare Lage mit einer Ruhe, die mir in der vollen Thätigkeit meiner Gemüthskräfte unbegreiflich war.

Das gute wohlmeynende Wesen des Arztes, sein heller Blick, der mit offenbarem Vergnügen auf mir verweilte, gaben mir sogar Muth. Hätte mir dieser Mund ein Unglück zu verkündigen, er würde mir nicht so heiter zulächeln! sagte ich mir oft.

Nur die Unruhe um Charles verfolgte mich mit quälenden Bildern. Sein Verstummen nach dem Schuß, welchen ich an jenem unglücklichen Abend gehört, ließ mich oft seinen Tod befürchten.

Der Verlust eines so treuen Freundes war mir innig schmerzlich; und er war auch das einzige Band zwischen meiner Mutter und mir! Wo sollte ich die geliebte Stimme aufsuchen, die mir nur körperlos, wie ein Laut des Echo aus der Wildniß zutönte!

Als mich der Arzt den nächsten Tag besuchte, sagte er: Die Musik ist ein sehr wirksames Mittel, um den schwachen, verstimmten Nerven wieder Ton zu geben; ich habe eben in dem nächsten Dorfe zwei kleine Musikanten gefunden, zwei liebliche Knaben; ich nahm sie mit hierher, um Ihnen ein kleines Concert zu machen.

Er öfnete die Thür ins Nebenzimmer, und ich hörte ein liebliches Vorspiel einer Guitarre und Flöte. Es war dieselbe Melodie, welche Bettina in Nordheims Garten gespielt hatte.

Mein Busen wallte in sonderbaren anmuthigen Erwartungen; der Arzt beobachtete mich genau, winkte mir freundlich zu, und sagte lächelnd: O, ich bin der guten Wirkung dieses Mittels gewiß!

Die Alte setzte ihre Brille auf, und schüttelte den Kopf; so that sie zu allem, was sie nicht verstand. und wobey sie sich doch ein bedeutendes Ansehn geben wollte.

Jetzt tönte eine reine volle Stimme in die Saiten; ich erkannte Bettina. Meine Augen füllten sich mit süßen Thränen, und ein sanfter Schauer bebte durch meine Nerven. Der Arzt faßte meine Hand und sagte: Sie müssen den einen Knaben sehen, es ist ein so liebliches Kind! Komm herein, Kleiner! rief er; aber geh und sprich ja leise!

Ein Knabe trat schüchtern an die Thür. Er stand im Schatten, und ich erkannte die Gesichtszüge nicht. Nur näher! winkte der Arzt; und jetzt stand Bettina in Knabenkleidern mitten im Zimmer.

Sie sank auf ihre Knie, sah mich mit einem Blick an, in dem sich ihr ganzes Wesen aufzulösen strebte, und verbarg dann ihr Gesicht in ihre beiden Hände.

Der Arzt gebot ihr aufzustehen, zog sie zu sich, und sie stand jetzt dicht an meinem Bette.

Ich reichte ihr meine Hand, der sie einen heißen Kuß aufdrückte, und als sich ihr Haupt wieder erhob, flüsterte sie mir leise auf Italiänisch zu: Nordheim sendet mich zu dir, er ist nicht weit. Gott, was litten wir um dich!

Die Alte schob ihre Brille zurechte, hustete, fand das alles sehr sonderbar; doch wagte sie keine Bemerkung. Der Arzt wußte sie mit unerschöpflicher guter Laune zu unterhalten.

Bettina und ich selbst waren jetzt gefaßt genug, um ein gleichgültiges Gespräch vor der Alten anzuknüpfen. Sie mußte ihren Bruder auch aus dem Nebenzimmer zu mir bringen, beide Kinder betrugen sich mit großer Feinheit. Battista machte sich an Madame Imbert, und wußte durch tausend Schäkereyen ihre Aufmerksamkeit von mir abzulenken.

Bettina spielte mir geschickt einen Brief in die Hände; ich erkannte Nordheims Handschrift, und verbarg ihn in meinen Busen.

Ich hoffe Ihnen morgen einen Spatziergang im Garten verordnen zu dürfen, sagte der Arzt.

Die Alte wollte Einwendungen machen, aber eine scherzhafte Antwort des Arztes brachte sie zum Schweigen.

Auch meine kleine Hofkapelle bringe ich Ihnen bald wieder mit, sagte er beym Abschied.

Bettina küßte meine Hände noch einmahl, und während sich ihr Bruder mir näherte, ergriff sie eine Scheere, die auf dem Tischchen am Bette lag, und schnitt eine Haarlocke ab, die über meiner Schulter lag; schnell hatte sie ihren Raub in ihr Westchen verborgen, drückte die Hand auf ihre Brust, und flüsterte mir leise zu: Es ist für ihn!

Ich erwartete die Ruhestunde der Alten mit klopfendem Herzen. Als ich hörte, daß sie in tiefem Schlafe lag, wagte ich es, meinen lieben Brief zu eröfnen.

»Endlich, meine geliebte Agnes, kenne ich Ihren Aufenthalt. Die qualvollsten Tage meines Lebens folgten auf die schönste Stunde desselben. Aber der Augenblick, welcher uns wieder vereinigen wird, ist nicht fern; unser Leben soll bis dahin ganz der Hofnung gehören. Ich wäre zu Ihnen geeilt, hätte mich der Arzt nicht zurückgehalten. Er fürchtete, eine so ganz unerwartete Erscheinung möchte zu heftig wirken.

»Der Arzt ist einer meiner liebsten Freunde den ich von nun an als den Schutzengel meines Lebens verehre, weil er meine geliebte Agnes erhielt.

»Fürchte nichts mehr, meine einzig Geliebte! Du bist von den Armen der Liebe umgeben, keine Gefahr soll dir mehr nahen. Fürchte auch nicht für die, die dir werth sind, sie sind gerettet, um sich eines schönen Lebens mit uns zu freuen.

»Sobald der Arzt die Reise zuträglich für Sie findet, bitte ich Sie, diesen Aufenthalt zu verlassen.

»Alles wird sich freundlich auflösen.

»Ich schicke meiner süßen Geliebten hier einen Ring, welcher nie von meiner Hand kam; mir dünkte, ihre lieben Blicke ruhten oft darauf, und schienen eine gewisse verworrene Empfindung auszudrücken. Er löse jetzt alle Zweifel des besten Herzens, dessen Vertrauen ich ganz verdienen will.«

Wie sonderbar ward mein Gemüth bewegt, als ich den Ring mit Amaliens Nahmen aus einem Papier wickelte! Die reine Güte meines Geliebten, der treue zarte Sinn dieses Briefes, die seelenstärkende Hofnung, wirkten als wohlthätige Zaubermittel auf mein ganzes Wesen. Alle Sorgen um Charles und meine Mutter fielen von meinem Herzen, das sich ganz in seliger Hofnung erhob.

Arme Amalie! seufzte ich über den Ring mit einer unaussprechlich wehmüthigen Empfindung, als ich ihn wieder einwickelte, um ihn zu verwahren. Aber der erste Abend, wo er von Nordheims Hand in die meine fiel, stand vor meiner Seele, und ich verlor mich in den schönsten Träumen, die die Zukunft an die Vergangenheit knüpften.

Der Arzt fand mich am folgenden Morgen so stark, daß er darauf bestand, ich sollte einige Stunden der freien Luft im Garten genießen.

Ich sah die ganze Façade des Hauses, worin ich mich befand. Es war ein altes, aber sehr großes Gebäude, und schien ganz unbewohnt. Der Garten war ringsum von einer mäßig hohen Mauer umgeben, und einige Durchsichten waren angebracht, wo man durch eiserne Stäbe in die umliegende Gegend blickte. Der Garten stieß an einen anmuthigen Wald, aber die ganze Gegend schien öde und menschenleer, und nur in weiter Entfernung lagen einige Dörfer.

Aus wiederholten Fragen, mit welchen ich die Alte oft überraschte, hatte ich mir zusammengesetzt, daß dieser Ort ohnweit U. läge, welches zehn Meilen von D. entfernt war.

Wem dieses Landhaus zugehöre, hatte ich bis jetzt nicht bestimmt erfahren können, aber als ich im Garten über den Thoren des Schlosses das Wappen des Fürsten von ** bemerkte, blieb mir kein Zweifel, durch welche Autorität ich hiehergebracht worden sei, so unergründlich mir auch die Ursache dieses Benehmens war.

Der Arzt ging an meiner Seite, aber Madame Imbert ging an der andern, und es wurde uns unmöglich, etwas Zusammenhängendes zu sprechen.

Sie werden Herrn von Nordheim sehen! flüsterte mir der Arzt zu, ich konnte ihn nicht länger zurückhalten; aber halten Sie sich, und verbergen sich vor der Alten so viel wie möglich!

Mein Herz schlug hoch, der Athem fing an zu entgehen, und mein gebrochnes Auge richtete sich nach dem unendlichen Blau des Himmels, um Stärke zu sammlen.

Der Arzt warf einen besorgten Blick auf mich, unterstützte mich mit seinem Arm, und sagte mir ins Ohr: Wenn Sie sein Anschaun nicht still zu ertragen vermögen, so eile ich ihn aufzuhalten. –

Nein, sagte ich, es ist schon besser, Sie sollen mit mir zufrieden seyn.

An einem Platz wo man die freie Aussicht auf den Wald hatte, bat mich der Arzt auszuruhen. Es war ein heitrer Herbstmorgen. Der Himmel glänzte im reinsten Licht, und der Wald, der vor uns lag, im Schmuck der mannichfachsten Farben.

Ein Duett von Waldhörnern schallte aus der Ferne, und näherte sich uns in immer wachsenden Tönen. Bald vernahmen wir den Lärm von Pferden und Hunden, und jetzt sahen wir die Reuter aus dem Dickicht des Waldes sich uns nähern.

Der Arzt hielt meine Hand, und ein freundlicher Wink verkündigte mir Nordheims Ankunft.

Er wird nicht mit Ihnen sprechen, flüsterte er mir ins Ohr, nur unter dieser Bedingung erlaubte ich ihm zu kommen.

Es ist Herr von U. mit seiner Jagdgesellschaft, sagte er laut.

Nordheims Gestalt leuchtete mir sogleich aus allen übrigen hervor. Welche Zauberkraft fesselte alle meine Sinnen! Mein Herz flog ihm entgegen, und alles hielt mich zurück. Die Gewalt des Verlangens bewegte mein Herz aufs neue bis zum schmerzlichen Krampf; aber jetzt näherte sich der Geliebte, ich sah die reinen großen Formen von hohem, stillem Geist belebt, und jeder Sturm in meinem Busen schwieg. Wie im Anschaun der reinen Schönheit, fühlte ich nur ein hohes stilles Vergnügen, in dem mein eignes Wesen sich stärkte und erhob.

Seine Augen ruhten auf mir mit süßem Verlangen, mit zarter Besorgniß. Wie fühlte ich die Allgewalt, mit der die Seele sich durch dieses Organ auszudrücken vermag! In wenig Augenblicken stand die ganze Seele meines Geliebten in reiner Klarheit vor mir, wie nach einem sanften Gespräch, und Hofnung belebte mein ganzes Wesen.

Auch Julius war in Nordheims Gesellschaft, und sein sanfter Gruß zeigte mir sein liebendes Herz. Bettina und ihr Bruder folgten. Gleich einer himmlischen Erscheinung wallten die lieben bekannten Gestalten vor mir vorbey, um mir Heiterkeit und Trost zuzulächeln.

Die Vereinigung derer die wir lieben, ist einer der zärtesten Genüsse des Herzens. Meine heitern Blicke dankten dem guten Arzt, der den innigsten Antheil an meiner Freude nahm. Bewahren Sie diese sanfte Geduld nur noch wenige Tage, sagte er mir während einer kurzen Entfernung der Alten. Treue Liebe wacht über jeden Ihrer Schritte. Mit Engels Unschuld wandeln Sie ohne Furcht in Licht und Klarheit. – Ich danke Nordheim alles was ich bin, und das Schicksal konnte mir keine größere Wohlthat erzeigen, als die Gelegenheit, mich dankbar zu beweisen. Im Grunde ist wenig Verdienst hierbey, denn ich war entschlossen, alles für Sie zu thun, sobald ich Sie kennen lernte. – Halten Sie sich ruhig für heute, sagte er, als die Alte zurückkam, und nahm Abschied.

Als ich aus dem Garten zurückging, begegneten mir ein paar alte verlebte Gestalten, die gleich den Schatten der Vorwelt, in den langen Gängen und den öden Gemächern nur noch eine Spur des entflohenen Lebens zu bezeichnen schienen. In der einen erkannte ich den widrigen kleinen Mann, der mir beim ersten Erwachen aus meiner Krankheit den Puls fühlte. Die zweite war ein freundlicher Alter, der mir gütig und vertraulich zulächelte.

Verschiedene Gemächer waren geöfnet, man war beschäftigt sie zu reinigen und auszulüften. Der freundliche Alte bezeigte mir sein Verlangen, mich mit den Seltenheiten, welche sie enthielten, bekannt zu machen, aber mein alter Argus warf einen unwilligen Blick auf ihn, und alle Hausgenossen schienen unter demselben Joch, welches auch mich drückte, zu seufzen. Endlich gelang es doch meinem neuen Freund, der als ein alter Hofdiener auch etwas jener kleinen Künste, welche die große Welt regieren, erlernt haben mochte. Er schwang den Zauberstab der Schmeicheley, und die tausend Augen der Vorsichtigkeit schlossen sich gefällig. Wollen Sie nicht in jenem Cabinet der jungen Dame Ihr Bildniß zeigen? sagte er der Alten. Es ist von wunderbarer Schönheit, und seltner Ähnlichkeit. Sie werden darüber erstaunen, sagte er mir, und schon nahmen unsre Schritte eine andere Richtung. Alle Falten des alten Gesichts klärten sich auf, und legten sich in einen selbstgefälligen Zirkel um Mund und Wangen. Das alte Weib hüpfte uns selbst voran, die Thür zu öffnen. Wir standen vor einer Diana, und ihre Redseligkeit war in vollem Strom, uns die Situation, in welcher das Bild gemacht war, und die Leidenschaft des Fürsten, der es begehrt hatte, zu vergegenwärtigen. Es konnte uns kein Zweifel mehr übrig bleiben, daß man diese Göttin hier nur wegen des Kontrastes gewählt hatte.

Der gute Mann lächelte und winkte mir sein Vergnügen über die gute Laune zu, in welche er die Alte versetzt hatte. Wir besahen nun mehrere Zimmer, ich wurde weniger streng bewacht, und er gewann die Gelegenheit sich mir zu nähern. »Erschrecken Sie nicht, wenn sich in dieser Nacht eine Tapetenthür in Ihrem Zimmer eröffnet, und folgen Sie Still dem Wink, welchen man Ihnen geben wird.«

Ich suchte die Alte diesen Abend zeitig zur Ruhe zu bringen, indem ich mich selbst bald zu Bette legte. Als sie im Nebenzimmer in tiefem Schlaf lag, stand ich auf, zog mich an, und erwartete, welche neue Begebenheit meinen neuen gegenwärtigen Zustand freundlich auflösen, oder auch vielleicht tiefer verwirren würde.

Ich fand wirklich eine verborgne Thür, die ich noch nie bemerkt hatte, und nach der Mitternachtsstunde vernahm ich ein Geräusch an derselben.

Ich bebte vor ungeduldigem Verlangen. Jetzt öffnete sich die Thür, eine verhüllte Gestalt bog sich herein und winkte mir. Ich folgte, und die Hofnung, meine Mutter in dieser Gestalt zu finden, bewegte mein Herz in süßer Freude. Aber eine starke männliche Hand faßte die meine, und führte mich durch einige finstre Gänge.

Sollte es Nordheim seyn? dachte ich, aber mein Herz schwieg, und empfand nichts von dem nahmenlosen Zauber, welcher uns in der Nähe eines geliebten Wesens ergreift. Jetzt öffnete sich vor uns ein erhelltes Zimmer, die Gestalt warf einen langen Mantel von sich, und ich erkannte den Prinzen.

Ists möglich? Sie hier? sagte ich. O Sie kamen gewiß, um das Unrecht Ihres Vaters wieder gut zu machen, mich aus diesem Ort zu befreien und meinen Freunden wieder zu geben!

Gutes, vertrauendes Geschöpf! erwiederte er, ich komme, um Sie Ihrer Mutter zuzuführen. Mein Herz eilte dieser glücklichen Entdeckung ungestüm zuvor, als es sich Ihnen im ersten Augenblick mit Liebe und Verlangen näherte. O meiner Schwester Glück im Besitz einer so lieben Tochter ist groß und einzig!

Ihrer Schwester? rief ich aus. Meine Mutter .... O so war jene wunderbare Ahndung keine Täuschung!

Die Seitenthür öffnete sich, und die Prinzessin trat herein.

Bestes Kind! rief sie aus, indem sie mich in ihre Arme schloß, der Augenblick ist endlich gekommen … Meine Tochter … Ich lag zu ihren Füßen, sie zog mich an ihre Brust, und unsre Herzen schlugen unter süßen Thränen gegen einander.

Nach den ersten Momenten süßer Verwirrungen, in denen mich auch der Prinz als seine Nichte umarmte, blieb ich allein mit meiner Mutter.

Du bist die Frucht der heiligsten, aber der unglücklichsten Liebe, sagte sie, die unter dem Druck der schwersten Verhältnisse sich von Thränen und Entbehrungen nährte. Meine Freunde, die die fürchterliche Gewalt kannten, mit welcher mein Herz die Gegenstände seines Verlangens ergreift, entrissen dich mir. Ich beweinte dich als eine Todte, während du in holdem Leben aufblühtest. Jetzt da ein längeres Leben mir stilles Dulden und Genießen lehrte, jetzt gab dein Vater dich mir wieder. – Ach und beinah verlor ich ihn selbst! Eine tiefe Finsterniß liegt noch auf unserm Schicksal. Stolz, Härte, kalte Eitelkeit sammlen undurchdringliche Wolken um uns her. O die Menschen können viel Böses beginnen, wenn ihr Herz dem Strahl der Liebe undurchdringlich ist! Unsre zarten, süßesten Neigungen dünken ihnen dann nur leichte Opfer!

Ich lag zu den Füßen meiner Mutter, mein Haupt ruhte in ihrem Schooß, und ihr tiefer, schwermüthiger Blick lösete jede Kraft meines Busens auf. Eine unaussprechliche Bangigkeit faßte mich, doch suchte ich ruhig zu scheinen.

Ich habe noch wenig Erfahrung, meine theure Mutter, aber doch fühlte ich schon oft, wie uns das Herz in der Gefahr wächst, und wie in dringender Noth gleichsam ein guter Engel in den Lauf des Schicksals greift, um die Umstände freundlich zu uns zu fügen. Lassen Sie uns Vertrauen schöpfen. –

Armes Kind! sagte meine Mutter mit einem süßen schmerzlichen Lächeln, du ahndest nicht, welches Opfer man von dir fordert! …

Sie verlangte eine kurze Erzählung meiner Begebenheiten in jener Nacht, und meines Aufenthaltes an diesem Ort.

Mit dem süßen Vergnügen, mit welchem wir innig Vertrauten die glücklichen Momente unsers Lebens mitzutheilen streben, weil sie ihnen zum eignen Genuß werden, und mit jener Schüchternheit einer hochbewegten Seele, die sich ihr reinstes Glück kaum selbst auszusprechen wagt, entdeckte ich meiner Mutter Nordheims Liebe, unser erstes Zusammentreffen, meine Hofnungen und meinen Schmerz, bis zur glücklichen Stunde, wo sich mir das schönste, edelste Herz ergab.

Meine Mutter war höchst bewegt, antwortete nichts, und schloß mich weinend in ihre Arme.

Er ist das Opfer! tönte es in meinem Innersten; und gleich der kalten Hand des Todes, ergriff ein starres Entsetzen meinen Busen. Mögen sich diese Augen auf ewig schließen, wenn sie sich zu seinem Anschaun nie wieder erheben sollten, sagte ich in mir selbst. Nur eine schaudervolle Ode fand ich in meinem Innern; der Wunsch, mich selbst darin zu verlieren, war mein klärstes Gefühl.

Meine Mutter hieß mich fortfahren, und fragte nach allen kleinen Umständen der unglücklichen Stunde, die mich hier her versetzte.

Ich sprach lebhaft von meiner Sorge um Charles; ob mich gleich Nordheims Zeilen von der Furcht befreiten, ihn verloren zu haben, so sagten sie mir doch auch nichts Bestimmtes über seinen jetzigen Zustand. Wo ist der gute, treue Mann, dem ich so viel zu verdanken habe? O du hast ihm noch mehr zu danken, als du weißt, sagte meine Mutter. Alles – er ist dein Vater! und welch ein Vater, welch ein Mann er ist, wirst du aus einer kleinen Lebensgeschichte sehen, die ich seit unserer ersten Zusammenkunft für dich aufschrieb.

Du hörtest von deinem Pflegevater den Nahmen Hohenfels gewiß mit Verehrung nennen. Ich weiß es, er war der gute Engel jener Gegend, den man bis zur Anbetung verehrt, wie der fromme Wahn einen entschlafenen Schutzheiligen. Und dieser Mann entzog sich der Welt, in welcher ihn die schönsten Verhältnisse fest hielten, entzog sich dem großen Cirkel seiner Wirksamkeit aus Liebe für mich, für dich, mein Kind. Sein glänzendes Leben verschwand wie ein schöner Stern vom Himmel. Alle Augen suchten ihn mit Sehnsucht. Er erhielt, ernährte unsre Herzen mit seinem heiligen Feuer. – Du wirst es fühlen, liebstes Kind, wenn sich der ganze Lauf seines Lebens vor dir enthüllt; wir können nie, nie genug für ihn thun!

Welche Freude empfand ich, in diesem edlen geliebten Mann, der mir gleich anfangs als ein guter Genius erschienen war, meinen Vater zu finden! Die Freude, welche mein Vater von Hohenfels über diese glückliche Erscheinung seines so lang beweinten Freundes fühlen würde, erhöhte mein eignes Glück.

Aber dieser edle Mann, fuhr meine Mutter fort, ist jetzt in den Händen meines Vaters! Warum muß ich es aussprechen! meines Vaters, in dessen ehernem Busen nie ein sanftes Gefühl der Natur keimte. Fühllosigkeit und Mißtrauen sind das Loos derer, die auf einer höheren Stufe zu stehen wähnen, wenn nicht eine besonders reiche Natur ihr beßres Gefühl erhält. Die Sklaverey des Scheins unterdrückte die freie Regungen seines Herzens, die Convenienz wurde aus seiner Tyrannin seine Göttin. Wie sein eignes Daseyn, so opfert er dieser auch jede andere Existenz, die ein unglückliches Schicksal an die seinige knüpfte. Gutes Kind! mußte dich meine unvorsichtige Neigung auch in dieses feindselige Gewebe ziehen!

Lies dieses, sagte sie, indem sie mir zwey versiegelte Papiere gab: das erste enthält einen flüchtigen Umriß meiner Lebensgeschichte; das zweite, Briefe meines Bruders, aus welchen du die gegenwärtige Lage der Dinge sehen wirst.

Ich fordre nichts von dir …, sagte sie mit zitternder Stimme: mein Herz wird nur Ruhe finden, wenn es aufgehört hat zu schlagen. Dein großmüthiger Vater fordert nichts von dir, er hat jedes Glück dieser Welt für sich aufgegeben, nur das deine kann ihn noch rühren. Fordre nichts von dir selbst, was deinen Frieden für immer stöhren könnte. Ich ahnde eine höhere Kraft in dir, welche mir die Natur versagte; ohne dieses, und ohne den dringenden Rath meines Bruders, hätte ich dir diese Papiere jetzt nicht überliefert.

Der Prinz trat herein, und bat meine Mutter, sich zu entfernen. Höchst bewegt lag sie in meinen Armen, und konnte sich nicht von mir losreißen. Bald riß sie die Papiere, welche sie mir eben zugestellt hatte, aus meinen Händen, und rief: Nein, ich will die Ruhe deiner Liebe nicht morden! Bald gab sie mir sie wieder mit den Worten zurück: Rette deinen edlen Vater!

Als sie mir sie aufs neue entreissen wollte, stellte sich der Prinz zwischen uns, faßte meine Mutter sanft bey der Hand und sagte: Schwester, fasse dich! Unsre Agnes hat den Sinn und den Muth, das Edelste zu wählen. Dein armes Herz hat so viel gelitten, daß deine gesunde Vorstellungsart davon erkrankte. – Wer kann zweifeln in deiner Lage? Agnes muß alles wissen; – die Pflicht wird in ihrem schönen Herzen siegen.

Meine Mutter rief mit wildem Blick: Ja, und die Liebe wird es im Todeskampf brechen. O nur ein Mann, nur mein Gemahl konnte lieben, konnte ein weibliches Herz verstehen. Ihr andern spielt mit euch selbst mit der Leidenschaft, und mit uns. Ich kenne eure Siege! Ihr umfaßt nichts mit der ganzen Kraft eures Wesens, und vermögt darum von allen zu scheiden, und euch noch dazu in eurem eitlen Sinn zu überreden, die Stärke habe errungen, was die Schwachheit aufgab. Nein, von der vollen Hingebung eines weiblichen Herzens, von der Gewalt seiner Neigung, habt ihr weder Gefühl noch Begriff. – Auch nicht von der Zartheit, mit welcher wir in ein anderes Daseyn überfließen, und wie seine Leiden unsern Busen zerreißen. Diese tausend feinen Fäden unsers Wesens, die allen Schmerz der weiten Natur zu dem unsern machen, und diese Gewalt, die uns ganz und einzig in einer Liebe hinreißt und ewig fest hält, öffnet uns eine eigne Welt des Leidens. Trauriges Geheimniß unsrer Existenz! Ihr vermögt euch in eurem Innren zu trennen, mit dem Verstand wahrzunehmen, mit den Sinnen. Wir umfassen alles mit unserm ganzen Wesen, der Schmerz zerstöhrt uns auch ganz. – O verzeih, mein Bruder, ich kenne dein edles treues Herz. – Ich folge deinem Rath, aber aller Muth ist mir entgangen in der Ahndung ihres Leidens. Sie zog mich an ihre Brust.

Ich fühlte nur ihren schmerzlichen Zustand. In meinem Innern war es finster, nur eine schreckenvolle Gestalt bewegte sich schauervoll in dieser Finsterniß, die Furcht Nordheim zu verlieren.

Ich weiß nicht was ich soll, noch kann, meine theure Mutter, sagte ich: aber ich will alles, was Ihnen Ruhe gewährt.

Schone dich, bestes Kind! sagte meine Mutter. O, muß dieser neue Kampf deine noch schwache Gesundheit schon wieder bestürmen! Übermorgen sehen wir uns wieder.

Der Prinz sagte mir noch: Der alte Bediente ist von uns gewonnen, verlassen Sie sich ganz auf seine Treue. Wir sind nicht weit von Ihnen entfernt, in wenig Tagen leben Sie in dem Kreise Ihrer Freunde.

Der vertraute alte Diener brachte mich wieder in mein Zimmer. Mit bebender Hand eröffnete ich die folgenden Blätter, welche das Geheimniß meines Schicksals enthielten, und wendete den Rest der Nacht dazu an, sie zu durchlesen.

»Ich wurde in jener Beschränkung erzogen, zu welcher so oft die isolirte Lage eines höhern Standes führt.

Meine Mutter hielt streng auf einmahl hergebrachte Gewohnheiten, und in allen einfachen fröhlichen Genüssen der Jugend klirrten die Fesseln der Etikette mit ein. Tausend Ermahnungen, die Schicklichkeit, zu der meine Geburt mich verpflichtete, ja niemahls aus den Augen zu setzen, begleiteten jeden meiner Schritte. Natürlich waren diesen Vorstellungen für mich seelenlose Töne, wie alle conventionellen Begriffe es für uns sind, ehe wir die Verhältnisse kennen, aus denen sie sich erzeugen.

Alles was mich umgab zweckte darauf ab, mich zu isoliren, und mein weiches liebe-bedürfendes Herz strebte, mich mit allem zu verbinden. Meine ganze Natur gewann mehr Stärke des Empfindens durch den Widerspruch, den sie von außen erfuhr, als sie vielleicht in einer andern Lage gewonnen hätte.

Ein erhöhter Zauber von magischen Farben umstrahlte alle kleinen Verbindungen, die ich in den seltenen Gelegenheiten anknüpfte, wo ich mit mehreren Kindern meines Alters zusammenkam. Kein Ball, keine Assemblee verging, wo mir nicht irgend eine Gestalt erschien, welcher ich mich mit Liebe näherte, und nach der ich in den folgenden Tagen eine leidenschaftliche Sehnsucht empfand.

Mein Verstand entwickelte sich nicht im gehörigen Verhältniß zu meiner Einbildungskraft. Meine Lehrstunden waren nur mechanische Übungen. Ich gewann Kenntnisse und Fertigkeiten; aber ohne ausgezeichnetes Talent zu besitzen, schlossen sie sich zu keinem Ganzen in meiner Seele, und beschäftigten mich also auch nur einseitig. Es war immer etwas Unbeschäftigtes, etwas Überflüßiges in mir, welches nach einem Organ zur Wirksamkeit rang.

Meine Fantasie, die in keiner Kunstschöpfung erblühen konnte, waltete bildend über meinem gewöhnlichen Lebenskreis, wo sie nur Täuschung und Verwirrung erfuhr und erzeugte. Sie lag als eine Wolke zwischen mir und der Wirklichkeit, meine Genüsse und Leiden bildeten sich nur in diesem Medium, und mein Wesen trat aus dem Kreise der gewöhnlichen allgemein verbindenden Vorstellungen beynah heraus. Ich fühlte es, man faßte mich nicht, und so verlor auch ich das Vermögen, die Menschen um mich her rein zu verstehen. Zu meinem Unglück lagen auch nur lauter verschobene verwirrte Naturen in meinem näheren Kreise. Ein gesundes, starkes, lieblich gestimmtes Gemüth, welches sich dem meinigen zugeneigt, hätte vielleicht die Harmonie unter meinen Seelenkräften, und zu meinen äußern Verhältnissen wieder herstellen können. Aber der belebende Hauch der Liebe blieb mir fremd während meiner ersten Bildung. Mein Herz verschloß sich allen ungefälligen Gestalten meines ältern Cirkels, und die einzige holde Gestalt, die mich umgab, meine ältere Schwester, wurde früh verheyrathet, und schwebte, als sie mich verließ, noch selbst zu sehr in jenem magischen Duft, der auch meinen Gesichtskreis bewölkte, um klar und bestimmt auf mich zu wirken. Mein jüngerer Bruder wurde ganz von mir getrennt erzogen.

Ich war der genaueren Aufsicht einer alten Französin übergeben. Diese wachte sorgfältig über mein Äußeres, über den Anstand mit welchem ich in ein Zimmer eintrat, und über die Art und Weise, wie ich jedem Mitglied der Gesellschaft zu begegnen hätte. Sie selbst glaubte durch den Wiederschein meines Ranges zu glänzen, und erhielt mich nach den Maximen meiner Mutter, in einer strengen Zurückhaltung gegen alles was mich umgab.

Meine Vernunft blieb unkultivirt, aber glücklicherweise blieb mein Herz gesund in seinem besten Vermögen. Ich ehrte die Wahrheit über alles, und war durch die Lebendigkeit meiner innern Erscheinungen zu einer gewissen Erhabenheit des Sinnes gestimmt, die mich über allen kleinen Collisionen erhielt, in denen unsre Gutmüthigkeit oft scheitert.

Ich verlebte meine Tage in einer sonderbaren Wehmuth, zu der ein unbestimmtes Verlangen hinneigt. Die edlen Seiten meiner angebohrnen Verhältnisse wurden nie durch klare Vorstellungen, die einzig ansprechen, an mein Herz gelegt. Das Leben und Wirken für Andere, die immerwährende Sorge und Thätigkeit für ein Ganzes, die gleichsam das reinste Element ist, in welchem ein menschliches Gemüth das reichste und reinste Daseyn gewinnt, diese hatte man mir nie in der nothwendigen Verbindung mit mancher Beschränkung meiner Lage gezeigt.

Wer für andere wirken will, muß seiner selbst gewiß seyn, und die künstlichen Schranken, welche die Großen oft um sich herlegen, sind immer als Symbole, die reelle Eigenschaften erzeugen oder ersetzen sollen, achtenswerth. Ruhe Besonnenheit, Mäßigung gesellen sich gern zu einem gleichförmigen feierlichen Gang des Lebens. Man legte mir zuweilen diese Verhältnisse vor, aber es geschah ohne Klarheit und Wärme. Wie so selten genießen wir einer andern Erziehung als die der Umstände, und wie tausend kleine Begebenheiten machen uns endlich zu dem was wir sind!

Die Musik war das einzige Organ zarter menschlicher Empfindungen um mich her; ich ergab mich ihr, und lernte sie mit Leidenschaft.

Meine Bücher waren einer strengen Wahl unterworfen, aber wie die Vorsichtigkeit immer der Natur eine Lücke geöffnet lassen muß, so schlich sich auch unter dem Vorwande der Sprachstudien, manches Contrebande mit ein.

Die Äneis berührte gewisse zarte Saiten in meinem Wesen am ersten, und während mein alter Lehrer nur Construktionen, Substantive und Adjektive sah, drang die mächtige Stimme der Leidenschaft, in den Schicksalen der armen Dido, an mein Gemüth.

Diese bestimmt gezeichneten Bilder schoben sich meinen italienischen Arien unter, die ich mit großer Wahrheit des Ausdrucks singen lernte.

Ein sanftes, zärtliches Mädchen, die wie ich, unter dem Druck einer sogenannten feinen Erziehung seufzte, bekam auf einer Landparthie, wo ich meine Mutter begleitete, Gelegenheit sich mir zu nähern.

So ungestört hatte ich noch selten der freien Natur genossen! Ein Garten mit alten verschnitzten Hecken, ein Weg durch eine Allee, dahin begränzten sich meine Wanderungen. Ich blickte in die herrliche Gegend, die ich aus meinem Fenster übersah, wie in eine Zauberwelt, zu welcher mir die Brücke hinweggebrochen war. Die schönen Formen der Gebirge, die hohen dunkeln Bäume am Ufer des Flusses, zogen mich an, wie lebendige Wesen, die vielleicht Antheil und Liebe für mich fühlen könnten. Zuweilen wurde ausgefahren, und. ich grüßte die schönen Gegenden, an denen ich vorbey flog, mit stillen Seufzern der Sehnsucht.

Wenn ich zurück in mein hohes dunkles Zimmer kam, rief ich mir die Zauberbilder wieder zurück, und gleich den Gestalten der Fata Morgana schwebten die durchstreiften Gegenden um mich her an den hohen Wänden meines Zimmers, die sich gegen den Plafond in eine angenehme Dämmerung hüllten. Diese Lebhaftigkeit meiner innren Darstellung war mein schönster Genuß.

Mein Glück war unaussprechlich, als ich mit meiner Mutter für ein paar Tage auf ein entferntes Lustschloß ging, und mit meiner Freundin in den kunstlosen Gärten, die sich in einem anmuthigen Wäldchen verloren, frey umherschweifen konnte. Ein sanftes empfindendes Wesen mir so nahe zu fühlen, meinen Genuß an der Natur aussprechen zu können, und ihn aus der Bewegung eines gleichgestimmten Herzens verstärkt zurück zu empfangen, war für mich ein ganz neuer Zustand. Mein innerstes Wesen erschloß sich in seinen tiefsten heiligsten Quellen in jenen Tagen, und die Fähigkeit zu Liebe und Genuß, die ich bis jetzt nur in mir geahndet hatte, gab mir ein stärkeres Gefühl des Daseyns. Ich hatte jetzt einen bestimmten Wunsch, in welchem sich die Kräfte meines Gemüths vereinten: Liebe und Freiheit.

Meine Freundin war liebenswürdig, die feinste Gestalt und das reinste Gemüth zeigten sich in der sanften Gefälligkeit des Betragens.

Auch ich war ihre erste Neigung in der weiblichen Welt, die erste Freundin, die ihren ästhetischen Sinn berührte, der in der Kindheit mehr als man gemeiniglich annimmt, entscheidet.

Der Zauber jugendlicher Träume, der unsern ersten Blick ins Leben begleitet, giebt auch der ersten Mädchenfreundschaft jenen unaussprechlichen Reiz einer unbegränzten Empfindung.

Das vollste Vertrauen belebte alle unsre Gespräche. Meine Freundin hatte unter dem Kreise ihrer Bekannten einen liebenswürdigen Jüngling gefunden, den sich ihr junges Herz bald zu seinem Abgott erkohr. Meine dunkeln Träume hatten noch keinen Gegenstand, und meine Fantasie dichtete sich den schönsten.

Das Wäldchen hinter dem Garten war unser Lieblingsaufenthalt. Eine Gatterthür, die zu einer freien Straße durch den Wald führte, war uns als die Gränze unserer Wanderungen vorgeschrieben, und bey jedem Ausflug begleitete uns die strenge Warnung der Französin, sie niemals zu überschreiten. Natürlich wurde das Gatterthor jetzt das Ziel unsrer Neugierde. Die breite Straße durch den Wald lud uns so lieblich ein, und die Ahndung tausend fröhlich-sonderbarer Abentheuer schwebte uns auf ihr entgegen.

Nach wiederholten vergeblichen Versuchen fanden wir das Gatter eines Abends offen. Wir flogen hindurch, und wandelten unter den alten himmelhohen Fichten umher, mit klopfendem Herzen, als würden sie uns anreden, wie in Armidens verzaubertem Wald.

Bey unsrer Rückkunft fanden wir das Gatter verschlossen. Welcher Schrecken! Angstvoll versuchten wir das Unmögliche, bald uns durch eine kleine Lücke des Zauns hindurchzudrängen, bald über das Gatter zu klettern; und als jedes Bemühen vergebens war, sanken wir ins hohe Gras nieder, und ließen unsern Thränen freien Lauf. Oft hatte unsre Freundschaft sich Gelegenheit gewünscht, durch irgend ein heroisches Opfer ihre Stärke zu beweisen. Jede wollte sich allein alle Schuld an diesem unglücklichen Zufall beimessen. Die Sonne war nah am Untergang, und senkte ihre schiefen Strahlen durch den bläulichten Dampf des Waldes; die ganze breite Straße durch den Wald hindurch, welcher sie gerade gegenüber unterging, glänzte im röthlichem Lichte.

Wir geriethen in die höchste Unruhe, als wir in einem benachbarten Dorfe die Stunde schlagen hörten, die uns zu unsrer Zurückkunft im Schlosse bestimmt war. Die Furcht, unsre schöne, kaum errungene Freiheit mit einemmahle wieder zu verlieren, erfüllte uns mit tausend Sorgen. Wir hielten uns weinend umfaßt, und machten noch einen neuen verzweifelnden Versuch auf das Gatter. Einige Reuter kamen jetzt die Straße durch den Wald her. Der Eine, dem die übrigen zum Gefolge dienten, hatte eine edle Gestalt, die uns gleichsam aus den Strahlen der Abendsonne hervorging, und deren Zuge sich nach und nach aus dem Lichtglanz enthüllten. Immer wurde die Gestalt edler und schöner, und als endlich die lieblichen Formen des Angesichts aus dem röthlichten Schimmer hervorglänzten, dünkte es uns einen freundlichen Bothen des Himmels zu sehen, welcher käme, um uns aus der Noth zu erretten.

Schon war er uns nah, als meine Freundin und ich uns den Gedanken zuflüsterten, ihn um Hülfe anzurufen. Zu gleicher Zeit hatten wir beide diesen Einfall gefaßt; aber als der Ritter, der uns erlösen sollte, dicht vor uns war, hatte ich den Muth verloren, und suchte vergebens nach Worten. Er grüßte uns, und ich war verloren im Anschaun der edlen großen Züge dieses Gesichts, wie mir noch nie eines erschienen war. Schon wendete er uns den Rücken, als meine Freundin ihm nachrief: Mein Herr! Wir sind hier in großer Verlegenheit. Ich bitte … Schnell wendete er sich wieder gegen uns, und war im Augenblick vom Pferde gestiegen. Was steht zu Ihrem Befehl? sagte er freundlich, und meine Freundin trug ihm unser Anliegen vor. Da denk’ ich wohl Rath zu schaffen, sagte er, indem seine Augen die Höhe des Zauns maßen. Nein, das wäre zu gefährlich, sagte er vor sich hin, und ging zum Thore. Mit starkem Arm griff er in die Stäbe des Gatters, und hob den einen Thorflügel aus den Angeln.

Meine Freundin hüpfte hindurch, ich folgte; sie rief einen flüchtigen Dank aus, ich wendete mich noch einmahl gegen unsern freundlichen Erretter, es zog mich eine fremde Gewalt zurück, aber ein Wink meiner Freundin beflügelte meine zweifelnden Schritte.

Und wir haben ihm nur so flüchtig gedankt! war mein erstes Wort gegen Theresen, und mein Gefühl während der nächsten Tage.

Es war etwas Zufriednes in seinem Blick, als ich ihn zuletzt ansah; aber gleichwohl dachte ich mit einer unaussprechlichen Rührung an den Jüngling, und warf mir immer von neuem vor, ihn durch meine schnelle Flucht beleidigt zu haben.

Sein Bild, das Bild der ganzen Scene blieb lebhafter als noch irgend ein anderes Andenken, in meinem Gemüth. Meine Träume hatten jetzt einen Gegenstand gefunden. Die Gestalt des Jünglings stand als ein Riesenbild in meiner dunkeln Zukunft, in dem sich alle übrige Lebensgestalten verloren.

Bald nahm meine Freundin den tiefen Eindruck wahr, welchen mein Gemüth empfangen hatte, und das schwankende Ahnden und Verlangen wurde in unsern Gesprächen zu bestimmten Erwartungen und Planen.

Meine Freundin forschte nach dem Nahmen und Stand des Jünglings, aber lange blieb jedes Bemühen fruchtlos. Er war entflohen, wie eine holde überirdische Erscheinung, und ich überließ mich der innigsten Sehnsucht nach ihrer Wiederkehr um so ungestörter, weil sich diese Empfindung ganz von dem Kreise der wirklichen Welt, die mich umgab, abtrennte.

Die Fantasie flog über alle Schranken, und erhielt das Herz durch Träume und Hoffnungen in den Banden der Leidenschaft.

Der Prinz von *** kam, um bey meinen Eltern um meine Hand zu werben. Welche Gestalt gegen das zauberische Bild voll Kraft und Leben, das in meiner Seele stand! Kein Funken der Kraft noch des Geistes leuchtete aus den schlaffen Zügen; selbst die leichten fröhlichen Regungen der Jugend schienen in den tiefen Falten des Alters erstarrt zu seyn. Seine Reden waren, wie seine Gestalt, ohne Klarheit und Sinn, und jeder Ausdruck, der irgend eine Empfindung darstellen sollte, wurde durch seine klanglose Stimme, die sich oft in einem grinsenden Gelächter verlor, zur widrigsten Karrikatur.

Die Convenienz stimmte für die Verbindung mit dem Prinzen; sie herrschte als Tyrannin in dem Gesichtskreise meiner Eltern: ich sollte aufgeopfert werden.

Meinen Eltern zu widersprechen, war mir undenkbar; eben so undenkbar, dem Prinzen meine Hand zu geben. Ich wurde auch nie um meine Einwilligung gefragt. Meine Mutter beschäftigte sich mit meiner Ausstattung, ich hörte von den Festen bey meiner Verlobung, und in einer tauben Fühllosigkeit wäre ich vielleicht dem Drang der Umstände gefolgt bis zum Altar, wo mich die Verzweiflung erweckt hätte.

Die Gewohnheit in den Träumen der Einbildung zu leben, giebt unserer ganzen Existenz, unserer Art zu handeln, etwas Unterbrochnes, etwas Verwirrtes, welches für den klaren Verstand an das Unbegreifliche gränzt. Wie der Nebel in einem tiefen Thal die Formen der Gebirge verbirgt, daß nur dann und wann, wenn er sich trennt, eine Felsenkuppe hervorragt, so liegt die Fantasie vor unserm Leben. Nachdem dieser oder jener Theil der Gegend vor uns aus dem Nebel steigt, lenken wir unsre Schritte, und unser Thun und Handeln bleibt ein Fragment für den klaren Verstand, der die ganze Aussicht im hellen Morgenlichte erblickt.

Meine innern Erscheinungen rührten mich tiefer, als die Wirklichkeit, und mit einer unglaublichen Verschlossenheit des Sinnes ging ich in einem dumpfen Traum meinem Schicksal entgegen. Nur der sorgenvolle Blick meiner Freundin warnte mich vor dem Abgrund, der sich vor mir öffnete; in ihren Thränen las ich mein ganzes trauriges Loos.

Wir fassen so früh die Gewohnheit, uns mit den Schranken, die jeden unsrer freien Schritte hemmen, durch Ausweichen oder Überspringen abzufinden, daß wir so selten edles Dulden oder muthiges Widersetzen lernen. So oft beugt das Unglück mit unserm Muth unsern Charakter.

Meine Freundin fand den Gedanken, sich zu widersetzen, so unmöglich als ich, und da sie mich resignirt wähnte, erlaubte sie sich nicht die kleinste Bemerkung, die meinen Frieden hätte stöhren können.

Der Hof war zu einem kleinen Fest versammlet. Stumm und gedankenvoll stand ich mit meiner Freundin in einer Ecke des Saals, als mein Vater mit einigen Fremden hereintrat.

Kaum wagte ichs meinen Augen zu trauen, vor denen alle Gegenstände anfingen zu schwanken und in farbigen Lichtstrahlen zu zittern. Unter den Fremden war der junge Mann, das geliebte Bild meiner Träume.

Er ists! flüsterte mir meine Freundin zu, indem sie mir die Hand reichte, mich zu unterstützen. Bald näherte er sich uns; mit einem feinen Lächeln gab er sich das Ansehen einer ganz neuen Bekanntschaft, und nur als er mit meiner Freundin und mir allein blieb, gedachte er unsers Abentheuers. Diese kleine Begebenheit stellte bald eine eigene Vertraulichkeit unter uns her.

Ich fühlte nichts mehr als den Zauber seiner Gegenwart. Meine Freundin hatte von seinen Begleitern seinen Nahmen und seine Verhältnisse ausgefragt. Ein ältlicher überall geschätzter Mann hatte viel zu dem Lobe meines Geliebten gesagt, hatte in wenig Worten ein Bild seines Charakters und Lebens entworfen, das sich mit Flammenzügen in mein Herz schrieb.

Dieser Mann war Nordheims Vater. Sein geübter. Blick, sein klarer Verstand flößte allen seinen Bekannten unbegränztes Zutrauen ein.

Nach seinem Zeugniß schien mir die Stimme der Vernunft für meine Leidenschaft entschieden zu haben. Ich überließ mich dem neuen zarten Gefühl meines Herzens, und wagte zu hoffen, da, wo meine Lage mich verzweifeln hieß. Ich fühlte, daß Hohenfels mich liebte, ob er gleich seinem Betragen strenge Zurückhaltung auflegte. Meine Freundin stand zwischen uns beiden, und von ihren Lippen vernahmen wir Beide das Geständniß einer Neigung, welcher eiserne Verhältnisse ein tiefes Schweigen hätten auflegen müssen.

Der Schmerz, welchen Hohenfels über meine Verbindung mit dem Prinzen äußerte, erweckte jede unbekannte Kraft in meinem Gemüth. Ich begegnete dem Prinzen mit einer Verachtung, die selbst seinem Stumpfsinn nicht entging, und auf die Vorwürfe meiner Mutter über dieses Betragen, gab ich die höchstbestimmte Erklärung, daß ich mich nie zu dieser Verbindung entschließen würde.

Ich ertrug alle schmerzlichen Scenen, welche dieser Erklärung folgten, mit Festigkeit, und da man endlich alle Versuche, meinen Entschluß umzustimmen, fruchtlos fand, bekam der Prinz seinen Abschied; aber mein Vater war so aufgebracht gegen mich, daß meine Mutter mich zu meiner älteren Schwester schickte, um mich den lauten Ausbrüchen seines Zorns zu entziehen.

Den Tag meiner Abreise empfing ich durch meine Freundin einen Brief von Hohenfels. Er wollte meinen Lebensfrieden nicht länger stöhren, sagte er mir; nachdem ich der Gefahr entronnen wäre, mich mit einem unwürdigen Manne zu verbinden, sollte ich um seinetwillen nicht länger die Eintracht mit meiner Familie unterbrechen. Ich sollte ihn vergessen, und er wollte lernen sich meines Glückes zu freuen, wenn er auch nur durch das schmerzlichste Entsagen etwas zu demselben beizutragen vermöchte.

Ich sank in Ohnmacht, als ich den Brief gelesen. Meine Freundin stand weinend an meinem Bette, und suchte mich durch die Hofnung aufzurichten, daß eine glückliche unerwartete Begebenheit unserm Schicksal eine andere Wendung geben könnte. Sie kannte mein Vermögen, das Unmögliche erreichbar zu denken, und hoffte mich so zu heilen.

Wir lasen den Brief noch einmahl, und sein edler Sinn nährte meine Liebe, und gab ihr die Allmacht, welche diese Leidenschaft selbst aus der Hoffnungslosigkeit schöpft, wenn sie sich, nur bestehend auf sich selbst, als ein Kind des Himmels empfindet, und aller Aussicht auf irdisches Glück entsagt hat.

Die Erde fordert uns nur allzubald zurück, so lange wie ihr noch angehören. Verlangen und Sehnsucht zerstörten meine Gesundheit. Die Ärzte glaubten mich dem Tode nahe.

Ich fand an dem Hofe meiner Schwester mehrere Bekannten meines Geliebten. Ich folgte seinem Schicksal mit meinen Gedanken, wußte den jedesmahligen Ort wo er sich aufhielt, und meine Fantasie dichtete sich die kleinsten Umstände seines Lebens. Mein verspannter kranker Sinn lebte in einer Welt erdichteter Genüsse und Leiden, und wenn unser Herz nur in der Dichtung lebt, und keinen Ruhepunkt in der existirenden Welt um sich her findet, dann drohet der Stimmung unsers ganzen Wesens Auflösung oder wilde Zerrüttung.

Eine Gestalt, von der ich wußte, daß er sie kürzlich gesehen, bewegte mein Blut in wildem Kreislauf.

Ganze Tage brachte ich einsam in den Gärten zu, und wiederholte jedes Wort, welches ich in den Tagen unsers Zusammenseyns von seinen Lippen vernommen.

Alle Kleider, welche ich in jener Zeit getragen hatte, bewahrte ich als Reliquien auf, und berührte sie nie, ohne daß ein süßer Schauer durch mein Wesen drang, wie in der Gegenwart des Geliebten.

Oft stärkte mich ein wunderbares Gefühl seiner Gegenwart, und der süße Wahn, daß die Gedanken der Liebenden durch ein eignes feineres Element sich zu begegnen vermögen, erhielt mich in der Zuversicht von seiner daurenden Liebe.

Ich war in einem immerwährenden Traum, und das Gegenwärtige blieb oft von mir ungefühlt, oder falsch vernommen.

Meine Nerven fielen, durch die daurende Verspannung zerrüttet, in wilde Verzuckungen, und in der Erschlaffung, die darauf folgte, brach der dünne Faden, der unsre innere Erscheinungen an die äußere Welt knüpft, oft ganz ab. Ich blickte nur in mich selbst, und die Harmonie der innren Kräfte, die uns der äußern Welt zustimmt, war in fieberhaften Träumen zerstört.

Meine Schwester liebte mich zärtlich. Meine abgebrochnen Reden gaben ihr hinlängliche Einsicht in die Krankheit meines Herzens. Sie ließ meine Freundin zu sich kommen, und wurde mit meinem ganzen Zustand genau bekannt.

Das Mitleid wird in zarten reizbaren Gemüthern zur Leidenschaft, und sieht, wie diese, nur den Augenblick. Meine Schwester selbst suchte eine Gelegenheit zu finden, bey welcher sie Hohenfels dringend und bestimmt zu sich einlud.

Ich saß an meinem einsamen Platz im Garten, als sich mir meine Schwester, meine Freundin und Hohenfels näherten.

Er fuhr erschrocken bey meinem Anblick zurück, lag zu meinen Füßen, die Natur sprach laut, und bald allein, in unsern Herzen. Wir hatten die fesselnden Verhältnisse der Welt vergessen und gelobten uns ewige Liebe und Treue, als ob die Freiheit des goldnen Weltalters uns lächelte. Mit der Hofnung gewinnt die Liebe allbesiegenden Muth und Schlangenklugheit. Ein Priester aus einem kleinen benachbarten Freistaat wurde gewonnen, um uns zu trauen; ich sollte so viel wie möglich an dem Hofe meiner Schwester leben, Hohenfels auf einem Gut in der Nähe, und so hofften wir unsre Verbindung und unser Glück den Augen der Welt zu entziehen. List und Verschlagenheit dünkten uns die natürlichen Waffen gegen ungerechte Anmaßungen der Gesellschaft. Aber gute einfache Seelen rechnen immer falsch, wenn sie sich in Kampf mit der Arglist und den tausend kleinen Leidenschaften wagen, die sich in dem Kreise jeder willkührlichen Gewalt eben so nothwendig, wie die Irrlichter in sumpfigten Gegenden, bilden.

Wir waren in den ersten seligen Tagen unsrer Vereinigung, und genossen das unaussprechliche Glück des tiefsten Friedens in dem regsten Leben der Leidenschaften.

Meine Gesundheit kehrte zurück, die Ärzte gaben Hofnung zu meiner völligen Genesung, und jedes Gefühl meiner wiedergewonnenen Kräfte wurde zum Dank gegen die zarte Pflege der Liebe, die gleich Prometheus belebendem Funken mein Gemüth erhellte.

Die wirkliche Welt sprach mich in ihren tausend holden Formen wieder rein an. Alle schweren Träume waren aus meiner Seele hinweggenommen, und verwandelten sich in leichte liebliche Gestalten. Fast jeden Moment genoß ich das lebhafte Vergnügen eines Erwachenden, dem ein drückendes ungeheures Traumbild im goldnen Strahl der Morgensonne zerrinnt.

Die innigsten wahresten Bande der Natur geben uns nur alle Kraft und allen Reichthum unsers Wesens zu empfinden. Die Hofnung Mutter zu werden, giebt unserm Daseyn eine unendliche Tiefe, und wir fassen die Natur in ihrem zartesten Gewebe und ihren stärksten Banden.

So verlebte ich einige glückliche Monate, die schönsten meines Lebens, denn ein wohlthätiger Schleier ruhte auf allen meinen drückenden Verhältnissen. Nur zuweilen erinnerte mich ein so sorgenvoller Blick meiner Freundinnen an die unsichere Blüthe meines Glücks.

Mein Gemahl schien in einem edlen Selbstvertrauen über jede Besorgniß erhoben. Die reine Thätigkeit in der sein Leben hinfloß, sein immerwährendes Wirken für fremdes Wohl, und sein Leben mit der Natur, gaben seinem Gemüth jene schöne seltne Einfachheit und Klarheit, zu der nothwendig auch ein freundliches Geschick mitwirken muß.

Sein Herz hatte die schöne Gewohnheit gefaßt, nur durch Sympathie zu genießen und zu leiden, und selbst seine Leidenschaft für mich war nur eine lebhaftere Farbe dieser Sympathie. Seine Liebe hatte mich aus dem traurigsten Zustand gerissen, und seine Freude an meiner Genesung erhöhte den Genuß der Leidenschaft.