1
Eine Annäherung an den Islam
In diesem Kapitel
Einen Überblick über Ursprung, Glauben und Praktiken des Islam gewinnen
Die Verteilung der muslimischen Weltbevölkerung kennen lernen
In diesem Kapitel erhalten Sie einen ersten Überblick über den Islam, der dann im Rest des Buches vertieft wird: wie der Glauben begann, was Muslime glauben, wie sich die Glaubensvorstellungen verschiedener Richtungen unterscheiden und wie viele Muslime wo auf dem Globus leben.
Die Ursprünge des Islam
Etwa 610 n. Chr. erschien in Mekka, einer Stadt im heutigen Saudi-Arabien, der Engel Gabriel einem Mann namens Mohammed. Gabriel teilte Mohammed mit, Gott habe Mohammed als seinen letzten Propheten auserkoren. Die Offenbarungen, die Mohammed bis zu seinem Tod im Jahre 632 empfing, bilden den Koran, das heilige Buch des Islam. Mohammed glaubte, er werde die ursprüngliche Religion der Menschheit wiederherstellen und vollenden, und sah sich in einer Linie mit den biblischen Propheten stehen, die ebenfalls von Gott gesendet worden waren, um die Menschen zur Unterwerfung unter Gott aufzurufen.
Mohammeds Zeitgenossen in Mekka beteten viele Götter an und lehnten Mohammeds Aufforderung ab, nur einen einzigen Gott anzubeten. 622 emigrierte Mohammed mit einer kleinen Gruppe gläubiger Anhänger aus Mekka nach Norden in die Stadt Yathrib, die von den Muslimen in Medina (al-Madina) umbenannt wurde. Dieses Jahr wurde später zum ersten Jahr des muslimischen Kalenders erklärt (siehe Anhang A). In Medina gründete Mohammed das erste muslimische Staatswesen.
630 führte Mohammed eine Armee der größer werdenden Muslim-Gemeinde gegen Mekka, das sich kampflos unterwarf. Als Mohammed zwei Jahre später starb, hatte der größte Teil Arabiens den Islam übernommen und war Teil der islamischen Gemeinschaft geworden. Auf Mohammed folgten mehrere Herrscher (Kalifen), die den Islam als neue Macht auf der weltpolitischen Bühne etablierten. In weniger als hundert Jahren überrannten muslimische Armeen die meisten Länder von der Nordwestgrenze Indiens im Osten bis nach Spanien im Westen und vereinigten sie zu einem einzigen großen Reich, einem so genannten Kalifat.
Danach ging die ursprüngliche Einheit des Islam allmählich verloren und konnte nie wieder hergestellt werden. Das Kalifat zerfiel 1258 unter dem Ansturm der Mongolen. In den folgenden Jahrhunderten breitete sich der Islam weiter aus. Neue muslimische Königreiche kamen und gingen. Am Ende des 17. Jahrhunderts war die militärische Kraft des Islam erschöpft. In der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kamen die meisten muslimischen Länder direkt oder indirekt unter die Kontrolle europäischer Nationen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewannen die muslimischen Nationen ihre Unabhängigkeit zurück. Trotz des politischen und wirtschaftlichen Niedergangs nahm die Anzahl der Muslime auf der Welt im 20. Jahrhundert schnell zu, und der Islam entwickelte sich zum ersten Mal in der Geschichte zu einer wahrhaft globalen Religion.
Die Glaubenssätze des Islam
Muslime haben mit Christen und Juden viele grundlegende Glaubenssätze gemeinsam, während sich ihre Religion von östlichen Religionen wie dem Hinduismus, Buddhismus oder Taoismus grundsätzlich unterscheidet:
Gott erschuf die Welt und alles, was sich in ihr befindet.
In Seinem geoffenbarten Wort legte Gott die Prinzipien für das Leben nieder, darunter auch die Sorge für die Armen.
Niemand darf andere Götter, Geld, Macht oder sich selbst verehren.
Am Ende der Zeit wird Gott alle Menschen richten.
Wer die Gebote Gottes befolgt hat, kommt in den Himmel.
Gott verlangt von allen Menschen, sich Seinem Willen zu unterwerfen, den Er in Seinem geoffenbarten Gesetz kundgetan hat. Dies kommt auch in dem Wort Islam zum Ausdruck: Es bedeutet wörtlich Unterwerfung. Das Wort Islam hat dieselben Wurzeln wie das Wort für Frieden. Der Islam wird oft als die Religion der Hingabe an Gott aufgefasst. Die grundlegenden islamischen Glaubenssätze werden durch die Fünf Säulen des Glaubens zusammengefasst (siehe Kapitel 4).
Die grundlegende religiöse Praxis eines Muslim wird durch die Fünf Säulen der Gottesverehrung zusammengefasst (siehe Kapitel 9): Muslime müssen sich dazu bekennen, dass es keinen Gott außer Allah gibt und dass Mohammed sein Gesandter ist (Glaubensbekenntnis). Fünf Mal am Tag müssen sie ihre Tätigkeit unterbrechen, um zu Gott zu beten (Gebet). Einmal im Jahr, im Monat Ramadan, müssen sie vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang fasten (Fasten). Einmal im Jahr müssen sie einen bestimmten Teil ihres Vermögens für einengemeinnützigen Zweck spenden (Sozialabgabe). Und einmal im Leben muss jeder dazu fähige Muslim nach Mekka pilgern (Wallfahrt).
Die Strömungen des Islam
Sunniten machen etwa 90 Prozent der muslimischen Weltbevölkerung aus. Mit Sunna werden die Traditionen und Bräuche bezeichnet, die von Mohammed und den frühen Muslimen befolgt wurden.
Nach Mohammeds Tod glaubten einige Muslime, die Nachfolge habe seinem Vetter und Schwiegersohn Ali zugestanden (und nicht den ersten drei Kalifen nach Mohammed). Der Terminus Schia bezeichnet die »Partei« Alis, deren Anhänger der Ansicht waren, die religiöse und politische Führung der Muslime müsse immer in der Familie Mohammeds (also zunächst bei Ali und seiner Frau Fatima) bleiben. Streitigkeiten über die Erbfolge spalteten die Schiiten in verschiedene Gruppen: die so genannten Zwölfer (ithna-aschariyya), Ismailiten und die Zaiditen (siehe Kapitel 12 für Details).
Die muslimische Weltbevölkerung
Die Zugehörigkeit zu Religionen zu bestimmen, ist nicht leicht, doch die vorhandenen Studien liefern plausible Schätzungen (siehe Tabelle 1.1). Demographen (Bevölkerungswissenschaftler) beurteilen nicht, ob die Menschen ihre Religion aktiv praktizieren oder fast nie einen Tempel oder eine Synagoge, Moschee oder Kirche betreten. Wenn eine Studie weltweit 360 Millionen Buddhisten ausweist, bedeutet dass nur, dass sich 360 Millionen Menschen als Buddhisten bezeichnen.
Religion |
Anhänger |
Prozentsatz |
Christentum |
1,9 Milliarden |
31–33 Prozent |
Islam |
1,4 Milliarden |
27–29 Prozent |
Hinduismus |
881 Millionen |
14 Prozent |
Buddhismus |
360 Millionen |
6 Prozent |
Judentum |
14 Millionen |
unter 0,5 Prozent |
Tabelle 1.1: Die Anhänger ausgewählt Weltreligionen (2014)
Sowohl das Christentum als auch der Islam wachsen noch, hauptsächlich im vergangenen Jahrhundert in Afrika. Einige muslimische Länder haben die höchsten Fruchtbarkeitsraten der Welt. Dies erklärt einen großen Teil des Wachstums des Islam.
Die Hauptländer des Islam
Nicht alle Araber sind Muslime, und nicht alle Muslime sind Araber (die Ureinwohner des Nahen Ostens, die später den Hauptteil der Bevölkerung vieler Länder im Nahen Osten und Nordafrika, vom Irak bis Marokko, stellten). Tatsächlich stellen die Araber nur etwa 20 Prozent der muslimischen Weltbevölkerung. Dagegen leben in Südasien (Pakistan, Bangladesch und Indien) etwa 300 Millionen Muslime. Indonesien ist das bevölkerungsreichste muslimische Land. Im Nahen Osten leben etwa 200 Millionen Muslime, doch die beiden größten muslimischen Länder im Nahen Osten – Türkei und Iran – sind keine arabischen Länder. Natürlich ist Arabisch die Sprache des Islam; und die arabische Kultur hat einen unauslöschlichen Eindruck auf den Islam hinterlassen, auch wenn die meisten Muslime nicht Arabisch sprechen.
Die Muslime konzentrieren sich in einem zusammenhüngenden Band von Lündern, das sich von Nordafrika über den Mittleren Osten, Südasien bis Malaysia und Indonesien in Südostasien erstreckt. Der Anteil der muslimischen Bevölkerung in diesen Ländern (außer Indien, wo die Muslime eine kleine Minderheit bilden) schwankt zwischen etwa 80 bis zu mehr als 99 Prozent. Im Iran, Irak, Jemen, Aserbaidschan, Bahrain und Libanon stellen die Schiiten die stärksten muslimischen Gruppen. Fast 1.000 Jahre lang wurde der größte Teil Südasiens (die heutigen Länder Pakistan, Bangladesch und Indien, aber nicht Sri Lanka) von Muslimen beherrscht. Die muslimische Bevölkerung dieser drei Länder (siehe Tabelle 1.2) bildet zusammen die bei weitem größte Zusammenballung von Muslimen auf der Welt.
Land |
Muslimische Bevülkerung |
Indonesien |
209,12 Millionen |
Indien |
176,19 Millionen |
Pakistan |
167,41 Millionen |
Bangladesch |
133,54 Millionen |
Nigeria |
77,3 Millionen |
Ägypten |
76,99 Millionen |
Iran |
73,57 Millionen |
Türkei 71,33 Millionen |
Algerien 34,73 Millionen |
Tabelle 1.2: Die neun Länder mit den meisten muslimischen Bürgern
Im Laufe der Zeit wurde der größte Teil der Bevölkerung der heutigen Länder Pakistan und Bangladesch durch Emigration und Konversion muslimisch, während der größte Teil der Bevölkerung Indiens hinduistisch blieb. Als Indien 1948 unabhängig wurde, wurde die ehemalige britische Kolonie Indien in Indien und Pakistan aufgespalten. Dies hatte große Bevölkerungs bewegungen zur Folge: Die meisten Hindus wanderten aus muslimisch dominierten Gebieten nach Indien ab, während umgekehrt ein großer Teil der Muslime aus hinduistisch dominierten Gebieten nach Pakistan umzog. (Später spaltete sich das ehemalige Ostpakistan nach einem Bürgerkrieg als unabhängiger Staat, Bangladesch, ab.) Seit 1948 sind die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan gespannt und führten öfter an den Rand eines offenen Krieges. In Indien brachen immer wieder lokale Konflikte zwischen Muslimen und Hindus aus. Sie wurden sowohl durch religiöse als auch politische Faktoren ausgelöst. Religiös können Muslime Hindus provozieren, indem sie Fleisch von Kühen verzehren, einem im Hinduismus heiligen Tier. Politisch streiten sich Pakistan und Indien um Kaschmir, das zwar bei Indien verblieben ist, in dem aber hauptsächlich Muslime leben.
2
Islamische Geschichte
In diesem Kapitel
Die Nachfolge Mohammeds: die Vier Rechtgeleiteten Kalifen
Herrscher über ein Reich: die Omayyaden und die Abbassiden
Eine Umwandlung des Staates: drei nachmittelalterliche islamische Reiche
Der Islam will als Religion nicht nur spirituell suchenden Individuen Glaubensinhalte und Verhaltensregeln bieten, sondern versucht, alle Aspekte der Gesellschaft zu regeln. Man kann den Islam nur verstehen, wenn man seine politische und kulturelle Gestalt studiert.
Diese frühe Geschichte lässt sich zwanglos in drei Epochen unterteilen. Die erste umfasst die vier Nachfolger Mohammeds. Unter ihrer Herrschaft breitete sich der Islam schnell über Ara-bien nach Syrien, Irak, Ägypten und Teile des Iran (632–661) aus. Die zweite umfasst die erste Dynastie. (Bei einer Dynastie bleibt die Herrschaft in einer Familie.) Die Omayyaden (661–750) herrschten von ihrer Hauptstadt Damaskus über eine vereinte islamische Gemeinschaft, die sich von den Grenzen Indiens im Osten bis nach Spanien und Marokko im Westen erstreckte. Imperien sind vergänglich, und die Herrschaft der Omayyaden hatte viele Feinde geschaffen. Durch einen gewaltsamen Umsturz kam die Familie der Abbassiden anstelle der Omayyaden an die Macht. Die Dynastie der Abbassiden herrschte von 750 bis 1258. Die neue Hauptstadt Bagdad war nicht nur das politische, sondern auch das kulturelle Zentrum des Islam.
Der Islam existiert seit 1.400 Jahren, umfasst über ein Fünftel der Weltbevölkerung und hat einen größeren geografischen Raum beherrscht als jedes andere Weltreich. In einem Kapitel können unmöglich die gesamte islamische Geschichte oder alle Räume behandelt werden, in denen der Islam die Oberhand gewann. Um eine klare Linie beizubehalten, werden viele Aspekte der Geschichte des Islam in diesem Kapitel nicht behandelt. Es gibt also keine langen Listen der Herrscher, Dynastien mit seltsamen Namen, Daten und geografischen Begriffe. Insbesondere beschreibe ich in diesem Kapitel nicht folgende wichtige Themen der Ausbreitung und Geschichte des Islam. Näheres über diese Themen finden Sie in Geschichtsbüchern des Islam wie etwa Kleine Geschichte des Islam von Karen Armstrong, Berliner Taschenbuch Verlag 2001.
Der Islam verbreitete sich vom 13. bis zum 16. Jahrhundert nach Indonesien, das heute der Bevölkerungszahl nach größte muslimische Land.
Von Anfang an etablierten sich an der afrikanischen Ostküste islamische Gemeinden. Später breitete sich der Islam auch auf Westafrika aus, bis er schließlich die vorherrschende Religion in der nördlichen Hälfte des Afrika südlich der Sahara wurde.
Zur Zeit der Omayyaden breitete sich der Islam über Nordafrika bis nach Spanien aus. Auch dieser geografische Raum, der das moderne Libyen, Tunesien, Algerien und Marokko umfasst, hat seine spezifische Geschichte.
Der Islam entwickelte sich in Zentralasien und den kaukasischen Bergregionen – vom Schwarzen Meer bis zu einem Teil Ostchinas – zur vorherrschenden Religion. Ein großer Teil dieser Region gehörte zur früheren Sowjetunion und umfasst heute mehrere neue unabhängige muslimische Staaten.
Die Entwicklungen im mittelöstlichen Kernland des Islam zwischen dem Ende der Abbassiden-Dynastie und dem Aufkommen des Osmanen- und des Safawiden-Reiches werden nicht ausführlich behandelt. In dieser Zeit kamen und gingen viele Dynastien. Nur wenige konnten über längere Zeit hinweg ihre Herrschaft über mehr als einen begrenzten regionalen Raum behaupten.
Die Vier Rechtgeleiteten Kalifen
Bei seinem Tod hinterließ Mohammed die Basis einer neuen Religion und eines neuen politischen Systems. Doch erst die Zukunft sollte zeigen, welche Form die islamische Religion und ein islamischer Staat annehmen sollte. Obwohl Religion und Staat für Muslime eng verbunden sind, konzentriere ich mich in diesem Kapitel auf die Entwicklung des Islam als politisches und kulturelles System. Die junge Muslim-Gemeinde in Medina sah sich für die vor ihr liegenden Jahrzehnte mit den folgenden wichtigen politischen Problemen konfrontiert:
Würde die islamische Gemeinschaft, die zum ersten Mal in der Geschichte die meisten Ara ber vereinigte, Bestand haben, oder würde sie sich nach dem Tod Mohammeds auflösen?
Falls sie überleben würde, wer würde dann Oberhaupt der Gemeinschaft sein? Sollte das Oberhaupt sowohl politische als auch religiöse Autorität haben oder nur der politische Führer des Islam sein?
Auf welchem Prinzip sollte diese Gemeinschaft basieren? Sollte sie eine breite Basis haben, die alle umfasst, die sich nicht ausdrücklich vom Islam ausschließen, oder sollte es eine engere, puritanische Gemeinschaft sein?
Sollte die islamische Gemeinschaft ein arabischer Staat sein oder sollte der Staat gleichberechtigt auch Nicht-Araber umfassen?
Wie sollte der Islam konsolidiert und institutionalisiert werden?
Die Wahl eines Nachfolgers: Abu Bakr (632–634)
Wenn die politische Gemeinschaft, die Mohammed gegründet hatte, nach seinem Tod nicht wieder zerfallen sollte, war schnelles und entschiedenes Handeln erforderlich. Doch wer sollte die Gemeinschaft führen? Vier Gruppen hätten Ansprüche anmelden können:
Die Einwohner von Medina, die Mohammed unterstützt hatten (»Helfer«): Obwohl Mohammed bis zu seinem Tod in Medina lebte, hätten die Einwohner von Medina vorhersehen können, dass die Elite Mekkas die Führerrolle unter den Arabern beanspruchen werde.
Die einflussreichsten Führer der Kuraischiten: Diese Gruppe war erst kurz vor und nach der Eroberung von Mekka 630 zum Islam konvertiert. Trotzdem glaubten sie, dass aufgrund ihrer Abstammung und Tradition ein Führer der Kuraischiten einen Staat leiten sollte, der von einem ihrer Stammesangehörigen gegründet worden war.
Ali, der Sohn von Mohammeds Onkel und Vormund, Abu Talib: Mohammed hatte Ali in sein Haus aufgenommen, und Ali hatte Mohammeds einziges überlebendes Kind, seine Tochter Fatima, geheiratet. Die Kinder von Ali und Fatima waren direkte Erben von Mohammed. Die Anhänger Alis glaubten, die Führerschaft solle in der Familie Mohammeds bleiben und die Kombination aus religiöser und politischer Führung im Stile Mohammeds fortsetzen. Doch in Arabien ging die Stammesführung nicht automatisch vom Vater auf den Sohn über. Stattdessen wählten die Anführer eines Stammes oder Klans aus ihren Reihen denjenigen aus, den sie für den geeignetsten Führer hielten. Scheich, die Bezeichnung des Stammesführers, bedeutet wörtlich »alter Mann« und drückt aus, dass für die Position eines Anführers Alter und Erfahrung erforderlich waren. Da Ali mit 34 bei Mohammeds Tod noch relativ jung war, wäre er als Kandidat wohl nicht in Betracht gekommen. Alis Anhänger sahen dies anders. Sie verwiesen auf eine Überlieferung, nach der Mohammed bei seiner Rückkehr von seiner letzten Pilgerreise nach Mekka Ali zu seinem Nachfolger bestimmt habe. Aber diese Überlieferung ist mehrdeutig formuliert, und andere Muslime interpretierten Mohammeds Worte nicht als Vermächtnis seiner Nachfolge an Ali. (In Kapitel 12 finden Sie Näheres über die Schiiten, die Partei Alis.)
Die Gefährten: Dies war die letzte Gruppe, die den Nachfolger hätte stellen können. Sie umfasste die frühesten Konvertiten zum Islam aus Mekka, noch vor der Emigration nach Medina 622. Die meisten Gefährten stammten aus weniger bedeutenden Klans der Kuraischiten und zählten deshalb nicht zu den Leuten, welche die Elite der Kuraischiten normalerweise zu ihren Führern zählen würde.
Bei diesen Optionen erwies sich Abu Bakr sowohl als engster Gefährte des Propheten, sein Schwiegervater wie auch als Mitglied der Kuraischiten als nahe liegender Kompromiss. Abu Bakr war bereits älter, als er als einer der Ersten zum Islam konvertierte. Er hatte Mohammed auf seiner Flucht (Emigration) aus Mekka nach Medina begleitet. Wegen seiner untadeligen Reputation trug er den Beinamen »der Aufrichtige«. Aischa, Mohammeds Lieblingsfrau (nach dem Tod von Khadidscha), war Abu Bakrs Tochter. Mohammed hatte ihn auserwählt, das letzte Gebet während seiner tödlichen Krankheit zu leiten. Tatsächlich wurde Abu Bakr von einer kleinen inneren Gruppe der Kuraischiten in Abwesenheit sowohl von Ali als auch den eingeborenen Führern von Medina zum Nachfolger bestimmt.
Die Expansion außerhalb Arabiens: Umar (634–644)
Auf seinem Sterbelager bestimmte Abu Bakr den 43 Jahre alten Umar (auch: Omar), bereits die zweitwichtigste Person in dem jungen Staat, zu seinem Nachfolger.
Umar war ursprünglich ein erklärter Gegner des Islam gewesen. 616 wollte er Mohammed töten, kehrte aber vorher in das Haus seiner Schwester und deren Mannes ein, wobei er zu seinem Ärger ihren Übertritt zum Islam entdeckte. Als er sie jedoch aus dem Koran rezitieren hörte, konvertierte auch er sofort. Er war für sein aufbrausendes Temperament bekannt, wurde aber trotzdem einer der treuesten Anhänger Mohammeds.
Trotz des erheblichen Reichtums, der aufgrund der militärischen Eroberungen nach Mekka und Medina floss, führt Umar ein einfaches Leben. Sunnitische Muslime betrachten Umar oft rückblickend als idealen Herrscher. Folgende Begebenheiten zählen zu den Höhepunkten seiner sehr erfolgreichen Herrschaft als Kalif:
Umar nahm den Titel Amir al-Mu’minim (Herrscher der Gläubigen) an, der von seinen Nachfolgern übernommen wurde.
Unter seiner Führung erfolgte die erste größere Erweiterung des Islam außerhalb von Arabien. Dabei fielen die heutigen Gebiete von Palästina, Syrien, Irak, Ägypten und Iran unter islamische Herrschaft. Im Westen und Norden erstreckte sich das byzantinische (Oströmische) Reich. Im Osten und Nordosten herrschten die Sassaniden (Iraner), die Erben des antiken Persien. Mit Unterstützung durch fähige Feldherren wie Amr Ibn al-As und Khalid Ibn al-Walid brachte Umar mit seiner Armee der byzantinischen Armee am Fluss Yarmuk im Süden Syriens 636 eine bedeutende Niederlage bei. 637 besiegte er die Hauptarmee der Sassaniden-Armee im Südirak und besetzte ihre Hauptstadt, Ctesiphon. Während Byzanz (das Oströmische Reich) noch für einige Jahrhunderte eine bedeutende Macht blieb, markierte der Sieg über die Sassaniden 637 das Ende des iranischen Reiches als regionale Großmacht. Die arabischen Armeen drangen weiter nördlich in den Nordirak ein und erreichten in der Mitte der 650er Jahre den Ostiran. 642 hatten die muslimischen Armeen den Oströmern die Kontrolle über Ägypten abgerungen.
Er schuf die Basis für die Verwaltung des erheblich erweiterten islamischen Staates, indem er einige vorislamische administrative Strukturen der Länder nutze, die er von den Römern erobert hatte. Viele wichtige Positionen der mittleren Ebene der Regierung wurden mit Nicht-Muslimen besetzt, die über die erforderlichen Kompetenzen verfügten, die den arabischen Eroberern fehlten.
Umar siedelte Soldaten der arabischen Armeen in Lagern bei Kufa und Basra im Irak (und später in ähnlichen Siedlungen an anderen Orten) an, wo sie von der einheimischen Bevölkerung getrennt waren. Diese Lager entwickelten sich zu Hauptzentren der weiteren Verbreitung des Islam in der betreffenden Region. Der Sold der Soldaten wurde aus der Kriegsbeute bezahlt.
Die Führer der in den eroberten Gebieten angesiedelten Araber entwickelten sich oft zu den neuen örtlichen Eliten. Doch viele der vorislamischen Eliten durften ihr Land und ihre Positionen behalten. Viele dieser Leute waren mit der Herrschaft der Römer oder Sassaniden unzufrieden gewesen. Durch seine Politik konnte Umar ihre Unterstützung für den neuen islamischen Staat gewinnen. Einige Mitglieder der lokalen, alteingesessenen Führungsschicht konvertierten zum Islam – zweifellos auch, um ihre Stellung in der neuen islamischen Ordnung zu verbessern.
Er legte das Datum der Emigration aus Mekka nach Medina (622) als den Anfang des muslimischen Kalenders fest.
Umar verfolgte Christen und Juden gegenüber eine Politik der Toleranz und wurde damit den Aussagen über nicht-muslimische »Leute des Buches« (Leute mit einer schriftlichen Offenbarung) im Koran gerecht. Umar zwang Christen und Juden nicht, zum Islam überzutreten.
Ein verärgerter Sklave verübte 644 ein Attentat auf Umar. Auf seinem Sterbebett rief Umar Ali, Uthman und andere prominente Führer zu einem Rat (schura) zusammen und trug ihnen auf, den nächsten Kalifen zu wählen. Sie wählten Uthman. Heute verweisen Befürworter einer islamischen Demokratie auf die Institution der schura als einen frühen islamischen Vorgänger. Die Schiiten glaubten, dass Ali die Position des Kalifen ungerechterweise ein zweites Mal verweigert worden war. Es ist glaubhaft, dass er der Ernennung Uthmans nur zögernd zustimmte.
Den Koran zusammentragen: Uthman (644–656)
Der fromme und reiche Kaufmann Uthman war als Herrscher umstrittener und weniger fähig als seine Vorgänger. Er war einer der frühen Islam-Konvertiten, hatte eine Tochter Mohammeds geheiratet und gehörte zu dem mächtigen Omayyaden-Klan der Kuraischiten. Bei der Besetzung von Regierungspositionen bevorzugte er Mitglieder seines Klans. Die meisten waren erst spät zum Islam übergetreten, und diese Postenverteilung rief Unmut hervor. Die Leute von Medina nahmen den wachsenden Einfluss von Mekka auf die Staatsangelegenheiten übel, und viele Muslime waren von dem zunehmenden Reichtum und der Macht abgestoßen, die von der Elite angehäuft wurde.
Auch im islamischen Zentrum Kufa im Irak und in Ägypten bildeten sich Gruppen, die mit Uth-mans Politik nicht einverstanden waren. Schließlich wurde Uthman von ägyptischen Rebellen bei einem Attentat umgebracht, als er gerade den Koran las. Obwohl es unwahrscheinlich ist, dass Ali an diesem Attentat beteiligt war, äußerten einige von Alis Feinden, darunter Uthmans Familie (der Omayyaden-Klan) sowie Aischa (Mohammeds Witwe) und ihre Anhänger, den Verdacht, er sei es gewesen oder habe zumindest nicht genug getan, um Uthman zu schützen.
Rebellion gegen Ali (656–661)
Ein Rat (schura) wählte Ali als vierten Kalifen, aber er konnte seine Herrschaft nie richtig festigen, weil viele glaubten, er sei am Mord an Uthman beteiligt gewesen. Ali war aufrichtig und sprach die weniger mächtigen Mitglieder der Gemeinschaft an. Er verlegte seine Hauptstadt nach Kufa im Irak. Seitdem lag das politische Zentrum des Islam nie wieder in Arabien.
Uthmans Tod markierte den Anfang der ersten Rebellion (fitna), welche die Einheit der Muslim-Gemeinde bedrohte. In der Zeit der ersten beiden islamischen Dynastien, der Omayyaden und der Abbassiden, gab es noch drei weitere Rebellionen. Ali wurde auch von Mohammeds Witwe Aischa und ihren Anhängern bekämpft. Er schlug sie 656 in der »Kamelschlacht«.
Die Ausdehnung des Staates
Kurz vor oder während der Zeit Mohammeds rechnete niemand in den zentralen Regionen des Nahen Ostens mit einer ernsten Bedrohung aus Arabien. Doch die muslimischen Armeen zerstörten rasch das Reich der Sassaniden (Iraner) und drängten die Grenzen des Byzantinischen Reiches (das Oströmische Reich mit seiner Hauptstadt Konstantinopel) zurück. Anfang des 8. Jahrhunderts reichte das muslimische Kalifat von der Atlantikküste Nordafrikas bis zu Teilen des heutigen Pakistan.
Muslime werten diesen Erfolg als Zeichen der Gunst Gottes und der Attraktivität sowie der einfachen Dogmatik des islamischen Glaubens, denn diese Siege über die Byzantiner erfolgtennicht zwangsläufig. Mehrere entscheidende Feldzüge hätten leicht zum Nachteil der Muslime ausgehen und den Lauf der Geschichte ändern können. Was also könnte neben der Gunst Gottes der Grund für diesen erstaunlichen Erfolg gewesen sein? Folgende Faktoren können eine Rolle gespielt haben:
Die Oströmer und die Sassaniden (Iraner) waren durch ein Jahrhundert des Krieges gegeneinander erschöpft. Zu Lebzeiten Mohammeds hatten die Sassaniden Jerusalem erobert und dann wieder an die Byzantiner verloren.
Die alteingesessenen Bevölkerungen waren oft mit der Herrschaft der Byzantiner und Sassaniden unglücklich. Obwohl sie christlich waren, wurden die Bevölkerungen von Syrien, Irak und Ägypten von den Byzantinern verfolgt, die einer anderen Richtung des Christentums anhingen.
Die Bevölkerungen Syriens und des Irak waren Araber und hatten mit den eindringenden muslimisch-arabischen Armeen mehr gemein als mit ihren iranischen oder byzantinischen Herren.
Die Kalifen verfolgten eine Politik der Versöhnung mit der Bevölkerung, statt sie auszubeuten, und gewannen so ihre Unterstützung.
Die Vereinigung des gesamten Nahen Ostens zu einer einzigen politischen und ökonomischen Einheit belebte eine Wirtschaft, die durch den permanenten Krieg zwischen den Sassaniden und Oströmern danieder lag. Auch wenn diese Vereinigung mehrerer Stämme möglicherweise gar nicht beabsichtigt war, war sie erfolgreich.
Mehrere außergewöhnlich fähige Kalifen und Generäle waren wichtige Faktoren für die muslimischen Siege.
Die Motivation spielt in jeder Armee eine kritische Rolle. Sie entscheidet oft über Sieg und Niederlage und kann selbst scheinbar ungünstige Situationen kippen. Die islamische Über lieferung berichtet, dass der religiöse Eifer für die muslimischen Siege über Mekka zu Mohammeds Lebzeiten entscheidend war. Der religiöse Eifer war sicher auch zu anderen Zeiten der muslimischen Geschichte ein wichtiger militärischer Faktor. Gelehrte sind der Auffassung, dass der religiöse Eifer auch ein wichtiger Faktor war, um so viele Araber zur Teilnahme an den ersten Eroberungen zu motivieren. Laut Überlieferung kommt ein Muslim, der im Kampf für den Islam stirbt, in den Himmel, ohne sich der Tortur des »Tags des Gerichts« unterwerfen zu müssen. Natürlich ist die Bedeutung des religiösen Faktors schwer nachzuweisen; denn die Psyche der frühen muslimischen Kämpfer bleibt für immer unzugänglich. Doch selbst bei einem noch so starken religiösen Faktor bleibt zu fragen, ob nicht auch die Aussicht auf eine riesige Kriegsbeute die arabischen Kämpfer motivierte; denn das Leben in Arabien war hart.
Das goldene Zeitalter
Ein goldenes Zeitalter war für die Menschen nicht immer golden. Menschen schauen in die Vergangenheit und erwarten oder hoffen, eine Zeit zu finden, in der das Leben noch nicht so komplex und problembehaftet war. Verschiedene Kulturen sehen die Geschichte als Folge von Zeitaltern, in denen das Leben immer schlechter geworden ist. So auch der Islam. Ursprünglich war der islamische Glauben rein und unverdorben, verfiel aber in der Folgezeit, bis ein »Erneuerer« des Glaubens erscheinen würde. Spätere Generationen von Muslimen blicken oft sehnsüchtig auf die frühen Tage des Islam und speziell auf drei Epochen zurück: die Herrschaft Mohammeds in Medina, die Zeit der ersten vier Kalifen und die Zeit nach den beiden ersten islamischen Dynastien, den Omayyaden und den Abbassiden. Diese Zeit wird auch deshalb so verklärt, weil alles für die Muslime zu arbeiten schien. Dies wurde als Beweis gedeutet, dass Gott auf ihrer Seite stand. Es war auch eine Zeit, in der alle Muslime unter der Herrschaft eines einzigen Kalifen lebten und damit auch politisch die Idee der Einheit aller muslimischen Völker verkörperte. Tatsächlich wurden unter den ersten beiden Dynastien große Erfolge erzielt: militärische Eroberungen, Bildung eines großen Staates, Institutionalisierung der islamischen Religion sowie außerordentliche intellektuelle und künstlerische Leistungen. Natürlich sind die Erinnerungen an das Zeitalter der Abbassiden- und die Errungenschaften der OmayyadenDynastie wahrscheinlich goldener als die Wirklichkeit. Diese beiden Dynastien (siehe Abbildung 2.1) sind unser nächstes Thema.
Abbildung 2.1: Die Reiche der Omayyaden und Abbassiden in ihrer größten Ausdehnung
Herrschaft der Omayyaden (661–750)
Nach Alis Tod festigte Mu’awiya rasch seine Herrschaft. Es gelang ihm, die Herrschaft auf seinen Sohn übergehen zu lassen. Damit begründete er ein dynastisches Prinzip, nach dem die Nachfolge auf ein anderes Mitglieder der herrschenden Familie übergeht. Diese Dynastie wird als die Omayyaden-Dynastie bezeichnet. Der Name ist von dem Kuraischiten-Klan abgeleitet, zu dem Mu’awiya und sein Onkel Uthman gehörten. Doch die Frage des geregelten Übergangs der Macht beim Tod des herrschenden Kalifen führt immer wieder zum Streit.
Omayyaden-Kalifen
Trotz der fragwürdigen Art, wie Mu’awiya an die Macht kam, erwies er sich als fähiger Herr-scher. Er regiert in dem persönlichen Stil eines arabischen Scheichs, der sich gleichermaßen auf seine Überzeugungskraft wie auf Gewalt stützt. Als ehemaliger Statthalter Syriens stützte Mu’awiya seine Macht auf die Araber Syriens und Palästinas. Er führte jährlich Feldzüge gegen die byzantinischen Kräfte im Norden durch, um die religiöse Forderung zu erfüllen, den dar al-Islam auszudehnen. Da Mu’awiya bereits als Statthalter von Syrien seinen Sitz in Damaskus hatte, machte er Damaskus zur Hauptstadt. Mekka und Medina waren einfach zu weit vom Kernland des erheblich erweiterten islamischen Staates entfernt, um als politische Hauptstädte geeignet zu sein. Neue Konvertiten – Araber und Nicht-Araber – wurden sozial und wirtschaftlich als »Klienten« (mawali) der führenden arabischen Familien in die Gesellschaft eingegliedert, die sich in den eroberten Ländern niedergelassen hatten.
Einige von Mu’awiyas Nachfolgern lebten ein frommes Leben: Umar II. (717–720) war, wie sein Namensvetter, ein vorbildlicher Herrscher; desgleichen waren Abdal-Malik (685–705) und Walid I. (705–715) als Herrscher erfolgreich. Doch viele der 14 Omayyaden-Kalifen bevorzugten einen ausgesprochen unislamischen Lebensstil.
Ein Schlüsselereignis für schiitische Muslime
Auf ihrem Weg nach Kufa fing Jazids Armee Hussein und seine kleine Gruppe von Anhängern ab. Hussein wurde getötet und geköpft. Der General sandte Husseins Kopf an den Kalifen in Damaskus. Die Ermordung des Enkels des Propheten, der als Kind auf dessen Schoß gesessen hatte, schockierte die muslimische Welt. Für die Schiiten wurde Husseins Martyrium in Kerbela zu dem entscheidenden Ereignis ihrer Heilsgeschichte. Kerbela selbst wurde zu einer heiligen Stätte (siehe Kapitel 12).
Errungenschaften der Omayyaden
Zu den Errungenschaften der Omayyaden zählen:
Die Wiederaufnahme der Expansion des Imperiums. Bis 715 hatten die muslimischen Armeen den Rest Nordafrikas und den größten Teil Spaniens erobert. Im Osten drangen die islamischen Armeen bis ins Industal (im heutigen Pakistan) und in Gebiete Zentralasiens (dem heutigen Afghanistan, Usbekistan und Turkmenistan) vor. Das Omayyaden-Kalifat war zum größten Imperium geworden, das die Welt je gesehen hatte.
Aufstellung einer stehenden Armee, durch die die Macht der ursprünglichen aus Arabien eindringenden Kräfte ersetzt und begrenzt wurden.
Arabisierung (die Verwendung des Arabischen für Regierungsdokumente und im Münzwesen) und später Islamisierung (weniger Abhängigkeit von Nicht-Muslimen bei der Beset-zung der wachsenden Verwaltung) der Regierung.
Errichtung von Bauwerken einschließlich Palästen und Moscheen sowie die Entwicklung einer Architektur für Moscheen. Der Felsendom in Jerusalem (etwa 691 oder 692) war der erste große Erfolg der monumentalen islamischen Architektur.
Entwicklung der islamischen religiösen Gelehrsamkeit einschließlich der Sammlung der Überlieferungen und des Studiums des Koran.
Herrschaft der Abbassiden (750–1258)
Die Ereignisse beim Fall der Omayyaden-Dynastie und der Errichtung der Abbassiden-Herr-schaft bilden die dritte Rebellion (fitna).
Mawali-Elemente (nicht-arabische Elemente) der Bevölkerung schauten neidisch auf die
Privilegien, welche die Nachkommen der Elite der früheren arabischen Invasoren genossen.
Schiiten lehnten eine Dynastie ab, die den Herrschaftsanspruch Alis und seiner Nachkommen missachtet hatte.
Die entstehende Klasse der Religionsgelehrten verurteilte das Verhalten der Omayyaden als zu weltlich. Doch einige moderne Gelehrte halten dies für eine üble Nachrede und sind der Auffassung, dass die Omayyaden genauso fromm (oder unfromm) wie die Abbassiden waren.
Das Machtzentrum verschob sich weg von der Machtbasis der Omayyaden in Syrien nach Osten.
Zwischen verschiedenen Gruppen der Araber brachen interne Konflikte aus.
Modern ausgedrückt führten die Feinde der Omayyaden eine erfolgreiche Public-Relations-Kampagne aus, um sie zu diskreditieren.
Mit einigen Wirrungen wurde die Macht und Einheit des Kalifats wiederhergestellt und hatte im ersten Drittel der Abbassiden-Herrschaft Bestand. Danach änderte sich die Stellung des Kalifen: Er wurde zunehmend zu einer religiösen oder pseudoreligiösen Galionsfigur, wäh-rend die Macht von einer anderen Person ausgeübt wurde, einem militärischen Befehlshaber, der Titel wie Sultan oder Prinz der Prinzen trug. Die zentrale Macht zerfiel. Zwar erkannten verschiedene Regionen die Oberherrschaft des Kalifen immer noch theoretisch an, wurden aber praktisch zunehmend unabhängig und ihre Gouverneure oder Generäle gründeten eigene lokale Dynastien. Doch trotz des politischen Niedergangs blühte die Abbassiden-Kultur auf künstlerischem, religiösem und intellektuellem Gebiet auf.
Wie die Abbassiden an die Macht kamen
Im Nordosten Persiens brachen bewaffnete Aufstände gegen die Omayyaden aus. Die Drahtzieher im Hintergrund hielten die Möglichkeit offen, die Herrschaft an die Familie des Propheten zurückzugeben. Dadurch bekam die Bewegung einen apokalyptischen und messianischen Beiklang. Der Aufstand wurde von Nachkommen von al-Abbas geleitet (deshalb der Name Abbas siden-Dynastie), einem Onkel Mohammeds mütterlicherseits. Abu Muslim führte die aufständischen Armeen 750 zum Sieg. Nach dem Sieg wurde Abu al-Abbas zum Kalifen ausgerufen, zur Überraschung der Schiiten, die einen Nachkommen Alis als Kalifen erwartet hatten.
Die Abbassiden-Familie konsolidierte ihre Macht und drängte die schiitischen Partisanen, die den Aufstand unterstützt hatten, an den Rand. Der Kalif fand einen Vorwand, um Abu Muslim hinzurichten, dessen militärisches Können das Übergewicht der Abbassiden bedrohte. Die Abbassiden bauten im Irak die neue Stadt Bagdad und machten sie zu ihrer Hauptstadt. Die Dynastie blühte in ihren Anfangsjahren auf und erreichte mit der Herrschaft Harun al-Raschids (786–809) einen Höhepunkt.
Was die Abbassiden erreichten
Politisch, ökonomisch und militärisch erzielten die Abbassiden im ersten Drittel ihrer Herr-schaft große Erfolge. Die Fortschritte in Wissenschaft, Medizin und Literatur hielten selbst nach Beginn des politischen Niedergangs an:
Islamisierung der Bevölkerung. Am Ende der Omayyaden-Herrschaft waren schätzungsweise zehn Prozent der Bevölkerung Muslime; im 10. Jahrhundert stellten die Muslime in den Städten die Mehrheit der Bevölkerung. Die Bevölkerungen in ländlichen Gebieten waren bis 1300 überwiegend muslimisch.
Ökonomische Entwicklung einschließlich der Verstädterung, der Ausweitung des Handels (angeregt durch das Verschwinden der Grenzen zwischen ehemals unabhängigen Staaten, die von dem Kalifat erobert worden waren) und der Entwicklung der Landwirtschaft durch Bewässerungsprojekte und neue landwirtschaftliche Verfahren wie den Fruchtwechsel.
Reorganisation der Regierungsbürokratie mit einer Gliederung in verschiedene Abteilungen und einer Reform des Steuersystems.
qadiulama