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Maria Held

Rechtsschutz in der
deutschen
Fusionskontrolle

Maria Held

Rechtsschutz in der
deutschen Fusionskontrolle

Eine Bestandsaufnahme

Tectum Verlag

Maria Held

Rechtsschutz in der deutschen Fusionskontrolle. Eine Bestandsaufnahme

© Tectum Verlag Marburg, 2015

Zugl. Diss. Univ. Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 2015

ISBN: 978-3-8288-6195-4

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter
der ISBN 978-3-8288-3545-0 im Tectum Verlag erschienen.)

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Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind

im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Vorwort

Die vorliegende Arbeit zum Rechtsschutz in der deutschen Fusionskontrolle wurde im Wintersemester 2014/2015 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis zum Februar 2015 berücksichtigt.

Mein ganz besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Joachim Jickeli, der mich mit seinen wertvollen Anmerkungen unterstützt und mir sämtliche Freiheiten bei der Erarbeitung und Darstellung des Themas gewährt hat. Zudem danke ich Herrn Prof. Dr. Joachim Jickeli für die rasche Erstellung des Erstgutachtens.

Für die Übernahme und ebenfalls zügige Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Prof. Dr. Sebastian Graf von Kielmansegg.

Die Arbeit ist meiner Familie und insbesondere meinem Mann gewidmet.

Sielenbach, April 2015 Maria Held

Inhaltsübersicht

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abkürzungen

Einführung

Teil 1:Die deutsche Fusionskontrolle

A.Entstehungsgeschichte und Entwicklung der deutschen Fusionskontrolle

B.Verhältnis zum EU-Fusionskontrollrecht

C.Verhältnis zum Kartellverbot und Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

D.Anmeldepflicht in der deutschen Fusionskontrolle

E.Vollzugsverbot in der deutschen Fusionskontrolle

F.Verfahren der deutschen Fusionskontrolle und seine kontrollrelevanten Entscheidungen

Teil 2:Der Rechtsschutz gegen Entscheidungen in der deutschen Fusionskontrolle in der 1. Instanz

A.Rechtsschutz im Sinne des Gerichtsschutzes

B.Übersicht zu den Rechtsschutzmöglichkeiten

C.Allgemeines zu den Beschwerdearten

D.Anfechtungsbeschwerde gemäß § 63 Abs. 1 GWB

E.Verpflichtungsbeschwerde

F.Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde

G.Allgemeine Leistungsbeschwerde

H.Feststellungsbeschwerde

Teil 3:Einstweiliger Rechtsschutz

A.Einstweiliger Rechtsschutz für die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen im Falle einer Untersagung

B.Einstweiliger Rechtsschutz Dritter im Falle einer Freigabe

Teil 4:Rechtsschutz gegen Entscheidungen in der deutschen Fusionskontrolle in der 2. Instanz

A.Rechtsbeschwerde

B.Nichtzulassungsbeschwerde

Teil 5:Schadensersatz für rechtswidrige Entscheidungen des Bundeskartellamtes

A.Ausgangslage

B.Mögliche Anspruchsgrundlagen

C.Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG

Zusammenfassung und Ergebnisse

Literaturverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsübersicht

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abkürzungen

Einführung

I.Anlass und Hintergrund der Untersuchung

II.Zielsetzung und Gang der Untersuchung

Teil 1:Die deutsche Fusionskontrolle

A.Entstehungsgeschichte, Zweck und Entwicklung der deutschen Fusionskontrolle

B.Verhältnis zum EU-Fusionskontrollrecht

I.Vorrang der europäischen Fusionskontrolle

II.Verweisung

C.Verhältnis zum Kartellverbot und Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

I.Verhältnis zu Art. 101 AEUV und Art. 102 AEUV

II.Verhältnis zum deutschen Kartellverbot in § 1 GWB

III.Verhältnis zu anderen Kontrollvorschriften

D.Anmeldepflicht in der deutschen Fusionskontrolle

E.Vollzugsverbot in der deutschen Fusionskontrolle

F.Verfahren der deutschen Fusionskontrolle und seine kontrollrelevanten Entscheidungen

I.Anmeldung

II.Prüfung der Anmeldung und Einleitung des Vorprüfverfahrens („Phase I“)

1.Einleitung des Vorprüfverfahrens und Entscheidungsmöglichkeiten

2.Freigabe bzw. Nichtuntersagung innerhalb der Monatsfrist

3.Einleitung des Hauptprüfverfahrens

4.Einstellung des Verfahrens

III.Hauptprüfverfahren („Phase II“)

1.Eröffnung des Hauptprüfverfahrens und Entscheidungsmöglichkeiten

2.Freigabe (ohne Nebenbestimmungen)

3.Freigabe mit Nebenbestimmungen

a)Bedingung

b)Auflage

4.Untersagung

5.Widerruf der Genehmigung und nachträgliche Untersagung

IV.Entscheidungen des Bundeskartellamtes im Nebenverfahren

1.Auskunftsersuchen des Bundeskartellamtes

a)Informelle Nachfrage

b)Auskunftsersuchen über Marktanteile und Umsätze

c)Allgemeines formelles Auskunftsersuchen

2.Beteiligung Dritter am Fusionskontrollverfahren

a)Einfache Beiladung

aa)Beteiligtenfähigkeit

bb)Erhebliche Interessenberührung

cc)Ermessen

dd)Notwendige Beiladung

3.Recht auf Anhörung und Recht auf Stellungnahme nach § 56 Abs. 1 GWB

4.Akteneinsicht nach §§ 29, 30 VwVfG

Teil 2:Der Rechtsschutz gegen Entscheidungen in der deutschen Fusionskontrolle in der 1. Instanz

A.Rechtsschutz im Sinne des Gerichtsschutzes

B.Übersicht zu den Rechtsschutzmöglichkeiten

I.Beschwerde

1.Übersicht zu den einzelnen Beschwerdearten

2.Feststellung der relevanten Beschwerdeart im Einzelfall

II.Einstweiliger Rechtsschutz

III.Amtshaftung und Schadensersatzansprüche

IV.Ministererlaubnis

C.Allgemeines zu den Beschwerdearten

I.Gegenstand der Beschwerde und Verhältnis zu den sonstigen Kartellrechtsstreitigkeiten

II.Zuständiges Beschwerdegericht: Zuweisung an die ordentlichen Gerichte

III.Rechtsnatur der Beschwerde

IV.Ergänzende Anwendbarkeit der Vorschriften anderer Verfahrensordnungen, insbesondere des allgemeinen Verwaltungsprozessrechts

V.Die Verfügung als zentraler Grundbegriff im Rahmen der Beschwerdearten

1.Begriff der Verfügung

a)Frühere Auffassung: weite Auslegung

b)Heutige Auffassung: enge Auslegung

c)Stellungnahme

2.Form und äußere Wirksamkeit der Verfügung

3.Nichtige Verfügungen als Gegenstand der Anfechtungsbeschwerde

D.Anfechtungsbeschwerde gemäß § 63 Abs. 1 GWB

I.Statthaftigkeit und Rechtsschutzziel

1.Anfechtungsgegenstand: Verfügung

2.Entscheidungen im Vorprüfverfahren als anfechtbare Verfügungen

a)Nichtuntersagung durch Freigabeschreiben

aa)Die Ampère-Entscheidung des BGH und die Ansicht der überwiegenden Literatur

bb)Ansicht des KG und eines Teils der Literatur

cc)Stellungnahme

b)Nichtuntersagung durch Ablauf der Monatsfrist

c)Eröffnung des Hauptprüfverfahrens durch den sog. Monatsbrief

d)Einstellung des Verfahrens

e)Zwischenergebnis

3.Entscheidungen im Hauptprüfverfahren als anfechtbare Verfügungen

a)Freigabe (ohne Nebenbestimmungen)

b)Freigabefiktion nach Ablauf der Vier-Monats-Frist

aa)Mindermeinung in der Literatur

bb)Herrschende Ansicht in der Literatur

cc)Stellungnahme

c)Freigabe mit Nebenbestimmungen

aa)Eine Ansicht: Differenzierung zwischen Auflage und Bedingung

(1)Auflage

(2)Bedingung

bb)Andere Ansicht: alle Nebenbestimmungen selbständig anfechtbar

cc)Stellungnahme

d)Untersagung

e)Widerruf der Freigabe und nachträgliche Untersagung

f)Zwischenergebnis

4.Entscheidungen im Nebenverfahren als anfechtbare Verfügung

a)Auskunftsersuchen des Bundeskartellamtes

aa)Informelle Nachfrage

bb)Förmliches Auskunftsersuchen über Marktanteile und Umsätze

cc)Allgemeines formelles Auskunftsersuchen

b)Beteiligung Dritter am Fusionskontrollverfahren

c)Anhörung und Stellungnahme zum Fusionskontrollverfahren nach § 56 GWB

d)Akteneinsicht der Verfahrensbeteiligten

II.Beschwerdebefugnis

1.Beschwerdebefugnis kraft Verfahrensbeteiligung

a)„Geborene“ Verfahrensbeteiligte: die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen

b)„Gekorene“ Verfahrensbeteiligte: die Beigeladenen

c)Mögliche Verletzung eigener Rechte

2.Beschwerdebefugnis Dritter ohne Verfahrensbeteiligung

a)Beschwerdebefugnis bei unterbliebener Beiladung

aa)Kritik in der Literatur

bb)Die pepcom- und iesy/Ish-Entscheidung des BGH

cc)Stellungnahme

b)Beschwerdebefugnis kraft Rechtsverletzung

aa)Ausgangslage und Relevanz in der Praxis

bb)Ansicht der Rechtsprechung und der überwiegenden Literatur

cc)Gegenstimmen in der Literatur

(1)Eingriff in Grundrechte

(2)Einfachgesetzliche Begründung subjektiver Rechte

dd)Stellungnahme

III.Rechtsschutzbedürfnis und Beschwer

1.Formelle Beschwer

a)Untersagung

b)Freigabeentscheidung (ohne Nebenbestimmungen)

c)Freigabe unter Nebenbestimmungen

d)Sonderfall: keine Verfahrensbeteiligung oder keine Antragstellung

2.Materielle Beschwer

a)Erfordernis der materiellen Beschwer

b)Inhalt und Voraussetzungen der materiellen Beschwer

c)Die materielle Beschwer in Einzelfällen

IV.Frist, Form und Inhalt der Beschwerde

1.Frist zur Einlegung der Beschwerde

2.Form der Beschwerdeschrift

3.Inhalt der Beschwerdeschrift

V.Frist, Form und Inhalt der Beschwerdebegründung

1.Frist zur Begründung der Beschwerde

2.Form und Inhalt der Beschwerdebegründung

VI.Beteiligte und Beteiligtenfähigkeit

VII.Prozess- und Postulationsfähigkeit

VIII.Begründetheit der Anfechtungsbeschwerde

1.Entscheidungsgrundlagen

a)Untersuchungsgrundsatz

b)Freie Beweiswürdigung

c)Rechtliches Gehör

d)Neue Tatsachen und Beweismittel

2.Prüfung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung

a)Unzulässigkeit der Verfügung: Verletzung formellen Rechts

aa)Heilung von Form- und Verfahrensfehlern

bb)Unbeachtlichkeit von Form- und Verfahrensfehlern

b)Unbegründetheit der Verfügung: Verletzung materiellen Rechts

c)Umfang der gerichtlichen Überprüfung und Kontrolldichte

aa)Rechtsund Zweckmäßigkeitskontrolle

bb)Grenzen gerichtlicher Kontrolle

d)Der für die Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt

aa)Überwiegende Ansicht

bb)Einwände

cc)Stellungnahme

3.Inhalt und Form der Entscheidung des Beschwerdegerichts

a)Unzulässigkeit der Beschwerde

b)Unbegründetheit der Beschwerde

c)Begründetheit der Beschwerde

d)Nebenbestimmungen

e)Aufhebung zur Durchführung weiterer Ermittlungen

IX.Wirkung der Beschwerde

E.Verpflichtungsbeschwerde

I.Verpflichtungsbeschwerde der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen

1.Verpflichtungsbeschwerde gegen eine Untersagung im Hauptprüfverfahren

2.Verpflichtungsbeschwerde gegen eine Freigabe (mit Nebenbestimmungen) im Hauptprüfverfahren

a)Freigabe unter Auflagen

b)Freigabe unter Bedingungen

II.Verpflichtungsbeschwerde Dritter

1.Beschwerdebefugnis

2.Rechtsschutzbedürfnis

a)Vorprüfverfahren

b)Hauptprüfverfahren

F.Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde

I.Statthaftigkeit und Rechtsschutzziel

II.Antrag

III.Zulässigkeit der erledigten Beschwerde

IV.Fortsetzungsfeststellungsinteresse

1.Rehabilitation

2.Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen

3.Wiederholungsgefahr

a)Ausgangspunkt: Rechtsprechung im allgemeinen Verwaltungsrecht

b)Rechtsprechung im Bereich der Fusionskontrolle bis zum Jahre 2007

c)Neue Rechtsprechung im Bereich der Fusionskontrolle seit 2007: Springer/ProSiebenSatl, Phonak/GN Store, EDEKA/Plus und Total/OMV

d)Zusammenfassung der neuen Rechtsprechung im Bereich der Fusionskontrolle seit 2007

e)Stellungnahme

V.Begründetheit

G.Allgemeine Leistungsbeschwerde

I.Folgenbeseitigung

II.Vorbeugende Unterlassungsbeschwerde

III.Verfahrensregeln

H.Allgemeine Feststellungsbeschwerde

Teil 3:Einstweiliger Rechtsschutz

A.Einstweiliger Rechtsschutz für die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen im Falle einer Untersagung

I.Befreiung vom Vollzugsverbot vor oder während des Fusionskontrollverfahrens nach § 41 Abs. 2 Satz 1 GWB

1.Wichtige Gründe, insbesondere Abwendung von schweren Schäden von einem beteiligten Unternehmen oder von Dritten

2.Ermessensausübung

3.Entscheidung

4.Rechtsschutz

a)Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines Antrags auf Befreiung vom Vollzugsverbot

b)Rechtsschutz Dritter gegen die Erteilung der Befreiung vom Vollzugsverbot

II.Befreiung vom Vollzugsverbot nach Untersagung durch das Bundeskartellamt

1.Befreiung vom Vollzugsverbot nach § 41 Abs. 2 Satz 1 GWB ...

2.Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsbeschwerde nach § 65 Abs. 3 GWB

3.Einstweilige Anordnung nach den Regelungen in §§ 60 Nr. 1, 64 Abs. 3 Satz 1 GWB

a)Die Entscheidung Phonak/ReSound des OLG Düsseldorf

b)Die Entscheidung Faber/Basalt des BGH

c)Stellungnahme

B.Einstweiliger Rechtsschutz Dritter im Falle einer Freigabe

I.Ausgangslage

II.Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach der Vorschrift des §65 Abs. 3 GWB

1.Voraussetzungen

2.Einwände in der Literatur gegen die Vorschrift des § 65 Abs. 3 Satz 4 GWB

3.Stellungnahme

III.Einstweilige Anordnung gemäß § 64 Abs. 3 GWB

Teil 4:Rechtsschutz gegen Entscheidungen in der deutschen Fusionskontrolle in der 2. Instanz

A.Rechtsbeschwerde

I.Zuständiges Gericht

II.Statthaftigkeit

III.Zulassung der Rechtsbeschwerde

IV.Rechtsbeschwerdebefugnis und Rechtsbeschwerdeberechtigung

V.Frist und Form

VI.Umfang der rechtlichen Nachprüfung

1.Rüge von Verfahrensfehlern

2.Verstöße gegen materielle Vorschriften

3.Tatsachenfeststellungen des Beschwerdegerichts

4.Maßgeblicher Zeitpunkt

VII.Verfahren und Wirkung der Rechtsbeschwerde

VIII.Entscheidung

B.Nichtzulassungsbeschwerde

I.Zuständiges Gericht

II.Statthaftigkeit

III.Beschwerdebefugnis und Beschwer

IV.Verhältnis zur zulassungsfreien Rechtsbeschwerde

V.Form und Frist

VI.Verfahren

VII.Entscheidung, maßgeblicher Zeitpunkt und Umfang der Überprüfung

Teil 5:Schadensersatz für rechtswidrige Entscheidungen des Bundeskartellamtes

A.Ausgangslage

B.Mögliche Anspruchsgrundlagen

C.Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG

I.Tätigwerden als Beamter in Ausübung eines öffentlichen Amtes

II.Verletzung einer Amtspflicht

III.Drittbezogenheit der Amtspflicht

1.Drittbezogenheit der Amtspflicht im Allgemeinen

2.Drittbezogenheit der Amtspflicht in der Fusionskontrolle

a)Entscheidung des LG Köln im Verfahren GN Store/Bundesrepublik Deutschland

b)Stellungnahme

IV.Verschulden

1.Verschuldensvermutung bei objektiv rechtswidriger Entscheidung

2.Kollegialverschulden versus Individualverschulden

3.Grundsatz der Verschuldenshaftung und Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs

4.Sorgfaltsmaßstab im Bereich der Fusionskontrolle

a)Entscheidungspraxis des Bundeskartellamtes

aa)Sachverhaltsaufklärung

bb)Prüfung des Zusammenschlussvorhabens

cc)Stellungnahme

b)Kriterien und Fallgruppen zum Verschulden und Sorgfaltsmaßstab – rechtsvergleichende Betrachtung der Rechtsprechung der europäischen Gerichte

aa)Verfahrensfehler

bb)Fehler bei der Feststellung des Sachverhalts

cc)Fehler bei der ökonomischen Bewertung

dd)Fehler bei der Anwendung rechtlicher Konzepte

5.Verschuldensausschluss infolge der sog. Kollegialgerichtslinie bzw. Vermutung des Nichtverschuldens bei gerichtlicher Bestätigung in 1. Instanz

a)Die Grundsätze der Kollegialgerichts-Richtlinie

b)Die Anwendung der Kollegialgerichts-Richtlinie in der Fusionskontrolle

aa)Grundsätze

bb)Entscheidung des LG Köln im Verfahren GN Store/Bundesrepublik Deutschland

cc)Stellungnahme

V.In Betracht kommende Haftungsausschlüsse

1.Spruchrichterprivileg gemäß § 839 Abs. 2 BGB

2.Verletzung des Vorrangs des Primärrechtsschutzes nach § 839 Abs. 3 BGB

VI.Schaden und haftungsbegründende Kausalität

VII.Fazit: Amtshaftung in der deutschen Fusionskontrolle

Zusammenfassung und Ergebnisse

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Abkürzungen

a.A. (A.A)

andere Auffassung

a.M. (A.M)

andere Meinung

ABl

Amtsblatt der Europäischen Union (vor dem 01.02.2003 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften)

Abs

Absatz

a.F

alte Fassung

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Fassung aufgrund des am 01.12.2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon; konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl. EG Nr. C 115 v. 09.05.2008, S. 47)

AG

Die Aktiengesellschaft

AktG

Aktiengesetz v. 06.09.1965 (BGBl. I S. 1089), zuletzt geändert durch Art. 26 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz v. 23.07.2013 (BGBl. I S. 2586)

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

Art

Artikel

Aufl

Auflage

AWG

Außenwirtschaftsgesetz

Az

Aktenzeichen

BayVBl

Bayerische Verwaltungsblätter

BB

Der Betriebs-Berater

Begr

Begründung

ber

Berichtigt

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung v. 02.01.2002 (BGBl. I S. 42, ber. 2909 und BGBl. 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und zur Änderung des EEG v. 22.07.2014 (BGBl. I S. 1218)

BGBl

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

BKartA

Bundeskartellamt

BMWi

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

BR-Drucks

Bundesrats-Drucksache

BT-Drucks

Bundestags-Drucksache

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

bzw

beziehungsweise

CJ

Cato Journal

CML. Rev

Common Market Law Review

DB

Der Betrieb

ders

Derselbe

D.h. (d.h.)

das heißt

DVBl

Deutsche Verwaltungsblätter

ECLR

European Competition Law Review

EFTA

European Free Trade Area

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, zuletzt geändert durch Art. 2 des Vertrages von Lissabon v. 13.12.2007 (ABl. Nr. C 306 S. 1)

EnWG

Energiewirtschaftsgesetz v. 07.07.2005 (BGBl. I S. 1970, ber. 3621), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes zur grundlegenden Reform des EEG und zur Änd. weiterer Bestimmungen des Energiewirtschaftsrechts v. 21.07.2014 (BGBl. I S. 1066)

EU

Europäische Union

EU-Kommission

Europäische Kommission

EuG

Europäisches Gericht (früher: Europäisches Gericht Erster Instanz)

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Union

EUR

Euro

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWeRK

Energie- und Wettbewerbsrecht in der Kommunalen Wirtschaft

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

EWS

Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

f.

Folgend

FamFG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner vom 20.06.2014 (BGBl. I S. 786)

FD-GewRS

Fachdienst Gewerblicher Rechtsschutz

ff.

Folgende

FKVO

Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates v. 20.01.2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. Nr. L 24/1 v. 29.01.2004) – EU-Fusionskontrollverordnung

Fn

Fußnote

FS

Festschrift

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23.05.1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert Art. 1 Änderungsgesetz (Art. 91b) v. 23.12.2014 (BGBl. I S. 2438)

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

GRUR-Prax

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht

GVBl

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 09.05.1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes v. 23.04.2014 (BGBl. I S. 410) geändert worden ist

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung v. 26.06.2013 (BGBl. I S. 1750, ber. S. 3245), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes zur grundlegenden Reform des EEG und zur Änderung weiterer Bestimmungen des Energiewirtschaftsrechts vom 21.07.2014 (BGBl. I S. 1066)

GWR

Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

H.M. (h.M.)

Herrschende Meinung

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

KG

Kammergericht (Berlin)

K & R

Kommunikation & Recht

KVR

Rechtsbeschwerden in Kartellverwaltungssachen

KVZ

Nichtzulassungsbeschwerden in Kartellverwaltungssachen

LG

Landgericht

lit

Buchstabe

Mio

Million/Millionen

Mrd

Milliarde/Milliarden

m. Anm

mit Anmerkung

m.w.N

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr./Nrn

Nummer/Nummern

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

OLG

Oberlandesgericht

OLGR

OLG-Report

ORDO

Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft

OVG

Oberverwaltungsgericht

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung v. 19.02.1987 (BGBl. I S. 602), zuletzt geändert durch Art. 18 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit Gerichten v. 10.10.2013 (BGBl. I S. 3786)

Reg.Begr

Regierungsbegründung

RegE

Regierungsentwurf

Rn

Randnummer

Rs

Rechtssache

RStV

Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag) v. 31.08.1991

S

Seite

S. (s.)

Siehe

Slg

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes

Sog. (sog.)

Sogenannt

StPO

Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung v. 07.04.1987 (BGBl. I S. 1074, ber. S. 1319), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 3, 49. Gesetz zur Änderung des StGB v. 21.01.2015 (BGBl. I S. 10)

St. Rspr. (st. Rspr.)

ständige Rechtsprechung

TB

Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes

Tz

Textziffer

Unterabs

Unterabsatz

UPR

Umwelt- und Planungsrecht

u.U

unter Umständen

v

Vom

Verweisungsmitteilung der EU-Kommission

Mitteilung der Europäischen Kommission über die Verweisung von Fusionssachen, ABl. C 56 v. 05.03.2005, S. 2 ff.

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

Vgl. (vgl.)

Vergleiche

VO 1/2003

Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates v. 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. Nr. L 1/1 v. 04.01.2003)

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung v. 19.03.1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten v. 10.10.2013 (BGBl. I S. 3786)

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 23.01.2013 (BGBl. I S. 102), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften v. 25.07.2013 (BGBl. I S. 2749)

VwZG

Verwaltungszustellungsgesetz v. 12.08.2005 (BGBl. I S. 2354), zuletzt geändert durch Art. 17 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten v. 10.10.2013 (BGBl. I S. 3786)

WiR

Wirtschaftsrecht

WM

Wertpapiermitteilungen, Zeitschrift für Wirtschaft und Bankrecht

WRP

Wettbewerb in Recht und Praxis

WuW

Wirtschaft und Wettbewerb

WuW/E

Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungssammlung

WuW/E BGH

Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungen des Bundesgerichtshof

WuW/E BKartA

Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungen des Bundeskartellamtes

WuW/DE-R

Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungssammlung – Deutschland Rechtsprechung

WuW/E DE-V

Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungssammlung – Deutschland Verwaltung

WuW/E EU-R

Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungssammlung – Europäische Union Rechtsprechung

WuW/E EU-V

Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungssammlung – Europäische Union Verwaltung

WuW/E OLG

Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungen der Oberlandesgerichte

WuW/E Verg

Wirtschaft und Wettbewerb – Vergabe Rechtsprechung und Verwaltung

z.B

zum Beispiel

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis

ZNER

Zeitschrift für Neues Energierecht

ZPO

Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung v. 05.12.2005 (BGBl. I S. 3202, ber. 2006 S. 431 und 2007 S. 1781), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften v. 08.07.2014 (BGBl. I S. 890)

Zuständigkeitsmitteilung der EU-Kommission

Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. C 43 v. 21.02.2009, S. 10 ff.

ZWeR

Zeitschrift für Wettbewerbsrecht

Einführung

I.Anlass und Hintergrund der Untersuchung

Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit dem Rechtsschutz gegen Entscheidungen des Bundeskartellamtes im Bereich der deutschen Fusionskontrolle. Rechtsschutz wird dabei vorliegend als Gerichtsschutz verstanden. Dieses Thema spielte in der Praxis lange Zeit keine Rolle, hat seit einigen Jahren durch zahlreiche „prominente“ Verfahren jedoch an Aktualität gewonnen und dabei zahlreiche Rechtsfragen aufgeworfen, die bis heute noch nicht alle geklärt sind.

Eines dieser „prominenten“ Verfahren betraf das Zusammenschlussvorhaben Phonak/GN ReSound, welches sich zu einem Musterbeispiel für „gelebten“ Rechtsschutz in der deutschen Fusionskontrolle entwickelt hat. Zum einen war dieses Zusammenschlussvorhaben im Hinblick auf die Frage, ob der Zusammenschluss zu untersagen ist, über Jahre hinweg Gegenstand diverser Gerichtsverfahren. Zum anderen hat ein Unternehmen in diesem Fall erstmalig in der Geschichte der deutschen Fusionskontrolle – nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf im März 2014 vorerst ohne Erfolg – Schadensersatz für eine rechtswidrige Untersagung eines Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt geltend gemacht. Im Einzelnen:

Das dänische Elektronikunternehmen GN Store wollte seine HörgeräteSparte (GN ReSound) an den Schweizer Hörgeräte-Hersteller Phonak (seit dem 31.12.2007: Sonova) veräußern. Der beim Bundeskartellamt im November 2006 angemeldete Zusammenschluss wurde jedoch am 11.04.20071 untersagt. Begründet wurde die Untersagung insbesondere mit dem Vorliegen eines (engen) Oligopols zwischen Siemens, Oticon und Phonak und dem fehlenden Binnenwettbewerb. Gegen den Untersagungsbeschluss legten Phonak und GN Store unmittelbar nach der Untersagung Beschwerde ein und beantragten gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung, um den Zusammenschluss vorzeitig vollziehen zu können.

Nachdem das OLG Düsseldorf2 den Antrag am 08.08.2007 abgelehnt hatte, teilte Phonak am 15.08.2007 die Aufgabe des Zusammenschlussvorhabens mit. Phonak und GN Store führten daraufhin ihre Beschwerde als Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde weiter und begehrten vom OLG Düsseldorf die Feststellung, dass die Untersagung rechtswidrig war. Nachdem das OLG Düsseldorf der Auffassung der Beschwerdeführer nicht gefolgt war und am 26.11.2008 die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde zurückgewiesen hatte,3 erhoben die Beschwerdeführer Rechtsbeschwerde zum BGH. Der BGH entschied am 20.04.2010, dass die Entscheidung des Bundeskartellamtes und des OLG Düsseldorf fehlerhaft und damit die Untersagung des Zusammenschlussvorhabens rechtswidrig war.4

Daraufhin reichte GN Store – erstmalig in der Geschichte der deutschen Fusionskontrolle – beim LG Köln Schadensersatzklage gegen die Bundesrepublik Deutschland (als Träger des Bundeskartellamtes) ein und forderte wegen der rechtswidrigen Untersagung Schadensersatz5 in Höhe von ca. EUR 1,1 Mrd.

Das LG Köln6 versagte GN Store am 26.02.2013 den geforderten Schadensersatz mit der Begründung, dass das Bundeskartellamt mit der rechtswidrigen Untersagungsentscheidung seine Amtspflicht gegenüber GN Store zwar verletzt habe, jedoch man dem Bundeskartellamt hierbei kein Verschulden vorwerfen könne. Das OLG Düsseldorf bestätigte am 26.03.2014 auf Berufung von GN Store hin die Auffassung des LG Köln.7 GN Store hat – laut Auskunft des OLG Düsseldorf – am 02.05.2014 Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH (Az. III ZR 136/14) eingelegt, um letztlich die im Rahmen des Schadensersatzverfahrens aufgeworfenen Rechtsfragen höchstrichterlich klären zu lassen.

Seit Beginn der Fusionskontrolltätigkeit des Bundeskartellamtes im Jahr 1973 sind bis Ende 2013 insgesamt über 45.000 Zusammenschlussvorhaben angezeigt und angemeldet worden, davon wurden bis Ende 2012 insgesamt 185 Zusammenschlüsse untersagt.8 Hiervon sind 126 Entscheidungen bestandskräftig geworden.9 Endgültig aufgehoben oder für erledigt erklärt wurden Untersagungen in 55 Fällen.10 In bisher nur zwei Fällen konnten Dritte im erstinstanzlichen Verfahren (zunächst) erfolgreich gegen Freigaben vorgehen – und zwar im Mai 2001 vor dem KG Berlin im Verfahren HABET/Lekkerland11 und im August 2013 vor dem OLG Düsseldorf im Verfahren Liberty Global/Kabel Baden-Württemberg12. Die Entscheidung des KG Berlin im Verfahren HABET/Lekkerland wurde jedoch im Juni 2003 vom BGH13 aufgehoben. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf im Verfahren Liberty Global/Kabel BadenWürttemberg ist noch nicht rechtskräftig, da Liberty Global diversen Pressmitteilungen14 zufolge und nach Auskunft des OLG Düsseldorf Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt hat (Az. KVZ 75/13).

Die Fusionskontrolle dient dem Ausgleich dreier regelmäßig kollidierender Interessen: (1.) dem öffentlichen Interesse am Erhalt eines wirksamen und funktionsfähigen Wettbewerbs, (2.) dem Wunsch der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nach einer schnellen und reibungslosen Freigabe ihres Zusammenschlussvorhabens durch das Bundeskartellamt und (3.) der Befürchtung dritter Marktbeteiligter, seien es Wettbewerber oder Unternehmen der Marktgegenseite (z.B. Lieferanten und Abnehmer), dass mit der Freigabe des Zusammenschlussvorhabens wirksamer Wettbewerb erheblich behindert, insbesondere eine marktbeherrschende Stellung der Zusammenschlussbeteiligten begründet oder verstärkt wird.

Das deutsche Fusionskontrollsystem trägt all diesen verschiedenen Interessen Rechnung: Zum Schutz des Wettbewerbs hat sich der Gesetzgeber für eine präventive Fusionskontrolle entschieden, d.h. Zusammenschlussvorhaben sind unter bestimmten Voraussetzungen beim Bundeskartellamt anzumelden und dürfen erst vollzogen werden, wenn das Bundeskartellamt nach wettbewerblicher Prüfung das Vorhaben freigibt. Dass das Bundeskartellamt über die Freigabe innerhalb eines strengen Fristenregimes in § 40 Abs. 1 und 2 GWB entscheiden muss und dass, wenn es dies nicht tut, das Zusammenschlussvorhaben als freigegeben gilt, kommt dem Interesse der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen an einem zügigen Freigabeverfahren entgegen. Drittbetroffene können am Fusionskontrollverfahren als Beigeladene beteiligt werden mit der Folge, dass sie während des Verfahrens das Recht haben, angehört zu werden und zu dem Zusammenschlussvorhaben Stellungnahmen abzugeben.

Das Verfahrensrecht des GWB (§§ 48-96 GWB) hat lange Zeit eher ein Schattendasein geführt. So stand auch der Rechtsschutz in der deutschen Fusionskontrolle lange am Rande des wissenschaftlichen Interesses, obwohl er eine Reihe schwieriger und komplexer Rechtsfragen aufwirft. Ein Grund hierfür war, dass der Rechtsschutz in der deutschen Fusionskontrolle in der Praxis lange Zeit keine Rolle spielte.

Dies lag zum einen daran, dass das Bundeskartellamt seit jeher die meisten Anmeldungen freigibt – in der Regel ohne Nebenbestimmungen. Die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen haben somit ganz überwiegend kein Rechtsschutzinteresse, gegen eine Freigabeentscheidung des Bundeskartellamtes vorzugehen. Sollte das Bundeskartellamt ausnahmsweise ein Zusammenschlussvorhaben untersagen, nehmen die Zusammenschlussbeteiligten regelmäßig von dem Zusammenschlussvorhaben rasch Abstand und sind um eine zügige Abwicklung bereits eingegangener oder verhandelter Transaktionsverträge bemüht, um weitere Transaktionskosten und Imageschäden zu vermeiden. An einer gerichtlichen Klärung, ob die Untersagung auch rechtmäßig ist, haben sie oftmals kein Interesse, da die gerichtliche Klärung zeit- und kostenintensiv und der Ausgang des Gerichtsverfahrens ungewiss ist. Ferner trifft die Zusammenschlussbeteiligten eine Untersagung typischerweise nicht „unvorbereitet“, sondern bereits im Rahmen der Vorfeldberatung zur geplanten Transaktion ergibt sich regelmäßig, dass ein Zusammenschlussvorhaben wettbewerblich bedenklich sein könnte und deshalb nicht zwingend vom Bundeskartellamt „durchgewinkt“ werden wird.

Auch Dritte gehen regelmäßig nicht gegen für sie u.U. nachteilig wirkende Freigabeentscheidungen vor, da auch sie regelmäßig den Kosten- und Zeitaufwand eines Gerichtsverfahrens nicht auf sich nehmen wollen. Zudem stünde ihnen mit dem Bundeskartellamt eine Fachbehörde und mit dessen Beschlussabteilungen Expertengremien gegenüber, welche sich über Jahrzehnte ein sehr gutes Know-how im Bereich der Fusionskontrolle aufgebaut haben und deren Alltagsgeschäft die Anwendung der Fusionskontrolle ist, so dass aus der Perspektive von Dritten ein erfolgreicher Ausgang eines Verfahrens gegen das Bundeskartellamt regelmäßig nicht zwingend erscheint.

In den letzten Jahren haben sich jedoch insbesondere Zusammenschlussbeteiligte – in der Regel internationale Großunternehmen, wie etwa EDEKA, Springer, OMV, E.ON und GN Store – gegen Untersagungen, aber auch vereinzelt Dritte gegen Freigaben des Bundeskartellamtes zur „Wehr“ gesetzt. Ein Grund könnte hierfür sein, dass sich die entsprechend betroffenen Märkte über Jahre hinweg konzentriert haben und – je nach Definition des relevanten betroffenen Marktes – das Bundeskartellamt ab einer bestimmten Konzentration von einem zu sehr konzentrierten Marktumfeld ausging, das keine weitere Konzentration durch einen weiteren Zusammenschluss vertragen kann. Um jedoch zu verhindern, dass das Bundeskartellamt seine Auffassung im Hinblick auf eine bestimmte Marktabgrenzung oder auf eine bestimmte Analyse des wettbewerblichen Umfeldes auf dem betreffenden Markt für ein Unternehmen mittels einer Untersagungsentscheidung – zumindest vorerst – in „Stein meißelt“ und damit auch potentielle zukünftige Transaktionen für das betreffende Unternehmen erschwert, könnten sich einige Unternehmen gezwungen gesehen haben, gegen Untersagungsentscheidungen des Bundeskartellamtes vorzugehen. Wenn diese Unternehmen vor einem Gericht die Aufhebung der Untersagungsentscheidung des Bundeskartellamtes begehren, wollen sie sich letztlich sowohl die Möglichkeit des konkret angemeldeten Zusammenschlusses, regelmäßig aber auch die Möglichkeit zu zukünftigen Transaktionen auf dem betroffenen Markt offen halten.

Die Zunahme von Rechtsschutzverfahren in der Fusionskontrolle ist nicht nur in Deutschland zu beobachten, sondern auch auf EU-Ebene, wo ebenso insbesondere seit Anfang der 2000er-Jahre Unternehmen gegen Entscheidungen – auch hier insbesondere Untersagungsentscheidungen – der EU-Kommission vorgegangen sind. Zu denken ist insbesondere an die drei Entscheidungen Schneider Electric, Tetra Laval und Airtours (jetzt: MyTravel) des Gerichts Erster Instanz (jetzt: Europäisches Gericht) im Jahre 2002, in denen das Gericht in allen drei Fällen die jeweilige Untersagung des Zusammenschlussvorhabens durch die EU-Kommission für rechtswidrig befand. In zwei Verfahren – Schneider Electric und MyTravel – kam es in der Folgezeit auch zu Schadensersatzverfahren.

Gegenstand dieser Untersuchung ist der Rechtsschutz in der deutschen Fusionskontrolle, d.h. der Rechtsschutz gegen Entscheidungen der deutschen Kartellbehörde. An manchen Stellen wird in dieser Untersuchung auch auf die Entwicklung und die Rechtslage hinsichtlich des Rechtsschutzes in der europäischen Fusionskontrolle verwiesen und Bezug genommen, insbesondere, wenn es in Deutschland keine gesetzliche Regelung oder Rechtsprechung zu offenen Rechtsfragen gibt, um mögliche Lösungsansätze aus dem europäischen Recht für die deutsche Fusionskontrolle anzubieten.

II.Zielsetzung und Gang der Untersuchung

Ziel dieser Untersuchung ist es, das Rechtsschutzsystem in der deutschen Fusionskontrolle umfassend darzustellen. Dabei geht es nicht um die Analyse und die Wiedergabe der Diskussion zu einer einzelnen bestimmten Rechtsfrage, vielmehr soll das Rechtsschutzsystem in seiner Gesamtheit beleuchtet und mit sämtlichen Rechtsfragen diskutiert werden, die gegenwärtig im Mittelpunkt des Interesses stehen. Bereits durch Rechtsprechung geklärte Rechtsfragen oder Entwicklungen aus früheren GWB-Novellen werden im Rahmen dieser Arbeit nur dargestellt, sofern und soweit sie Auswirkungen auf das gegenwärtige Rechtsschutzsystem haben und für das Gesamtverständnis des Rechtsschutzsystems hilfreich oder erforderlich sind.

Entsprechend der Zielsetzung, das Rechtsschutzsystem in der deutschen Fusionskontrolle in seiner Gesamtheit zu erörtern, gliedert sich die Untersuchung in fünf Teile:

Der erste Teil fasst die Grundzüge und das Verfahren der deutschen Fusionskontrolle zusammen. Hierbei wird insbesondere dargestellt, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Zusammenschlussvorhaben beim Bundeskartellamt angemeldet werden muss und in welchen Verfahrensschritten das Bundeskartellamt das Zusammenschlussvorhaben freigeben oder untersagen kann.

Im zweiten Teil, der den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet, werden sowohl die Rechtsschutzmöglichkeiten in der Hauptsache in der 1. Instanz für am Zusammenschluss beteiligte Unternehmen im Falle einer Untersagung eines Zusammenschlussvorhabens als auch die Rechtsschutzmöglichkeiten für Dritte (wie etwa Wettbewerber oder Unternehmen der Marktgegenseite) gegen Freigabeentscheidungen des Bundeskartellamtes analysiert.

Der dritte Teil setzt sich mit den vorläufigen Rechtsschutzmöglichkeiten der Zusammenschlussbeteiligten und von Dritten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auseinander. Zum einen mögen Zusammenschlussbeteiligte beispielsweise ein Interesse an einem vorzeitigen Vollzug ihres Zusammenschlussvorhabens vor Freigabe durch das Bundeskartellamt haben. Zum anderen mögen Dritte nicht den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abwarten, sondern direkt nach der Freigabe verhindern wollen, dass Zusammenschlussbeteiligte ihren Zusammenschluss vollziehen.

Der vierte Teil geht kurz auf die Rechtsschutzmöglichkeiten in der 2. Instanz ein, wenn die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen oder Dritte ihr Ziel nicht bereits in der 1. Instanz erreichen konnten und deswegen gegen die Gerichtsentscheidung in der 1. Instanz vorgehen.

Im fünften Teil wird die Frage beleuchtet, ob und unter welchen Voraussetzungen Zusammenschlussbeteiligte Schadensersatz verlangen können, sollte sich später per Gerichtsentscheidung herausstellen, dass die ursprüngliche Entscheidung des Bundeskartellamtes (insbesondere in der Fallgestaltung einer Untersagung eines Zusammenschlussvorhabens) rechtswidrig war.

Am Ende werden die Ergebnisse zusammengefasst und das Rechtsschutzsystem in der deutschen Fusionskontrolle in seiner Gesamtheit bewertet.

Notes

1Entscheidung des Bundeskartellamtes vom 11.04.2007 (Az. B3 – 578/06; Entscheidung erhältlich auf der Website des Bundeskartellamtes unter: http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Entscheidungen/Fusionskontrolle/2007/B3-578-06.html).

2OLG Düsseldorf v. 08.08.2007, WuW/DE-R 2069 – Phonak/ReSound.

3OLG Düsseldorf v. 26.11.2008, WuW/D DE-R 2477 – Phonak/ReSound.

4BGH v. 20.04.2010, WuW/E DE-R 2905 – Phonak/GNStore. Nach Ansicht des BGH war insbesondere die Annahme der Nichtwiderlegung der Oligopolvermutung (§ 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB (jetzt: § 18 Abs. 6 Nr. 1 GWB)) fehlerhaft.

5In Form des Ersatzes des entgangenen Erlöses aus dem gescheiterten Verkauf der Hörgerätesparte GN ReSound abzüglich des noch vorhandenen Wertes dieser Sparte, die sich immer noch im Unternehmensverbund von GN Store befindet.

6LG Köln, 26.02.2013, Az. 5 O 86/12 = BeckRS 2013, 03622 – GN Store/Bundesrepublik Deutschland.

7OLG Düsseldorf v. 26.03.2014, Az. VI-U (Kart) 43/13 = BeckRS 2014, 06417 – GN Store/Bundesrepublik Deutschland

8Vgl. TB 2011/2012, BT-Drucks. 17/13675, S. 21.

9Vgl. TB 2011/2012, BT-Drucks. 17/13675, S. 21.

10Vgl. TB 2011/2012, BT-Drucks. 17/13675, S. 21.

11KG v. 09.05.2001, WuW/E DE-R 688 – HABET/Lekkerland.

12OLG Düsseldorf v. 14.08.2013, WuW/E DE-R 4050 – Liberty Global/Kabel BadenWürttemberg.

13BGH v. 24.06.2003, WuW/E DE-R 1163 – HABET/Lekkerland.

14Vgl. beispielsweise Legal Tribune Online v. 27.09.2013 (http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/olg-duesseldorf-beschluss-vi-kart-1-12-unitymedia-kabelbw-zusammenschluss-bundeskartellamt/)

Teil 1:Die deutsche Fusionskontrolle

A.Entstehungsgeschichte, Zweck und Entwicklung der deutschen Fusionskontrolle

Kartellrecht soll die Freiheit des Wettbewerbs sicherstellen und wirtschaftliche Macht beseitigen, wo sie die Wirksamkeit des Wettbewerbs beeinträchtigt.15 Die Freiheit des Wettbewerbs kann nicht nur durch klassische Kartelle, wie z.B. Preisabsprachen zwischen Wettbewerbern, unterlaufen werden, sondern auch durch Unternehmenskonzentrationen.

Auch wenn Zusammenschlüsse zuvor selbständiger Unternehmen durchaus einerseits eine rationalisierende Wirkung haben und daher wettbewerbsdienlich sein können, besteht andererseits auch die Gefahr, dass infolge von Unternehmenszusammenschlüssen marktbeherrschende Unternehmen entstehen und sich etwa Monopole oder Oligopole bilden, die das Ende des freien Wettbewerbs bedeuten.

Ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form Zusammenschlüsse von Unternehmen kontrolliert werden sollten, gehörte daher lange zu den umstrittensten Bereichen der deutschen Wettbewerbspolitik. Dem Regierungsentwurf des GWB von 1955,16 welcher ein Erlaubnisverfahren für Zusammenschlüsse bei drohendem Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung und eine Entflechtung unerlaubter Zusammenschlüsse vorsah, folgte der Gesetzgeber nicht. Im GWB wurde damals nur eine Anzeigepflicht für Zusammenschlüsse einer gewissen Größenordnung geregelt. Erst durch die 2. GWB-Novelle vom 03.08.197317 wurde die Fusionskontrolle18 – rückwirkend zum 07.06.197319 – in Deutschland eingeführt. Sie hat ihre dort geschaffene Struktur bis zur 6. GWB-Novelle beibehalten. Seit In-Kraft-Treten der 6. GWB-Novelle20 am 01.01.1999 ist die Unterscheidung zwischen anmelde- und bloß anzeigepflichtigen Zusammenschlüssen (§ 23 und § 24 GWB a.F.) entfallen und seitdem gilt in Deutschland – wie in den meisten Rechtsordnungen – das Prinzip der ausnahmslosen präventiven Fusionskontrolle mit Anmeldepflicht (§39 Abs. 1 Satz 1 GWB) und Vollzugsverbot (§41 Abs. 1 Satz 1 GWB). Danach sind sämtliche, die Aufgreifkriterien erfüllenden Transaktionen (also Transaktionen, die einen der vier Zusammenschlusstatbestände des § 37 Abs. 1 GWB erfüllen und bei denen die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen die Schwellenwerte des § 35 Abs. 1 GWB überschreiten21) beim Bundeskartellamt anzumelden und dürfen weder rechtlich noch tatsächlich vollzogen werden, bevor das Bundeskartellamt sie nicht freigegeben hat.

Mit der Einführung der Fusionskontrolle verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, wirksamen Wettbewerb aufrecht zu erhalten.22 Der Fusionskontrolle kommt dabei insbesondere die Aufgabe zu, übermäßige Unternehmenskonzentrationen zu verhindern, die den Wettbewerb (noch mehr) einschränken oder dazu führen, dass die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs nicht mehr gewährleistet ist oder sich die Chancen für ein Wiederaufleben eines bereits erlahmten Wettbewerbs weiter verschlechtern.23 Die Fusionskontrolle soll also externes Unternehmenswachstum (d.h. Wachstum durch „externe Zukäufe“) kontrollieren24 und einschreiten, wenn die Bündelung wirtschaftlicher Macht Wettbewerbsbeschränkungen erwarten lässt. Damit dient die Fusionskontrolle dem Schutz des Wettbewerbs als funktionsfähigem Prozess. Sie soll die Freiheit des Wettbewerbs bzw. die Freiheit der Wettbewerber, die an diesem Prozess teilnehmen, schützen und somit langfristig auch Konsumenteninteressen wahren.25

Die Fusionskontrolle wurde seit ihrer Einführung bis hin zur jüngst am 29.06.2013 verkündeten, größtenteils zum 30.06.2013 in Kraft getretenen 8. GWB-Novelle26 mehrmals novelliert.27

Seit der 6. GWB-Novelle, die am 01.01.1999 in Kraft trat, hat die deutsche Fusionskontrolle einen eigenen Abschnitt im GWB und ist seitdem im 7. Abschnitt des Ersten Teils in den §§ 35-43 GWB geregelt.28 Diese Vorschriften lassen sich in materiellrechtlich orientierte Vorschriften (§§ 35-37 GWB) und in verfahrensrechtlich orientierte (§§ 39-43 GWB) unterteilen, wobei § 38 GWB – die Vorschrift zur Berechnung der Umsatzerlöse und der Marktanteile – nicht nur räumlich in der Mitte steht. Die Reihenfolge der §§ 35-37 GWB orientiert sich dabei an Art. 1-3 FKVO. Allerdings enthält der 7. Abschnitt des GWB nach wie vor nicht alle Vorschriften über die deutsche Fusionskontrolle. So sind die allgemeinen Organisationsvorschriften zu den Kartellbehörden und insbesondere zum Bundeskartellamt und die allgemeinen Verfahrens- und Rechtsschutzvorschriften, die jeweils auch für die Fusionskontrolle gelten, im Zweiten (§§ 4853 GWB) und Dritten Teil (§§ 54-96 GWB) des GWB geregelt. Ferner sind für die deutsche Fusionskontrolle das Auswirkungsprinzip des § 130 Abs. 2 GWB als allgemeine Anwendungsvoraussetzung des GWB sowie die Regeln über den Marktbeherrschungsbegriff und die Marktbeherrschungsvermutungen (gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 4-6 GWB) von Bedeutung.

B.Verhältnis zum EU-Fusionskontrollrecht

Mittlerweile haben mehr als 200 Staaten und Regionen – darunter alle EU-Mitgliedsaaten mit Ausnahme von Luxemburg – ein Fusionskontrollrecht. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen, an denen Unternehmen mit nicht ganz unerheblichen Umsätzen beteiligt sind, kann es daher vorkommen, dass die nationalen Aufgreifkriterien für die Fusionskontrolle in mehreren Staaten weltweit erfüllt werden und die Transaktion daher in mehreren Ländern weltweit parallel fusionskontrollpflichtig ist.

I.Vorrang der europäischen Fusionskontrolle

Für die EU statuiert die FKVO allerdings ein supranationales Fusionskontrollrecht,29 d.h. die Anwendbarkeit der FKVO verdrängt gemäß Art. 21 Abs. 3 Unterabs. 1 FKVO die nationalen Fusionskontrollvorschriften der einzelnen EU-Mitgliedstaaten, so dass ausschließlich die EU-Kommission für die Prüfung der Transaktion zuständig ist (sog. „One-Stop-Shop“-Prinzip).30 Die EU-Mitgliedstaaten wenden ihr Fusionskontrollrecht in diesem Fall nicht an,31 was – im deutschen Recht komplementär in § 35 Abs. 3 GWB geregelt ist. Die Zuständigkeit von EU-Kommission und mitgliedstaatlichen Kartellbehörden kann sich jedoch infolge einer Verweisung der EU-Kommission zu den Mitgliedstaaten und umgekehrt gemäß Art. 4, 9 und 22 FKVO im Einzelfall ändern.32

Die FKVO greift unter drei Voraussetzungen ein:

1.die Transaktion muss einen anmeldepflichtigen Zusammenschlusstatbestand im Sinne des Art. 3 Abs. 1 FKVO, d.h. eine Fusion (gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a FKVO),33 einen Kontrollerwerb (gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b FKVO)34 und/oder die Gründung eines vollfunktionsfähigen Gemeinschaftsunternehmens (gemäß Art. 3 Abs. 4 FKVO)35 darstellen;

2.es darf keiner der drei Ausnahmetatbestände des Art. 3 Abs. 5 FKVO, d.h. weder die Banken-36 noch die Insolvenzklausel37 eingreifen noch der Ausnahmetatbestand des Erwerbs einer Beteiligungsgesellschaft38 einschlägig sein, wonach trotz Vorliegens eines Zusammenschlusstatbestandes im Sinne des Art. 3 Abs. 1 FKVO ausnahmsweise kein kontrollpflichtiger Zusammenschluss bewirkt wird; und

3.das Zusammenschlussvorhaben muss unionsweite Bedeutung haben, was der Fall ist, wenn die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen gemäß Art. 1 Abs. 2 oder Abs. 3 FKVO weltweit, in der EU und/oder in einzelnen EU-Mitgliedstaaten eine der beiden alternativ anwendbaren Umsatzschwellen in Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO überschritten haben.

Nach der ersten Schwelle hat ein Zusammenschluss nach Art. 1 Abs. 2 FKVO unionsweite Bedeutung, wenn im letzten Geschäftsjahr vor der Anmeldung (a) der weltweite Gesamtumsatz aller am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen mehr als EUR 5 Mrd. betrug und (b) mindestens zwei der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen einen EU-weiten Gesamtumsatz von jeweils mehr als EUR 250 Mio. hatten, (c) es sei denn, die beteiligten Unternehmen erzielten jeweils mehr als zwei Drittel ihres EU-weiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat (sog. „Zwei-Drittel Regel“).

Sollten die oben genannten Schwellenwerte nicht überschritten sein, hat ein Zusammenschluss nach der zweiten (alternativen) Schwelle dennoch gemäß Art. 1 Abs. 3 FKVO unionsweite Bedeutung, wenn im letzten Geschäftsjahr vor der Anmeldung (a) der weltweite Gesamtumsatz aller am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen sich auf mehr als EUR 2,5 Mrd. belief, (b) der Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen in mindestens drei Mitgliedstaaten der EU jeweils EUR 100 Mio. überstieg, (c) der Gesamtumsatz von mindestens zwei der beteiligten Unternehmen in jedem dieser mindestens drei Mitgliedstaaten jeweils mehr als EUR 25 Mio. betrug und (d) der EU-weite Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils EUR 100 Mio. überstieg, (e) es sei denn, die beteiligten Unternehmen erzielten jeweils mehr als zwei Drittel ihres EU-weiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat (sog. „Zwei-Drittel Regel“).

Ist nach den genannten Voraussetzungen die EU-Fusionskontrolle anwendbar, muss die Transaktion vor dem Vollzug bei der EU-Kommission angemeldet und freigegeben worden sein. Eine Anmeldung beim Bundeskartellamt oder einer anderen nationalen Wettbewerbsbehörde in der EU ist infolge des „One-Stop-Shop“-Prinzips nicht erforderlich.

II.Verweisung

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