Über dieses Buch

Maler, die ohne Pinsel streichen, Lichtschalter, bei deren Betätigung das Garagentor hochfährt, oder Telefonleitungen, die im Garten enden: Wer baut, erlebt Dinge, die so unvorstellbar sind, dass der Begriff Wahnsinn völlig neu definiert werden muss. Auch Ralf Schmitz hat diesen Irrsinn erlebt. Doch wer denkt, die lebendig gewordene Starkstrombatterie auf zwei Beinen habe bei den Umbauarbeiten seinen unvergleichlichen Humor verloren, der irrt gewaltig. In seinem neuen Buch taucht er mit uns ein in die herrlich verrückte Parallelwelt der Heim- und Handwerker. Am Ende weiß er: »Das Leben ist eine Baustelle«, »Nach fest kommt ab« – und »Den Rest bringt der Putz!«.

Über den Autor

Ralf Schmitz, Jahrgang 1974, ist mehrfach ausgezeichneter Comedian und Schauspieler. Bekannt aus den erfolgreichen TV-Serien Die Dreisten Drei, Schillerstraße und Genial Daneben überzeugte er auch mit eigenen Formaten wie Schmitz komm raus! oder der Ausstrahlung seiner Live-Programme Verschmitzt und Schmitzophren. Als Zwerg Sunny brillierte er in den beiden preisgekrönten Kinoerfolgen Sieben Zwerge mit Otto Waalkes, die über 7 Millionen Zuschauer begeisterten. In den Kinofilmen Die Konferenz der Tiere, Kung Fu Panda oder auch Ab durch die Hecke lieh er den tierischen Hauptdarstellern seine Stimme und sang sich mit dem Kinderlied Shaun das Schaf an die Spitze der Download- Charts. Ralf Schmitz ist regelmäßiger Gast in TV-Shows und füllt mit über 100 Gastspielen im Jahr die großen Hallen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mit seinen beiden Bücher Schmitz‘ Katze und Schmitz‘ Mama stand er monatelang auf der Spiegel-Beststeller-Liste.

www.schmitz.tv

Ralf Schmitz

SCHMITZ‘
HÄUSCHEN

Wer Handwerker hat, braucht keine Feinde mehr

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BASTEI ENTERTAINMENT

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Wer nicht wagt, der gewinnt – oder so
  3. Haus to go
  4. Knusper, knusper, knäuschen
  5. Passierschein A38
  6. Klug geplant ist halb zerronnen
  7. Liebes Tagebuch (Teil 1)
  8. Operation Wohnsitzwechsel
  9. »Ich verstehe das nicht«
  10. Ein Bohrer ist ein Bohrer ist ein Bohrer …
  11. Warten auf Godot
  12. Stillleben
  13. Ich sehe was, was du nicht siehst
  14. Die 7 Handwerker
  15. Privatsphäre interruptus
  16. Nach ganz fest kommt ganz lose
  17. Aller guten Dinge sind zwölf
  18. Expeditionen ins Marktreich
  19. Selbst ist der Dumme
  20. Handwerker-Knigge
  21. Die besten Handwerkerlügen
  22. Was Handwerker wirklich denken
  23. Immer lekker perfect
  24. Unheilbar
  25. Der Verschlimmbesserer
  26. Drive Baumarkt
  27. Baumarktholiker
  28. Sexer Dübel
  29. Wir werden sie nie wieder los
  30. Gehirnwäsche
  31. Top Ten der lustigsten Handwerkerkatastrophen
  32. Der Anruf
  33. Dunkle Seiten
  34. Liebes Tagebuch (Teil 2)
  35. Ende gut. Tut gut.
  36. Schlusswort
  37. Gebrauchsanweisung kompakt
    1. Der große Test: Wie verhalte ich mich beim Umbauen richtig?
    2. Regelkatalog für den richtigen Umgang mit Handwerkern
    3. Letzte Tipps für Betroffene
  38. Kleines Fotoalbum zum Schluss

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

bestimmt wissen Sie, mit welch unfassbaren Schwierigkeiten man bei Renovierungs- oder Umbauarbeiten zuweilen zurechtkommen muss. Entweder weil Freunde Ihnen davon erzählt haben. Oder, viel schlimmer, weil Sie all diese Probleme und Verzögerungen, diese mittleren bis ausgewachsenen Katastrophen selbst erlebt haben. Dieses Buch wird Ihnen helfen, die Sache mit Humor zu nehmen. Tragen Sie den Spaß und ein Lächeln wie einen Schild vor sich her, und alles wird am Ende gut. Denn die beste Waffe ist immer noch das Lachen!

Damit Sie den Wettkampf um Ihr perfektes Heim gewinnen, lasse ich Sie teilhaben an meiner ganz persönlichen Haus-Olympiade. Mit Eröffnungsfeier, unterschiedlichsten Disziplinen, Rekorden, Fouls und Medaillen.

Getreu dem Motto: Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Als meine Freunde mir hin und wieder von ihren Umbauarbeiten erzählt haben, habe ich blöderweise immer nicht richtig zugehört und die Sachlage völlig unterschätzt. Es betraf mich ja nicht. Außerdem hätte ich mir nicht mal im Traum vorstellen können, irgendwann selbst in die Situation zu kommen, ein Haus zu renovieren. Die kostbaren Ratschläge plätscherten also bloß als amüsante Anekdoten knapp an meinem Bewusstsein vorbei, wie ein entfernter, rauschender Fluss, den ich irgendwann mal überqueren muss. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht müsste ich ja nie auf die andere Seite. Und selbst wenn: Dann könnte ich mich ja immer noch entscheiden, ob ich mich tatsächlich der wilden Natur stelle oder doch lieber weiterhin im Freibad Chloraugen bekomme.

Leider ist das völliger Quatsch. Sie entscheiden gar nichts. Es trifft Sie wie ein Hammerschlag.

Nach den Begegnungen mit den außerirdischen Besatzern aus der »Handwerker«-Galaxie ähnelt das, was Sie bis dahin für Schwierigkeiten gehalten haben, einem Kaffeekränzchen mit Hello Kitty und dem Dalai Lama.

Ich gebe zu, dass ich wohl besonders großes Pech mit der Auswahl meiner Mitstreiter hatte. Sicherlich wird es zahlreiche Fälle geben, in denen es deutlich besser lief und die Kompetenz der Fachkräfte hervorragend war. Aber seien wir doch froh, dass ich mit der Zeit einen so weiten Erfahrungshorizont gewonnen habe, dass man ihn schon nicht mehr sehen kann. Somit ist sicher für jeden etwas dabei. Und wenn weniger passiert wäre, worüber hätte ich denn dann schreiben sollen?

Kleiner Vorgeschmack gefällig? Sehr gern.

Über den gesamten Umbauprozess hinweg unterbrachen mich beim Schreiben unter anderem auch dieses Buches immer wieder Klopfgeräusche. Die kamen nicht etwa aus einem eingestürzten Braunkohlestollen unter der Küche, sondern mal aus dem Abstellraum nebenan, aus der Zwischendecke über mir oder auch bisweilen von der noch nicht vorhandenen Tür zu meinem Arbeitszimmer …

»Entschuldigen Sie, Herr Schmitz, ’ne kuchze Frare. Soll der Softversiegelungsantitropfauslass jetzt montiert werden, oder wollen Se den doch nisch haben?«

»Kommen Sie doch rein … Moment, Sie sind doch heute nur deswegen gekommen, oder werfe ich da was durcheinander?«

»Nä, nä. Datt schtimmt. Isch wollt nur sischerheitshalber noch mal fraren.«

Kurzes, ohnmächtiges Schweigen meinerseits. Dann entgegnete ich: »Äh, ich schlage mal was Verrücktes vor: Wie wäre es denn, wenn Sie heute das machen, wofür Sie hergekommen sind!?«

»Alles klar, Herr Schmitz. Mache mer so.«

»Wunderbar.«

»Noch kuchz …«

»Ja …?«

»Wenn mer fechtisch sind …?«

»Ja?«

»Solle mer dann aufhören?«

Falls Sie während meines kleinen Beispiels gerade schon ein paar Mal zwanghaft nicken mussten und dazu immer wieder »Genau … genau …« gehaucht haben, dann werden alle folgenden Seiten Balsam für Ihre geschundene Seele sein. Brechen Sie ruhig in erlösende Tränen aus!

Alle anderen verstehen dieses Buch bitte als intensiven Hinweis, amüsieren sich sehr gerne auf Kosten der anderen und machen es bei ihrer Renovierung irgendwann besser.

Ob Sie nun schon in der Hölle drinstecken oder sie noch vor sich haben, hier ein wertvoller Ratschlag:

Laufen Sie!

Falls Sie das Ruder noch herumreißen können: Bauen Sie nicht um! Erneuern Sie nichts! Stoppen Sie die Arbeiten!

Ziehen Sie doch in eine Plattenbausiedlung, in eine Bretterhütte im Wald oder zur Oma. Verrammeln Sie die Türen, lassen Sie niemanden herein. Auch wenn die Wandfarbe Sie erblinden lässt, der Geruch aus dem Duschabfluss Dauerbrechen provoziert, das durchmodernde Regenwasser an der Decke über dem Bett neue Kulturen züchtet, machen Sie nicht auf! Lassen Sie alles so. Und leben Sie! Die Alternative ist grausamer.

Wenn jemand als Fliesenleger von der Firma Wolf vor der Tür steht, seine Stimme eine Oktave nach oben verstellt und Sie mit den Worten »Wir sind auch gleich wieder weg« locken will, DANN IST DAS EINE FALLE!

Falls es für all das schon zu spät ist und Sie trotzdem umbauen wollen, na ja, auch kein Problem … Sie haben ja jetzt dieses Buch! Sie werden im Verlauf der nächsten Kapitel und Seiten vermutlich kreischen, heulen, schreien, grölen, wimmern, brüllen, glücklich seufzen, lachen und knurrend die Auslegeware zerbeißen.

Und sollte Ihnen das Lachen auf Ihrer persönlichen Baustelle mal im Halse stecken bleiben, können Sie das Buch auch gerne als Schlaginstrument gebrauchen. Diese Verwendung ist in digital beherrschten Zeiten von Anfang an das wichtigste Argument für die gedruckte Version gewesen.

Und jetzt fragen Sie sich sicher: Warum zieht der Schmitz da ein, wenn doch offensichtlich noch nicht alles glanzpoliert darauf wartet, bewohnt zu werden? Und RECHT haben Sie! Auch ich habe mich jedes Mal gewundert, warum die Verrückten in den Vorabendsendungen monatelang, ach was sag ich, jahrelang in schlimmsten Baustellen hausen. Das kann man doch alles besser organisieren. Ja, das KANN man.

Wenn Ihnen aber die Handwerker hoch und heilig versprechen, mit Meisterbrief und Siegel drauf und beim Leben ihrer Mutter und Schrauben, dass die Arbeiten auf jeden Fall und hundertprozentig bis zum 1. August abgeschlossen sind, und Sie vor allem Ihre alte Wohnung zum 1. November gekündigt haben – also mit DURCHAUS ausreichendem Zeitpuffer –, DANN sitzen Sie vielleicht auch bald auf einem Umzugskarton und haben ausreichend Zeit, um ein Buch zu schreiben.

So, jetzt wird es aber Zeit, Sie endlich an dem teilhaben zu lassen, was ich in den letzten Monaten an lustigen, haarsträubenden, schrägen, teilweise unglaublichen und sogar herzallerliebsten Geschichten erlebt habe.

Sollten Sie ein zartes Gemüt besitzen, dann muss ich Sie allerdings warnen. Hören Sie jetzt besser auf zu lesen! Bringen Sie das Buch zurück, verschenken Sie es an Menschen mit Umbau-Fetisch oder zünden Sie damit Ihren Ofen an. Falls er funktioniert. Sie Feigling!

Doch bevor Sie das Feuer schüren, überlegen Sie noch mal: Falls Sie sich rüsten oder Ihr Leid teilen wollen … Falls auch bei Ihnen der Warmwasserboiler schon fünf Mal neu bestellt werden musste und die Handwerker schließlich ins Gästezimmer eingezogen sind … Falls Sie darüber lachen wollen, wenn der Ehemann oder die Ehefrau baumarktsüchtig werden oder man im Bürgeramt, bei Frau Jankowski, Abschnitt C, Schreibtisch 2 wimmernd dem Genehmigungswahnsinn erliegt … Falls Sie also für zukünftige eigene Begegnungen gewappnet sein wollen, dann holen Sie das Buch gefälligst zurück aus dem Ofen und lesen jetzt weiter!

Jetzt geht’s doch erst richtig los!

015.tif

Wer nicht wagt, der gewinnt – oder so

Seit Monaten hatte sich diese kleine fixe Idee in meinem Kopf bequem gemacht, hatte ich mich mit dem verrückten Gedanken herumgeschlagen, eine Wohnung oder ein kleines Häuschen eventuell, vielleicht, unter bestimmten Umständen käuflich zu erwerben.

Warum? Tja, irgendwann bekam ich so ein drängendes Gefühl zur Veränderung. Das geht uns doch allen hin und wieder so, oder? Okay, vielleicht müssen wir uns eingestehen, dass wir eben vollends der Konsumwelt erlegen sind – außer Tiernahrung –, und dass man sich irgendwann satt gelebt hat, an den immer gleichen lahmen Lampen, eingesessenen Sesseln, fiesen Fliesen und nahen Nachbarn … Selbst die Küche steht ja immer noch an derselben Stelle. Mann, wie langweilig. Vielleicht spüren wir aber auch in solchen Momenten, dass ein neuer Lebensabschnitt beginnt und dass dazu ein anderes Zuhause gehören soll.

Ich hatte dafür sogar ein bisschen gespart. Iiiiih … Ja, ich weiß, so spießig wollte ich eigentlich niemals werden. Deswegen habe ich auch niemandem von meinen Überlegungen erzählt. Aber die Argumente, DIE ARGUMENTE, die einem die anderen immer um die Ohren hauen … Na, Sie wissen schon: Man kann in den eigenen vier Wänden machen, was man will, die Musik so weit aufdrehen, bis das Trommelfell platzt, Erspartes vor der Inflation retten, für später vorsorgen, und so weiter und so weiter …

Alles Quatsch! Den Lautstärkeregler drehe ich höchstens einmal im Jahr bis an die Schmerzgrenze, meine Nachbarn gehen oft nach mir schlafen, und das Ersparte, nun ja, so viel zu retten gibt es da nicht. Ähem. Das alles habe ich bei meinen Überlegungen damals aber irgendwie nicht berücksichtigt. Vielleicht war ich ja auch einfach nur neugierig und wollte in diese andere Welt der Groß- und Kleingrundbesitzer hineinblinzeln.

Wie dem auch sei. Ich machte mich also auf die Suche.

Als Erstes drückte ich mir die Nase an der digitalen Auslage platt und sah mir auf Immopfadfinder√576.de und ähnlichen Seiten all die schönen, irre teuren Sachen an. Na, leck mich am beheizten Pool … Da gibt es vielleicht Paläste! Wer braucht denn so was? Wenn ich auf dem Weg zum Klo drei Mal umsteigen muss, komme ich doch immer zu spät. Und wie soll man bitteschön in vier Schlafzimmern übernachten? Muss man sich da den Wecker stellen und alle zwei Stunden Decke und Kissen raffen und ins nächste weiterziehen? Und muss man die goldenen Wasserhähne nachts abschrauben und in den Safe packen?

Schnell habe ich aber gemerkt, dass eben nicht alles Gold ist, was glänzt, und dass die Leute einem schon mal gern eine Garage für eine Villa vormachen. Hier wird geschönt, geschummelt und geschniegelt, was innen drin zusammenfällt.

Da wird dank Photoshop die an allen Ecken und Enden leckende Bruchbude mal eben schnell zum Taj Mahal. Da steht der saftig grüne Ficus vom Bobi-Baumarkt plötzlich vor der gesprungenen Glasterrassentür von Zahnarzt Winkler. Und die Mona Lisa ist von Frau Krämer kurzerhand aus dem Pariser Louvre geborgt worden, um ganz unschuldig den Schimmelfleck über der Essecke zu kaschieren.

Manchmal aber, wenn die müffelnde Ranzigkeit eines Objekts zu offensichtlich wird, nützt selbst die beste Schönfummelei nichts mehr. Und dann benebelt den Leser eine dermaßen aberwitzige, schwülstige, gehirnwaschende Objektbeschreibung, dass ich mich fragen musste, ob die Immobilienfuzzis und -fuzzines ihren eigenen Text überhaupt gelesen oder aus Versehen die Fotos vertauscht haben:

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»Leben und arbeiten im Grünen. Stilvoll und gesund.

Beeindruckendes Designobjekt in traumhafter Waldrandlage mit unverbaubarem Weitblick, individueller Architektur, schlappe 156 Fahrminuten bis zur Zivilisation. Exponierte Nordost- bzw. Südwestschieflage, klare Blickachsen nach überall. Herrliche, extrem lichtdurchflutete Räume, teils abgestufte Deckenhöhen.

Über die offene Terrasse direkter Zugang zum riesigen Garten.

Der ländlich typische Baustil wurde natürlich erhalten. Absolut und überhaupt kein Schnickschnack. Ganz wirklich.

Die Beletage auf der Rückseite des Gebäudes kann mittels einer rustikalen, leiterähnlichen Konstruktion problemlos erreicht werden.

Auf fließendes Wasser und Stromanbindung wurde mit Rücksicht auf die Erhaltung des ländlich-gediegenen Charakters natürlich verzichtet.

Ökologisch wertvoll, liefert das Haus für jeden Raum eine eigene Regenwassersammelstation, mitten im Zimmer.

Öffentliche Verkehrsmittel vorhanden (in ca. 20 Jahren).

Kindergärten und Schulen sind mittels Flugzeug schnell erreichbar.

Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.«

Oder hier ein kleiner Auszug aus einem anderen Inserat:

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»… verfügt über topmoderne Ausstattung und bodentiefe Fenster …«

Noch ein Fundstück? Sehr gern. Bitte schön:

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»… große romantische Schlaflandschaft im voll ausgebauten Dachboden …«

Eins noch:

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»… im Preis inbegriffen ist natürlich auch die Einbauküche Ihrer Träume.«

Doch noch eins:

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»… alles, was Ihr Herz begehrt. Hier werden keine Wünsche offengelassen.«

Und weil es so schön ist:

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»Verkehrsgünstige Lage … Schnellstraße in der Nähe …«

Wenn man einmal angefangen hat … hier, schauen Sie mal:

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»Appartement mit modern integriertem Bad …«

(Mit kleinem Suchbild: Finde die Toilette!)

Scheint in Mode zu kommen:

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»Hier kriegt der Begriff ›Wohnküche‹ eine völlig neue Bedeutung …«

So, danach ist aber wirklich Schluss:

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»… Sie müssen bis an Ihr Lebensende nie wieder umziehen. Versprochen!«

Aber jetzt:

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»Das ideale Anwesen für Raucher …«

All diese tollen Angebote waren natürlich ganz offensichtlich unglaublich verlockend. Aber auch wenn Sie mir das jetzt nicht glauben wollen, irgendwie schien es trotzdem schwierig, das Richtige herauszupicken. Ich verstehe natürlich, dass Sie mein Zögern bei den ganzen Sensationsofferten nicht ganz nachvollziehen können, dennoch muss man leider sagen, dass nur eine Handvoll Sahnestückchen übrig blieb.

Einmal ins Wunderland und zurück bitte

Nachdem es anscheinend gar nicht so leicht war, das eigene Traumhäuschen zu finden, durchstöberten meine Freundin, die bereits richtig Feuer gefangen hatte, und ich immer sonntags, wenn sie bei mir war, das Internet und die Zeitungsinserate. Eigentlich hatte ich ja gar nicht richtig vor umzuziehen, aber wie die Frauen eben so sind (kleine Klischeekeule!), ließ sie nicht locker und trieb mich an. Sie wollte mit aussuchen, mitreden, vorschlagen, angucken, entscheiden, aber erst mal nicht mit einziehen. Aha! Ihre süße, alte, eigene Mädchen-Eigentumswohnung musste erst noch ein bisschen abgewohnt und genossen werden. Richtig so. Eigenständig, emanzipiert und entspannt wie wir waren, ließen wir den Dingen ihren natürlichen Lauf.

Ich muss zugeben, dass wir eine Zeit lang sehr großen Spaß daran hatten, all die Anzeigen zu durchforsten. Wie eine kleine Schatzsuche fühlte sich das an. Und träumen wird ja wohl erlaubt sein!

Nachdem eines Tages Langweiliges von Spannendem getrennt war, mussten die kostbaren und teilweise irren Fundstücke natürlich schnell besichtigt werden. Meine Immobilienberaterfreundin und ich stopften also alle Besichtigungstermine in einen Tag, packten Proviant ein und freuten uns tierisch auf unsere kleine Schnitzeljagd und Schatzsuche, auf unsere vielleicht sogar gefährliche Safari durch fremde Büsche, Steppen und Vorgärten mit all den wilden bis bedrohlichen Eigenheimbesitzern, Fabelwesen und Hobbits. Es wurde ein toller Ausflug in die Vorort- und Großstadtgalaxien, die nie ein Mensch zuvor gesehen hatte.

Die eiserne Lady

Bei der ersten Wohnung öffnete uns eine unglaublich lieb aussehende ältere Dame. Kaum hatten wir den Flur betreten, bot sie uns auch schon selbstgebackene Plätzchen an. Das war ein wenig früh, aber sehr freundlich. Und weil wir beim ersten Kennenlernen noch nicht einschätzen konnten, ob wir uns vielleicht später in dieses potenzielle Traumheim verlieben würden, nahmen wir die nette Einladung natürlich an. Im Hinterkopf rechnete ich die nächste Wegstrecke noch einmal nach und biss in den ersten Keks.

Diesen täuschend echt wirkenden Brocken Spritzgebäck hatte die süße Oma ganz sicher aus Epoxidharz gebacken. Er war steinhart, knochentrocken und mindestens so alt wie die Besitzerin selbst. Es war vollkommen unmöglich, diesen Steinklumpen in die Knie zu lutschen, geschweige denn zu zerbeißen. Dagegen wäre es absolut möglich gewesen, das Plätzchen als Puck beim Eishockey einzusetzen. Dennoch gab ich mein Bestes, weil ich die ältere Dame natürlich nicht vor den Kopf stoßen wollte.

Als wir nach unserem kurzen »Schlimmbiss« dann unseren Besichtigungs-Rundgang starteten, verschlug uns der Zustand der Wohnung geradewegs den Atem. Wir mussten, als wir die Wohnung betreten hatten, irgendwie versehentlich durch eine Zeitmaschine geflutscht sein. Nicht nur, dass Küche und Möbel schon seit über hundert Jahren nicht mehr hergestellt wurden –meine Freundin fand das auch noch toll –, nein: Die Fenster waren einfach verglast. Die Heizung rappelte oder war, wie in der »guten Stube«, überhaupt nicht vorhanden. Diverse große Rohre lagen über Putz, aus dem Klo roch es nach totem Wellensittich. Und Steckdosen gab es in jedem Raum absolut ausreichend. Nämlich eine. Da kam man dann wenigstens nicht durcheinander. Im Bad war ausnahmsweise eine weitere vorhanden, direkt über der Kupfer-Badewanne. Das hatte auch Vorteile. So war man für einen eventuellen Suizid per Fön bereits bestens vorbereitet.

Meine Freundin und ich vermuteten, dass die alte Dame ganz genau wusste, dass sie nicht gerade ein Schmuckstück zum Verkauf anbot, und sich einen kleinen Spaß daraus machte, uns bei unserem höflichkeitsverkrampften Dauerlächeln zu beobachten.

»Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«, fragte sie.

Durch die Backwerkattacke vorbelastet, wollte ich natürlich reflexartig ablehnen. Allerdings hielt mich meine Freundin zurück. Den Zweikomponenten-Keks waren wir beide ja immer noch nicht losgeworden. Unauffällig schob ich den Klumpen von einer Wange in die andere. Ihn zu zerbeißen wollte ich nicht noch einmal riskieren. Für meine Dritten war es echt noch zu früh.

Das Ding musste also irgendwie anderweitig entsorgt werden. Sich auf die Toilette zu empfehlen schied aus, weil man sich bei dem Geruch aus der Schüssel zwar praktischerweise übergeben, die Geräuschkulisse uns aber verraten hätte. Verstecken konnte man den Mehldiamanten auch nirgends, die nette Rentnerin hätte ihn ja irgendwann gefunden. Und das wollten wir ihr natürlich nicht antun. Schlussendlich blieb uns also nichts anderes übrig, als die Tasse Kaffee dankend anzunehmen, um die Blockade hinunterzuspülen.

Der Kaffee war dann entgegen unseren Befürchtungen … noch hundert Mal schrecklicher. Kalt und dünn wäre okay gewesen: Schwarzes Wasser als Transporthilfe für die Gipskugeln zu verwenden, darin bestand ja unser Plan. Das Zeug in der Tasse aber war so brennend heiß, dass die Oma mit einem Bunsenbrenner hantiert haben musste. Außerdem konnte man das pechschwarze Gesöff gar nicht mehr als Kaffee bezeichnen. Trocken-Mokka wäre zutreffender gewesen. Wir nippten also nur kurz, nachdem die Temperatur unter den Siedepunkt von Blei gefallen war, und drückten damit unsere Keks-Melonen durch ein sich ganz sicher bald entzündendes Nadelöhr.

Verzweifelt suchten wir nach einer glaubhaften Ausrede, schnell wieder gehen zu können. Noch einen Keks würde unser Verdauungssystem sicher nicht mehr schaffen.

»Möchten Sie ein Stückchen Schokolade?« Wir entkamen der Steinzeitbude nicht so schnell, wie wir gehofft hatten. Die alte Dame ließ uns einfach nicht. Sie hatte offensichtlich den Entschluss gefasst, den netten Besuch noch ein wenig länger dazubehalten, wobei sie ganz klar auf unser schlechtes Gewissen spekulierte und darauf, dass wir eine einsame, unschuldige Oma nicht einfach so sitzen lassen würden. Sie hatte Erfolg. Ein perfider und brillanter Schachzug.

»Der Preis für die Wohnung liegt übrigens bei …«

Uns blieb die Spucke weg. Welche wir eh nicht mehr hatten, weil der Kalksandsteinkeks uns ausgesaugt hatte. Und während die Sprungfedern der Biedermeier-Couch langsam Abdrücke in unsere Hintern tätowierten, staunten wir über eine Zahl, die nicht nur sehr viel mehr Ziffern hatte als vermutet, sondern mit der gleichen Selbstverständlichkeit vorgetragen worden war, mit der Judas Jesus versicherte, dass er ihn nur noch einmal küssen wolle. Ein starkes Stück. Und damit war diesmal nicht der Keks gemeint.

»Ein Gläschen Amaretto?«

Bloß nicht. Stockbesoffen von Omma-Likör den Kaufvertrag für eine Ruine unterschreiben? Das fehlte uns noch. Unser schlechtes Gewissen hatte schlagartig ein paar Risse bekommen. Wir versuchten uns aus der Affäre zu ziehen, indem wir anführten, dass der Preis unsere Möglichkeiten vielleicht doch ein wenig überfordern würde.

»Noch ein Plätzchen?«

Wir mussten dringend da raus.

Wir verhaspelten uns in Ausflüchten, dass das Ganze ja erst mal sacken müsse, standen umständlich auf – unsere Beine waren komplett eingeschlafen, weil die Sprungfedern die Blutzufuhr abgeklemmt hatten – und arbeiteten uns Schritt für Schritt zurück zur Eingangstür.

Nach diversen sehr geschickten Versuchen der geschäftstüchtigen Lady, uns mit weiteren Wackersteinkeksen bewegungsunfähig zu füttern, mit jahrzehntelangen Verbindungen zur hiesigen Sparkasse für ein niedriges Darlehen zu ködern und am Verlassen der Wohnung zu hindern, indem sie den Schlüssel für die Tür urplötzlich nicht mehr finden konnte, standen wir schließlich völlig k.o. mitten auf der Straße irgendwo in Köln-Nippes. Und wissen Sie, was wir dachten?

Ein Königreich für einen Amaretto.

Die Kelly Family

Bei der nächsten Adresse mussten wir ans andere Ende der Stadt. Vier Zimmer, Küche, Diele, Flur und ein Fenster im Badezimmer, also Tageslicht. Jahaaa, TAGESLICHT! Das allerwichtigste Kriterium für eine Frau. Im Grunde schauten wir uns diese Wohnung nur an, weil meine Freundin alles ankreuzte, wo man sich bei Sonnenaufgang die Lippen nachziehen konnte.

Als wir klingelten, knarzte kurz die Gegensprechanlage, und eine Kinderstimme fragte:

»Wer seid ihr?«

»Wir sind die Leute, die sich eure Wohnung ansehen möchten.«

»Warum?«

»Weil wir gerne umziehen wollen.«

»Warum?«

»Äh, weil unsere alte Wohnung zu klein geworden ist.«

»Habt ihr einen Bruder bekommen?«

»Nicht direkt …«

»Ich habe einen Bruder bekommen. Leon. Der hat Mama gerade angepink…«

Mitten in dieser informativen Unterhaltung wurde dem kleinen Mann – Zurückhaltung bitte! – der Hörer aus der Hand genommen.

»Ja bitte, wer ist da?«, fragte anscheinend seine Mutter. Im Hintergrund lautes Babyschreien.

»Schmitz. Wir sind hier wegen der Wohnung.«

»Ach so, ja … schon? Dritter Stock, die Wohnung auf der linken Seite. Maja, nimmst du bitte die Finger …«

Laute Rappelgeräusche, weil die Frau wohl versuchte, den Hörer zurückzuhängen, ohne dabei hinzusehen. Da der Kontakt jeweils nur unzureichend oder zu kurz erwischt wurde, hörte man abwechselnd Stimmen und Knacken …

Krztzzzztschhhhhh »… endlich die Fing…« rrrrrzttthhhhschschsch »…us dem Mun…«

»…ose an. Was …« ssssztztztztztztztz »…enn die Leu…« rtschztztsch » …eiße. Aufmachen muss m…« rtzkrtzschhhhhh.

Der Türöffner summte. Wir fanden schon jetzt: Es war ein lustiger Tag.

Als wir aus dem Aufzug um die Ecke in den Gang zur Wohnung bogen, erblickten wir einen süßen kleinen Jungen, der bereits ungeduldig vor der Türe auf uns wartete. Aus der Wohnung drang Geschrei von mindestens drei Dutzend Kindern nach draußen. Zumindest hörte es sich so an. Da war der Teufel los. Der niedliche Fratz vor der Tür hatte eine dunkelgrüne Strumpfhose an, trug keine Schuhe oder andere lästige Kleidungsstücke, war aber mit einem Stoff-SpongeBob bewaffnet, der doppelt so groß war wie er selbst.

Eifrige Leserinnen und Leser meiner vorherigen Bücher werden nun aufhorchen und wissen, dass ich dem Thema »Strumpfhose in Kindertagen« nicht ganz vorurteilsfrei gegenüberstehe. Ein diesbezügliches Trauma musste von mir bereits sowohl in den Büchern als auch auf der Bühne verarbeitet werden. Diese Mutter war mir somit, schon bevor ich sie kennenlernte, äußerst unsympathisch.

»Habt ihr einen Bruder?«

»Nein, leider immer noch nicht.« Ich musste grinsen.

»Ich schon! Leon. Der hat Mama gerade angepinkelt. Aber das dürfen wir den Leuten für die Wohnung nicht sagen, weil die uns dann doof finden.«

»Wann kommen die denn?«

»Herrgott, woher soll ich das denn wissen.«

Da hatte wohl jemand die Reaktion von Mama aufgeschnappt und gab sie in Tonfall und Theatralik formvollendet wieder. Ich fand den Knirps toll!

»Luis, was machst du denn hier auf dem Flur?«

Seine Mutter, die uns anscheinend nach dem Öffnen der Tür gleich wieder ausgeblendet hatte, stürmte auf den Hausflur.

»Oh, Sie sind schon da. Das Chaos tut mir leid. Die Kinder …«

»Überhaupt kein Problem«, unterbrach meine Freundin sie lächelnd, »so ein Kindergeburtstag ist immer ein großes Durcheinander. So muss es doch auch sein.«

»Welcher Kindergeburtstag?«

Hups! So nett es auch gemeint gewesen war: Der Schuss ging nach hinten los.

»Aber … die …«

»Das ist kein Kindergeburtstag. Das sind alles meine Kinder. Zwei sind noch in der Schule.«

Mit meiner Freundin von damals bin ich übrigens nicht mehr zusammen.

Das war ein Scherz!

Dem Gesichtsausdruck meiner Freundin nach zu urteilen hoffte sie auf ein selbstbewusstes »Macht nichts, das denken viele zuerst« oder ein verständnisvolles »Tja, ist schon ungewöhnlich in unserer Zeit«. Aber nichts geschah. Es war einfach nur still. Inmitten des ganzen Kindergeschreis war es unglaublich still.

Ich hatte großen Spaß.

Als wir dann endlich in die Wohnung gebeten wurden, erklärte sich der allgegenwärtige Lärm noch eindrucksvoller, als wir ihn uns vorher ausgemalt hatten. Wie viele Kinder es genau waren, kann ich nicht mehr sagen. Wir haben sie damals nicht gezählt. Aber es müssen, grob geschätzt, zwischen sechs und acht gewesen sein. Oder zehn? Plus die zwei in der Schule natürlich.

Ich versuchte es auflockernd mit: »Eine Großfamilie. Toll! Jetzt weiß ich auch, warum Sie die Wohnung verkaufen wollen. Sie ziehen wieder auf Ihr Hausboot. Ha ha ha …«

Meine Freundin von damals ist übrigens nicht mehr mit mir zusammen.

Wieder ein Scherz!

Meine Anspielung auf die Kelly Family wurde irgendwie überhaupt nicht honoriert.

Und da ich nicht nur beruflich versuche, den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, wollte ich auch hier meinen kleinen Fauxpas sofort wieder ungeschehen machen und mein Ziel doch noch erreichen: »Das war nur ein Spaß. Wann kommen denn die ganzen Väter nach Hause?«

Ein entsetzter ruckartiger Blick meiner Begleitung in meine Richtung. Zugegeben, auch ich fand meinen Scherz so mittel. Und jetzt war für Frau Kelly wohl auch endgültig Schluss. In einem Affenzahn wurden wir durch die Räume geschubst. Bei jedem Blinzeln standen wir quasi schon in einem neuen Zimmer. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Besichtigung seitdem als die kürzeste aller Zeiten im Guinness-Buch steht.

Als wir nach sechs Wimpernschlägen und völlig außer Atem alles gesehen und im Abstellräumchen angekommen waren, wirkte Mama Kelly langsam wieder kooperativer. Wahrscheinlich hatte sie sich erinnert, dass sie die Wohnung ja loswerden wollte. Und wenn es denn unbedingt sein musste, dann auch an diesen seltsamen Komiker.

Aus dem Wohnzimmer bot die Sechziger-Jahre-Wohnung einen herrlichen Blick auf eine bezaubernde, grautriste Hinterhofmauer, die Fensterrahmen waren gelb überstrichen, und die Toilettenspülung hing an einer Kette. Aber ansonsten war die Wohnung auch nicht schön. Und wohl doch zu groß.

»Warum wollen Sie denn die Wohnung verkaufen?«

»Na, sieht man das nicht? Was sollen wir denn mit so viel Platz?«

Wir stutzten. Ironie oder nicht? Ich verkniff mir die ohnehin fragwürdige Pointe, dass man zwei, drei Zimmer ja noch locker untervermieten könnte.

»Quatsch. Wir platzen aus allen Nähten.«

Das Kreischen aus einem der Zimmer stieg abrupt in für Menschen nicht mehr hörbare Frequenzen. Supermama musste kurz weg.

»Macht ihr gerne Kinder?«

Dieses ungefähr vier Jahre alte Mädchen zu unseren Füßen kannten wir noch nicht. Offensichtlich war das die Zwillingsschwester von Luis. Daran gab es aufgrund der ähnlich direkten Fragetechnik keinen Zweifel.

»Oh, sehr gerne sogar, aber wir haben noch keine«, konnte ich mich nicht beherrschen und bekam einen Ellbogen in meine Seite gerammt.

»Mama und Papa auch.«

»Was du nicht sagst.«

Zweiter Ellbogenstoß.

»Warum habt ihr keine Kinder?«

Jetzt wurde es schlagartig brenzlig. Ich musste mich gar nicht zur Seite drehen, um zu wissen, dass meine Freundin mich sehr konzentriert ansah. Durch meinen Hinterkopf bohrte sich ihr Blick, begleitet von diesem süffisanten »Na, jetzt bin ich mal gespannt«-Lächeln, bis zu meiner Netzhaut auf der Vorderseite. Angesichts des in dieser Wohnung reichhaltig gedeckten Kinderbuffets war es ja nur eine Frage der Zeit gewesen, bis das Thema aufkam. Und trotzdem hatte ich es nicht kommen sehen. Männer sind manchmal wirklich doof.

»Wollt ihr denn mal Kinder haben?«

Wer ließ dieses Kind eigentlich frei herumlaufen?

Doch bevor ich antworten musste, kam Frau Kelly zurück. Ich liebte diese Frau. Schon von Anfang an. Doch!

»Wie sieht es aus? Gefällt Ihnen die Wohnung?«

»Außerordentlich! Und so viel Platz!« Dritter Ellbogenstoß. »Wie das aber immer so ist, schauen wir uns heute ziemlich viele Wohnungen und auch Häuser an. Deswegen können wir Ihnen wahrscheinlich erst morgen sagen, wofür unser Herz schlägt. Das verstehen Sie sicher. Trotzdem vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Wir melden uns.«

Gleich am nächsten Tag riefen wir bei den Waltons an, um die Wohnung abzusagen.

»Habt ihr einen Bruder bekommen?«

Da wär noch was

Die nächste Hütte, die wir uns in einem schicken Vorort von Köln anschauten, war hollywoodreif. Laut Anzeige gab es eine sensationelle Vorfahrt, endlos viele Zimmer, ein riesiges Entree, einen großen Garten, alles in toller Lage – und all das war spottbillig. WAS war hier faul? Musste man mit der hundertjährigen Besitzerin schlafen? Hatte sich in dem Haus jemand umgebracht? Stand es auf einer Erdbebenspalte? Nicht zuletzt von ausgeprägter Neugier getrieben hatten wir den Buckingham Palace mit auf unsere Liste geschrieben.

Ein steinalter, brummeliger, zusammengeschrumpelter Mann, der mich übrigens frappierend an Mister Burns von den Simpsons erinnerte, öffnete uns eine imposante doppelflügelige Pforte. Wir hatten vermutet, dass die Fotos aus der Anzeige brachial geschönt waren und uns vor Ort ein Schuhkarton mit Aussicht erwarten würde. Aber nichts dergleichen. Ganz im Gegenteil. Live wirkte alles noch viel größer, pompöser und vor allem schweineteuer. Die Eindrücke auf den Fotos waren nicht über-, eher untertrieben gewesen. Wie konnte das denn sein? War das ein soziologisches Experiment und wir die Kaninchen?

Der wortkarge Eigentümer stellte sich als überaus flinker kleiner Gnom auf splitterdünnen Beinchen heraus. Bei der Führung durch den Palast flitzte er immer ein paar Schritte voraus. Eher widerwillig zeigte er uns eine prunkvoll ausgestattete Hütte, vollgestopft mit Möbeln, die er Wladimir Putin abgekauft haben musste. Oder Ludwig XIV. Alt genug war er ja.

Er war so wieselschnell, dass wir ihn einmal sogar verloren. Ein wenig verängstigt riefen wir nach ihm und ärgerten uns, dass wir uns den Weg zum Eingang nicht gemerkt hatten. Aber wer denkt an so einem Tag schon an Brotkrumen. Dann erschraken wir, und meine Freundin schrie sogar kurz auf, als wir entdeckten, dass wir bereits eine ganze Weile neben einer krachend hässlichen Akt-Skulptur warteten, die den nackten Diktator Kim Jong-un auf Pumps zeigen sollte. Jaaa! Wirklich. Ich bleibe dabei! Und während wir uns darüber kaputtlachten, warteten wir geduldig auf die Rückkehr unseres »geliebten Führers«.

Als dieser uns ziemlich genervt wiedergefunden hatte und wir schließlich alles gesehen hatten, standen wir im letzten Zimmer in der obersten Etage, mit einem herrlichen Blick in den Garten. Bislang kein Haken, keine Falltür, keine Sexattacke weit und breit in Sicht.

»So, und das hier wird dann mein Zimmer sein.«

Ja, liebe Leserin, lieber Leser, Sie haben richtig gelesen. SEIN Zimmer. Mister Burns wollte dort wohnen bleiben. Betreutes Wohnen de luxe. Nirgendwo war diese nicht ganz unwesentliche Kleinigkeit vorher aufgetaucht oder erwähnt worden. Dann wär ja auch keiner gekommen.

»Ich stehe morgens immer um 7.15 Uhr auf, nehme zwei Scheiben Toast mit gesalzener Butter und Orangensaft. Ich bin der Erste im Bad und wünsche, nach sechs Uhr abends nicht mehr gestört zu werden.«

»Verzeihen Sie, wenn wir kurz nachfragen, aber … äh … was meinen Sie damit?«

Wir konnten es nicht glauben. Sie doch gerade auch nicht, oder?

»Wie? Ist doch wohl klar! Sie ziehen hier ein und pflegen mich, bis ich tot bin. Danach gehört das Haus Ihnen.«

Ich muss zu unserer Schande gestehen, dass wir über das Angebot von Runzelstilzchen sogar kurz nachgedacht haben … eine halbe Sekunde lang. Aber NATÜRLICH sind wir dann sofort zu der einstimmigen Meinung gelangt, dass wir den Pakt mit dem Teufelchen nicht eingehen wollten. Mal von den prunkvollen Punkten auf der Habenseite abgesehen, wussten wir doch gar nicht – mit Verlaub –, wie lange Mister Burns noch durchhielt! Was wäre, wenn es uns dereinst so erginge wie Simone mit Jopie? Was wäre, wenn auch unser Opi – wie im besten Witz, den ich dazu kenne – eines Tages die schwere Tür unseres Fünf-Sterne-Pflegeheims öffnen würde, der leibhaftige Tod draußen stünde und er uns zurief: »Ist für euch!«

Nee, nee, nicht mit uns. Außerdem entpuppte er sich ja bereits jetzt als unberechenbarer Diktator Nordkölns. Wir widerstanden also Beelzebubs Verlockungen und lehnten ab. Logisch.

Und ich könnte schwören, dass ich, als wir schon wieder im Auto saßen, von drinnen hörte, wie jemand sang: »Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rrrrrrrum…«

Kickstart und weg.

Nun, im weiteren Verlauf unseres Besichtigungstages reihte sich eine aberwitzige Begegnung nahtlos an die nächste. »Normale« Menschen gibt es eigentlich gar nicht, wie ich wieder einmal gelernt hatte. Und genau das fand ich herrlich. Denn dass eben doch nicht alles in Stereotypen abläuft, sondern die Welt bunt ist, ist doch wunderbar. Wenn mich diese ach so weise Einsicht auch keinen Schritt näher an eine schöne Wohnung oder ein nettes Häuschen brachte.

Wir besichtigten noch eine Businessbude, die so kalt und krampfhaft modern eingerichtet war, dass man unweigerlich fragen wollte, wann denn der Umzugswagen die Möbel bringt. Außerdem eine »Finca« mitten in Köln, mit einer Besitzerin, die so lilabraun getoastet war, dass sie vor den Terrakotta-Fliesen verschwand. Und schließlich und wahrhaftig trafen wir doch noch ein entspanntes Pärchen, das zu total fairen Konditionen einfach nur seine wirklich traumschöne Wohnung verkaufen wollte.

Wie langweilig. Haben wir nicht genommen.

Wussten Sie eigentlich …

dass eine 75-jährige Frau in Kürten ihr Haus abreißen lassen muss, weil das Kölner Verwaltungsgericht festgestellt hat, dass für das 1939 gebaute Haus keine Baugenehmigung vorliegt?

Haus to go

Nachdem meine Freundin und ich uns an einem einzigen Tag 333 Objekte, Projekte und Subjekte angesehen hatten, bekamen wir beide plötzlich ziemlichen Hunger. Und was lag da näher, als beim größten Schnellimbiss-Imperium mit den goldenen Bögen vorbeizufahren.

Wir standen gerade in der Warteschlange. Und da, plötzlich, fiel mir aus heiterem Himmel ein, wie man sich die ganze nervenaufreibende Sucherei nach dem idealen, dem perfekten trauten Heim ersparen könnte. Eine Idee, mit der man sich den Maklerquatsch, die Rumrennerei, das Verhandeln, Sorgen und Bedenken, eben einfach alles, schenken könnte. Natürlich habe ich meine fantastische Eingebung bereits patentieren lassen und werde damit sicher stinkreich.

Wie sie aussieht, diese geniale Idee?

Nun haben Sie doch mal ein wenig Geduld! Kommt ja schon.

In unserer konsumverwöhnten Ecke der Welt ist es normal geworden, dass wir alles immer gleich und sofort bekommen, nicht wahr? Wenn wir Lust auf Schokoladeneis mit Kirschen haben, dann gehen wir los und holen uns welches – ob vom Italiener um die Ecke oder aus der Supermarktgefriertruhe nebenan. Oder wir überfallen kurzerhand eine Tankstelle. Jedenfalls steht außer Frage, dass wir so oder so unseren Wunsch in kürzester Zeit erfüllt bekommen.

Wenn wir eine Lampe, eine Couch, ja sogar eine ganze Küche haben wollen, so müssen wir uns nicht mehr gedulden. Wir setzen uns ins Auto, fahren zu einem schwedischen Hersteller, überladen unseren Fiat 500, und abends können wir auf unserem neuen »Frooonk« ein paar Spiegeleier in die extrem günstige »Pfäääne« hauen.

Mit einem Haus geht das natürlich nicht. NOCH nicht! Ich bin mir aber sicher, dass meine Idee der nächste große Schritt sein wird. Die Art, an ein Häuschen zu kommen, wird sich radikal ändern und dem allgemeinen Konsumtrend sehr bald folgen.

Stellen wir uns doch einmal vor, wie das wäre, wenn meine Freundin und ich gar keinen Hunger bekommen hätten, sondern ein Haus hätten kaufen wollen.

Nichts leichter als das …

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»Willkommen bei McHaus. Ihre Bestellung bitte!«

»Kleinen Moment. Wir suchen noch aus. Was willst du denn, Schatz?«

»Hm, ich möchte auf jeden Fall was Grünes. Und Süßes. Alles andere ist mir egal. Und du, denk dran Schatz, reiß dich zusammen, wir haben heute Mittag bei McUrlaub schon ziemlich zugeschlagen.«

»Ja, hast ja recht. Ich will aber trotzdem was Großes. Da hab ich jetzt richtig Bock drauf. – Hören Sie? Wir wären dann so weit.«

»Alles klar. Schießen Sie los!«

»Alsoooo, wir hätten gerne … ein BigHaus-Menü mit fünf Zimmern und Pool in der Maxi-Version …«

»Muss das sein, honey?«

»Lass mich mal machen.«

»Große Version … Okay. Wir haben allerdings gerade französische Wochen. Wollen Sie vielleicht lieber ein Château?«

»Nee, nee, der französische Schnickschnack ist nicht so mein Ding.«

»Oh, dann wollen Sie vielleicht unser Spar-Menü? Sie lassen einfach den Keller oder das Badezimmer weg, dann gibt’s den Rest zum halben Preis.«

»Och nee, wenn schon, denn schon. Nein danke! Vielleicht beim nächsten Mal.«

»Kein Problem. Also bleibt es beim BigHaus-Menü, maxi … Rollläden dazu?«

»Ja, gern.«

»Für mich nicht, bitte.«

»Okay, meine Freundin möchte keine Rollläden. Lassen Sie die also bei der Küche und dem Schlafzimmer weg.«

»Du alter Chauvi!«

»Kein Problem, lassen wir weg. Garage, Kamin, elektrisches Tor?«

»Warum nicht … Beim Pool übrigens bitte die echte Version mit Chlor! Kein Sauerstoffzeug oder so, das riecht nach gar nichts.«

»Eismaschine dazu?«

»Heute nicht.«

»Kein … Eis …«

»Meine Freundin möchte noch einen Garten – die Mädchen immer mit ihrem grünen Gesundheitsfimmel.«

»Thousand-Island-, French- oder Naturdünger?«

»Was willst du, Schatz?«

»Natur bitte.«

»Natur.«

»Sag mal, Schatz, sollen wir deiner Mutter und meinem Bruder nicht auch was mitnehmen? Die wollten doch vielleicht mal vorbeikommen.«

»Hast recht. Hören Sie?«

»Ja, bitte?«

»Wir nehmen noch zwei Happy Zimmer. Das wär’s dann aber, denke ich.«

»Noch einen heißen Apfelbaum in der Schutztasche?«

»Oh ja, gern, Schatz.«

»Ja bitte, meine Freundin nimmt einen.«

»Okay. Fahren Sie dann bitte vor ans erste Fenster.«

»Oh Mann, jetzt wird’s aber auch langsam Zeit. Wie lange soll das denn noch dauern?«

»Ich hoffe, dass wir bei den ganzen Sonderwünschen nicht noch länger warten müssen als normal.«

»So, das wären dann 126 721 Euro und 99 Cent.«

»Mist, so viel Bargeld habe ich nicht dabei.«

»Kein Problem. Finanzierung oder EC-Karte?«

»Kann ich auch mit Kreditkarte bezahlen?«

»Natürlich.« Ins Mikro : »Willkommen bei McHaus. Ihre Bestellung bitte …«

»Dann bitte mit Kreditkarte. Hier, bitteschön …«

»… Sie bitte vor ans erste Fenster.« Wieder aus dem Fenster: »Gern. So, die Karte schon zurück. Vielen Dank. Hier bitte unterschreiben. Sammeln Sie Treuepunkte?«