Mit jedem Atemzug der Zugehörigkeit

ehrt das Licht in allen Dingen

das Licht in dir.

Mit jedem Lächeln der Zugehörigkeit

hält das Licht in dir Zwiesprache

mit dem Licht in allen Dingen.

Das Herz, die Hände, der Baum,

die Sterne; Bewusstsein in Licht,

in Stein, kosmisch und gewöhnlich,

angenehm und göttlich.

Licht atmet Licht,

atmet dich –

Dieses vollkommene, kostbare Licht.

Dvorah Simon

(Dieses Gedicht wurde inspiriert von Abbe Millers Bild für das Cover der amerikanischen Originalausgabe. Um den Zusammenhang deutlich zu machen, zeigen wir hier eine verkleinerte S/W-Abbildung.)

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Vorwort

„Das Ziel unseres Lebens besteht darin, transparent für die Transzendenz zu werden.“

(Karlfried Graf Dürckheim)

In diesem Buch geht es darum, wie man das Leben als eine große Reise des Bewusstseins leben kann. Es betrachtet Wirklichkeit und Identität als konstruiert, und Trance als ein entscheidendes Mittel, um neue Wirklichkeiten zu erschaffen. Diese Sichtweise von Trance unterscheidet sich deutlich von traditionellen Ideen, etwa dass eine Person die Kontrolle verliert, und fokussiert stattdessen auf das Potenzial des Menschen, das Bewusstsein auf höhere Ebenen der Kreativität zu heben.

Meine eigene Erfahrung mit Trance ist ein langer kurviger Weg. Ich habe einen großen Teil meiner Kindheit in Trance verbracht. Ein Aspekt war meine Verwunderung über die vielen unausgesprochenen Verbindungen zwischen Menschen, insbesondere in meiner Familie. Ich liebte es, mich in die magischen Qualitäten zu versenken, die überall zu sein schienen – in den zwinkernden Augen meines Großvaters, den liebevollen Geschichten meiner Mutter, der glückseligen Verspieltheit meines Hundes, sogar in den „tanzenden Punkten“, die in der Dunkelheit wirbelten, nachdem meine Mutter zur Schlafenszeit das Licht ausgeschaltet hatte. Diese glückliche Welt hatte ihr Gegenstück: Ein anderer Teil meiner Tranceerfahrungen in der Kindheit bestand darin, vor Alkoholismus und Gewalt in der Familie zu flüchten. Trance erfuhr ich als Zuflucht, als einen sicheren Ort, um den entmenschlichenden Teilen des Lebens zu entrinnen, um allein zu sein, und nicht verwirrt und belogen durch Worte.

Als heranwachsender Jugendlicher erlebte ich in den späten 1960ern in San Francisco, wie das traditionelle Bewusstsein gerade von einer Myriade von Bewegungen bis in den Kern erschüttert wurde: Hippies, Black Panther, die Schwulen-, Frauen- und Anti-Kriegsbewegung, um nur einige zu nennen. In meiner nur von Jungs besuchten jesuitischen High-School machte ein Beratungslehrer mich mit einer ersten Gruppentherapie bekannt. Dort konnte ich über Erfahrungen sprechen, wo ich zuvor nur beobachtet und stumm erlebt hatte. Damals fand ich auch den Weg zur Meditation, ein wichtiger Ausgleich zum Ethos von „Sex, Drugs and Rock’n Roll“ jener Zeit.

Mit 19 traf ich den großen Psychiater und Heiler Milton Erickson, der mein Leben grundlegend veränderte. Er zeigte mir, dass man mittels Trance in die Welt kommen und sie nicht nur mit ihrer Hilfe verlassen kann. Er erhellte die Einzigartigkeit jedes Moments, jeder Person und jeder Erfahrung. Dies brachte mich auf meinen Weg ins Erwachsenendasein als ein Psychotherapeut, der Trance therapeutisch verwendet, um anderen zu helfen, kreativ mit den vielen das Ich auflösenden Herausforderungen umzugehen, die jedes menschliche Leben berühren – Geburten, Todesfälle, Traumata, Heiraten, Scheidungen usw. Die Trancearbeit half nicht nur meinen Klienten, sondern auch mir selbst. Ich bin dankbar, dass Erickson die Notwendigkeit für jeden Menschen, sein Leben lang immer weiter zu lernen, sich zu entwickeln und zu verändern, vorgelebt und betont hat.

All dies hat mich gelehrt, das menschlichen Wesen eigene tiefe, kreative Bewusstsein wertzuschätzen – und ich lernte, wie man sich durch Trance daran anschließen kann. Ich bin immer wieder erstaunt, wie Trance Menschen helfen kann, ihre Träume zu verwirklichen, Wunden zu heilen, Probleme umzuwandeln und ihrer Berufung im Leben zu folgen. Dies ist keine künstliche Trance, keine Trance, in der man jemanden manipulieren würde. Es ist ein natürlicher Zustand, in dem man einen Schritt von seinen festgelegten Rollen zurücktreten kann und einen kreativen Raum eröffnen, in dem sich neue Wirklichkeit erschaffen lässt.

Dies ist es, was ich in diesem Buch mit Ihnen / dir[1] teilen möchte: Wie man höhere Zustände des Bewusstseins entwickelt, die dir helfen können, jenseits von Ängsten, Begrenzungen und negativen Überzeugungen zu leben. Ich möchte eine Art von Trance beschreiben, die eine kooperative Beziehung gegenseitigen Respekts zwischen dem bewussten und dem kreativen unbewussten Verstand erfordert. Mit anderen Worten: In einer Generativen Trance schläfst du nicht ein, du erwachst zu einer tieferen Art kreativen Bewusstseins.

Ich lege so viel Wert darauf, kreative Trance als Gespräch zwischen verschiedenen Ebenen einer Person zu beschreiben, um sie von überholten Annahmen über Hypnose zu unterscheiden. Trance ist demnach eine natürliche Erfahrung, die jeweils dann auftritt, wenn Identität destabilisiert wird. Hypnose hingegen ist nur eines von vielen möglichen sozialen Ritualen, um Trance zu entfalten. In Anbetracht dessen, dass traditionelle Hypnose versucht, den bewussten Verstand einer Person zu umgehen oder „außer Gefecht zu setzen“, glaube ich, dass sie für Selbstmeisterschaft und die Förderung kreativer Transformation nur begrenzten Wert hat. Als alternative Methode wird hier eine Arbeit vorgestellt, durch die man eine integrierte Selbst-Ganzheit erfahren kann, die zu einer kreativen Veränderung hinführt und es ermöglicht, diese zu erleben.

Ich habe das Buch für Menschen geschrieben, die das Leben als eine kreative Reise leben wollen, aber auch für qualifizierte Ausübende in helfenden Berufen, die mit Klienten an solchen Vorhaben arbeiten. Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Arbeit kein Ersatz für eine medizinische oder psychologische Behandlung ist, und dass nicht qualifizierte Ausübende sie nicht benutzen sollten, um ernsthafte Krankheiten zu behandeln. Die Methode kann allerdings dazu beitragen, das Staunen über das Leben wiederzuerwecken und die Verwirklichung eines glücklichen erfüllenden Lebens zu ermöglichen.

Wir leben in herausfordernden Zeiten. Die Sehnsucht nach einem tiefen transformierenden Wandel kollidiert oft mit einem rigiden ideologischen „Fundamentalismus“. Daraus ergibt sich ein „Dazwischen“-Zustand, schwebend zwischen alten nicht mehr greifenden Wirklichkeiten und neuen, die noch nicht ganz ausgereift sind. Solche Zeiten bieten entscheidende Gelegenheiten zu Wachstum und Transformation. Möge diese Arbeit dir helfen, jeden Augenblick deines Lebens kreativ zu nutzen, ganz egal, wer oder wo du bist.

Einleitung

„Lass deinen Verstand eine Reise durch eine fremde neue Welt antreten. Lass alle Gedanken an die Welt, die du vorher kanntest, zurück. Lass deine Seele dich dorthin tragen, wonach du dich sehnst ...
Schließ deine Augen, lass deinen Geist aufsteigen und du wirst leben wie du noch nie vorher gelebt hast.“

(Erich Fromm)

Die Reise des Lebens bietet unendliches Potenzial. Bei jedem Schritt des Weges eröffnen sich Möglichkeiten, jeder Moment bringt einen gänzlich neuen Anfang. Aber um diese Möglichkeiten zu ergreifen, müssen wir auf eine Weise leben, die kreativ und bedeutungsvoll ist. Unbewusst immer wieder auf vorhersehbare, langweilige Weise zu handeln und zu reagieren ist einfach. In diesem Buch geht es darum, wie man sich mittels eines von mir entwickelten Prozesses, den ich Generative Trance nenne, in kreativere Zustände des Bewusstseins versetzen kann. Generativ bedeutet hier etwas Neues zu schaffen – eine neue Zukunft, einen neuen Gesundheitszustand, eine neue Beziehung zu einem selbst und der Welt. Wie wir sehen werden, ist Generative Trance keine traditionelle Hypnose, bei der man die Kontrolle oder das Bewusstsein aufgäbe, sondern eine kreative Kunst, in der bewusster und unbewusster Verstand in ein höheres Bewusstsein verwoben werden, das zu Kreativität und Transformation fähig ist.

Die Erfahrung Generativer Trance basiert auf der Vorstellung des Lebens als einer Reise des Bewusstseins. Der Mythologieforscher Joseph Campbell (1978) hat ein Schema aufgezeigt, nach dem es in jeder Kultur Mythen über einen Helden gibt, der sein Leben als einen großen Weg der Transformation lebt. (Interessanterweise basieren die Filme zum Krieg der Sterne unmittelbar auf Campbells Arbeit.) In einem solchen Leben geht es nicht primär um Ruhm oder Reichtum, sondern darum, eine größere Heilung und Ganzheit in die Welt zu bringen. Hierfür eignen sich verschiedenste Gebiete – Kunst, Wissenschaft, soziale Gerechtigkeit, Familie, Beruf usw. Besonders in unseren schwierigen Zeiten ist das Bewusstsein, dass jeder und jede von uns ein solches Leben führen kann, von größter Wichtigkeit. In diesem Buch werden wir erkunden, wie du selbst dies erreichen und auch anderen auf ihrem Weg helfen kannst.

Es gibt viele Beispiele dafür, das Leben als eine große Reise zu leben. Eine meiner wichtigsten Inspirationen war der renommierte Psychiater Milton Erickson, der unsere Vorstellungen, wie Trance für kreative Heilung und Transformation verwendet werden kann, revolutioniert hat. Ich habe von Erickson während der letzten sechs Jahre seines Lebens gelernt. Zu jener Zeit war er bereits ein klassischer, Meister Yoda vergleichbarer Charakter, ein runzliger alter Heiler mit zwinkernden Augen und erstaunlichen Fähigkeiten. Seine Fertigkeiten hatten zu einem nicht geringen Teil ihren Ursprung in seiner persönlichen Reise, da das Leben ihm so viele erhebliche Herausforderungen auferlegt hatte. Er war taub für Tonhöhen, legasthenisch (bis zum Jugendalter wusste er nicht, dass Wörterbucheinträge in alphabetischer Reihenfolge angeordnet sind!) und farbenblind (violett war die einzige Farbe, die er „genießen“ konnte). Durch eine Polioerkrankung mit 17 Jahren war er zunächst vollständig gelähmt gewesen und erlitt im mittleren Lebensalter einen Rückfall. Jeder Herausforderung begegnete er mutig und kreativ, und später half er seinen psychiatrischen Patienten, das Gleiche zu tun. Dieses Buch hat zum Ziel, auf mannigfaltige Weisen seine Arbeit zu ehren und zu erweitern.

Wollen wir das Leben als eine Reise leben, müssen wir uns bewusst für diesen Weg entscheiden. Natürlich gibt es auch andere Möglichkeiten. Campbell unterscheidet drei verfügbare Wege: 1) das Dorfleben, in dem wir die Routinen des Ich-Ideals ausführen; 2) das Ödland, wo wir in der Schattenwelt von Zynismus und Verzweiflung versinken; und 3) die Reise, bei der wir das Leben als einen großen Ruf zum Abenteuer leben.

Das Dorfleben

Dies ist der konventionelle Weg des Ich-Ideals, bei dem man ein „normales“ Leben innerhalb der Rollen und sozialen Einengungen des gesellschaftlichen Mainstreams führt. Hier verläuft das „gute Leben“ in einer klaren Abfolge. Im „amerikanischen Traum“ z.B. (falls es diesen noch gibt) wird man in eine glückliche Familie geboren, gehorcht seinen Eltern, ist gut in der Schule, erwirbt einen Studienabschluss und findet einen Arbeitsplatz, heiratet und bekommt Kinder, kauft ein Haus und verdient viel Geld, geht dann in Rente und stirbt. Dies ist das Dorfleben, und wie Campbell betont, ist daran nichts verkehrt. Für manche Menschen ist dies der hauptsächliche Weg.

Andere aber können oder wollen nicht im Dorf leben. Vielleicht wird einem die Zugehörigkeit verweigert, weil man die „falsche“ Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Religion, Geschlechtszugehörigkeit oder den „falschen“ sozioökonomischen Status hat. Vielleicht gerät man ins Exil durch so etwas wie ein Trauma, das die „Ich-Trance“ zerschmettert und einen in die Unterwelt zieht. Oder vielleicht verlässt du das Dorf freiwillig, nicht willens oder nicht fähig, innerhalb seiner Orthodoxien oder Heucheleien zu funktionieren. In jedem Fall stellt sich die Frage, was außerhalb des Dorfes liegt.

Das wüste Land

Die dunkle Alternative zum Ich-Ideal ist die Schattenwelt dessen, was T. S. Eliot das „wasteland“, also das wüste Land oder Ödland nannte. Seine Einwohner weisen das oberflächliche „glückliche Gesicht“ des Dorfes zurück (oder werden von ihm zurückgewiesen). Auf Verneinung gegründet, sind die vorherrschenden Erfahrungen Zynismus, Apathie und Destruktivität. Man steigt aus dem Mainstream aus und lebt allein oder in einer isolierten Subkultur. Das wüste Land kann die Verzweiflung von Depression sein, das betäubte Starren auf den Fernseher, der sich in Gerüchten und Vorurteilen äußernde Hass, oder die vergiftenden Welten von Drogen, Alkohol und anderen Süchten. Selbstgewahrsein und menschliche Würde verschwinden, und das Bewusstsein steigt hinab in isolierte Verzweiflung.

Wenn Menschen Hilfe suchen, stecken sie typischerweise im wüsten Land fest, unwillig oder unfähig, am normalen Dorfleben teilzunehmen. Oft äußern sie explizit oder implizit den Wunsch, zum Dorf zurückgebracht zu werden, sodass sie einfach „normal“ sein können. Es ist wichtig, zu erkennen, dass dies möglich oder unmöglich sein kann. In generativer Trancearbeit betrachten wir die Erfahrungen, die zum „Exil vom Dorf“ geführt haben, als ein mögliches „Seelensignal“ dafür, dass eine tiefe Verwandlung notwendig ist: Jemand kann nicht länger in der beschränkten Rolle fortfahren, die ihm zugeordnet wurde. Glücklicherweise gibt es eine dritte Option.

Die (Helden-)Reise des Bewusstseins

Das Ich-Ideal des Dorfes und die Schattenwelt des wüsten Lands sind polare Gegensätze; jede Seite enthält das, was die andere ablehnt. Die Reise des Bewusstseins ist ein dritter Weg, der diese Dualitäten integriert und transzendiert. Hier folgst du weder blind den etablierten Regeln und Rollen, noch weist du sie zynisch zurück. Stattdessen gehst du, um die alte Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“ zu paraphrasieren, dahin, „wo nie zuvor ein Mensch gewesen ist“. Auf dieser Reise ist das Leben ein großartiges Geheimnis, das sich jeden Tag tiefer zu mehr Gewahrsein und Möglichkeiten entfaltet. Viele wunderbare Menschen haben darüber gesprochen, auf diese Weise das Leben als ein großes Abenteuer zu leben:

„Manche Menschen sehen die Dinge, wie sie sind, und fragen, warum. Andere träumen Dinge, die niemals waren, und fragen, warum nicht.“

(George Bernard Shaw)

„Geh nicht, wohin der Pfad führen mag, sondern geh, wo kein Pfad ist, und hinterlasse eine Spur.“

(Ralph Waldo Emerson)

„Wähle die spezielle mentale Eigenschaft aus, die am tiefsten und wesentlichsten dich lebendig fühlen lässt, mit der zusammen die innere Stimme kommt, die sagt, „Dies bin wirklich ich“, und wenn du diese Haltung gefunden hast, folge ihr.“

(William James)

Oft wird die Reise initiiert von dem, was Campbell „den Ruf“ nannte. Etwas berührt einen Ort tief in deiner Seele. Ein Gefühl von Zauber oder Staunen erwacht, und ein Gewahrsein dessen, was zu tun du in der Welt bist, beginnt in dir zu dämmern. Als ich im reifen Alter von 19 Jahren zum ersten Mal Milton Erickson begegnete, entzündete sich in meiner Seele ein Feuer, und eine leise Stimme sagte: „Dies ist es, warum du hier bist.“ Ich frage Klienten oft, ob sie sich an ähnliche Augenblicke eines „Erwachens der Seele“ oder von magischem Geheimnis in ihrem Leben, insbesondere in der Kindheit, erinnern können. Interessanterweise sagen die meisten zunächst nein, erinnern sich später aber doch an solche Momente. Vielleicht war es beim Lesen von Gedichten oder beim Spielen mit Tieren oder beim Zeichnen oder Malen oder bei der Vertiefung in Wissenschaft und Technik, oder im Wahrnehmen des Fließens tiefer Verbindungen zwischen Menschen.

Manche hören den Ruf und schauen nicht mehr zurück, ihr Leben fügt sich um ihn herum zusammen. Campbell nannte dies „deiner Glückseligkeit folgen“. Während es oft als eine verantwortungslose Ermutigung zu Hedonismus und Ausschweifung missverstanden wird, lud er damit tatsächlich die Menschen ein, zu bemerken, wann sie von Staunen oder Leidenschaft berührt werden. Diese „Glückseligkeit“ sagt dir, was zu tun du in der Welt bist.

Andere hören den Ruf und wenden sich von ihm ab. Man mag hypnotisiert sein von den Suggestionen, dass es „nicht realistisch ist“ oder dass man „etwas anderes tun sollte“, und dann versuchen, ein Dorfleben zu führen, um andere glücklich zu machen. Campbell bemerkte, dass wir manchmal die Leiter bis ganz oben erklimmen, nur um festzustellen, dass wir sie an die (falsche) Wand der Erwartungen anderer Leute gestellt hatten. Man kann von seiner Seelenkraft entfernt leben und dann sterben, „nicht mit einem Knall, sondern einem Wimmern“.

Aber viele erhalten einen Weckruf. An irgendeinem Punkt (oft in der Mitte des Lebens) zeigen sich erste Symptome: Gesundheitsprobleme, das Scheitern von Beziehungen, Depression oder Sucht, was auch immer. In generativer Trancearbeit sehen wir solche Symptome als „Ruf zur Rückkehr“ zur Seelenresonanz, dazu, das äußere Selbst wieder mit den Berufungen des inneren Selbst in Verbindung zu bringen. In diesem Sinne betrachten wir Probleme – wenn ihnen mit positiver und kunstfertiger menschlicher Präsenz begegnet wird – als Eröffnungen zu tiefer Transformation.

Ich beginne mit diesen drei Lebenswegen, um zu betonen, dass Generative Trance ein Werkzeug dafür ist, den dritten Weg zu leben, das Leben als eine Reise. Es geht bei ihr nicht primär darum, „Abnormalitäten zu reparieren“, sodass man in einer keimfreien Dorfwelt leben könnte; auch nicht darum, „sich in Trance zu verlieren“. Vielmehr handelt es sich um eine Reihe von Praktiken, um das Leben auf höchstem Niveau zu leben, ausgestattet mit vielen schöpferischen Möglichkeiten: Freude, Transformation, großen Fähigkeiten und Leistungen sowie guter Gesundheit.

Diesen Ansatz untersuchen wir in zwei Hauptteilen. Der erste Teil gibt einen Überblick über eine Grundstruktur für generative Trancearbeit. In Kapitel 1 geht es um die Schlüsselprämisse, dass Wirklichkeit und Identität konstruiert sind (durch Wirklichkeitsfilter) und, wenn nötig, dekonstruiert und rekonstruiert werden können. Das Prinzip des kreativen Flows ist für diese Fähigkeit entscheidend, wohingegen der Prozess der neuromuskulären Blockade sie verhindert. In Kapitel 2 untersuchen wir Trance als einen Prozess kreativen Flows, der natürlich und notwendig ist und, abhängig vom Kontext, viele verschiedene Formen und Werte (sowohl positive als auch negative) annehmen kann. Wir werden Generative Trance als einen Zustand auf hohem Niveau kennenlernen, basierend auf einem kreativen Wechselspiel zwischen dem bewussten und dem kreativen unbewussten Verstand.

Kapitel 3 umreißt das grundlegende Modell der Generativen Trance. Drei Arten von Intelligenz (Verstand, Geist)[2] werden unterschieden: somatisch, kognitiv und das Feld betreffend – und außerdem drei Ebenen des Bewusstseins, auf denen sie agieren können: primitiv, Ich und generativ. Die Arbeit verfolgt allgemein das Ziel, alle drei Arten von Intelligenz (Verstand) auf eine generative Ebene zu bringen. So können neue Dimensionen des Bewusstseins erwachen, die zu entscheidender kreativer Transformation fähig sind. Kapitel 4 beschreibt, wie dies in vier Schritten erfolgen kann: 1) Vorbereitung (den generativen Zustand entwickeln); 2) die Teile der Identität in eine Generative Trance verweben; 3) Transformation und Integration; und 4) die Rückkehr in die gewöhnliche Welt.

Der zweite Teil des Buches konzentriert sich auf die praktische Anwendung des Modells. In Kapitel 5 untersuchen wir somatische Methoden dafür, Generative Trance zu entwickeln und Körper-Geist-Zentrierung (mind-body-centering) wird als grundlegendes Prinzip betont. Außerdem geht es darum, wie man die fünf somatischen Dimensionen einer generativen Trance optimieren kann: Entspannung, Absorption, Offenheit, (musikalisches) Fließen und Erdung. Kapitel 6 untersucht generative Felder als subtile Räume von Achtsamkeit, die ihre Inhalte halten und umwandeln können. Beispielsweise werden wir sehen, wie sich mithilfe von Trance eine „Energiekugel“ entwickeln lässt, die schwierige Erfahrungen umfängt und es ermöglicht, sich mit ihnen auf kreative Weise in Beziehung zu setzen; oder eine „zweite Haut“, die um den physischen Körper herum entsteht; oder ein interpersonales Beziehungsfeld, in dem generative Arbeit stattfinden kann.

In Kapitel 7 betrachten wir das kreative Akzeptieren von Erfahrungen und Verhaltensweisen als einen entscheidenden Weg, um Trance und Transformation zu entwickeln. Kapitel 8 untersucht das Prinzip der Komplementarität und wie das Halten von Gegensätzen eine der prägnantesten Methoden dafür ist, die Bindungen des bewussten Verstands zu sprengen und die Tore zum kreativen Unbewussten zu öffnen. In Kapitel 9 geht es um das Prinzip unendlicher Möglichkeiten, nach dem jede Erfahrung und jedes Verhalten auf viele Weisen erlebt und ausgedrückt werden können, als ein weiteres entscheidendes Mittel dafür, das kreative Unbewusste zu aktivieren.

Diesem gesamten Werk liegt eine Zwei-Ebenen-Theorie der Erfahrungskonstruktion zugrunde, die besagt, dass 1) auf der primären (Quanten-)Ebene Erfahrung unendliche mögliche Formen und Bedeutungen hat, bis 2) auf der zweiten (klassischen) Ebene ein beobachtendes Bewusstsein aus all den potenziellen Möglichkeiten eine aktuelle Form und Bedeutung erschafft. Diese beiden Welten von Handlung und Möglichkeiten zu integrieren ist das Herzstück kreativen Bewusstseins. Unglücklicherweise kann man leicht in den fixierten Realitäten des bewussten Verstands gefangen werden, abgeschottet vom kreativen Bewusstsein. Diese in sich geschlossene Welt wird durch einen Effekt der Zustandsabhängigkeit aufrechterhalten, der Wirklichkeit konstruiert, um die eigene Position zu bestätigen. Generative Trance lockert diese Bindungen, sodass das Bewusstsein wieder zurück in ein generatives Feld fallen kann. Der bewusste Verstand (mind) wird dann eingeladen, sich mit ästhetischer Intelligenz in diesem Feld zu bewegen. Wie wir sehen werden, sind Musikalität und Resonanz primäre Sprachen dieses kreativen Bewusstseins, was es den systemischen Teilen ermöglicht, fließend sich stetig wandelnde Mandalas kreativer Ganzheit zu erschaffen.

Diese große Reise, die beiden Welten miteinander zu vereinen, wurde wunderbar von T. S. Eliot[3] beschrieben:

„Wo sich Zeitloses schneidet mit Zeit, zu erkennen

Ist eine Beschäftigung für Heilige –

Nicht Beschäftigung nur, sondern etwas, das gegeben

Und genommen wird durch das Absterben eines ganzen Lebens […]

[…] weil man selbst die Musik ist

Solange sie forttönt.“

Mögen die Worte auf diesen Seiten uns helfen, diese Musik zu hören und diesen Schnittpunkt zu finden.

1. Bewusstsein und die Konstruktion von Wirklichkeit

„Vorstellungskraft ist der Anfang von Schöpfung. Du stellst dir vor, was du ersehnst, du willst, was du dir vorstellst, und schließlich schaffst du, was du willst.“

(George Bernard Shaw)

Mary[4] führte ein Leben auf der Sonnenseite. Sie war klug, sozial gewandt und attraktiv. Sie hatte auf der „Überholspur“ zum Erfolg gelebt: Als Kind zog sie das Lob Erwachsener auf sich und glänzte in der Schule, sie erwarb einen naturwissenschaftlichen Doktortitel an einer angesehenen Universität, heiratete einen wunderbaren Mann und bekam zwei wundervolle Töchter. Im Beruf war sie ein Überflieger, sie hatte ein glückliches Familienleben und war finanziell abgesichert. Als sie im mittleren Lebensalter eine bedeutende Auszeichnung für ihr Lebenswerk erhielt, war sie verständlicherweise verwirrt, festzustellen, dass sie depressiv und unglücklich war. Etwas fehlte in ihrem Leben.

Mittels Trancearbeit begann Mary, ihr Leben tief zu erforschen. Sie fand Tränen und Ängste, aber auch freudevolle und wunderbare Momente des Erwachens von Bewusstsein. Vor allem aber erkannte sie, dass sie entfernt von ihren Seelenträumen gelebt hatte. Ihr war nicht einmal klar gewesen, dass sie Seelenträume hatte, Sehnsüchte, tiefer als äußerlicher Erfolg oder soziale Nettigkeiten. Sie entdeckte ein Verlangen sowohl nach spiritueller Entwicklung als auch danach, als Mentorin junge Wissenschaftlerinnen in ihrer extrem belastenden Berufswelt zu unterstützen. Außerdem begaben sie und ihr Ehemann sich auf interessante Reisen durch verschiedene psycho-spirituelle Prozesse.

Ihre alte Welt wurde keineswegs aufgegeben, sondern vertieft, um ein vollständigeres und erfüllenderes Leben zu ermöglichen. Insbesondere war Mary entzückt festzustellen, dass sie für ihr eigenes Leben verantwortlich und in der Lage war, es zu erschaffen. Es war eine Freude zu sehen, zu welcher Reise ihr Leben für sie wurde.

Die Sehnsucht, ein zutiefst sinnvolles Leben zu führen, ist recht verbreitet. Viele Menschen fühlen einen Ruf, über das Dorfleben hinauszugehen, ihrem Licht zu erlauben, hell und einzigartig in die Welt zu leuchten. Wenn solche Berufungen angenommen und unterstützt werden, kann Schönes, Wunderbares geschehen. Generative Trance ist ein großartiger Prozess, um eine solche Reise zu unterstützen.

Die Erfahrung Generativer Trance beginnt mit dem Verständnis, dass Wirklichkeit konstruiert ist, und dass jede(r) von uns selbst dafür verantwortlich ist, das eigene Leben in einer sinnvollen Weise zu kreieren. Als Navigationshilfe für eine solche Reise ist es hilfreich, ein Gefühl für diesen kreativen Prozess zu haben. Deshalb möchte ich in diesem ersten Kapitel einen allgemeinen Plan (eine Art Landkarte) für die Konstruktion von Wirklichkeit anbieten, sodass du dich selbst und auch andere auf diesem Weg unterstützen kannst.

Beginnen will ich mit drei verschiedenen Welten, durch die sich das kreative Bewusstsein bewegt: 1) eine Welt „reinen Bewusstseins“ von kreativer Liebe und Licht; 2) eine „Quantenwelt“ des kreativen Unbewussten, angefüllt mit unendlichen Möglichkeiten und purer Imagination; und 3) die klassische Welt des bewussten Verstandes, mit einem Bewusstsein von Raum-Zeit, Materie und anderen Elementen von „Realität“. Kreativität erfordert ein Fließen zwischen diesen drei Welten des kreativen Lichts, der unendlichen Imagination und der praktischen Realitäten.

Dementsprechend konzentriere ich mich zunächst darauf, wie sich Information / Energie zwischen diesen Welten bewegt. Hierfür gehe ich von „Bewusstseinsfiltern“ aus, die von einer Welt in eine andere überleiten. Diese Tore sind Buntglasfenstern vergleichbar, durch die einfarbiges Licht fällt und auf der anderen Seite Muster bildet. Eine für dieses Buch grundlegende Idee ist die Frage, ob diese Filter offen sind (in kreativem Flow) oder verschlossen (in neuromuskulärer Blockade). Eine neuromuskuläre Blockade sperrt das Bewusstsein in eine starre und abgetrennte Realität ein, was zu Problemen und enormem Leid führt. Generative Trance aktiviert den kreativen Flow, der Transformation, Heilung und eine große Reise ermöglicht.

1.1 Die drei Welten des Bewusstseins

Wie erschaffst du ein Leben, in dem es Sinnhaftigkeit und Wachstum gibt? Wenn dein Leben nicht funktioniert, wie lässt du los, um dich wieder mit Ganzheit und Frieden zu verbinden? Und wie schaffst du von diesem Ort der Ganzheit aus neue Wirklichkeiten, die deine Zerrissenheit heilen und neue Möglichkeiten hervorbringen? Um diese Kernfragen der Generativen Trance zu beantworten, unterscheiden wir drei Welten:

  1. Bewusstsein an sich („ursprünglicher Geist“)
  2. Quantenwelt („kreatives Unbewusstes“)
  3. klassische Welt („bewusster Verstand“)

1.2 Der „ursprüngliche Geist“ reinen Bewusstseins

„Nun, all die medizinischen Rituale, die wir untersucht haben, zielen darauf hin, zu den Ursprüngen zurückzukehren. Wir gewinnen den Eindruck, dass für archaische Gesellschaften das Leben nicht repariert werden kann, sondern nur durch eine Rückkehr zu den Quellen wieder-erschaffen. Und die „Quelle der Quellen“ ist das ungeheure Ausströmen von Energie, Leben und Fruchtbarkeit, das bei der Erschaffung der Welt geschah.“

(Mircea Eliade)

„Sei dir selbst ein Licht.“

(Buddha)

Wir beginnen unsere kreative Reise in „der Mitte von nirgendwo“. Milton Erickson pflegte spielerisch diesen Begriff zu benutzen, wenn er Menschen dazu einlud, in Trance einen sicheren Ort zu erleben, wo man sich von jeglichem Inhalt lösen konnte. Dieses Trancefeld diente als eine Art Übergangsraum, wo alte Identitäten losgelassen und neue Wirklichkeiten geboren werden konnten.

Die Buddhisten verwenden den Begriff ursprünglicher Geist, um sich auf diesen leeren Raum reinen Bewusstseins zu beziehen, aus dem alles kommt und in den alles geht. Er wird als nicht-duales Gewahrsein erfahren, leer von irgendwelchen Formen oder Qualitäten, aber leuchtend (lumineszent). Mit anderen Worten, Bewusstsein ist an seiner Quelle reines kreatives Licht.

Falls dies zu weit hergeholt klingt, sieh dir die Metaphern an, die kultur- und sprachübergreifend verwendet werden, um kreatives Bewusstsein zu beschreiben. Neue Ideen blitzen auf aus dem Nichts oder scheinen vom Himmel zu fallen. Eine Person ist helle, kann etwas glänzend, ist eine Leuchte, strahlt, ist ein Sonnenschein oder erleuchtet. Ein Einfall ist brillant und trifft einen wie ein Blitz. Ein gesteigertes Gewahrsein mag frei von Gedanken sein, ungetrübt, klar, wolkenlos oder weit offen. Zusammen betrachtet verweisen diese Ausdrücke intuitiv auf ein Bewusstsein vor und jenseits von Form, das mit Weisheit und Glückseligkeit verbunden ist.

Und dies ist von praktischer Relevanz. Wenn wir mit diesem kreativen Bewusstsein verbunden sind, befinden wir uns in unserem besten Zustand – glücklich, gesund, heilsam und hilfreich für andere. Zahllose Gedichte, Lieder und Geschichten singen Loblieder auf dieses Bewusstsein. Je nach philosophischer Tradition hat es verschiedene Namen: Geist, élan vital, Lebenskraft, Shakti, Chi, göttliches Bewusstsein und Prajna. Es erscheint in Momenten großen Erfolgs, wenn man ästhetische Schönheit wahrnimmt, oder in der Gegenwart tiefer Liebe. Plötzlich öffnet sich ein unbeschreiblicher Raum jenseits aller Gedanken und Formen, und eine euphorische Glückseligkeit erfüllt dich, wenn auch nur für einige wunderbare Augenblicke.

Damit Bewusstsein kreativ sein kann, ist eine Verbindung zu diesem ersten Bereich unerlässlich. Fehlt sie, fühlen wir uns abgetrennt und in zwanghaftem Tun und Denken gefangen. Ironischerweise haben wir oft gerade dann am meisten Angst davor, loszulassen, weil wir fürchten, in einen Abgrund ohne Wiederkehr zu fallen. Eines der ersten Ziele in Generativer Trance ist somit, sich damit wohlzufühlen, allen Inhalt loszulassen und sich der kreativen Quelle hinzugeben. T. S. Eliot[5] hat dies in seiner Dichtung wunderschön ausgedrückt:

„Ich sprach zu meiner Seele, sei still und warte, ohne zu hoffen,

Denn Hoffen wäre auf Falsches gerichtet; warte ohne zu lieben,

Denn Liebe wäre auf Falsches gerichtet; da ist noch der Glaube,

Doch Glaube, Liebe und Hoffnung sind alle im Warten.

Warte ohne zu denken, denn zum Denken bist du nicht reif,

Dann wird das Dunkel das Licht sein und die Stille der Tanz.“

Wenn wir dieses Licht von „allem, das ist“ in jedem/r von uns als primären Ausgangspunkt annehmen, kann eine große kreative Energie uns auf dem Weg leiten. Martha Graham, die große Lichtgestalt des amerikanischen Modern Dance, drückte es folgendermaßen aus:

„Es gibt eine Vitalität, eine Lebenskraft, eine Energie, eine Belebung, die durch dich in Handeln übersetzt wird, und weil es dich selbst nur ein einziges Mal gibt, ist dieser Ausdruck einzigartig. Und wenn du ihn blockierst, wird er niemals durch irgendein anderes Medium existieren, und er wird verlorengehen. Die Welt wird ihn nicht haben. Es ist nicht an dir, festzustellen, wie gut er ist oder wie wertvoll oder wie er im Vergleich mit anderem Ausdruck ist. Es ist an dir, ihn klar und direkt als deinen zu bewahren, den Kanal offen zu halten. Du brauchst nicht einmal an dich oder an deine Arbeit zu glauben. Du musst nur offen sein und gewahr für das Verlangen, das dich motiviert. Halte den Kanal offen“ (zitiert in de Mille 1991, S. 264).

Generative Transformation ist möglich, wenn wir den Kanal für diese kreative Lichtquelle offen halten. Wir werden sehen, wie sich dies gekonnt verwirklichen lässt. Wenn du darauf vertraust, dass du dein verstandesmäßiges Denken loslassen kannst und zulassen, dass etwas darunter dich sicher auffängt und unterstützt, hast du eine große Freiheit erreicht. In generativer Trancearbeit versuchen wir, Bedingungen dafür zu entwickeln, die unermessliche Güte und innewohnende Ganzheit dieser Ebene der Quelle zu fühlen, sodass sie wieder und wieder zugänglich sein kann.

Wenn wir in Generativer Trance arbeiten, „folgen wir dem Licht“ auf vielfältige Weisen. Wir achten u. a. intensiv auf somatische Resonanz und subtile Energien, beispielsweise, wenn in einem Gespräch „das Licht“ der Person „heller aufleuchtet“. Solche Signale legen nahe, dass das, was gerade mitgeteilt wird, tief mit dem kreativen Bewusstsein verbunden ist; und oft wird während der Trancearbeit dann dazu ermutigt, langsamer zu werden, dies wahrzunehmen und sich auf die resonante Verbindung einzustimmen.

Noch eine letzte Anmerkung: Dieses inhaltsfreie, subtile Feld von Gewahrsein ist die Grundlage dessen, was als Achtsamkeit bezeichnet wird. Wir werden sehen, wie Achtsamkeit die generative Fähigkeit unterstützt, mit etwas zu sein – mit einem Gedanken, Gefühl, Verhalten, einer Person – ohne zu diesem (oder dieser) zu werden. So werden kreative Teilhabe und transformierende Beziehungen möglich. Wir wollen uns also mit der großen Leere befreunden und entdecken, dass sie erfüllt ist von einem subtilen Licht von Liebe, Weisheit, sogar Glückseligkeit.

1.3 Die Quantenwelt des kreativen Unbewussten

„Der fundamentale Prozess der Natur befindet sich außerhalb von Raum-Zeit, bringt jedoch Ereignisse hervor, die innerhalb von Raum-Zeit lokalisierbar sind.“

(Henry Stapp)

Von der Welt kreativen Lichts gehen wir zur Quantenwelt der reinen Imagination. Dies ist der kreative unbewusste Verstand, ein Feld unendlicher Möglichkeiten, aus dem neue Wirklichkeiten geschaffen werden. Es ist vor und jenseits von klassischer Zeit oder Raum, es ist leer von realen (materiellen) Formen, aber „schwanger“ mit unendlich vielen möglichen.

Da es die Quelle aller Möglichkeiten ist, wenden wir uns diesem kreativen Unbewussten zu, wenn wir neue Visionen, Identitäten, Ideen oder Erfahrungen brauchen. Es ist eine Art visionäres Bewusstsein, das über die Begrenzungen einer bestimmten Situation hinauszublicken vermag. Es kann neue Möglichkeiten „aus dem Nirgendwo“ schaffen und in einer Situation viele Weisen aufzeigen, wie man vorgehen kann. Ohne eine solche Präsenz gibt es auf einer Reise des Bewusstseins kein Weiterkommen.

Eine der interessantesten Eigenschaften eines Quantenfelds ist Überlagerung (Superposition); dabei handelt es sich um ein virtuelles Wellenfeld, das alle möglichen Zustände von etwas gleichzeitig enthält.[6] Auf psychologische Identität angewendet bedeutet dies, dass das kreative Unbewusste alle möglichen Zustände einer bestimmten Person enthält: Identitäten, Zukünfte, Vergangenheiten, Beziehungsfelder usw. In welchem Zustand oder welcher Identität auch immer du also auf einer bewussten Ebene sein magst, dein kreatives Unbewusstes enthält zur gleichen Zeit viele andere mögliche Zustände. Wenn dein gegenwärtiger Zustand nicht befriedigend ist, besteht der Trick darin, wie du dich mit dem kreativen Unbewussten verbinden kannst.

Nehmen wir zum Beispiel einmal an, ein Typ namens Dave klagt darüber, dass er depressiv ist. Wir würden dies als seinen gegenwärtigen Identitätszustand akzeptieren und willkommen heißen, zugleich aber auch anerkennen, dass es viele andere Identitätszustände gibt, die in seinem kreativen Unbewussten schlummern – junge, verspielte, alte, weise, verletzte usw. Die Herausforderung besteht nun darin, wie man Raum für die bewusste Identität – den „depressiven Dave“ – schaffen kann, während man außerdem andere (komplementäre) einlädt und willkommen heißt.

Dies ist es, was wir in Generativer Trance tun können: einen isolierten Problemzustand mit einem kreativen (Trance-)Feld in Beziehung bringen, das viele ressourcenreiche Zustände enthält, und sie in ein neues Identitäts-Mandala verweben. Wenn z. B. ein „depressiver“ Teil zu „verspielten“ und „liebevollen“ Teilen eine Beziehung aufnimmt, kann sich vieles auf hilfreiche Weise umwandeln. Die Isolation eines Teils eines Systems erzeugt Probleme, wohingegen die Aktivierung vieler komplementärer Teile zu einem kreativen Feld Lösungen ermöglicht. Wie wir sehen werden, ist dies ein wesentliches Charakteristikum von Trance: die Fähigkeit, gleichzeitig mehrere einander widersprechende Wahrheiten oder Wirklichkeiten ohne Konflikt zu halten (und kreativ zu verweben). Aus dieser „Trance-Suppe“ können viele bedeutsame Umwandlungen entstehen.

Die Sichtweise, dass das Unbewusste mehrere mögliche Formen eines gegebenen Zustands hält, ist eng verwandt mit dem Konzept der Archetypen. Dieser Begriff taucht bei Philosophen wie Platon und Kant auf und wurde später von C. G. Jung weiterentwickelt. Er besagt, dass Kernherausforderungen des Lebens nicht einzigartig sind. Glücklicherweise brauchen wir nicht jedes Mal das Rad neu zu erfinden, wenn wir uns einer Herausforderung gegenübersehen – zum Beispiel mit einem anderen Menschen Liebe zu leben. Unsere Vorfahren sind seit undenklichen Zeiten mit dieser schwierigen Aufgabe umgegangen.

Die Theorie der Archetypen besagt, dass eine jede solche Erfahrung eine Spur in einem kollektiven Bewusstseins-Feld hinterlässt. Jedes Mal, wenn z. B. jemand Liebe erlebt, fällt das Muster dieser Erfahrung jeweils wie ein Tropfen in das Quantenfeld. Aus tausenden und abertausenden solcher Tropfen entwickelt sich langsam ein allgemeines abstraktes Muster. Ein Archetyp ist also eine abstrakte Tiefenstruktur, die auf viele verschiedene mögliche Weisen erlebt und ausgedrückt werden kann. Das kreative Unbewusste enthält allgemeine archetypische Muster sowie zahllose mögliche Weisen, wie diese ausgedrückt werden können. So kann das menschliche Bedürfnis, Identität zu schützen, durch das archetypische Muster des Kriegers (bzw. der Kriegerin) repräsentiert werden. Dieser Krieger-Archetyp kann auf viele Weisen erfahren oder ausgedrückt werden – einige sind negativ und einige positiv. Wie wir sehen werden, identifizieren wir uns in der bewussten Welt mit einer dieser Formen, wohingegen im kreativen Unbewussten zahllose andere mögliche Formen gleichzeitig gegenwärtig sind.

Wenn also eine spezifische Erfahrung nicht funktioniert: Verzweifle nicht. Dein Unbewusstes hält viele andere Möglichkeiten bereit, diese Herausforderung zu bewältigen oder zu betrachten, und Trance ist das Mittel, durch das du sie aktivieren kannst. In Trance kannst du auf sichere Weise deine alten Muster loslassen und neue entdecken, die besser funktionieren.

Martin zum Beispiel wuchs mit einem gewalttätigen, alkoholsüchtigen Vater auf, sodass seine ersten Beispiele für „Krieger-Energie“ finster und destruktiv waren. Wie viele Menschen schwor er sich, nie zu werden wie sein Vater und versuchte folglich, immer ein „netter Typ“ zu sein. Durch seine Unfähigkeit, seine eigenen Bedürfnisse mitzuteilen, entstanden viele Beziehungsprobleme, und er stellte fest, dass er einsam und verbittert wurde. Mithilfe von Trance fand er heraus, dass er eine negative Landkarte zum Durchsetzungsvermögen mit sich trug – nämlich Bilder von seinem gewalttätigen Vater, der maßlose Forderungen stellte. Durch Trance konnte er schließlich positivere Bilder von Durchsetzungsvermögen entdecken und umsetzen. Ich werde in diesem Buch immer wieder auf diese zentrale Verwendung von Trance hinweisen: Wenn du etwas loslassen musst, das nicht funktioniert und neue Möglichkeiten finden, ist Trance eine großartige Weise, dies zu tun.

Wenn wir die Ideen der Quanten-Überlagerung und der Archetypen auf die Natur des Unbewussten anwenden, ist noch etwas erwähnenswert: Es gibt nicht einen einzelnen unbewussten Verstand (mind), sondern eine unendliche Anzahl. Der unbewusste Verstand ist eine Konstruktion (die üblicherweise viele Menschen einbezieht, über viele Jahre hinweg) und er kann auf viele unterschiedliche Weisen konstruiert werden. Traditionen haben natürlich ihren Einfluss darauf, dass bestimmte Versionen wahrscheinlicher sind als andere, aber prinzipiell gibt es keine festen oder immanenten Strukturen. So schaute Freud in das Unbewusste und sah Sex, Gewalt und verdrängte Emotionen. Ähnlich sehen fundamentalistische Christen einen finsteren brodelnden Kessel satanischen Bösen und Höllenfeuer. Andererseits „entdeckte“ Jung ein Pantheon archetypischer Gestalten, und Erickson nahm ein riesiges Lagerhaus praktischer Lernerfahrungen wahr, die als Ressourcen genutzt werden können, um ein glückliches, erfüllendes Leben zu gestalten. Aus der Quantensicht sind sie alle möglich, aber keines existiert in Verwirklichung, bis ein beobachtendes (menschliches) Bewusstsein sie real werden lässt.

Wenn generative Trancearbeit in das Unbewusste schaut, sieht sie ein kreatives Feld unendlichen Potenzials für menschliches Sein und Werden. Sie sieht ein kreatives Bewusstsein, das neue Möglichkeiten „aus dem Nirgendwo“ zu erschaffen und viele mögliche Arten zu zeigen vermag, wie man in einer bestimmten Situation vorgehen kann. Selbstverständlich ist das kein vollständiges System. Im Gegensatz zu manchen falschen populären Vorstellungen ist das Unbewusste nicht unabhängig intelligent. Es ist ein Teil eines mehrere Ebenen umfassenden Systems. Wir brauchen die kreative Lebenskraft des ursprünglichen Geistes als Quelle und ebenso die kundige Präsenz des bewussten Verstandes, um Ziele zu setzen, Filter und Bedeutungen zu schaffen und um, was auch immer aus dem Unbewussten kommt, kreativ zu nutzen. Es ist diese dritte Welt, der wir uns jetzt zuwenden.

1.4 Die klassische Welt des bewussten Verstandes

Die klassische Welt ist die konventionelle Realität von Raum-Zeit: Materie, physikalische Energie, Newtonsche Physik und alles, das wirklich da ist. Dieses physikalische Universum entfaltet sich seit beinahe 14 Milliarden Jahren, und das Bewusstsein auf diesem Planeten seit ungefähr 4 Milliarden Jahren. Im Zuge der Entwicklung eines biologischen und dann eines psychologischen Bewusstseins hat die klassischen Welt viele Ebenen hervorgebracht. Aus einer traditionellen westlichen Sichtweise betrachten wir sie als die empirische Welt einzelner Werte: Etwas ist wahr oder nicht; wenn du hier bist, bist du nicht dort. Es gilt eine kausale Logik: Was geboren wurde, muss auch sterben; Dinge sind, wie sie sind. Zu dieser klassischen Welt gehören eine Geschichte sowie viele Traditionen und Muster.

In kreativem Bewusstsein ist etwas nicht real, bis es in der klassischen Wirklichkeit existiert. Während es also im Quantenfeld unendliche Möglichkeiten geben mag, hat keine von ihnen „wirkliche Bedeutung“, bis sie in der klassischen Welt auftaucht. Du bist bloß ein Träumer, bevor du deine Träume praktisch umsetzt; dann bist du ein kreatives Genie. Du musst also sicher in der klassischen Welt geerdet sein, um „wirklich kreativ“ zu sein. Dies kann vieles bedeuten: ein gesunder Körper, gute soziale Beziehungen und Fähigkeiten, emotionale Intelligenz, Ausbildung, Zähigkeit, Pläne und Selbstverpflichtungen bezüglich des eigenen Verhaltens usw.

Wenn wir in Trance gehen, gehen wir im Allgemeinen ein wenig auf Abstand zur klassischen Welt, um unser einschränkendes „Performance-Selbst“ loszulassen. Dann öffnen wir uns dem kreativen Unbewussten, um neue Wirklichkeits-Landkarten zu erzeugen und in der Welt zu navigieren. Die Trance mag eine außergewöhnliche Erfahrung sein; bevor sie im normalen Leben umgesetzt wird, hat sie jedoch keinen „realen“ Wert. Deshalb brauchen wir für generative Arbeit sowohl einen kreativen unbewussten als auch einen bewussten Verstand. Das kreative Unbewusste erschafft neue Möglichkeiten, und der bewusste Verstand übersetzt sie und setzt sie um in die klassische Wirklichkeit.

Unglücklicherweise ist Trance oft assoziiert mit der Fantasie, dass man irgendwie, wenn man nur „seinem Unbewussten vertraut“, ewige Glückseligkeit erlangen könne. (Oder ähnlich: Wenn man sich wegen einer gewünschten Verhaltensänderung von einem Hypnotiseur „programmieren“ lässt, wird es schon funktionieren.) Indem sie sowohl den bewussten als auch den kreativen unbewussten Verstand betont, baut generative Trancearbeit eine Brücke zwischen den beiden Welten: derjenigen der unendlichen Möglichkeiten und derjenigen der spezifischen Wirklichkeit. Auf dieser Brücke wird Transformation geboren.

Wenn ich das so stark betone, sollten wir etwas darüber wissen, wie der bewusste Verstand der klassischen Wirklichkeit mit dem kreativen Unbewussten der Quantenwelt partnerschaftlich zusammenarbeiten kann. Als das organisierende Bewusstsein der klassischen Realität ist der bewusste Verstand von seiner Konstruktion her meistens auf verwaltende Kontrolle ausgerichtet. Er verwendet, was McGilchrist (2009) die „3 Ls“ der linken Hemisphäre nennt: Sprache (Language), Logik und Linearität. Er setzt Ziele, ordnet Handlungsabläufe, schafft Ordnung und konzentriert sich auf Kontrolle und Vorhersagbarkeit. Damit ist er ein für das Leben essenzielles Werkzeug das es uns gestattet, die alltägliche Welt zu verstehen und verlässlich zu wiederholen, was wir in der Vergangenheit getan haben. Um Kaffee zu kochen, brauchen wir nicht in einem visionären Zustand zu sein. Wenn wir aber keinen Kaffee kochen (oder ähnlich Routinetätigkeiten ausführen) können, ist die visionäre Welt nicht von Nutzen für uns. Kreatives Leben setzt voraus, dass jede der Bewusstseins-Welten die jeweils anderen unterstützt.

Aber der bewusste Verstand kann mehr sein als nur ein Verwalter. Ebenso wie es keine starre Struktur des unbewussten Verstandes gibt, gibt es viele mögliche Arten von bewusstem Verstand. Während der traditionelle westliche bewusste Verstand allzu oft als ein körperloser Intellekt funktioniert, der versessen darauf ist, alles in seiner Umgebung zu kontrollieren oder zu konsumieren, gibt es viele andere Möglichkeiten. So lebte Milton Erickson ein Beispiel für einen außergewöhnlichen bewussten Verstand vor, der neugierig, kooperativ, mit anderen in Beziehung und außerordentlich kreativ war. Wie wir sehen werden, ist ein bewusster Verstand mit einem solchen Muster ein integraler und notwendiger Teil Generativer Trance.

1.5 Beziehung zwischen Welten: kreativer Flow vs. neuromuskuläre Blockade

Wenn wir die drei Welten des Bewusstseins betrachten, sehen wir, wie jede von ihnen für kreative Erfahrung unerlässlich ist. Die erste Welt gibt das reine, leuchtende Bewusstsein, das alles durchdringt, erlebt als Präsenz, Inspiration, Beseeltheit und Licht. Die zweite Welt des kreativen Unbewussten hält die visionäre, nichtlineare Imagination unendlicher Möglichkeiten. Die dritte, die klassische Welt des bewussten Verstands bringt die Verwaltungskompetenz und das Selbstgewahrsein mit, um eine Möglichkeit in die Wirklichkeit umzusetzen.

Kreatives Fließen (Flow) innerhalb und zwischen diesen drei Ebenen liegt im Kern generativen Lebens. Um es mit Martha Graham zu sagen, müssen wir „den Kanal offenhalten“. Auf der ersten Ebene bedeutet dies, verbunden zu bleiben mit der kreativen Quelle, die unser Denken und Handeln mit Energie versorgt, erhellt und entflammt. Dieses Licht des kreativen Bewusstseins informiert, leitet und bringt echte Liebe für uns selbst und die Welt, ohne die wir auf leere Egos reduziert sind, die versuchen, zu überleben oder vorwärtszukommen. Um eine Verbindung mit der kreativen Quelle zu unterstützen, werden wir uns mit der Praktik des Sich-Zentrierens beschäftigen und damit, wie man sich gegenüber Ressourcenfeldern öffnet.

Mit der Quelle verbunden können wir die Muster des kreativen Prozesses als Wechselspiel zwischen den Welten des Bewusstseins und des kreativen Unbewussten sehen. Eine der wichtigsten Grundfähigkeiten für Kreativität ist zu wissen, wie und wann man zwischen diesen beiden Welten wechselt. Abbildung 1.1 zeigt ihre komplementäre Natur. Während das kreative Unbewusste unendliche Möglichkeiten enthält, setzt der bewusste Verstand sie in die Realität um. Der bewusste Verstand zerbricht die Ganzheit des kreativen Unbewussten in das klassische Bewusstsein vieler Teile. Die sich wandelnden Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilen des Ganzen sind es, die Zeit, Raum, Selbstgewahrsein und Existenz auftauchen lassen. Durch das kreative Wechselspiel zwischen den Welten bewegt sich das Bewusstsein auf seine höchsten Ebenen.