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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

 

Für Fragen und Anregungen:
KatjaSchneidt@mvg-verlag.de

 

1. Auflage 2013

© 2013 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

 

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Redaktion: Palma Müller-Scherf, Berlin

Umschlaggestaltung: Maria Wittek, München

Umschlagabbildung: Katrin Knaf, Fotowerk Büdingen

Satz und E-Book: Grafikstudio Foerster, Belgern

 

ISBN Print 978-3-86882-262-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-460-7

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-461-4

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Vorwort

1. Kapitel Die lang ersehnte Freiheit

2. Kapitel Unerwartete Begegnungen

3. Kapitel Verraten und verkauft

4. Kapitel Nachricht von Petra

5. Kapitel Petras Flucht

6. Kapitel Gesucht und gefunden

7. Kapitel Entführungen und andere Katastrophen

8. Kapitel Alles auf Anfang

9. Kapitel In den Mühlen der Justiz

10. Kapitel Freude, Tränen und ganz viel Angst

11. Kapitel Fluchthelferin

12. Kapitel Der Kampf geht weiter

13. Kapitel Eine Wiederbegegnung

14. Kapitel Das Hilfenetzwerk

15. Kapitel Veronikas Flucht oder: nie wieder Fernsehen?

16. Kapitel Persönliche Katastrophen

17. Kapitel Gute oder schlechte Nachricht

18. Kapitel Der Kreis schließt sich

Nachwort

Danksagung

Für meinen geliebten Bruder.
In meinem Herzen lebst du weiter!

Für Ellen und ihre Kinder.
Ihr habt meine Seele berührt!

Für Liane, Josie, Iris und Gisela.
Ihr seid Kämpferinnen und ihr werdet es schaffen!

Für Jasemin, Alex, Robin, Olivia, Rüdiger und meine geliebte Mama.
Ich bin stolz auf euch!

Für alle misshandelten Frauen auf dieser Welt.
Befreit euch und lebt ein Leben ohne Angst und Gewalt.
Es gibt ein Leben »danach« und dafür lohnt es sich zu kämpfen!

Vorwort

Vor zwei Jahren ist mein Buch Gefangen in Deutschland erschienen, darin habe ich meine Erfahrungen in einer bikulturellen Partnerschaft und die während dieser Beziehung erlebte Gewalt beschrieben.

Bereits wenige Tage nach der Veröffentlichung erreichten mich erste E-Mails von Leserinnen und Lesern, die vor allem eines interessierte: wie es mir nach der Trennung von Mahmud ergangen ist und wie ich es geschafft habe, mir ein neues Leben aufzubauen, nachdem ich vor meinem gewalttätigen Partner nur mit der Kleidung, die ich am Leib trug, geflüchtet war.

Einige hundert E-Mails später war mir klar, dass es eine Fortsetzung meiner Geschichte geben muss. Die Leser hatten bei der Lektüre des ersten Buches mit mir gelitten, geweint und gehofft, und nun wollten sie wissen, ob das Ganze für mich wirklich gut ausgegangen ist.

Ich kann offen zugeben, dass mir das Schreiben von »Befreiung vom Schleier« um einiges leichter gefallen ist. Dies lag zum größten Teil daran, dass es einfach sehr viel Positives zu berichten gab, im Gegensatz zu meinem ersten Buch. Auch die Tatsache, dass Gefangen in Deutschland fast ausschließlich positive Reaktionen ausgelöst hat, machte es mir um einiges leichter, mein Leben einer breiten Öffentlichkeit mitzuteilen.

Der Erfolg von Gefangen in Deutschland war damals nicht vorherzusehen. Zwölf Wochen lang stand das Buch auf der Spiegel-Bestsellerliste. Ich war die erste Frau, die ein Buch über ihre bikulturelle Partnerschaft geschrieben hatte, das ausschließlich in Deutschland spielte. Anders als viele ähnlich betroffene Frauen war ich meinem Partner nicht ins Ausland gefolgt. Ich erlebte meinen Albtraum mitten in Deutschland, in der so oft zitierten Parallelgesellschaft.

Viele meinten damals, mich vor einer Veröffentlichung warnen zu müssen, sie vermuteten, dass ich den Zorn einiger in Deutschland lebender Ausländer auf mich ziehen würde. Auch die meisten Muslime würden von meinem Buch kaum begeistert sein, und ich sollte mit dem Schlimmsten, wenn nicht gar mit Morddrohungen rechnen.

Eine Zeit lang habe ich mir darüber wirklich viele Gedanken gemacht. Was wäre, wenn die Menschen mein Buch nicht als das verstehen würden, was es für mich war: das Erzählen meiner persönlichen Geschichte! Was wäre, wenn die Leser und – viel schlimmer – all die, die das Buch vielleicht gar nicht lesen, sondern nur auf Stimmungsmache aus sind, mich in einen Topf werfen mit jenen, die gegen hier lebende Ausländer und Muslime hetzen.

Heute kann ich sagen, dass diese Warnungen und Befürchtungen nicht eingetreten sind, was mich definitiv stolz macht. Es kam sogar anders: Zahlreiche ausländische Mitbürger und Muslime haben mir geschrieben und sich bei mir bedankt, dass ich trotz meiner schlimmen Erlebnisse so differenziert mit meiner Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen bin.

Wer Gefangen in Deutschland gelesen hat, wusste, worum es mir ging und was mein Ziel ist: die Bekämpfung von häuslicher Gewalt und die Toleranz zwischen den Kulturen und Religionen.

Dennoch ist es so, dass es bei Paaren mit unterschiedlicher kultureller Herkunft häufiger zu Problemen kommt. Dies belegen zahlreiche Statistiken. Der Alltag eines solches Paares erfordert viele Kompromisse, und beide müssen diese zu schließen bereit sein. Das ist nicht immer einfach und darin liegt das Konfliktpotenzial.

Die Anzahl bikultureller Partnerschaften hat sich seit den Achtzigerjahren mehr als verdoppelt, entsprechend mehr Partnerschaften gibt es, die nicht funktionieren und nicht selten ein von Gewalt geprägtes Ende finden, worüber wiederum die Medien berichten. Dies lässt dann den Eindruck entstehen, dass ausländische Männer besonders gewalttätig sind. Und wenn sie auch noch dem Islam angehören, ist das Bild vom gewalttätigen Moslem perfekt.

Ich will nichts verharmlosen, auch nicht die Probleme, die ganz offensichtlich vorhanden sind, aber mein Bestreben ist es nicht, einzelne Bevölkerungsgruppen mit einem Etikett zu versehen und in eine Schublade zu stecken. Ich habe meine eigenen Erfahrungen gemacht. Ich durfte ebenso erleben, dass Muslime friedfertige Menschen sind, die weder mit Zwangshochzeiten noch mit Ehrenmorden zu tun haben. Diese Rituale schreibe ich den Menschen zu, die den Wandel der Zeit verpasst haben, die aus Rückständigkeit unsere Gesellschaft ablehnen, die an total veralteten Traditionen festhalten und die Religion als eine Art Deckmantel benutzen, um sich und ihr Tun zu rechtfertigen.

Obwohl auch in Mahmuds Familie alle dem muslimischen Glauben angehörten, bestand ihre einzige religiöse Handlung darin, kein Schweinefleisch zu essen. Alkohol, Ehebruch und Glücksspiel waren bei den Männern der Familie an der Tagesordnung. Alles Dinge, die im Islam verboten sind. Trotzdem mussten die Frauen der Familie Kopftuch tragen und sich komplett verhüllen. Auf die Frage, warum, erhielt man die Antwort: weil es im Koran so verlangt wird und es sich für eine anständige Muslima so gehört. Ich musste mich zwar auch diesen Geboten unterwerfen, aber ich war zu keinem Zeitpunkt eine Muslima!

Das Einzige, was mir wirklich Sorge bereitet, ist, dass mittlerweile so viele deutsche Frauen unter ein Kopftuch gezwungen werden. Ich spreche nicht von den vielen Frauen, die inzwischen reihenweise freiwillig zum Islam konvertieren. Nein, ich meine die Frauen, die genauso gewaltsam dazu gezwungen werden wie ich einst.

Fast kommt es mir so vor, als ob dies zu einer Art Modeerscheinung geworden ist. Als ob diese Männer ihrem Umfeld beweisen wollen, wie gut sie ihre deutsche Freundin oder Frau im Griff haben. Das besorgt mich und ich werde dies weiterhin beobachten!

Ich möchte die Veröffentlichung meiner Erfahrungen mit einem türkischen Partner nicht als Warnung vor bikulturellen Partnerschaften verstanden wissen, aber ich möchte Menschen für dieses Thema sensibilisieren.

Wer eine bikulturelle Partnerschaft eingeht, sollte gleich zu Anfang seine persönliche Schmerzgrenze definieren und offen darüber reden, wie weit er bereit ist, sich den Traditionen und der Kultur seines Partners anzupassen. Dies ist in jedem Fall hilfreich und erspart eventuell unangenehme Überraschungen in der Partnerschaft. Dass ich diese Grenzen in meiner Beziehung zu Mahmud nicht gleich gesetzt habe, ist das Einzige, was ich mir auch heute noch vor­werfe.

Vielleicht können meine eigene Erfahrung und der offene Umgang damit ja dazu beitragen, dass anderen ähnlich bittere Erlebnisse erspart bleiben.

Eines sollten wir aber nie vergessen: Gewalt und Konflikte gibt es in jeder Nationalität, jeder Kultur und in jeder Religion.

1. Kapitel

Die lang ersehnte Freiheit

Immer noch völlig übermüdet und wie gerädert, erwachte ich am Morgen in meinem ehemaligen Kinderzimmer bei meiner Mutter.

Während ich mich langsam streckte, um die bleierne Müdigkeit aus meinem Körper zu bekommen, ließ ich noch einmal die Ereignisse der letzten 24 Stunden Revue passieren.

Schlagartig war ich wach!

Ich hatte es geschafft. Ich hatte es wirklich geschafft!

Nach fast vier Jahren Gewalt, Schlägen und Unterdrückung, die mir durch meinen türkischen Exfreund Mahmud zuteilwurden, war mir am Vortag endlich die Flucht aus dieser Hölle geglückt.

Meine Gedanken wanderten zurück zu dem Tag vor fast vier Jahren, als ich Mahmud in der kleinen Gaststätte, in der ich damals gelegentlich jobbte, um mein Ausbildungsgehalt aufzubessern, kennenlernte. Von Anfang an hatten es mir seine großen dunklen Augen und sein verantwortungsbewusstes Wesen angetan. Beziehungsweise dachte ich am Anfang, es wäre sein Verantwortungsbewusstsein, wenn er sich offensichtlich ständig Sorgen um mich machte und genau wissen wollte, wohin ich ging und mit wem ich mich traf.

Zunächst fühlte ich mich geschmeichelt und dachte, dass Mahmud mich sehr lieben müsse.

Hals über Kopf verliebte ich mich in den gut aussehenden jungen Türken.

Bald wurde mir aber klar, dass ich Fürsorge mit Kontrolle verwechselt hatte. Mahmud verbot mir fast alles, was mich mit anderen Menschen in Kontakt bringen konnte.

Nach einiger Zeit bestand mein komplettes soziales Umfeld nur noch aus Mitgliedern von Mahmuds türkischer Großfamilie und Verbote bestimmten meinen Tagesablauf. Bald durfte ich die Wohnung nur noch mit Mahmuds Erlaubnis verlassen, musste ein Kopftuch tragen und die türkische Sprache erlernen. Den Kontakt zu meinen deutschen Freunden bekam ich verboten. Selbst so harmlose Dinge wie der Besuch eines Schwimmbads oder Cafés waren mir plötzlich unmöglich geworden.

Es war nur eine Frage der Zeit und er wurde mir gegenüber auch gewalttätig. In Mahmuds Familie war es normal, dass die Frauen schon für kleinste Verstöße gegen die für sie geltenden Regeln misshandelt und geschlagen wurden. Da bildete ich dann keine Ausnahme.

Für mich war das ganz klar das Ende der Beziehung. Trotzdem sollte es noch mehr als drei lange und sehr qualvolle Jahre dauern, bis ich es schaffen würde, meinem Peiniger zu entkommen.

Bei einem früheren Fluchtversuch hatte es keinen Tag gedauert, bis er mich gefunden und zurück nach Hause gebracht hatte.

Seine Warnung damals lautete: »Solltest du noch einmal flüchten, werde ich dich wieder finden und dann werde ich dich töten«, sie klang mir noch lange in den Ohren.

Keine Sekunde zweifelte ich daran, dass er seine Androhung auch in die Tat umsetzen würde. Gestern endlich war mir der Zufall zu Hilfe gekommen und ich hatte all meinen Mut zusammengenommen und war zu meiner Mutter geflüchtet.

Dem vorausgegangen war ein furchtbarer Streit mit Mahmuds Schwägerin, der in einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen uns beiden endete. Anschließend war das Familiengericht zusammengekommen, vor dem ich mich zu rechtfertigen hatte. Das erste Mal in all den Jahren hatte ich die Kraft, gegen Mahmud aufzubegehren. Damit er sein Gesicht vor der Familie nicht verlor, hatte er mich kurzerhand aus der Wohnung geworfen. Ich ergriff meine Chance, setzte mich in mein Auto und schaffte es trotz meines völlig aufgelösten Zustands, zu meiner Mutter zu fahren.

Ein paar Stunden später rief er mich dort an und forderte mich auf, umgehend wieder nach Hause zu kommen. Für den Fall, dass ich seinen Anordnungen nicht Folge leisten würde, drohte er mir furchtbare Konsequenzen an. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie diese Konsequenzen letztlich für mich aussehen würden, aber eines war klar: Leere Drohungen sprach Mahmud nicht aus!

Als mir meine Situation wieder bewusst wurde, räkelte ich mich ein letztes Mal, bevor ich entschlossen die Bettdecke zurückschlug und mit einem Satz aus dem Bett sprang.

Ich wusste, es würde nicht lange dauern und Mahmud würde bei meiner Mutter vor der Tür stehen. Ich hatte keine Zeit zu verlieren und musste nun unbedingt gemeinsam mit meiner Mutter einen Fluchtplan entwerfen.

Hastig schlüpfte ich in meine Kleidung und eilte die Treppe hinunter.

Kaffee stand schon in der Küche bereit, und nachdem ich mir eine Tasse genommen hatte, suchte ich nach meiner Mutter. Ich entdeckte sie schließlich im Garten, wo sie gerade dabei war, ihre geliebten Blumen zu gießen.

Wir setzten uns auf die Terrasse. An den Schatten um ihre Augen herum konnte ich unschwer erkennen, dass sie eine schlaflose Nacht gehabt haben musste. Darüber hinaus zierte eine tiefe Sorgenfalte ihre Stirn.

»Du wirst hier erst einmal nicht bleiben können«, eröffnete sie den unangenehmen Teil unseres Gesprächs, nachdem sie mich gefragt hatte, ob ich mich ein wenig ausgeruht hätte.

»Ich weiß, Mama. Spätestens heute Nachmittag wird Mahmud hier vor der Tür stehen und nach mir suchen.«

Alleine vor dieser Vorstellung graute es mir so sehr, dass meine Hand gewaltig zu zittern begann, als ich gerade meine Kaffeetasse zum Mund führen wollte. Auch meiner Mutter blieb das nicht verborgen.

Liebevoll strich sie mir durchs Haar. »Wir werden eine Lösung finden«, versprach sie mir mit fester Stimme.

Einige Stunden später befand ich mich mit meinem Auto bereits auf der Autobahn in Richtung Süden. Nach ein paar Telefonaten stand fest, dass ich zunächst für ein paar Tage bei einer Bekannten meiner Eltern unterkommen konnte.

Mir war das zwar sehr unangenehm, weil ich diese Frau kaum kannte, aber letztlich war mir alles lieber, als von Mahmud gefunden zu werden und zurück in diesen Albtraum zu müssen.

Sigrid, so hieß die Bekannte, hatte ich bislang nur wenige Male bei meinen Eltern gesehen. Ihr Empfang war jedoch äußerst herzlich und ich fühlte mich gar nicht als Fremde, sondern auf Anhieb wohl bei ihr.

Fast vier Wochen verbrachte ich dort. In dieser Zeit telefonierte ich täglich mit meiner Mutter und ab und zu auch mit meinem Bruder Ralf. Ihm war es in der Zwischenzeit sogar gelungen, mit ein paar Freunden zu Mahmud zu fahren und einige meiner Kleidungsstücke aus der Wohnung zu holen. Er wollte mir damit eine Freude machen und war sich offensichtlich gar nicht der Gefahr bewusst, in die er sich und seine Freunde gebracht hatte.

Dass ich mich kein bisschen über die zurückeroberten Klamotten freute, behielt ich jedoch für mich. Ich wollte meinen Bruder nicht enttäuschen, er konnte ja nicht wissen, welcher Zwang für mich damit verbunden war.

In den letzten Jahren hatte ich nur lange Röcke und langärmelige Blusen tragen dürfen, deshalb legte ich auf diese Kleidungsstücke nun absolut keinen Wert mehr.

Meine Mutter hatte mir etwas Bargeld mitgegeben und so war ich längst mit Sigrid zusammen auf Shoppingtour gewesen und hatte mich komplett neu eingekleidet. Es machte mir einen höllischen Spaß, Miniröcke, Tops und Shirts anzuprobieren.

Am Anfang war es mehr als ungewohnt für mich und ich hatte das Gefühl, eine Fremde im Spiegel anzuschauen, aber diese Empfindung wich schnell einer unbändigen Freude darüber, dass ich nun wieder selbst bestimmen konnte, wie ich mich kleidete.

Meine neue Lebensfreude wurde nur durch die Erzählungen meiner Mutter getrübt. Mahmud veranstaltete den reinsten Telefonterror und mindestens dreimal die Woche stand er bei meiner Mutter vor der Tür. Da sie kein Aufsehen bei den Nachbarn erregen wollte, ließ sie ihn immer herein. Er jammerte ihr dann stundenlang vor, wie sehr er mich doch lieben würde und dass er sich ein Leben ohne mich nicht vorstellen könne. Wenn ich bloß zurückkommen würde, dann könne ich sehen, wie sehr er sich verändert habe. Nie mehr würde er mir auch nur ein Haar krümmen. Das schwöre er beim Leben seiner Mutter.

Wenn mir meine Mutter bei unseren abendlichen Telefonaten von diesen Schwüren erzählte, musste ich fast schmunzeln, auch wenn es eher ein bitteres Lachen war. Mahmuds arme Mama müsste längst mausetot sein, so oft hatte er während unserer Beziehung schon auf sie geschworen.

Ehrlicherweise muss ich aber auch zugeben, dass ich trotz meiner ganzen Ängste und der Freude darüber, dass mir die Flucht aus dieser Beziehung geglückt war, öfter an Mahmuds Familie denken musste, als mir lieb war. Aber ich hatte mit diesen Menschen vier Jahre meines Lebens geteilt und so waren sie eben auch ein Teil von mir geworden.

Es bereitete mir sogar gewisse Probleme, dass ich plötzlich wieder selbst über mein Leben bestimmen konnte. Denn jahrelang war mir gesagt worden, wie ich mich zu kleiden hatte, was ich essen und wann ich die Wohnung verlassen und zu welchen Menschen ich Kontakt haben durfte. Keine Entscheidung, die mein Leben betraf, hatte ich in dieser Zeit allein treffen dürfen.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. In diesem scheinbar so platten Ausspruch liegt sehr viel Wahrheit. Das sollte ich nun am eigenen Leib spüren.

Die einfachsten Dinge machten mir zu schaffen und lösten eine große Unsicherheit in mir aus. Von der toughen und lebenslustigen Frau, die ich einst gewesen war, war dank Mahmud nicht viel übrig geblieben. Aber ich würde mir meine Unabhängigkeit zurückerobern. So viel war klar!