Romantisch ist was anderes ...
Immer wenn man nicht damit rechnet, dann passiert es im Leben ... Ich war gerade in München angekommen und suchte die Wohnung meiner Freundin Carmen. Zu der Zeit wohnte ich noch zusammen mit meinem Fast-Exfreund in Köln. Vor meiner Abreise hatte ich ihm schon gesagt, dass unsere Beziehung keinen Sinn mehr machen würde. Ich fühlte mich ausgenutzt, arbeitete rund um die Uhr als Model, während er mit meinem schwer verdienten BMW durch die Gegend fuhr. Irgendwas lief falsch. Wenn wir Frauen uns verknallen, übersehen wir gerne mal die roten Ampeln. Ich liebe es zu lieben und gebe dann alles, nur verarscht werden, geht gar nicht.
Als ich bei meiner Freundin ankam, verkündete sie mir gleich die frohe Botschaft, dass später bei ihr eine Boxkampf-Party stattfinden würde. Ich hatte mich schon auf einen entspannten Abend gefreut, daraus wurde nun nix. Gott sei Dank war Wochenende und ich hatte zwei freie Tage. Dieser Boxkampf am 25. Februar 1989 veränderte mein Leben um 180 Grad.
Carmen hatte sich vor dem Kampf noch mit Freunden zum Essen verabredet. Ich schmiss mich also in meine Jeans, weißes T-Shirt, keine Schminke, offene Haare, dunkle Brille, Cowboystiefel. Wir fuhren nach Schwabing in eine Kneipe mit der größten Speisekarte, die ich je gesehen habe. Carmen erzählte mir nebenbei, dass wir uns alle um fünf Uhr bei ihr in der Wohnung treffen würden, um den Mike-Tyson-Kampf anzuschauen. Plötzlich traten ein paar Leute an unseren Tisch und ich lernte den ersten Schauspieler meines Lebens kennen. Ralf Richter. Ein netter Kerl mit unverkennbarer Stimme. Zu der Zeit hatte ich noch nicht so eine große Klappe wie heute. Ich war eher zurückhaltend, beobachtete gern.
Um vier Uhr morgens brachen wir zu Carmens Wohnung auf. Die ersten Leute trafen ein, ihre Nachbarn Giorgio und Margit, andere Freunde, unter ihnen Bruno Eyron. Kurz bevor der Kampf begann, klingelte es und ein Mann kam durch den Flur geschlendert. Bei der Fashion-Police wäre er definitiv durchgefallen. Schwarze Karottenjeans, geschätzte 20 Zentimeter zu kurz, weiße Tennissocken, die perfekt zur Geltung kamen, schwarze spitze Schuhe, graues Sweatshirt mit schwarzweiß gestrickten Bündchen, eine Baseballkappe und – jetzt kommt’s – eine goldene riesige Ray-Ban-Brille mit orangerosa Gläsern. In der Hand hielt er eine Plastiktüte mit Flaschen. Dieser Typ sagte nur kurz: »Hallo«, ging in die Küche zum Kühlschrank, beugte sich vor, um die Flaschen dort hineinzulegen, während mein Blick ihm folgte und ich auf diesen Knackarsch schaute. Ehe ich mich versah, saß er mir dann gegenüber, neben Giorgio. Ich hockte auf dem Boden und realisierte da erst, dass dieser Typ, der hier reinkam und sich nicht vorstellte, Uwe Ochsenknecht war. Er hatte seit dem Kinofilm Männer ein paar Kilo zugelegt, später erfuhr ich, dass das auch für eine Filmrolle war.
Er beobachtete mich die ganze Zeit und auch ich musste immer wieder zu ihm hinschauen. Mist, diese grünen Augen provozierten mich irgendwie. Wir sprachen kein Wort miteinander. Immer wenn sich unsere Blicke kreuzten, guckte ich schnell zu Giorgio. Jahre später habe ich erfahren, dass Margit eifersüchtig auf mich war, sie dachte nämlich, ich wollte ihren Mann anmachen.
Der Tyson-Kampf begann und nach drei Minuten war er durch ein schnelles K. o. schon wieder zu Ende. Wir waren alle sauer und diskutierten wie blöd. Plötzlich stand Uwe auf, setzte sich neben mich und fragte: »Wer bist denn du eigentlich?« Ich schaute ihn an und sagte: »Wer bist denn du eigentlich? Du kommst hier rein, stellst dich nicht vor. Meinst du, jeder muss dich kennen oder was?!« Er sah mich sprachlos an und ich merkte, wie die Runde aufhörte zu reden. Alle waren gespannt auf seine Reaktion, und die fiel anders aus als erwartet.
Uwe entschuldigte sich, und das nicht nur einmal, sondern im Verlauf des Abends noch mehrfach. Leider machte er trotzdem schnell den nächsten Fehler. Er lud mich zur Filmpremiere von Doris Dörries Film Geld in zwei Wochen ein. Natürlich sagte ich Nein, ich kannte ihn doch gar nicht und dann gleich so was. Ich erklärte ihm, dass ich keine Lust dazu hätte. Da seien Fotografen und ich wäre nicht scharf darauf, zusammen mit ihm abgelichtet zu werden. Er schaute mich verdutzt an. Jede andere Frau hätte sich wahrscheinlich darum gerissen, aber mir war das wurscht. Schauspieler hin oder her.
Also unser Kennenlernen war auf jeden Fall alles andere als romantisch. Dass etwas zwischen uns in der Luft lag, merkten wir beide und die anderen auch. Es war halt irgendwie anders. Uwe wollte bei Giorgio und Margit übernachten, die in der Wohnung gegenüber wohnten. Wir verabredeten, dass derjenige von uns beiden, der zuerst aufwacht, den anderen anruft. Als ich im Bett lag, merkte ich, dass dieser Typ mir Kopfzerbrechen bereitete, und zwar so sehr, dass ich die Augen kaum zubekam. Warum denken wir Frauen kurz vor dem Einschlafen bloß immer über alles nach ... Männer legen sich einfach hin und sind, zack, im Tiefschlaf. Nach zwei Stunden Schlaf fiel mir unsere Abmachung ein, wer zuerst aufwacht, ruft an. Also ich war wach und müsste eigentlich anrufen, Uwe schlief anscheinend noch, sonst hätte er sich ja wohl gemeldet. Typisch Frau, wieder zu viel nachgedacht, rufe ich zuerst an, denkt er vielleicht, ich wäre hinter ihm her. Rufe ich ihn nicht an, würde ich mein Wort nicht halten ... Okay. Ich rufe an, lass einmal klingeln und lege sofort wieder auf. Gedacht, getan. Es klingelte einmal, ich legte auf. Kaum aufgelegt, klingelte es bei mir, ich habe mich so erschrocken. Wer ist dran? Uwe. »Hast du angerufen?« Ich: »Ja …« Er: »Wollen wir heute Abend zusammen ins Kino gehen?« Ich: »Ja, passt.«
Es war ein Katastrophen-Film. Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, todlangweilig. Uwe war genauso begeistert wie ich. Danach trafen wir noch Freunde von ihm in einer Kneipe. Außer reden und den anderen beobachten passierte nix. Als Model ist das
schon komisch, denn normalerweise gehen die Männer eher gleich zwei Schritte weiter. Trophäen einsammeln und so. Aber nix, gar nix. Nach einer Weile spürte ich plötzlich ein Knie an meinem Bein, ach du Scheiße, und nun? Irgendwie überraschte mich das, erst wartet man, nichts passiert, dann passiert’s und man ist überrascht und weiß nicht, was man tun soll. Nach einer Weile trennten sich unsere Wege und wir verabredeten uns für den nächsten Abend in einem Restaurant. Kein Kuss!
Ich hatte am folgenden Tag ein Casting und freute mich tierisch auf diesen Abend, der dann auch entsprechend enden sollte. Wir saßen am Tisch und redeten über alles, was uns gerade einfiel. Uwe kam aus einer ganz anderen Welt als ich, und das war echt spannend.
Ich bin auf einem Dorf mit 500 Einwohnern groß geworden, zwei Kneipen, ein Edeka, ein Bäcker. Meine Eltern waren zwar die Freaks dort und passten eigentlich nicht in den Ort, aber wir waren bodenständig und deshalb hat man uns auch irgendwann akzeptiert.
So, jetzt saß Natascha Wierichs aus Liedingen, 24 Jahre alt, Uwe Ochsenknecht, bekannt aus Männer, gegenüber und die Chemie passte verdammt gut. Wir fingen an zu essen und plötzlich schaute mich Uwe an und sagte: »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du einen wunderschönen Mund hast?« Ich: »Mm, nee, noch nie.« Ich merkte, da kommt jetzt noch was. Er: »Den würde ich jetzt gerne küssen.« Ich: »Und ich würde jetzt gerne weiteressen, danach kannste mich küssen.« Er: »Okay!« Innerlich sagte ich zu mir: Was redest du da, Natascha, bist du bescheuert?! Der muss ja denken, du hast sie nicht mehr alle.
Na ja, was soll’s. Ich war mit dem Essen fertig, guckte Uwe an und sagte: »Jetzt darfste mich küssen.« Der erste Kuss!
Eine Woche später bin ich dann doch mit zur Premiere gegangen. Uwe im pinkfarbenen Seidenanzug und ich im schwarzen Kleid mit einer pinkfarbenen Jacke darüber, die mir meine Mutter noch schnell genäht hatte. Es sah so abgesprochen aus mit unseren Klamotten, denn es war haargenau der gleiche Pinkton, dabei war es Zufall. Wir hatten eben die gleiche Lieblingsfarbe ...
Als ich das hörte, dachte ich: Klar, ein Mann liebt Pink, haha.
Die Premiere war spannend. Ich lernte seine Mutter kennen und tausend andere Leute aus der Filmbranche. Ich merkte als Hobbypsychologin (ich glaube, das ist irgendwie jede Frau) schnell, dass da mehr Schein als Sein ist. Jeder ist nett und dann ... blablabla. Ich nahm mir gleich vor: Du bleibst, wie du bist. Ich denke auch heute noch so: Aufpassen, vergiss nie deine Wurzeln.
Das allererste Geschenk an Uwe war dann auch etwas Besonderes, ein typisches Natascha-Geschenk: ein von mir bemaltes Gänseei und frische Nürnberger Rostbratwürstchen. Ein bisschen bescheuert hat er da schon geguckt.
Aber mal ehrlich, Gänseeier gekocht wie ein Frühstücksei sind der Hammer. Da ist viermal so viel Eigelb drin und das schmeckt so lecker. Heutzutage gibt’s die wohl gar nicht mehr, denn nirgendwo sieht man sie.
Meine Familie ist fresssüchtig, meine Mutter haben wir früher liebevoll »unseren Mülleimer« genannt. Alles, was wir nicht aufaßen, verputzte sie, getreu dem Motto: »Das kann man doch nicht liegen lassen, wär doch schade drum!« – Ja, Mama, lass es dir schmecken.
Zwei Tage später bekam ich von Uwe einen Heiratsantrag. Oh Gott, war ich baff, wir kannten uns knapp zehn Tage. Ich brauchte eigentlich noch Zeit und überlegte, ob ich dieses andere Leben überhaupt wollte. Aber wo die Liebe hinfällt … Ich entschied mich für unsere Beziehung und damit für dieses Leben in der Öffentlichkeit, ohne Wenn und Aber. Ich nahm mir vor, nie eifersüchtig zu sein und mich nie zu beschweren, wenn er zum Drehen unterwegs war. So bin ich. Wenn ich mich für etwas entscheide, dann zu 100 Prozent.
Nach zwei Wochen zog ich bei Uwe bei. Da stand ich dann mit meinen pinkfarbenen Reisetaschen auf seinem pinkfarbenen Teppich. Das zum Thema Pink, es war tatsächlich seine Lieblingsfarbe. Wir lebten von da an mitten im Großmarktviertel von München, Uwe wohnte schon ewig dort. Erdgeschoss, circa 70 Quadratmeter, vor dem Wohnzimmerfenster die Bushaltestelle, an der sich gerne Obdachlose die ganze Nacht aufhielten. Ab vier Uhr morgens donnerten die Lkws am Schlafzimmer vorbei, und wenn man im Bett lag, hörte man, ob die U-Bahn pünktlich war.
Nebenan befand sich ein italienisches Restaurant, die Küche grenzte an unser Badezimmer, das war wie Radio, denn man konnte immer hören, was gerade geordert wurde. Wenn ich mal Essen bestellte, dann machte ich das im Bad, denn eine Minute später hörte ich: »Eine Pizza Quattro Stagioni füre Natascha un e Spaghetti Vongole für Uwe, avanti, avanti.« Das war echt super.