Meine schönsten Erzählungen

 

Wilhelm Raabe

 

 

 

 

Inhalt:

 

Wilhelm Raabe – Biografie und Bibliografie

 

Altershausen

Der Marsch nach Hause

Des Reiches Krone

Deutscher Adel

Drei Federn

Else von der Tanne

Die Gänse von Bützow

Die schwarze Galeere

Hastenbeck

Meister Autor

Frau Salome

Die Chronik der Sperlingsgasse

Die Akten des Vogelsangs

Vom alten Proteus

Zum wilden Mann

Auf dem Altenteil

Der gute Tag

Deutscher Mondschein

Ein Besuch

Eulenpfingsten

Gedelöcke

Holunderblüte

Höxter und Corvey

Horacker

Im Siegeskranze

Sankt Thomas

Theklas Erbschaft

Wunnigel

 

 

 

 

Meine schönsten Erzählungen, W. Raabe

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Germany

 

ISBN: 9783849633486

 

www.jazzybee-verlag.de

admin@jazzybee-verlag.de


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Wilhelm Raabe – Biografie und Bibliografie

 

Namhafter Romanschriftsteller, der zuerst unter dem Namen Jakob Corvinus auftrat, geb. 8. Sept. 1831 zu Eschershausen im Herzogtum Braunschweig, studierte in Berlin seit 1855 Philosophie und widmete sich unmittelbar nach seinen Studienjahren der Literatur, in die er mit dem lebendigen, jugendfrischen Idyll »Die Chronik der Sperlingsgasse« (Berl. 1857; 41. Aufl. 1905, auch illustriert) und den Erzählungen und Phantasiestücken »Halb Mähr, halb Mehr« (das. 1859) eintrat. Es folgten dann großenteils in mehreren Auflagen: »Ein Frühling« (Braunschw. 1858); »Die Kinder von Finkenrode« (Berl. 1859); »Nach dem großen Kriege«, Geschichte in zwölf Briefen (das. 1861); »Der heilige Born. Blätter aus dem Bilderbuche des 16. Jahrhunderts« (Prag 1861); »Unsers Herrgotts Kanzlei«, historischer Roman (Braunschw. 1862, 2 Bde.); »Verworrenes Leben«, Skizzen und Novellen (Glog. 1862); »Die Leute aus dem Walde« (Braunschw. 1863, 3 Bde.); »Drei Federn« (Berl. 1865); »Der Hungerpastor«, Roman (das. 1864, 3 Bde.; 25. Aufl., das. 1906); »Ferne Stimmen«, Erzählungen (das. 1865); »Abu Telfan, oder die Heimkehr vom Mondgebirge« (Stuttg. 1867, 3 Bde.); »Der Regenbogen«, sieben Erzählungen (Stuttg. 1869, 2 Bde.); »Der Schüdderump«, Roman (Braunschw. 1870, 3 Bde.); »Der Dräumling« (Berl. 1872); »Deutscher Mondschein«, vier Erzählungen (Stuttg. 1873); »Christoph Pechlin, eine internationale Liebesgeschichte« (Leipz. 1873, 2 Bde.); »Meister Autor, oder die Geschichten vom versunkenen Garten« (das. 1874); »Horacker« (Berl. 1876, 11. Aufl. 1906); »Krähenfelder Geschichten« (Braunschw. 1879, 3 Bde.); »Wunnigel« (das. 1879); »Deutscher Adel« (das. 1880); »Alte Nester« (das. 1880); »Das Horn von Wanza« (das. 1881); »Fabian und Sebastian« (das. 1882), »Prinzessin Fisch« (das. 1883); »Villa Schönow« (das. 1884); »Pfisters Mühle« (Leipz. 1884); »Zum wilden Mann« (das. 1885); »Unruhige Gäste« (Berl. 1886); »Im alten Eisen« (das. 1887); »Das Odfeld« (Leipz. 1888); »Der Lar, eine Oster-, Pfingst-, Weihnachts- und Neujahrsgeschichte« (Braunschw. 1889); »Stopfkuchen, eine See- und Mordgeschichte« (Berl. 1891); »Gutmanns Reisen« (das. 1892); »Kloster Lugau« (das. 1894); »Die Akten des Vogelsangs« (das. 1896); »Gesammelte Erzählungen« (das. 1896–1900, 4 Bde.); »Hastenbeck« (das. 1899). In seinen größern wie seinen kleinern Erzählungen verbindet R. frischen und echten Humor mit einer elegischen und bittern Darstellung des Lebens, einen energischen Realismus mit einer gewissen phantastischen, traumhaften Erfindung. Am stärksten treten seine Eigentümlichkeiten wohl in den Romanen: »Der Hungerpastor«, »Abu Telfan« und »Der Schüdderump« hervor; wahrhafte Genialität des Humors offenbart auch die kleine Meistererzählung »Horacker«. In den spätern Dichtungen (»Pfisters Mühle«, »Stopfkuchen« u. a.) liebte er eine barocke Einkleidung, Einschachtelung der Erzählung, die ihren tiefen und gediegenen dichterischen Gehalt mehrverhüllte als heraushob. R. siedelte 1862 von Wolfenbüttel nach Stuttgart über und nahm 1870 seinen dauernden Wohnsitz in Braunschweig; 1901, zu seinem 70. Geburtstag, der ihm viele Auszeichnungen brachte, wurde er von der philosophischen Fakultät der Universität Göttingen zum Ehrendoktor ernannt. Vgl. Gerber, Wilhelm R. (Leipz. 1897); Schriften von W. Jensen (Berl. 1901), W. Brandes (2. Aufl., Wolfenb. 1906), Eug. Wolff (Berl. 1902), Hans Hoffmann (das. 1906).

 

 

Altershausen

 

 

»Überstanden!«

 

Der das sagte, lag in seinem Bette, und nach dem Licht auf dem Fenstervorhang zu urteilen, mußte die Sonne eines neuen Tages bereits ziemlich hoch am Himmel stehen. Es war dem befreienden Seufzerwort ein längeres Zusammsuchen, erst der körperlichen Gliedmaßen, sodann der noch vorhandenen geistigen Fähigkeiten voraufgegangen. Beides nicht, ohne daß es, wie die Kinder sagen: wehe getan hatte.

 

Das Alter spricht oft der Kindheit ein Wort nach, weil es von Natur kein besseres weiß und, wenn es im Laufe der Jahre danach gesucht haben sollte, keins gefunden hat. Man braucht sich nicht immer an einer Tischecke gestoßen haben, es kann einem auch sein siebenzigster Geburtstag freundschaftlichst, ehrenvoll-feierlichst begangen worden sein.

 

Man schrieb den vierundzwanzigsten August, an welchem Datum im Jahr neunundsiebenzig nach unseres Herrn und Erlösers Geburt Herkulanum und Pompeji verschüttet worden waren und an dem im Jahr fünfzehnhundertzweiundsiebenzig der heilige Bartholomäus im himmlischen Ehrensaal in kopfschüttelnder Betrachtung vor dem Glasschrank mit seiner Erdenhaut stand, brummte:

 

»Hm, hm, hm!«

 

und sich fragte:

 

»Hab ich die mir eigentlich dafür von meinen lieben Armeniern abziehen lassen?« –

 

Am Tage vorher, das heißt nicht vor dem Untergang von Herkulanum und Pompeji oder der Pariser Blutnacht des heiligen Bartholomäus, sondern an einem weder historisch noch ethisch gleichwertigen dreiundzwanzigsten August eines der letzten Jahre des neunzehnten Jahrhunderts hatte vor siebenzig Jahren das Menschenkind, das jetzt aufrecht im Bette saß, das Licht der Welt, wie man euphemistisch sagt, erblickt, und seine gegenwärtige Mitwelt: Verwandtschaft, Freundschaft und Bekanntschaft – Patronen- und Kliententum, schien sich wirklich gefreut zu haben, den Tag unter ihren Erlebnissen mitfeiern zu können. Ein langer Satz, aber dem Geschehnis angemessen! –

 

Es roch um den erwachenden Jubelgreis nach Kuchen – Geburtstagskuchen, Hochzeitkuchen, Begräbniskuchen – nach dem Kuchen aller Erdenfestlichkeiten! und der Jubelgreis mit den mühsam wieder zusammengesuchten Körper- und Geisteskräften bin

 

I c h ,

 

nun der Schreiber dieser Blätter.

 

Auf die Postille gebückt zur Seite des wärmenden Ofens und – immer noch den Kuchengeruch des Lebens in der Nase?...

 

Siebenzig Jahre nun und – für das Alter immer noch merkwürdig gut auf den Beinen, wie man das ausdrückt! und fünfunddreißig Jahre so ungefähr, seit mein Weib zu dem blauen Himmel auf und in den Sommersonnenschein und den Kinderlärm der Gasse hinein, dem ihr Unfaßbaren, Unbegreiflichen gegenüber, wild-böse durch den jungen Schmerz gemacht, unserm Schicksal zuschluchzte:

 

»Das schöne Wetter, und mein Kind nicht mehr dabei!«...

 

Seit länger als dreißig Jahren wächst auch das Gras auf dem Hügel, der meine Frau neben dem Kinde deckt. Gute und schlechte Witterung hat, seit die Lieben mich des Weges allein ziehen ließen, nach gewohnter Weise auf Erden gewechselt und – ich habe mich gut »konserviert«. Alle sagen das, und auch mein allergnädigster Landesherr wird, wenn ich ihm demnächst meinen Dank für den huldreichst verliehenen hohen Orden zu Füßen legen werde, vielleicht eine ähnliche freundliche Bemerkung fallenlassen. Jawohl, es war ein sehr schönes Festwetter, und die Kinder spielen, lärmen, jauchzen noch immer in den Gassen: mein Weib und mein Kind nicht mehr dabei; aber wir anderen recht vergnügt bei Tische. Ich jedenfalls noch vorhanden in perfect health and memory – bei guter Gesundheit und klarem Bewußtsein – wie es in einem, nicht bloß den nächsten Erben bekanntgewordenen Testament heißt!

 

Fünfzehn Jahre bedeuten nach dem Wort des Historikers eine lange Zeit für den Menschen und sein Leben, dreißig eine längere. Was alles kann der Mensch hinter sich lassen und vor sich bringen, bis er vor der Zahl siebenzig und dem berühmten biblischen Wort steht? Mir brauchte kein solcher »Jubeltag« zu kommen, um mir das deutlich zu machen, nur etwas deutlicher konnte es mir dadurch gemacht werden.

 

Ich stehe weder vor einer verschütteten Erdenwelt noch im Reich der Himmel vor meiner Märtyrer-Ehrenhaut: ich stehe nur noch immer auf meinen Füßen; aber es ist nicht wahr, was einige behaupten, nämlich daß ich das einzig und allein meinem guten Magen zu verdanken habe. Man darf übrigens dergleichen Gerede in einem Dasein, welches wie das unserige recht sehr auf eine gute Verdauung in Verbindung mit den dazugehörigen Zähnen angewiesen ist, nicht allzu absprechend von sich weisen. Es kann nicht alles aus dem Herzen kommen. –

 

Viel herzlichen Dank hatte ich zu sagen gehabt. Sie waren gekommen: alle, von denen ich es wohl erwarten durfte, aber auch viele, von denen es mir nicht zu vermuten war, sogar etliche derer, von welchen ich es ganz gewiß wußte, daß ich ihnen nur zum Ärgernis und Verdruß gelebt, mein Handwerk getrieben hatte und siebenzig Jahre alt geworden war.

 

Ich würde ein Narr und Heuchler sein, wenn ich niederschreiben wollte, daß das mir nur mißfallen habe. Recht wohlgefallen hatte mir manches: es ist nicht alles Komödie in der Welt, es gibt nicht bloß den Begriff Ehrlichkeit, sondern auch ehrliche Leute, und an die habe ich mich an diesem Festtage gehalten und anderes gewähren und machen lassen und Höflichkeiten nach Erdenschicklichkeit höflich erwidert, ohne grade meinem Feinde, wenn er mich auf die eine Backe geküßt hatte, ihm auch die andere hingehalten zu haben.

 

Genug davon. Das wäre fein, die ersten Stunden der Muße mit Würde an das zu verwenden, was jeder Zeitungsberichterstatter werkmäßiger und besser zu Papiere bringt!

 

Das?

 

Ja das: feierliche Begehungen von tausend-, fünfhundert-, hundertjährigen menschheitlichen Gedenktagen – das, was die Menschheit so im einzelnen Beschreibungs- oder doch Besprechungswertes an sich erleben kann, wäre es auch nur nach fünfundzwanzig, fünfzig oder siebenzig Jahren Daseins auf der Erde als Familienmitglied, Staats- und Geschäftsmann oder – – sonst so was!

 

Wenn übrigens »wegen den Geburtstägen im August« vielleicht noch irgend etwas zu bemerken wäre, so kann darüber nachgelesen werden in einem Briefe aus dem Jahre 1777, wo der Berichterstatter für »sein Blatt« schreibt:

 

»Es hatte schon den ganzen Tag gemunkelt, daß 'n Feuerwerk abgebrannt werden sollte, nun ward es aber hautement declarirt, und die ganze Gesellschaft begab sich in Procession hinten in meines Vetters Garten neben dem Echafaut, das Feuerwerk anzusehen. Es bestand aus einem Petermännchen von anderthalb Zoll und reussirte ungemein. Weil so'n Ding gar zu herrlich anzusehen ist, hab' ich mir von meinem Vetter das Recept ausgebeten und will's Dir hier communiciren. Man nimmt 2 Loth Pulver, reibt es klein und thut Brunnenwasser dazu quantum satis; denn wirds 'n Teig, und man formt es, entweder kegelförmig wie'n Kirchthurm, oder viereckigt, wie die Pyramiden in Egypten waren, thut oben darauf einige Körner trockenes Pulver und zündet's an... Um 10 Uhr 8 Minuten gieng das Feuerwerk an, und währte bis 10 Uhr 8⅓ Minute. – Du lachst, Andres?« – – – – – – – – – –

 

Ob der gute Korrespondent des Wandsbecker Boten über diese Schilderung des Festes gelacht habe kann ich nicht sagen: was mich anbetrifft, so beschließe ich die Beschreibung des Höhenpunktes der Feier meines siebenzigsten Geburtstags wie Freund Asmus:

 

»Um 10 Uhr 8 Minuten ging das Feuerwerk an, und währte bis 10 Uhr 8⅓ Minute.«

 

Das stimmte, was meine persönlichste, innerlichste Beteiligung dabei anbetrifft. Wenn jedoch der Bote einigen ethischen und moralischen Betrachtungen und Nutzanwendungen noch hinzufügt:

 

»Um Eilf Uhr giengen wir zu Bett, und schliefen flugs und fröhlich ein«,

 

so stimmt das nicht ganz mit dem Verlauf meines Festes. Es währte ein wenig länger, ehe die letzten bei Tisch die dem Alter gebührende Rücksicht nahmen. Mit dem mittäglichen Sonnenschein noch eines neuen Tages auf dem Fenstervorhang hat ja wohl der Greis diese Federkritzeleien begonnen?

 

Noch dabei, ihr Toten!...

 

Das ist es also gewesen, wozu man mir Glück gewünscht hat? Ich gehe nun »auf die Achtzig los«: die, welche gekommen waren, mir zu dem »Siebenzigsten« zu gratulieren mit dem natürlich angefügten Ad multos annos, sind in der Zeit wieder ihren eigenen zeitlichen Sorgen, Nöten und Geschäften nachgegangen und denken nicht mehr an mich oder, wenn sie noch an mich denken, solches wohl nur mit »gemischten Gefühlen«: dieses Wort wahrlich nicht bloß im ironischen oder gar hämischen Sinne genommen, sondern im recht treumeinenden, im sehr ernsten.

 

Gemischte Gefühle! welch ein Wort dann und wann für eine Morgenstimmung! Wie aber stellt sich solchem Gefühl und Gefühlen gegenüber ein alter Doktor zu einem anderen Wort:

 

Arzt, hilf dir selber!
?

 

Im folgenden mag es sich denn ablagern, wie das Fragezeichen beantwortet worden ist. Lasset euer Brod über das Wasser fahren! heißt es in der Heiligen Schrift.

 

I.

 

Sein Name war Feyerabend. Fritz nannte ihn seine Schwester Karoline, Onkel Friedrich eine etwas entfernte Nichten- und Neffenschaft, Wirklicher Geheimer Rat die Welt. Wodurch er die letztere Bezeichnung für die »Welt« und durch seine Zeitgenossenschaft verdient haben mag, möge sich dem möglichen Leser im Verlauf des Umwendens dieser Blätter ergeben. Schon seine Erstlingsdruckschrift »Über Gewöhnung an Medikamente« soll von gelehrter Frühreife gezeugt haben; hier aber handelt es sich nur darum, wie er selber sich gegen die toxischen und infektiösen Agenzien des Erdendaseins, auch nach zurückgelegtem siebenzigsten Lebensjahr, mit mehr oder weniger Erfolg »immun« gemacht hatte.

 

Fürs erste brauchte er volle acht Tage und Nächte, um sich von seinem hohen Freuden- und Ehrentage zu erholen. Nachher nahm er, da er alles, was ihm an Körper- und Geisteskräften beschert worden war, wieder beisammen hatte, was man so nennt, den gewohnten Lebenslauf wieder auf und fand, was jeder sich zur Ruhe setzende Erdenarbeitsmann findet, daß – die Zeit nicht mehr so recht mit ihm fort wollte, ihn durch den Tag voraufhumpeln ließ.

 

Was wird aus dem Menschen, der endlich Zeit hat und dem nun nichts rasch genug kommen und geschehen kann? Was im vorliegenden Fall glücklicherweise nicht in die Erscheinung trat: ein verdrießlicher Patron und ein Verdruß und Ärgernis zuletzt auch der hingebendsten Umgebung – mißliebig auch den Göttern, die ihn aber recht häufig noch ziemlich lange den Seinen erhalten, wenn auch nicht zu deren Vergnügen! Da sie, die Götter, bei allem einen Zweck haben sollen, so werden sie auch wohl dabei einen haben und verantworten können.

 

Ja, Gott sei Dank, wem aus besserem Lehm der Titan das Herz geknetet hatte, war Geheimrat Feyerabend, der Postillengreis dieser Blätter! – Der sah zuerst nur etwas häufiger nach dem Barometer und fand, daß sich sein Verhältnis zu ihm merklich geändert habe. Er mochte stehen, worauf er wollte (der Geheimrat hatte da freilich doch auch immer noch das »schöne Wetter« im Auge), es hatte wenig Einfluß mehr auf des Jubelgreises Stehen, Gehen, Sitzen oder Liegen. Stand das Ding auf »Veränderlich« – »Regen oder Wind«, so war ihm das, wenn nicht immer recht, so doch viel gleichgültiger als sonst. »Sturm« hätte ihn wohl noch wie früher interessiert, aber das ist doch eigentlich nur selten, und gute Menschen setzen da auch ihr Interesse – Dabeisein – hintenan und wünschen es sich nicht, anderer wegen.

 

Was ging den Alten bei seiner Morgenpfeife jetzt noch das Wetter an? Selbst wenn ihn dann und wann so ein bißchen Rheumatismus drauf aufmerksam machte, daß auch er einige Rücksicht auf es zu nehmen habe seinet-, nicht der Witterung wegen. Er war doch wahrlich in seinem Leben genug gelaufen und gefahren durch gutes und schlechtes Wetter, um sich nun zu all dem ihm eben erwiesenen Guten auch das Seinige tun zu dürfen: endlich mal auch seinem eigenen Leibe (die Seele eingeschlossen) die Ehre zu geben und in jegliches Wetter mit vollendeter Gleichgültigkeit seine Rauchwolken hineinzublasen. Um sich dabei nicht zu »versitzen«, ging er denn zum erstenmal seit langer, langer Zeit wieder »spazieren«. Wie lang war's auch her, seit das Kind in das schöne Wetter hineinjauchzte und nach den Eltern zurücksah und seine Frau an seinem Arm auf den Wegen durch Gassen, Ackerfeld, Wiese und Wald zu ihm aufsah: »O das schöne Wetter heute!«...? Nachdem sie ihn allein gelassen hatten, war die Zeit seiner Wanderungen, Reisen, Weltfahrten gekommen: spazieren war er nicht mehr gegangen. Wie hätte er dazu Zeit finden können? – – – – – – – – – – –

 

Die Stadt, welche die Ehre und das Vergnügen hatte, diesen Geheimrat zu ihren bekanntesten und geschätztesten Mitbürgern zu zählen, gehörte zu denen, welche wie so manche andere im neuen wirklichen Deutschen Reich seit 1866 und 1870 aus ihrer grünen Umkleidung herausgewachsen war wie ein Junge aus seinen Hosen. Sie war »Großstadt« geworden und bildete sich natürlich was drauf ein und klopfte sich dann und wann darob mit Hochgefühl auf Brust und Magen. Auf letzteren etwas seltener in den Tagen, wo die Gemeindesteuern fällig geworden waren und der Steuerbote jeden Augenblick an die Tür klopfen konnte.

 

Sie hatte ganz in Gärten und Wiesen gelegen, was die grüne Umkleidung anbetraf. Damit war's nun vorbei; aber einen Kranz von angenehmen grünen, schattigen, blumigen Spazierwegen hatte sie sich doch zwischen dem alten Kern und Weichbild und den neuen Vorstädten erhalten. Ja, wer Zeit dazu hatte, konnte hier immer noch im Baumschatten, durch hübsches, kunstgärtnerisch gepflanztes und gepflegtes Buschwerk, um hübsche Blumenbeete und um Schwanenteiche, die vom mittelalterlichen Stadtgraben und Vaubanscher Befestigungskunde übergespart worden waren, lustwandeln. Es war natürlich hier, wo Geheimrat Feyerabend das Spazierengehen wieder lernen wollte und die ersten Versuche machte, sich endlich einmal wieder in – seiner Umgebung umzusehen. Es gibt immer Leute, die durch Begabung und Beruf zu dem Glauben gebracht werden, sich – der Welt schuldig zu sein. Daß schönste Irrtümer auf diesem Felde am häufigsten sind, dafür können sie nichts. –

 

Wie gesagt, Geheimrat Feyerabend blieb mit seinen Gehversuchen auf dem »Wall«. Jenseits des bunten, freundlichen Naturgürtels, welcher die Vorstädte von der Altstadt trennt, sollen bereits achtzig- bis neunzigtausend Menschen wohnen, und wer Kunstgeschichte der Neuzeit studieren wollte, brauchte bloß dort durch die breiten, mit »Vorgärten« verzierten Straßen zu wandeln. Da konnte er erfahren, was wir seit des Vitruvius Buch »De Architectura« aus Büchern gelernt haben in der Baukunst und wie wir alles, was wir gelernt haben, zu verwerten wissen! Geheimrat Feyerabend hatte augenblicklich nicht das geringste Interesse dafür; die Gassen waren ihm dort zu breit, zu sonnig und zu staubig, und noch weiter hinaus begann die Öde, die einen wachsenden Mauer- und Menschenhaufen umgibt. Angenehme Bänke, zum Ausruhen für ältere Herrschaften und zur Siesta für Bummler, Arbeitlose, streikende oder ausgesperrte Arbeiter hingestellt, gab es auch nur auf dem »Wall«, aber auf diesen ließ er sich selten nieder, gar nicht auf denen, an welchen ein Täfelchen der »Promenadenverwaltung« kundgab:

 

Nicht für Kindermädchen!

 

Seltsamerweise lockten die für solche bestimmten ihn allein an, müde Beine vorzugeben bei diesen seinen Versuchen, sich wieder im Leben außerhalb seiner Wissenschaft wenigstens in etwas zurechtzufinden. Über müde Beine hatte er sich noch nicht zu beklagen: – es waren eben die jungen Dirnen und die Kinder, die ihn anzogen. Seine große Bekanntschaft, die ihn da sitzen sah, schüttelte nur lächelnd den Kopf: »Na, na!«, machte aber sonst nur Anmerkungen wie: »Das sieht ihm wieder ähnlich!«, hielt sich also mäßig bei ihren Betrachtungen, und einige wußten dann und wann genauer als andere, weshalb. –

 

So schönes Wetter und der Himmel immer noch blau und die Kastanienbäume grün und die Augustsonne, die einmal der jungen Mutter seines Kindes das Herz schwerer gemacht hatte, als es alle Wintermonate, Nachtdunkel, Landregen und Sturm vermocht hätten, auch immer noch dieselbe! Ihn freute der bunte Reif, der ihm zwischen die Beine lief, der Ball, der ihm beinahe den Hut vom Kopfe schlug, und ein stadtbekannter und – weltberühmter Arzt und Wundarzt war er auch und hatte selten seine Künste so gern und willig in Anwendung gebracht wie jetzt hier, einem geritzten Fingerchen, einem blutenden Näschen oder anderem dergleichen Unglück gegenüber. Großmütter, Mütter und Tanten aus den besten Ständen begrüßten ihn häufig auf den Bänken der Kindermädchen, aber seines Bleibens war doch nicht da. Er hatte meistens bald aufzustehen und seines Weges weiterzuwandern, und zwar mit dem Gefühl – zu stören. Zu oft mußte er Seitenblicke auffangen, die deutlich besagten: »Ist der Alte schon wieder da? Was will denn der dumme Alte immer hier auf unseren Bänken?« Und sie hatten recht, die jungen Wärterinnen der Kinder anderer Mütter, und – um so mehr recht, je hübscher sie waren. Geheimrat Feyerabend hatte eigentlich hier nichts zu suchen und nahm nur den Platz anderen weg, die besser und willkommner da sitzen konnten. Hinter dem Gitter des nahen Kasernenhofes waren sie ganz der nämlichen Meinung

 

Und dann das ewige Grüßenmüssen hier! Dr. Heinrich Fausts Vater, Geheimer Obersanitätsrat und Professor an der Kurfürstlich Sächsischen Landesuniversität Wittenberg, Dr. med. Faust senior, hatte seinerzeit, im sechzehnten Jahrhundert, auf den belebteren Teilen der Promenade das Barett nicht öfter zu ziehen als sein ähnlich betitelter und berühmter Kollege bei seinen Versuchen, das Lustwandeln wieder zu erlernen, den Hut im neunzehnten. Wie Faust junior schlug er sich darob seiner unverdienten Ehren halber in die Büsche und suchte unbetretenere Pfade. Daß ihm da nicht der Teufel in Gestalt eines Pudels begegnen würde, wußte er; aber daß sich ihm hier, grade hier und aus der Blüte der Kultur heraus, die kalte Teufelsfaust entgegenballen würde, hatte er sich auch nicht vermutet. Es war aber so.

 

Wo er am wenigsten Menschen begegnete, fing er an, nach Bekannten, alten – ältesten Bekannten zu suchen, um sie wieder einmal zu begrüßen, und – er traf auf keinen mehr.

 

»Ja sehen Sie, Herr Geheimrat (auch die Parkwächter kannten den berühmten Mann), was Sie da suchen, finden Sie, abgesehen von der späten Jahreszeit, jetzt immer hier nicht mehr vor. Ungeziefer gibt es nicht mehr bei uns. Die Zeit, wo man damit seine Last hatte, ist vorbei.«

 

»Wieso denn?«

 

»Ja, da sind die jetzigen städtischen Verhältnisse dran schuld, Herr Geheimrat. Und zu jeder Jahreszeit, nicht bloß weil es jetzt in den Herbst geht und ihre Flug- und Brütezeit hin ist. Das ist jetzt so bei uns hier mit die Vögels wie mit die Buttervögels, das Raupenzeug, die Käfers und was sonst so, vorzüglich im Frühjahr und um die Blüte, hier in meine Herrschaft in die Büsche und Blumerei nach des Herrgotts Willen sich zusammentun, aus dem Ei und Kokon kommen, krauchen, fressen und 'rumflurren und sonst sein Wesen und Unwesen haben sollte. Sie können so manches nicht mehr vertragen, was der heutige Mensche doch immer mehr zu seinem täglichen und nächtlichen Wohlsein nötig hat.«

 

»Sie meinen?«

 

»Ganz gewiß! Was wir nicht riechen, das riechen sie und gehen davon ein oder anderwärts hin. Selbst in den höchsten Lüften ist das so geworden über der Stadt. Bin auch ein alter Mann, Herr Geheimrat, und brauche nur aus älterer Zeit an unsere hiesigen Dohlen zu denken. Die des Abends um die Kirchtürme und nachher auf die Dächer aufgereiht waren wie nach der Schnur! Wo sind sie geblieben? Mit Respekt zu sagen, Herr Geheimrat, wir riechen ihnen nicht mehr gut genug, und des Nachts nehmen wir ihnen den Schlaf und die nächtliche Ruhe mit dem Gas und dem elektrischen Licht und allen anderen Erfindungen in dieser Bransche bis an den hellen Morgen. Daß es bei uns in der Nacht nicht mehr Nacht und Schlafenszeit wird, das hat sie von den Hausdächern und Türmen vertrieben, wie der Geruch die Käfers und Raupen und Buttervögels hier aus dem Buschwerk und sonstiger unserer Kunstgärtnerei. Da draußen jenseits der Vorstädte möchten sie sich ja wohl noch halten; aber da kommen denn wieder die Fabriken mit ihren Schornsteinen und Gequalme und verekeln ihnen ihre Daseinslust, und es wird wohl auch nichts mehr für sie sein. Ich komme wenig dort hinaus und kann's also nicht sagen.«

 

Er hatte auf mancher Schulbank gesessen, bis er es zu seiner jetzigen Stellung in seiner wissenschaftlichen Welt und zu seinem Titel Geheimrat bracht hatte: selten war er so mit der Überzeugung, daß der Professor auf dem Katheder recht habe, nach Hause gegangen.

 

Er ging nach Hause, Professor Dr. med. Geheimrat Feyerabend, und kam unterwegs in seinen Gedanken auf die der Merkwürdigkeit wegen übriggelassenen fünfzig Stück Präriebüffel, auf das neue afrikanische Kolonial-Jagdgesetz, betreffend »Löwen-Schonzeit«, und auf das ihm gleichfalls als »etwas Neues aus Afrika« bekanntgewordene Handbuch über rationelle Straußenzucht. Damit zuletzt zu der Überzeugung, daß, wenn das so weitergehe, der Mensch sich zu Ende des zwanzigsten Jahrhunderts unzweifelhaft recht praktisch und verständig mit dem fünften Schöpfungstage und unseres Herrgotts großem Tiergarten auseinandergesetzt haben, aber eine Kinder-Naturgeschichte mit den dazu gehörigen Abbildungen aus dem Anfang des neunzehnten Säkulums ein bibliographischer Schatz sein werde.

 

Daß das biblische Wort:

 

»Füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über Fische im Meer und Vögel unter dem Himmel und über alles Tier, das auf Erden kreucht« –

 

ihm die Lust, das Spazierengehn wieder zu erlernen, merklich erhöht habe, konnte er nicht sagen und seine Umgebung zu Hause auch nicht.

 

Im Gegenteil. Es kam ihm zu Hause vor, als ob die Erdoberfläche von »Uns«, d. h. seinesgleichen, reichlich, überreichlich gefüllt und es durchaus nicht notwendig sei, daß er mit seiner Person, trotz aller vom Staat und von Privaten anerkannten Verdienste, das Gedränge drauf noch länger vermehre.

 

II.

 

Er wurde einige Tage durch sich unerträglich, und da auch Regenwetter einfiel, gab er natürlich seiner Stimmung oder Verstimmung anderen gegenüber Laut. Er bellte nicht, aber er äußerte, wie seine alte Schwester sagte: gegen Gott und die Welt undankbare Anschauungen und wurde freundlich, aber bestimmt zurechtgewiesen. Karoline hieß sie, und es ist ein Charakterzug, daß sie sich nie, von Kindesbeinen an, auf so was wie »Lina!«, »Line!«, »Linchen!« einließ und draufhin kam, wenn man ihr rief.

 

Geheimrat Feyerabend erfreute sich der Beaufsichtigung, Bevormundung, Bemutterung durch sie in allen menschlichen und göttliche Dingen in einer Art und Weise, die alle vom Menschen gegen sich selber in Staat und Kirche aufgerichteten Schutzwehren für ihn persönlich überflüssig machten. Zehn bis zwölf Jahre war das Kind jünger als er; aber daß das je ihrer Autorität Abbruch getan hätte, hatte er nie bemerkt und seine dienende Hausgenossenschaft ebenfalls nicht. Sie hatten alle noch immer ihrem bessern Verständnis sich fügen oder, wie er sich ausdrückte: ihr klein beigeben müssen. Klüger als sie war sie stets und nie zu ihrem, des Bruders und des Hauses, Nachteil, wenn das häufig auch nur widerwillig und mit Gemurr anerkannt wurde. –

 

Nach dem, was auch sie ihres Herrn Bruders »großartigen Ehrentag« nannte, gefiel ihr der »alte Junge« bald gar nicht recht mehr. Mit ihrem Fritz reichte sie auch noch in die Zeit zurück, wo in den Schulanthologien der siebenzigste Geburtstag vom braven J. H. Voß noch zu finden war als ein Musterstück für die deutsche Jugend. Und da das gute Mädchen alle seine Schulbücher in seinem Bücherschränkchen aufbewahrte, so griff es selbstverständlich auch für den vorliegenden Fall hinein und holte das Sachdienliche heraus. Merkwürdigerweise aber benutzte Fräulein Karoline Feyerabend die Idylle als ein warnendes Exemplum und den redlichen Tamm – »seit vierzig Jahren in Stolp, dem gesegneten Freidorf, Organist, Schulmeister zugleich und ehrsamer Küster« –, um ihrem Bruder eine Rede zu halten, welche das liebe Mütterchen Tamm sicherlich in nicht ungerechtfertigtes Erstaunen versetzt haben würde.

 

»Höre mal, ganz Geheimer (seit seiner demgemäßen Betitelung gab auch sie ihm die Ehre davon), eines sage ich dir: daß du mir jetzt nicht zu früh ein alter Mann wirst! Klateriges, winseliges Hinhocken in Ehren und Würden, wenn man den alten Kaiser, den alten Bismarck, den alten Roon und Moltke an allen Wänden aufgehängt sieht, finde ich lächerlich, und aufs Fliegenabwehren beim Nachmittagsschlaf lasse ich mich fürs erste bei dir auch noch nicht ein. Kommt die Zeit und hat der liebe Gott mir bis dahin das Leben geschenkt, so weißt du, daß ich mich auch dazu mit meinem Strickzeuge zurechtsetzen kann und es gern tun werde. Was sind denn siebenzig Jahre, wenn man noch so gut zu Beinen ist wie du und, soweit ich es beurteilen kann, auch an geistigen Fähigkeiten noch nicht merklich nachgelassen hat? Das letzte Wort behältst du immer noch gern wie sonst; daran merke ich auch noch keinen Unterschied gegen früher und worüber nicht bloß deine gelehrte Zeitgenossenschaft, sondern auch ich hier im Hause wohl ein Wort mitreden könnten.«

 

Der Jubilar lächelte die wohlmeinende gute Seele freundlich zur Tür hinaus: er hatte sich schon von selber besten Rat gegeben:

 

»Bleib in den Stiefeln, Mensch! So lange als möglich. Zwackt dich das Podagra an dem einen Fuß, so umwickele die dumme Pfote; aber den Stiefel zieh fernerhin über das gesund gebliebene Glied und tritt fest auf. Es braucht kein Reiterstiefel zu sein, wie der des greisen, gichtischen, rheumatischen und asthmatischen Löwen auf seiner sorgenvollen Terrasse zu Ohnesorge. Man muß immer ein Waffe behalten, um einem Eselstritt, solang es noch angeht, zuvorkommen zu können. Grade nach den größesten Siegesschlachten im Menschenleben ist das am nötigsten und gilt nicht bloß für Potsdam, Sankt Helena und Friedrichsruhe.« –

 

Größeste Siegesschlachten hatte Geheimrat Feyerabend zwar nicht erfochten; aber eine Autorität in seinen Wissenschaften war er gewesen und hatte auf seinen Berufsfeldern seine von den Fachgenossen anerkannten Siege gewonnen: lassen wir uns herab von der Terrasse zu Sanssouci auf seine arbeit-, erfolg-, sorgen-, freuden- und verdrußbeladene Scholle im Dasein und – lassen wir ihn ja in den Stiefeln bleiben! Das heißt: sehen wir ihn auch in Schlafrock und Pantoffeln seines nächsten Weges durch seine übrige Zeit weiterziehen und sich mit dem im Seiger niederrieselnden Sande abfinden.

 

Er schnupfte nicht, aber er rauchte und – es kam ein sehr schöner Herbst. Er sah von seinem Fenster aus durch das Gewölk seiner Pfeife die Regenwolken sich verziehen und blies immer künstlerischere, aber auch immer nachdenklichere Ringe dem wieder in Blau erscheinenden Zeus zu. Dabei faßte er sich von Zeit zu Zeit an seinen fachgelehrten Puls, nachgrübelnd, ob auch das, was ihn jetzt überkam, schon mit in das trübe Lebenskapitel vom Kindischwerden und auf die abschüssige Bahn zum Marasmus senilis gehöre, dies

 

Heimweh nach der Jugend?

 

Wie kam dem ganz Geheimen von heute der Mühlanger von vor sechzig Jahren, der Mühlanger, wenn die Schafe drüber hingetrieben worden waren und man dalag, bald auf dem Rücken, mit dem blauen Zeus, der einen gar nichts anging, über sich, bald auf dem Bauche mit dem Riechorgan im Duft der kurz abgeweideten Grasnarbe? Dort unten, zur Seite am Bach, lag der Stall, unter dessen Tor dieser Wirkliche Geheimrat es zum erstenmal im Leben erfuhr, wie es bekommt, wenn eine Schafherde über einen wegtrampelt. Es war natürlich sein damaliger bester Freund, Ludchen Bock aus dem Nachbarhause, gewesen, der ihm zu dieser Erfahrung verhalf. Böse meinte der es nicht, der hatte nur seinen Spaß daran. Daß er erzieherisch einwirken wollte, ist gänzlich ausgeschlossen, aber Geheimrat Professor Dr. Feyerabend wußte in der Tat durch ihn, seinen Freund Ludchen, zuerst, daß man sich nie einer nach der Weide hindrängenden Herde, und wenn es auch nur eine Schafherde wäre, in den Weg stellen soll, wenn man nicht von den Füßen gehoben, in den Dreck gelegt und bipedisch wie quadrupedisch übertrampelt werden will. Als unbewußten Pädagogen hatte er ihm überhaupt noch manches zu verdanken. Nicht nur die Häuser und Gärten der Jungen grenzten nachbarlich aneinander, sondern sie waren auch Nachbaren auf der Schulbank beim Rektor und Pastor primarius Schuster.

 

Bei diesem hatte der Honoratiorensohn Fritze Feyerabend Privatstunden und lernte Latein, was er damals sich, seinem Vater und dem Rektor gern geschenkt hätte. Ludchen Bock lernte es nicht. Dessen Vater war ein begüterter Steinbruchbesitzer und dazu ein Ackermann, und beides sollte auch sein Nachfolger im Erbe werden, und zu beidem brauchte man kein Latein.

 

Jedenfalls hatte er, Ludchen, als Erzieher einen Vorzug vor dem Rektor: was er lehrte, das wußte er auch; aber ob der alte gute Rektor Schuster wirklich Latein verstand, bezweifelte Fritze Feyerabend zwar nicht, doch war es ihm nunmehr längst zur Gewißheit geworden, daß dem nicht so war.

 

Jawohl, was Ludchen Bock lehrte, das wußte er. Wie manche tiefgefühlte Lücke in seiner Bildung hatte er dem Schulbank- und Lebensgenossen ausgefüllt, wenn auch nicht aus dem Schulsack. Freilich, Fritzchens Eltern und vorzüglich seine Mutter durften besser nicht von allem wissen, was Ludchen schon verstand und gerne als Nachbar und Freund weitergab.

 

Wie kam der große Mann seiner Wissenschaft, die Leuchte der Hörsäle rund um den Erdball, durch den Rauch seiner Alterspfeife auf seine Kaninchenzucht mit Ludchen Bock?

 

Wie kam er überhaupt wieder auf seinen ersten und besten Freund im Leben, auf seinen Freund Ludchen Bock? auf Altershausen und Ludchen Bock? Wann tauchten das alte Nest und der alte Junge nach ungezählten Jahren der Vergessenheit zum erstenmal wieder in ganzer Frische in seiner Erinnerung auf?

 

Der neuliche Jubilar rieb sich erst lächelnd, nachher sogar lachend die Stirn: bei seinem Ehrenfestmahl im Königshof sah er Ludwig Bock so deutlich, wie im Königssaal zu Fores Macbeth seinen Freund Banquo, wenn auch nicht mit dem knieschlotternden Schauder des mörderischen Schottenkönigs. Gemordet hatte Fritzchen sein Ludchen nicht, wenn auch oft genug Blut zwischen ihnen geflossen war – glücklicherweise meistens nur aus den Nasen. Wer obenauf gekommen war, hatte mit der einen Faust im Haarbusch des Gegners die andere jedesmal zu grimmigster Hammerarbeit auf Maul und Riecher des Gegners verwendet, und der nächste Brunnen oder Bach hatte genügt, mit dem Blut die Wut, das Gift, den Neid und – die Gewissensbisse wegzuspülen. An der Festtafel im Königshof war der Freund dem Freunde nur in der Jacke erschienen, die gewöhnlich die Spuren der letzten Balgerei aufwies. Auf der Schulbank des Rektors Schuster war Ludchen Bock neben Fritzchen Feyerabend nicht aus dem Boden aufgestiegen, sondern er hatte sich aus dem Lichterglanz, dem festlichen Gedünst, dem Stimmengewirr und Tafelmusiklärm entwickelt.

 

Folgendermaßen:

 

Selbstverständlich trug das siebenzigjährige Geburtstagskind alle seine Orden. Auch der jüngste, letzte legte sich ihm an einem feuerfarbenen Band um den Hals und leuchtete unter den rundum flimmernden und blitzenden wie der Mond unter den niederen Sternen oder gab doch jedenfalls keinem an Glanz was nach. Und Exzellenz, der Kultusminister, hielten die Rede, die Tischrede auf den berühmten Mitbürger und sein segenreiches Erdenwallen und -wirken – so eine Rede, während welcher der Beredete nicht weiß, ob er sich aus Schämigkeit und Bescheidenheit unter der Tafeldecke verkriechen oder mit dem belorbeerten, mehr oder weniger kahlen Schädel, seines Selbstbewußtseins schon von selber voll genug, die Saaldecke durchstoßen muß. Und während dieser Rede, in einer Kunstpause dieser Rede, als aller Augen auf den Gefeierten gerichtet waren, als die Festmusik oben im Jubelbratendunst jedwedes Blasinstrument zum Tusch schon gegen den Mund hob und die Paukenschlegel zum letzten höchsten Losdonnern fester in die Fäuste faßte, ist es gewesen, daß Ludchen Bock plötzlich wieder neben Fritz Feyerabend auf der Schulbank vorm alten Rektor saß, heimtückisch grinsend und zähnefletschend an seiner Schulter schnüffelte und, als ob er dem Rektor zeigen wolle, daß er aus seiner Jacke herausgewachsen und der Ärmel, vom letzten Kampf her, dazu ein Loch am Ellbogen habe, den Zeigefinger »petzend« zum Lehrstuhl aufreckte:

 

»Herr Rektor, Feyerabend ist unrein!«

 

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

 

Diese Punkte bedeuten das Erschrecken und Erstarren, das Zusammen-, Auf- und Auseinanderfahren im Festsaal, wenn Exzellenz, auf den Brustkasten des gefeierten Greises deutend, statt: »Auch durch dieses hohe Zeichen Höchstihrer Gnade haben Majestät unserm hochverehrten usw.«, gesagt haben würde: »Meine Herrschaften, mein lieber alter Freund und Whistgenosse Feyerabend hat eine Laus!«

 

Solches nämlich bedeutete vor dem Katheder des Pastor primarius Rektor Schuster zu Altershausen bei erhobenen, wenn nicht Schwur-, so doch Zeigefinger vor sechzig Jahren der Ruf: »Herr Rektor, Müller – Schulze – Meier – Schmidt – Karl – Willi – Fritze«, oder wie deutsches Volk sonst benamset wird, »ist unrein!« Und die von der höchsten Aristokratie der Planetenstelle bestens erzogenen und reinlichst gehaltenen Honoratiorensöhne und -töchter konnten dergleichen Ruf und Anklage über sich ergehen lassen müssen und aus dem Umgang mit ihren Zeit- und Altersgenossen eine Insektensammlung nach Hause bringen, nach der sie wahrlich nicht so lange vergeblich in den »Büschen« um sich her zu suchen hatten, wie neulich der alte Doktor Feyerabend im Buschwerk seiner Spazierwege nach den Kerbtieren seiner Jugendzeit.

 

Zu Hause gab es denn selbstverständlich bei den Müttern viel Ekel und ein großes Geschrei, während die Väter unbegreiflicherweise nur lachten und nicht mit dem Rektor über die Schande reden wollten. –

 

Durch die Sonntagmorgenstille an seinem offenen Fenster, einigen neuen Ringen seines Tabakdampfes nachschauend, vernahm Wirklicher Geheimer Obermedizinalrat Professor Dr. Feyerabend eine Stimme, die man sich nur in Verbindung mit dem heftigsten Händeringen vorstellen konnte:

 

»Der Umgang mit diesem Jungen, diesem Schmutzfinken, diesem Ludchen Bock hört aber von heute an auf! Hörst du, Fritz? und das ist mein letztes Wort – man sollte sich ja des Nachts bis in seinen Traum hinein schämen!« – – – – – – – – – – – – – – –

 

»Na, na!« erklang ein behaglich begütigendes Gemurr, und: »Ich hatte sie ja gar nicht von ihm!« winselte – an seinem Fenster der wirklich ganz Geheime aus seinem Alterstraume heraus. »Seine Mutter kämmt ihn grade so gut als du mich, Mama, und er hat es auch bloß aus Rache angezeigt!«

 

»Nun höre nur dieses wieder, Mann!«

 

»Na, na, na!« – – – – – – – – – – – – – –

 

Auch der nachforschungseifrigste Cid Hamed ben Engeli würde es unaufgeklärt haben lassen müssen, von wem Fritzchen Feyerabend sie hatte; aber wissen konnte er, daß sie die Wirkung der Dankrede des wirklich Geheimen Medizinalrats Professor Dr. Feyerabend beinahe zwei Menschenalter später, an dem größesten, dem schönsten, dem erhebendsten Tage seines Lebens, beinah völlig gestört hatte. War es denn unbedingt notwendig gewesen, daß Freund Ludchen Bock mit seiner Laus grade dazu aus der Nacht der Zeiten aufstieg und ihm in diesem erhobenen, erhabenen und erhebenden Moment damit kam?

 

Es soll nachher in den höchsten Zirkeln der Gesellschaft von dieser Rede mehrfach die Rede gewesen sein. Hier mit einigem Kopfschütteln; dagegen in unbefangeneren, harmloseren Sphären, als da sind Klubs, Spiel- und Stammtische, wissenschaftliche Vereinigungen und dergleichen andere Gelegenheiten zu Zusammenkünften denkender und mitempfindender Menschen, mehr mit einem heiteren Achselzucken: »so was bei solcher Gelegenheit sei freilich noch nicht dagewesen!«

 

Großer wissenschaftlicher Ruhm ist viel wert, aber angenehm ist's für den Inhaber, wenn er dabei in dem Rufe steht, daß er auch in der Narrenteidung das Seinige leisten könne und nicht immer ernst genommen zu werden brauche.

 

III.

 

Seine Schwester, der es, wie sie sagte, bei der Geschichte auf ihrem Stuhl an der Festtafel mehr als einmal heiß und kalt geworden war, meinte am andern Morgen ruhiger:

 

»Hör mal, bester Bruder, ich glaubte doch ziemlich genau zu wissen, was und wieviel du vertragen kannst; aber einen Augenblick kam mir gestern doch der Zweifel, ob ich mich da nicht geirrt habe und ob dir diesmal wenigstens mit den großen Ehren auch das Getränk bedenklich zu Kopfe gestiegen sei. Na, es ist ja, Gott sei Dank, zuletzt noch so ziemlich abgelaufen, aber abdrucken laß das konfuse Zeug nicht unter den dauernden Monumenten deiner geistigen Begabungen, auf die Exzellenz so liebenswürdig war uns nochmal hinzuweisen. Eigentlich ist es schade! grade gestern hatte ich Besseres von dir erwartet! Ich habe jedenfalls Besseres häufig von dir bei Tisch gehört.«

 

»Vergnüglicheres?«

 

»Jawohl! geärgert habe ich mich. Bei so ernsten Gelegenheiten soll man nicht den Hanswurst und Hansnarren spielen wollen. Aber das steckt nun einmal in dir, und ich spare da längst meinen Atem, denn ich predige es doch nicht aus dir heraus!« – – – – – – – – – – –

 

Ludchen Bock!

 

Ob er wohl noch lebte, der alte Junge? In den Zeitungen war er dem ganz geheimen Kindheitsfreund Fritz Feyerabend nicht erschienen. Weder in politischen Dingen noch in Künsten und Wissenschaften konnte er sich berühmt, bekannt oder anrüchig gemacht haben. Was er sonst gesündigt haben mochte: der Kriminaljustiz war er auch nicht verfallen, wenigstens nicht in einer Weise, die unter der Rubrik »Aus dem Reiche« das Gesamtinteresse des deutschen Volkes in Anspruch genommen hätte.

 

Ja, ob er wohl noch in der Erscheinungswelt und nicht bloß in jener Jubiläums-Weinlaune des Geheimrats Feyerabend vorhanden war? Und dazu – war er's allein gewesen, was sich dem gefeierten Greis so absonderlich in den höchsten psychologischen Moment jenes hohen Festtages eingedrängt hatte? War es nicht alles gewesen, was damals zu ihm gehörte – die Welt von vor zwei Menschenaltern, ganz Altershausen, und was zu dem gehörte?

 

»Wenn ich dort den Versuch machte, das Spazierengehen wieder zu erlernen?« seufzte an seinem Fenster, den Rauch seiner Pfeife von sich abwedelnd, der alte Altershausener. –

 

September war es bereits geworden, aber es war selten so lange schöner Sommer geblieben wie in diesem Jahr. Ferne Gewitter, von denen man in der Nacht nur das Wetterleuchten gesehen hatte, hatten den Horizont nach allen Richtungen hin geklärt. Weit entlegene Bergzüge lockten verführerisch blau zu sich hin und waren sicherlich, in der Nähe gesehen, ebenso grün, wie sie von fern aus blau erschienen. Die Leute am gegenwärtigen Ort in Raum und Zeit kamen aus den Kirchen, gingen in die Konditoreien, lustwandelten in den Parks oder fuhren auf Visiten, und Geheimrat Feyerabend saß in Altershausen in dem höchsten Gipfel einer Tanne, an der ihm zu einem dort hängenden Eichhornnest – Ludchen Bock vorangeklettert war.

 

Man hatte einen ziemlich kahlen, steinigen »Berg« in des Alten waldiger Heimats-Hügellandschaft zu ersteigen, ehe man zu dem Tannen- und Fichtenbestand gelangte, an dessen Rande der Baum gewachsen war, in dessen Wipfel die zwei Freunde von Menschenrechts wegen auf der Suche nach den Wundern, Abenteuern und Schicksalen des Erdballs waren.

 

Wie der alte Herr das Harz an den Händen fühlte und wie er den Duft des Weihnachtsbaums in der Julisonne in der Nase hatte! Und wie deutlich er den Taugenichts neben sich, der eben seine zerkratzte schwarze Jungenpfote enttäuscht aus dem »Äkernest« hervorzieht, sagen hört:

 

»Du, der Rektor weiß gar nichts davon, weil es nicht in seinem Naturgeschichtsbuch und der dicken Bibel steht. Aber ich weiß es von unserm Krischan, weißt du, den mein Vater wegen eurer Hanne aus dem Dienst tun mußte. Dies hier ist mal wieder nicht sein eigentlich Heckequartier, wo er mit seiner Frau und seinen Jungen zu Hause ist. Die Kletterei hätten wir uns sparen können. Der Lork macht es grade wie mein Vater. Wenn es den zu Hause nicht leidet von wegen meiner Mutter, denn weiß er wohl, wo er woanderwo hingehen kann. Er macht sich noch ein paar andere Orte zurecht, wo er sein Vergnügen ruhig haben kann. Einen Buddel hat der Äker hier nicht versteckt stehen, wie mein Vater in unserm Gartenhaus; aber voll Bucheckern liest er sich dies voll und setzt sich dabei und knabbert für sich allein, wenn er nicht vorher schon in Lüders' Wirtschaft – ne, da geht er nicht hin, der Äker, aber mein Vater. Dein Vater, Fritze, geht in den Ratskeller, da hat er seine Pfeife stehen. Es ist eine mit einer Fliege auf dem Kopfe, ich kenne sie ganz gut und habe ein paarmal probiert, ob sie auch Luft hat. Und die anderen Herren aus der Stadt, der Burgemeister und der Doktor, sitzen auch da des Abends, aber Bucheckern knabbern sie nicht. Na, laß uns nur wieder herunter – Harzpech haben wir genug an uns, und daß du ein Loch in der Hose hast, wird dir deine Mutter auch schon sagen!«...

 

Wie sich das aneinander hing! Der Alte am Fenster hatte nicht das geringste dagegen einzuwenden, daß so liebe Schatten, die Schatten der Eltern, ihm so aus der Tiefe heraufbeschworen wurden. Wer hätte das denn besser besorgen können als der beste Freund des Hauses Feyerabend, als Ludchen Bock?

 

Da warst du, Mütterchen! Und wie laut die große Stadt ihren Sonntagmorgen begehen mochte, in der Seele des Geheimrats Feyerabend wurde es still und die Pfeife ging ihm aus. Da warst du, schöne junge Frau aus der Welt vor sechzig Jahren, mit deinem guten Lachen, deinem klugen Lächeln, mit deiner Weltweisheit, die nicht aus dem Lehrplan »höherer Töchterschule« stammte, aber im Lebensverdruß und -behagen, bei Sonnenschein und Regen, an der Wiege und am Sarge, unter den Pfingstmaien und unter dem Christbaum sich so weich, so linde wie deine Hand über alles legte, was dich betraf, so weit dein kleines großes Reich auf dieser Erde reichte und Menschenglück und Elend, Wohlsein und Überdruß, Jubel und Jammer umfing.

 

»Noch immer der alte Sonnenschein, aber – die nicht mehr dabei!« murmelte der Greis an seinem Fenster seufzend, um sich im nächsten Augenblick wieder lächelnd die Stirn zu reiben.

 

»Du, darin habe ich es besser zu Hause als du. Latein kann meiner nicht«, hörte er es neben sich – hörte er wiederum Ludchen Bock neben sich, die steinige Berglehne im Sonnenschein hinunter nach Altershausen. »Das wäre noch schöner, wenn er mich auch dazu zum Rektor Schuster täte wie deiner dich! Aber deiner ist auch der Klügste in der ganzen Stadt, sagt mein Vater, und der Niederträchtigste und Freundlichste mit den Leuten auch, sagt meine Mutter.«

 

Wie es dem Alten am Fenster aufklang, alles, was die Leute von Altershausen von seinem jungen Vater sagten, und alles – was er selber von dem wußte aus Altershausen, da er noch unter seinem strengen Blick und versteckten Lächeln mit dem Rektor Schuster im Kampf darob lag, wer von beiden am wenigsten Latein wisse!

 

Da war er in dem gegenwärtigen Sonnenschein, als ob er nie aufgehört habe, darin mitzuspielen – – – – – – – – – – –