Feuerkuss
von Dario Vandis
© Zaubermond Verlag 2014
© "Dorian Hunter – Dämonenkiller"
by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Titelbild: Mark Freier
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Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.
Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, wanderte seine Seele in den nächsten Körper. So ging es fort bis in die Gegenwart.
Dorian Hunter begreift, dass er die Wiedergeburt de Condes ist. Es ist seine Aufgabe, den Dämonen nachzustellen und sie zu vernichten.
Dorians Hauptgegner ist die Schwarze Familie, in der sich nahezu alle Dämonen, die unerkannt unter den Menschen leben, zusammengeschlossen haben. Ihr Oberhaupt Luguri, der Fürst der Finsternis, gilt als tot, und der Kampf um seine Nachfolge entbrennt.
Doch bevor sich Dorian darum kümmern kann, stößt er auf eine Bluttat, deren Spuren bis weit in die Vergangenheit reichen.
Vergangenheit, Februar 1600
Ein leises Rascheln am anderen Ende der Kerkerzelle veranlasste Giordano Bruno, abrupt den Kopf zu heben. Reglos verfolgte er den Weg der vorwitzigen Ratte, die aus einem faustgroßen Loch im Gemäuer geschlüpft war und nun ohne Hast zum Essnapf schlich, in dem die breiähnlichen Überreste des gestrigen Mahles einen elenden Gestank verbreiteten. Genussvoll machte sie sich über die verdorbene Nahrung her. Bruno hätte den Nager mit einem Tritt seiner in schmutzige Lumpen gehüllten Füße verscheuchen können. Doch er sparte die Kräfte für den Augenblick des Todes auf. Ihm schwante, dass er jedes Quäntchen davon bitter nötig haben würde. Obwohl die Vollstreckung des Urteils gleichzeitig wie eine Erlösung auf ihn wirken würde – nach vollen acht Jahren Kerkerhaft, die seinen Körper nach und nach zermürbt hatten.
Auf dem Korridor erklangen Schritte. Normalerweise gingen die Wachen an seiner Tür vorüber. Heute nicht. Selbst die Ratte hob den Kopf, als ahnte sie die nahende Gefahr. Ängstlich quiekend huschte sie zurück zum Mauerspalt. Den letzten Gang würde Bruno allein antreten müssen.
Sein Blick schweifte hinüber zur metallbeschlagenen Kerkertür. Von Schmutz und Schimmelpilz geschwärzt, zeugten unzählige Kratzer auf ihrer Oberfläche von der Angst und der Verzweiflung, die sich im Laufe der Jahrhunderte hier eingenistet hatten. Bruno hatte sich geschworen, sein Gefängnis aufrecht zu verlassen. Der Hass hielt ihn am Leben. Die heuchlerischen Würdenträger, die einst kaum eine Meile weit von hier das Urteil über ihn gesprochen hatten, suchten stets den Anschein zu erwecken, dass er nur eine unter tausend hoffnungslos verirrten Seelen war. Ein bedeutungsloser alter Ketzer, dessen Name längst vergessen wäre, hätte ihn der pure Zufall nicht für diesen Tag zur Hinrichtung bestimmt. Doch Bruno wusste, dass es anders war. Sie hatten Angst vor ihm; er spürte ihre Zweifel. Konnte es einen besseren Beweis für seine Unschuld geben?
Ein Knirschen ertönte, als der Riegel zurückgeschoben wurde. Die Tür öffnete sich, und der Lichtschein einer Fackel durchstieß die Finsternis. Giordano Bruno wandte sich geblendet ab.
»Steh auf, du Missgeburt!«, herrschte ihn der Kerkermeister an.
Im nächsten Augenblick spürte er die groben Hände an der Brust, die ihn mit einem Ruck nach oben rissen. Ein zweiter Mann griff zu und stützte ihn, damit er nicht vor Schwäche fiel.
Die beiden Wärter fassten ihn roh bei den Seiten, legten seine Arme um ihre Schultern und schleiften ihn davon. Der Weg führte sie unzählige Treppen hinauf durch ein Labyrinth verwinkelter und ineinander verschlungener Korridore, bis sie schließlich einen großen Raum erreichten, in dessen Mitte ein massiver Holztisch stand, auf den sie den Gefangenen zerrten.
»Schwer wie ein Sack Mehl ist dieser Hund!«, keuchte einer der beiden erschöpft. »Die Strolche leben besser als wir Knechte – eine Schande ist das!«
»Halt's Maul!«, fuhr ihn sein Kumpan an. »Der macht heute seine letzte Fahrt.«
Bruno achtete nicht auf seine Peiniger, sondern starrte unverwandt auf das kleine Fenster in der Wand, das den Blick hinaus auf den wolkenlosen Himmel freigab. Wann hatte er das letzte Mal die Sonne in ihrem wunderschönen Glanz gesehen? Beeindruckt von dem Ausblick, ließ er es fast ruhig geschehen, dass man ihm Arme und Beine an den Tisch fesselte und schließlich einen breiten Lederriemen um die Brust schnürte, sodass er kaum noch atmen, geschweige denn sich regen konnte.
»Die Schelle«, rief der Ältere von beiden, dem das Kommando zu obliegen schien. Der Jüngere gehorchte wortlos und nahm eine halbkugelförmige Eisenmaske von der Wand, an deren Hinterseite sich zwei verschließbare Metallstreifen befanden. Der Alte nahm das Stück entgegen, und ein tückisches Grinsen verzerrte sein Gesicht, als er die Maske öffnete und auf die zentimeterlangen Dornen wies, die von der Unterseite hin zur Mitte ragten. »Pater Nino Pirotti hat gewünscht, dass ich dein Maul stopfe. Natürlich muss ich den Befehlen eines Ordensherren Folge leisten ...«
Bruno blieb gefasst. Es durfte ihn nicht kümmern, was sie mit ihm machten. Sollten sie nur seinen Leib zerstören, wenn sie kein besseres Mittel wussten. Das Zittern seiner Hände versuchte er vor ihren Blicken zu verbergen.
»Es freut mich, dass du mir deine Erlaubnis gibst«, entgegnete der Alte spöttisch. »Das macht die Sache gleich viel leichter. Halt seinen Kopf fest, Nieri, es geht los!«
Es knackte metallisch, als er die Verriegelung der Schelle löste. Gleich darauf spürte Bruno die Maske auf der oberen Gesichtshälfte. Dann fügte Nieri sie auf Befehl des Alten am Hinterkopf zusammen. Bruno stöhnte auf, als der Schinder zu einem kräftigen Schlag ausholte. Kurz darauf betäubten ihn die einsetzenden Schmerzen schier.
»Das reicht noch nicht«, hörte er die dumpfe Stimme Nieris wie durch einen Nebelschleier.
»Sehe ich selbst, du Dummkopf«, rief der Alte und hob die Hand ein zweites Mal. Bruno drohte in Bewusstlosigkeit abzusinken. Die Dornen verursachten ihm Höllenqualen. Stiche durchpulsten seinen Gaumen, wühlten sich in seine Schläfen, während das Blut den Gaumen ausfüllte und ihm außen an den Mundwinkeln hinabrann.
»Scheint's, er erstickt gleich«, bemerkte Nieri gleichgültig, während er die zweite Verriegelung der Maske schloss. Jetzt saß sie unverrückbar fest. Der Folterknecht zuckte müde seine Achseln. Der ganze Aufwand nur, damit der Ketzer nicht mehr predigte. Dabei würde er den nächsten Morgen ohnehin nicht mehr erleben.
Der Alte drehte Brunos Kopf so, dass das Blut in einem Schwall aus seinem Mund floss und über die Tischkante auf den kalten Boden schwappte. Der leichte Stoß, den er der Maske ungewollt versetzte, brannte sich wie Feuer in den Kiefer des Gefangenen.
»Jetzt die Arm- und Beinschellen«, befahl der Alte. »Und dann hinaus mit ihm, nach unten auf den Hof. Die Brüder warten schon auf uns.«
Nieri tat wie aufgetragen, und wenige Minuten später hoben sie den stöhnenden Bruno vom Tisch herunter und stellten ihn unsanft auf die Beine. Er erlebte wie in einem Fiebertraum, dass die beiden ihn abermals an beiden Schultern packten und nach unten schleppten. Selbst die Strahlen der Vormittagssonne, die sich grell auf sein blutverschmiertes Gesicht ergossen, vermochten seinen Geist nicht zu erreichen. Blicklos starrte er auf die Abordnung der Kuttenträger, die ihn vor dem Tor des Kastells erwarteten. Die ›Bruderschaft des Heiligen Johannes des Enthaupteten‹ ließ es sich nicht nehmen, ihm auf seinem letzten Weg Geleit zu geben.
Einer von ihnen, den der Kerkermeister als Pater Nino Pirotti vorgestellt hatte, löste sich aus ihren Reihen und trat auf die beiden Knechte und den Delinquenten zu.
»Der Ketzer Giordano Bruno, Pater«, sagte der Alte ehrfürchtig, »den Mund verschlossen, ganz wie Ihr befohlen habt!«
Der Geistliche nickte und fasste nach der Eisenschelle. Der Gefangene stöhnte unterdrückt, als er das Kinn mit einer kurzen Geste anhob.
»Gute Arbeit«, erklärte Pirotti mit einem verschlagenen Lächeln. Dann wandte er sich zu den anderen um und deutete auf den bespannten Holzkarren vor dem Tor, auf dem mehrere befestigte Holzbalken sich zu einem hohen Rechteck türmten. »Schnallt ihn auf den Wagen! Die Menschen sollen erfahren, dass niemand Gottes Antlitz ein Leben lang ungestraft verhöhnen kann.« Kurz darauf wandte er sich wieder an die Knechte. »Euch beiden jedoch gebührt mein Dank.« Er fasste unter seine Kutte und förderte zwei Münzen zutage, von denen er den beiden jeweils eine in die ausgestreckte Rechte drückte. »Einen halben Dukaten für jeden. Ich denke, dass ihr damit etwas anzufangen wisst.«
Die beiden Knechte verneigten sich höflich und zogen sich anschließend in das Innere des Kastells zurück. Die Blicke aber, die sie sich beim Fortgehen zuwarfen, machten deutlich, dass sie sich mindestens das Doppelte erhofft hatten.
Pirotti wartete unterdessen darauf, dass man den Gefangenen an die Balken schnürte, und gab anschließend den Befehl zum Aufbruch. Einer der Patres trat zu dem Pferd, das vor den Karren gespannt war, griff in die Zügel und befahl dem Gaul anzutraben. Sekunden später holperte der Wagen in Schrittgeschwindigkeit zum Tor hinaus, begleitet von der Reihe Dominikaner, die den Gefangenen während keiner Sekunde seiner Überführung aus den Augen ließen.
Der Zug führte sie quer durch die belebte, morgendliche Innenstadt. Giordano Bruno ließ die Rufe der Schaulustigen ohne Regung über sich ergehen. Ihre Hetze konnte seine Schmerzen weder lindern noch verstärken. Diese Leute kannten seinen Namen nicht, genauso wenig wie den Schuldspruch, den man über ihn gefällt hatte. In Padua freilich, wo er einige Zeit an der Universität gelehrt hatte, wäre sein Gesicht den meisten ein Begriff gewesen. Giordano Bruno, der gelehrte Pater, der es gewagt hatte, das aristotelische Universum auf den Kopf zu stellen, indem er die Sonne statt der Erde zum Mittelpunkt der Welt erklärte. Dieser wiederholte Frevel ließ keine andere Reaktion zu als sofortige, ungemilderte Bestrafung.
Sein Körper wurde durchgeschüttelt, als das rechte Rad des Karrens über ein faustgroßes Loch im Straßenboden holperte. Sein Kopf ruckte herab und streifte seine Brust – das Feuer in seinem Gaumen wurde dadurch nur von Neuem angefacht. Er keuchte, als die Wunden abermals aufrissen und er das süße Blut auf seiner Zunge schmeckte. Erst jetzt bemerkte er den Pater, der zu ihm auf den Karren geklettert war und ihm ein Bild des Papstes vors Gesicht hielt.
»Gestehe deine Sünden vor dem Antlitz Clemens' VIII.!«, rief er und presste ihm das Bildnis auf die Lippen. »Bereue, und der Allmächtige wird dir all deine Irrtümer verzeihen. Gestehe! Gestehe! Gestehe!«
Das Stöhnen Brunos schien den Pater zu ermuntern. »Huldige dem Allmächtigen, indem du das Bildnis seines Stellvertreters küsst, und büße!«
Doch seine eigene Starrsinnigkeit hinderte Bruno ebenso wie die Dornen in seinem Unterkiefer, dem Befehl des Dominikaners Folge zu leisten.
»Er ist verstockt!«, rief der Pater seinen Brüdern zu. »Er weigert sich im Angesicht des Todes.« Eifrig steckte er das Bildnis des Papstes fort und holte stattdessen ein anderes hervor, auf dem die Jungfrau Maria abgebildet war. Der Teufel mochte wissen, weshalb er damit mehr Erfolg zu haben glaubte. »Küss das Bildnis – und bereue!« Wieder drückte er das Bild dem Delinquenten aufs Gesicht, sodass dieser sich mit einem Ächzen loszumachen suchte.
»Himmel hilf, er weigert sich beharrlich! Das Feuer scheint mir noch zu mild für dieses Ungeheuer!« Unter dem zustimmenden Gemurmel seiner Brüder sprang der Pater von dem Karren herab und stimmte mit ihnen einen frommen Singsang an, der den Gefangenen zermürben sollte.
Doch Bruno hörte ihre Worte kaum. Er versank erneut in Fieberträume – bis die Stimme eines Mädchens zu ihm durchdrang, das die Prozession vom Straßenrand aus neugierig betrachtete. »Wer ist der Mann? Und was hat er getan?«, erkundigte sie sich.
Der Patre Nino Pirotti warf einen abfälligen Blick hinauf zum Karren, dann antwortete er. »Ein Ketzer ist's, ein Lutheraner. Er hat schwer gesündigt und wird nun für seine Taten büßen müssen.«
Das Mädchen schrak zurück. »Ein Lutheraner? Diese Teufel sollen in der Hölle schmoren!« Sie warf Bruno einen hasserfüllten Blick zu und lief anschließend empört davon. Der Pater sah ihr spöttisch nach, und kaum einer der Schaulustigen bemerkte das Lächeln, das um seine Lippen spielte.
Eine Viertelstunde später hatten sie endlich den Campo dei Fiori erreicht, und die Patres unterbrachen ihre Litanei, um den Delinquenten loszubinden. Mit vereinten Kräften trugen sie Brunos erschlafften Leib zum Scheiterhaufen, der über Nacht in der Mitte des Platzes aufgeschichtet worden war. Hilflos musste der Gefangene mit anhören, wie die Verleumdung Pirottis unter den Umstehenden die Runde machte. »Ein Lutheraner ... ein Lutheraner«, hörte er die mitleidlosen Rufe. Abscheu zeigte sich auf den Gesichtern. Die ›Brüder des Heiligen Johannes des Enthaupteten‹ lehnten den Leib Giordano Brunos an den Pfahl, der in der Mitte des Scheiterhaufens in den Himmel ragte, und machten ihn mit Eisenketten daran fest, sodass er nicht vor Schwäche niedersinken konnte. Die Stöße gegen seine Kieferschelle entrangen ihm ein unterdrücktes Stöhnen, bis seine Blicke glasig wurden und sein Kopf vornübersackte. Nach getaner Arbeit stiegen die Brüder von dem Holz herab und reihten sich wieder in die Masse ein, um ein letztes Mal den Urteilsspruch zu hören.
Mit ernster Miene trat Pirotti vor die Masse hin, strich sich die Falten seiner Kutte glatt und nahm aus einer ihrer Taschen einen abgegriffenen Papierfetzen, den er ehrfürchtig entrollte, bevor er mit lauter Stimme zu sprechen begann. Geifer schien von den Lippen des Eiferers zu tropfen, als er tönte: »Hiermit wird der Zweifler und Ketzer Giordano Bruno der gerechten Strafe übergeben, die er durch jahrelange, gotteslästerliche Hetze selbst heraufbeschworen hat. Die Zeit der Nachsicht ist vorüber. Nun muss die Kirche reagieren, um zu verhindern, dass der Verräter sein Gespinst aus Verleumdungen und Lügen weiter ohne Einschränkung verbreiten kann. Seine Irrlehren sind wie Gift für eines Menschen Ohren, seine Worte schmerzen den Allmächtigen, der so lange Nachsicht mit ihm hatte. Sollte ich im Rückblick all die Monstrositäten durchgehen, die dieser Mensch schon in seinen Schriften und Reden verbreitet hat, ich würde damit nie zu Ende kommen. Kaum ein Irrglaube der heidnischen Philosophen und der Abtrünnigen unserer Kirche, den er nicht vertreten hat! Wir jedoch haben uns in Ausübung unserer religiösen Pflicht entschlossen, die Strafe mit größtmöglicher Milde und ohne Blutvergießen zu vollstrecken. Es soll dem Gefangenen ein letztes Mal Gelegenheit gegeben werden, seine irrigen Ansichten zu widerrufen!« Er ließ das Papier in den Falten seiner Kutte verschwinden und nahm das Holzkreuz, das er bei sich trug, in beide Hände. Mit gewichtiger Miene schritt er auf den Delinquenten zu, den die lauten Worte des Geistlichen aus seinem Fiebertraum gerissen hatten. In Brunos Augen glitzerte die Wut, die er vor so viel Niedertracht empfand. Dennoch blieb ihm nichts anderes, als die Rede des Paters stumm mit anzuhören.
»Giordano Bruno!«, rief der Kuttenträger weithin hörbar, indem er sich nun vor dem Scheiterhaufen aufbaute und dem Verurteilten fest ins Auge blickte. »Ihr habt die Allmacht unseres Schöpfers infrage gestellt, indem Ihr das primum mobile, welches nach den Worten des großen Aristoteles die Zusammenhänge unserer Welt beschreibt, als Irrtum abgetan und wiederholt geleugnet habt, dass die Sphäre der Fixsterne von einem Räderwerk betrieben wird, welches alle vierundzwanzig Stunden im Namen des Herrn neu aufgezogen wird. Stattdessen fabuliertet Ihr von anderen Welten, auf denen fremde Wesen leben, die uns an Intelligenz und Körperform womöglich ähnlich seien. Wie aber soll das gehen, da der Mensch erwiesenermaßen das Ebenbild Gottes und damit die Krone seiner Schöpfung ist?«
Bruno schloss gequält die Augen. Nicht ich, sondern ihr seid diejenigen, die an Gottes Allmacht zweifeln! Ihr könnt die Wahrheit nicht ertragen, dass er nicht allein auf euch sein Auge richtet – und dass ich als einer der Euren diese Wahrheit predigte. Doch ihm war die Möglichkeit zum Widerspruch genommen.
»Ist es nicht so«, dröhnte die Stimme des Paters wie Donnergrollen durch das weite Rund, »dass Ihr bis zuletzt die Endlichkeit des Universums angezweifelt habt? Als ob es irgendwo am Himmel Wesen gäbe, deren Macht mit der des Herrn gleichzusetzen sei!« Mit diesen Worten erklomm er den Scheiterhaufen und stellte sich vor den Verurteilten, das Kreuz ehrfürchtig vor der Brust erhoben. »Drum flehe ich Euch an, zumindest Eure Seele reinzuwaschen, bevor nun Euer irdisches Dasein endet. Zeigt Eure Demut vor dem Herrn, und wir alle wollen Eure Bitte um Verzeihung anerkennen!«
Er hob das Kreuz und hielt es Bruno vor den Mund, nicht ohne mit Abscheu auf die Mischung aus Speichel und Blut zu schauen, die dem Angeklagten über die Lippen und das Kinn hinabrann.
»Berührt das Kreuz und küsst es!«, sagte der Pater leise und beugte sich bei diesen Worten vor. »Und alles wird ein schnelles Ende haben.«
Er wollte ihm das Kreuz auf seine Lippen drücken. Doch da geschah etwas, das selbst den Gefangenen für Sekunden seinen Schmerz vergessen ließ. Als Pirotti seine Arme hob, rutschten die Ärmel seiner Kutte wenige Zentimeter nach unten und gaben den Blick auf seine Unterarme frei, die von einer grünlichen Schuppenschicht bewachsen waren. Ein Monstrum hielt sich unter dem Dominikanerkleid versteckt!
Hilfe suchend wandte Bruno seinen Blick zur Seite. Sah denn niemand, welches Ungeheuer sich da als Geistlicher getarnt hatte?
Doch da hatte Pirotti seine Ärmel bereits mit einem verlegenen Lächeln zurechtgezupft, und die Geste Giordano Brunos, der sich scheinbar von dem Kreuz in Ninos Hand abwandte, machte die Männer und Frauen in der Menge rasend. »Seht den Frevler, wie er das Kreuz verabscheut! Lasst ihn brennen! Lasst ihn büßen!«, schallte es aus hundert Mündern.
Der Dämon in der Maske eines Paters stieg herab und rief mit lauter Stimme: »Ihr habt gesehen, dass er selbst an der Schwelle zum Tod noch keine Reue zeigt. Nun denn – so bleibt mir nichts, als nun die angemessene Bestrafung für einen Übeltäter solchen Schlages zu verhängen.«
Er gab einem seiner Gefolgsleute, der bereits eine entzündete Pechfackel in der Rechten hielt, einen kurzen Wink, und dieser hielt die Flamme gehorsam an das ebenfalls mit Pech getränkte Holz des Scheiterhaufens. Giordano Bruno starrte angstvoll auf die Flammen, die sich gierig in das Holz fraßen und im Nu um seine Beine züngelten. Er warf einen letzten Blick auf seine Peiniger, deren höhnische Gesichter sich hinter dem wabernden Flammenvorhang zu dämonisch leuchtenden Fratzen verzerrten. Er wollte schreien, als er den Pater vor dem Scheiterhaufen stehen sah. Aber es war sinnlos. Niemand außer ihm hatte die Maske des Dämons durchschaut. Niemand ahnte, dass sich ein Ungeheuer unter der Respekt einflößenden Kutte des Geistlichen verbarg. Bruno krampfte die Hände zu Fäusten zusammen – in der Hoffnung, die bevorstehenden Schmerzen wenigstens mit Würde zu ertragen. Doch das Feuer war schier unerbittlich. Als es sich mit scharfen Zähnen in sein Fleisch fraß, ihm die Haut vom Körper schälte, schrie er schmerzgepeinigt auf. Nicht einmal die aufglühenden Eisendornen zwischen seinen Kieferknochen konnten verhindern, dass seine Zähne knirschend aufeinander mahlten. Die Menge wurde von dem Schauspiel in den Bann gezogen und glaubte, Brunos grauenvolles Keuchen selbst Minuten später noch zu hören, als das verbrannte Fleisch des Mannes längst wie erstarrte Asche in den Eisenschellen hing.
Schließlich gab der Mann, der sich als Pater Nino ausgab, seinen Brüdern zu verstehen, dass sie die restlichen Flammen ersticken und den Leichnam vom Scheiterhaufen holen sollten. Gehorsam lösten sie die Fesseln und warfen den Toten achtlos auf den Karren, um ihn später außerhalb der Stadt in ungeweihter Erde zu verscharren.
Das besessene Mädchen
Gegenwart, Irland
Kalte Schweißperlen glitzerten auf Janet Coughlins Stirn, sammelten sich und rannen Sturzbächen gleich ihre fiebrig geröteten Schläfen hinunter. Als sie mit fahrigen Händen über die Bettdecke strich, begann das Blut in ihren Handflächen, langsam wieder zu zirkulieren, und das sonderbare Taubheitsgefühl verschwand aus ihren Fingerspitzen. Es wich dem Schmerz, der wie ein hinterhältiger Räuber über sie herfiel und ihr die letzte Atempause stahl. Das letzte Warten.
»Mutter ...?«, wehte es schwach über ihre Lippen, während sie erschöpft ihren Oberkörper aufrichtete. Für einige Sekunden nahm die Welt um sie herum wieder Formen an. Sie erblickte die fahle, beigefarbene Decke des Raumes und die mit Büchern vollgestopften Regale an der gegenüberliegenden Zimmerwand. Vor den Bücherrücken stapelten sich Kerzenständer, Uhren und allerlei Krimskrams. Sie sammelte Uhren – aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Neben der Tür hingen Bilder, vier billige Drucke, in unscheinbare Holzrahmen gefasst. Darunter ein Schreibtisch, an dem sie früher gearbeitet hatte, und ein alter, zerschlissener Bürostuhl, der ihr zugewandt auf winzigen Plastikrollen vor der Arbeitsfläche stand und nur darauf zu warten schien, dass ihn jemand ergriff und zum Fenster hinaus auf den Sperrmüll warf.
Janets Lider senkten sich, und es kostete sie unerwartet viel Kraft, den plötzlichen Schwindel zu vertreiben. Sie horchte in sich hinein. Sie konnte ihre Mutter draußen auf der Treppe spüren. Ein eigenartiges Gefühl durchströmte sie wie eine dunkle Vorahnung; die Luft im Zimmer wurde fad und stickig. Ihre Knie begannen zu zittern, ihre Gelenke versteiften sich, denn der dämonisch giftige Geruch, der vom Körper Sarah Coughlins ausging, strömte bereits unter der Tür hindurch ins Zimmer. Gleich musste sie den Treppenabsatz erreicht haben. Janet konnte die Schmerzen der Holzbohlen fühlen, die sich unter den kalten, herzlosen Fußtritten Sarahs krümmten.
Mit einem kaum vernehmlichen Quietschen wurde die Tür aufgedrückt, und ein schmales, zerknittertes Gesicht erschien im Rahmen. Sarah war keine sehr beeindruckende Person, zumindest nicht, was ihr Äußeres anbelangte. Bleich und verkniffen die Lippen und mehr Falten auf der Stirn, als sie Jahre zählte. Stumm betrat sie das Zimmer und näherte sich dem Bett. Mit der Rechten zog sie den Schreibtischstuhl heran und ließ sich ächzend darauf nieder. Janets Blick fiel unwillkürlich auf die anthrazitfarbene Tonvase in ihrer Hand.
Sarah räusperte sich. »Ich habe dir Nelken mitgebracht«, erklärte sie mit kühler Stimme. »Ich fand sie passend – farblich.«
»Wie bei einer Beerdigung«, erwiderte ihre Tochter müde. Der Gestank, den Sarah verströmte, reizte ihre Lungenflügel, und sie hielt angewidert den Atem an. »Ich kann riechen, wie du mich hasst«, sagte sie. »Du wartest sehnsüchtig darauf, dass ich verrecke.«
Das Lächeln im Gesicht ihrer Mutter saß wie festgemeißelt, wie Gummibälle prallten Janets Worte daran ab. »Du musst dich ausruhen, Mädchen. Du bist ganz erschöpft.«
Janet biss die Zähne zusammen und ließ den Blick über das starre Gesicht ihrer Mutter schweifen. Der Gestank brachte sie fast um. So roch Sarah immer, wenn sie Janet besuchte. Nach Hass und nach Scheinheiligkeit.
Ihre Mutter zuckte die Schultern, und ihr Blick ließ zum ersten Mal so etwas wie Missbilligung erkennen. »Ich hatte gehofft, dir eine Freude zu machen. Aber wenn du nicht willst ...«, sagte sie und machte Anstalten aufzustehen.
»Nein«, keuchte Janet und verbarg, wie schwer ihr das Atmen fiel. »Die Blumen ... gib sie mir!«
Ihre Mutter hob verwundert die Augenbrauen. Dann aber nickte sie und stellte die Vase auf den Nachttisch. Misstrauisch beobachtete sie, wie Janet sich herüberbeugte und an den Blüten roch, ohne sie zu berühren. Sie schloss die Augen, nickte schließlich und lehnte sich wieder zurück. »Gib mir eine von ihnen, Mutter – bitte!«
Sarah Coughlins Züge verhärteten sich. »Was soll dieser Unsinn, Janet? Du kannst sie dir nehmen. Stell dich nicht schwächer, als du bist.«
»Aber sie sind vergiftet«, stellte Janet fest. »Du musst sie berühren, um zu beweisen, dass es nicht so ist.«
Sarah schüttelte ratlos den Kopf. »Nimm dich zusammen, Janet«, sagte sie, »du führst dich auf wie eine Verrückte. Ein Glück, dass Vater dich nicht so sieht.« Sie streckte die Hand nach der Vase aus, um sie wieder an sich zu nehmen, doch Janet schlug ihr hart auf die Finger.
Mit einem zweiten Stoß schleuderte sie ihre Mutter zurück in den Stuhl. »Lass mich in Ruhe«, keifte sie, »oder du wirst es bereuen!«
Sie griff nach der Vase und schleuderte sie Sarah in den Schoß. Noch in der Luft verstreuten sich die Nelken daraus und regneten dutzendfach auf das senffarbene Kleid ihrer Mutter herab.
»Da hast du deine Blumen«, schrie Janet. »Ersticke daran!«
Gleichzeitig spürte sie, wie der Schwindel zurückkehrte. Die angstverzerrte Fratze Sarahs verschwamm ihr vor den Augen, und keuchend beobachtete sie, wie ihre Mutter wie von der Tarantel gestochen aufsprang und sich panisch die Blumen von der Kleidung schüttelte. Die Vase rollte über ihre Beine und zerplatzte auf der Erde. An den Stellen, an denen Sarah die rosafarbenen Blüten berührte, schmorte ihre Haut wie in Zeitlupe zusammen, löste sich schließlich vom Körper und fiel klatschend zu Boden.
Janet hatte recht behalten. Die Blumen waren tatsächlich vergiftet. Die Gewissheit, ihre Mutter endlich entlarvt zu haben, lähmte das Mädchen schier.
Mit einem Wutschrei warf sich Sarah herum und hackte mit den geschwärzten Fingern nach ihrer Tochter. »Das wirst du mir büßen, elendes Miststück!«, schrie sie, griff nach Janets Nachthemd und riss sie seitlich über die Bettkante hinweg. Ineinander verkrallt stürzten die beiden zu Boden. Wutschnaubend wälzte sich Sarah herum, um sich sogleich wieder auf ihre Tochter zu stürzen, während das Fleisch ihrer Hände wie unter einem unsichtbaren Feuer verging. Schleier tanzten vor Janets Augen, als sie sich der Angriffe ihrer Mutter erwehrte. Ihre rechte Hand tastete über den Boden; sie fühlte, wie ihr etwas Scharfes den Daumen ritzte, und griff blindlings nach einer der Vasenscherben, um sie ihrer Mutter mit aller Kraft über das Gesicht zu ziehen. Aufheulend zuckte Sarah Coughlin zurück.
Janet hörte nicht auf ihr Krächzen. Sie nutzte die Blöße, die Sarah sich gab, und zertrennte ihr mit einem einzigen Schnitt die Kehle. Das hervortretende Blut benetzte ihrer beider Kleidung und ergoss sich in einem dunkelroten, tödlichen Strahl auf den Holzboden, wo es in einer breiten Lache auf die Türschwelle zufloss. Sarahs Krächzen ging in ein mattes Gurgeln über. Noch bevor sie der Blutverlust lähmte, fiel sie schreckensbleich hintenüber, und die trockene, verkohlte Haut ihrer Arme verpuffte zu Staub, als sie auf den Holzdielen aufschlug.
Janet spürte kaum mehr, wie sie sich taumelnd auf den erschlafften Leib ihrer Mutter warf und ihn mit der Schneide der Tonscherbe bearbeitete. Der üble Schwindel war einem nicht weniger verstörenden Blutrausch gewichen, und Janet meinte, die Körperstellen, die das Ziel ihres Mordwerkzeugs waren, mit geschlossenen Augen zu finden. So arbeitete sie im Wettlauf mit dem bösartigen Gift, das Sarahs Fleisch schneller als jede Klinge zerstörte. Sie schnitt, säbelte, stach – bis schließlich ein Poltern ertönte und die Zimmertür von einem kräftigen Stoß beinahe aus den Angeln gerissen wurde.
Ein Schlag gegen Janets Unterarm unterbrach sie in ihrer schrecklichen Arbeit, und im nächsten Moment fühlte sie eine kräftige Hand an der Schulter, die sie ruckartig von der Leiche fortzog und auf das Bett hievte. Ein Schrei erklang aus der Richtung der Zimmertür.
»Janet, was tust du! Bist du von Sinnen ...? O mein Gott, Sarah!«
Benommen öffnete Janet die Augen. Sie starrte in das abweisende Gesicht eines Fremden, der sich in diesem Moment umwandte und der zweiten Gestalt, die im Türrahmen stand, etwas zurief. Vater. Der Zweite war Vater. Jetzt drehte sich der Fremde wieder um, nestelte an seinem Hemd und förderte eine lange Kette zutage, an der ein dunkler Stein befestigt war. Der Mann sprach beschwörend auf sie ein, und die nach unten gezwirbelten Enden seines langen Schnurrbarts zitterten wie Schlangen, als er den Mund bewegte. Der Stein pendelte über Janet und fesselte ihren starren Blick.
Das Blut verklebte ihre Lider und kreiste als feuerroter Nebel vor ihren Augen. Sie hob ihre zittrige Hand, wollte nach dem Stein greifen, ihn fortschleudern, doch da erlahmten ihre Kräfte. Das unheimliche Gesicht des Fremden verschwand hinter dem Nebel, und eine alles verschlingende Schwärze stülpte sich über das Mädchen. Janet bäumte sich ein letztes Mal auf, dann fiel sie erschöpft in das Laken zurück und kapitulierte vor der aufkommenden Schwärze.
Tadeusz Coughlin sank über der Leiche seiner Frau zusammen, als würden ihn zentnerschwere Gewichte zu Boden ziehen. »Sarah, Liebling ...«, hauchte er und fuhr ihr mit der Hand über die erkaltende Stirn. Seine Fingerkuppen zogen dünne Streifen durch das Blut. »Das kann nicht sein. Ich träume. Sarah, sag mir, dass das nicht wahr ist ...!« Er nahm ihren abgetrennten Kopf in beide Hände und schüttelte ihn, als könne er sie auf diese Weise wieder lebendig machen. Zusammenhanglose Wortfetzen flossen über seine Lippen. Er stammelte und stammelte, und schließlich wurde sein Blick glasig und begann, auf schauerliche Weise dem der Toten zu ähneln. Mit einem dumpfen Keuchen kippte er zur Seite weg und verlor das Bewusstsein.
Ich atmete auf und nutzte die Gelegenheit, mich wieder seiner Tochter zu widmen. Mit zusammengepressten Lippen stand ich am Bett und ließ die gnostische Gemme über dem Gesicht des siebzehnjährigen Mädchens pendeln – vergebens. Welcher Dämon auch immer sich kurzzeitig im Denken und Fühlen Janets eingenistet und sie zum Mord an ihrer Mutter getrieben hatte, er war so klug gewesen, die kurze Atempause zur Flucht zu nutzen. Dabei hatte ich nicht einmal einen Schatten gesehen, der dem Mädchen aus Mund oder Nase entwichen war. Stirnrunzelnd hängte ich mir die Kette mit der Gemme wieder um den Hals und kramte ein Stück magischer Kreide aus meiner Hosentasche. Bei jedem Schritt, den ich machte, knirschten die Tonscherben unter meinen Schuhen. Ich knöpfte Janets Nachthemd auf und malte ihr in Höhe des Herzens ein Pentagramm auf die Brust, an dessen fünf Ecken ich jeweils ein Zeichen zur Dämonenabwehr anbrachte. Sie würden nicht viel helfen und außerdem bei der nächsten Wäsche fortgespült werden. Doch fürs Erste musste diese Maßnahme reichen.
Mein zweiter Blick galt Tadeusz Coughlin – und danach dem Kopf seiner Frau, den er wie eine groteske Trophäe in den reglosen Händen hielt. Dies war bei Weitem nicht die erste Leiche, die ich in meinem Leben sah. Aber zweifellos die erste, der jemand mit purer Gewalt den Unterkiefer herausgerissen hatte. Welche Kraft musste dazu vonnöten gewesen sein!
Ich ging neben Coughlin in die Knie, wobei ich darauf achtete, nicht in die Blutlache zu treten, die sich rechts neben der Leiche ausgebreitet hatte, und fühlte nach seinem Puls. Er flatterte ein wenig, aber der Mann war zweifelsohne außer Gefahr. Eigentlich hätte ich umgehend die Polizei verständigen müssen, doch ich hielt es für meine Pflicht, wenigstens so lange zu warten, bis Coughlin wieder erwacht war. Vielleicht ließ er sich einige Informationen entlocken, die mich auf die Spur des Dämons bringen würden. Mit einem leichten Schnaufen wuchtete ich mir den Leib des Mannes über die Schulter und stapfte an der Blutlache vorüber zur Tür. Vorsichtig stieg ich die Stufen ins Erdgeschoss hinunter und ließ den reglosen Körper im Wohnzimmer auf das Sofa sinken. Anschließend ging ich ins Bad, um meine Hände von den Blutflecken zu reinigen.
Seufzend blickte ich in den Badezimmerspiegel. Konnte ein Tag schrecklicher enden? Der Anblick der Toten hatte sich mir unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt. Kein Zweifel, das war die Wirklichkeit. Ich war in einem fremden Haus, und auf dem Sofa in der Stube lag ein bewusstloser Mann, dessen Tochter soeben seine Frau ermordet hatte.
Und dabei hatte alles so harmlos angefangen: Nachdem ich zusammen mit Phillip, dem Hermaphroditen, von unserem letzten Abenteuer nach Südengland zurückgekehrt war, hatte ich erst einmal die harschen Vorwürfe Cocos über mich ergehen lassen müssen. Sie war voller Sorge gewesen, da ich mich zwischenzeitlich einige Tage nicht gemeldet hatte. Uns blieb jedoch kaum Zeit zur Versöhnung, da bereits die nächsten Probleme unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Die Kommandostäbe, diese großartigen und starken Werkzeuge der weißen Magie, waren zerstört worden. Zuerst hatten wir nur gedacht, sie könnten keine Magnetfelder mehr orten, doch dann hatten wir herausgefunden, dass die Stäbe in jeder Hinsicht unbrauchbar waren und keine ihrer Fähigkeiten mehr besaßen. Schließlich waren sie sogar zu Staub zerfallen.
Ohne sie hatte ich bedeutend schlechtere Karten im Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen, und so galt es dringend, sich einen halbwegs akzeptablen Ersatz zu beschaffen. In diese Überlegungen war nun Trevor hineingeplatzt, indem er mir von Tadeusz Coughlin, einem alten Bekannten aus seiner Zeit beim Secret Service, erzählt hatte. Dessen Tochter Janet sollte angeblich ernsthafte Anzeichen von Besessenheit zeigen. Ich musste zugeben, dass mir diese Sache nicht gerade nach einem schwierigen Fall ausgesehen hatte. Einen Exorzismus hätte ich zur Not auch ohne den Kommandostab vornehmen können. Und so war ich zusammen mit Coco nach Irland aufgebrochen, wobei mich der Weg diesmal an die Westküste in das kleine Städtchen namens Clenwan führte. Ich ahnte ja nicht, dass mich gleich bei meinem Erscheinen ein solches Blutbad erwartete.
Verstimmt kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, ließ mich in einen Sessel neben der Couch sinken und steckte mir eine Players an. Es hatte keinen Sinn, noch einmal nach Janet zu schauen. Die Dämonenbanner sorgten dafür, dass sie so schnell nicht wieder erwachen würde.
Während ich meine Blicke über den Bewusstlosen schweifen ließ, dachte ich zurück an die Autofahrt durch die vom Unwetter verdunkelte, irische Landschaft. Als der Regen zu dicht geworden war, hatte ich den Wagen auf die Seite steuern müssen. Im Nachhinein wollte es mir einfach nicht in den Kopf, dass wahrscheinlich diese fünf Minuten Sarah Coughlin das Leben gekostet hatten.
Ein Stöhnen riss mich aus meinen Gedanken. Coughlin begann, sich auf der Couch zu regen. Seine Augenlider flatterten, und als er sie schließlich öffnete, war sein Blick trübe und nach innen gerichtet. »Sarah ...«, murmelte er nach ein paar Sekunden unerträglichen Schweigens. »Sarah, ich hatte einen furchtbaren Albtraum. Es war, als ob alles zu Ende ging. Einfach alles ...« Er knetete seine Hände und verschmierte das halb getrocknete Blut zwischen den Fingerspitzen. Dann fiel sein Blick auf mich, und er stockte. »Mr. Hunter?«
Erst jetzt schien er wieder richtig klar zu werden. Ich versuchte, ihn mit ein paar kurzen Worten zu beruhigen, erreichte aber das genaue Gegenteil. Als er das Blut auf seinem Hemd erblickte, war es endgültig um ihn geschehen. Ich sah, wie seine Lippen zu zittern begannen.
»Sarah!«, flüsterte er. »Mein Gott ...«
Er wollte sich aufsetzen, aber ich zwang ihn mit festem Griff auf das Sofa zurück. Wütend schrie er auf und versuchte sich loszumachen.
»Ich muss zu ihr!«, keuchte er und schlug meine Hände beiseite.
»Sie können nichts mehr für sie tun«, beschwor ich ihn. »Bitte beruhigen Sie sich, Mr. Coughlin. Es kommt jetzt darauf an, dass wir das Richtige für Ihre Tochter tun. Auch wenn es schwierig zu verstehen ist – sie hat ihre Frau nicht getötet! Jemand anderes hat es getan.«
Doch er achtete nicht auf meine Worte, sondern prügelte wie ein Verrückter auf mich ein. Ich steckte die Schläge mit beinahe stoischer Ruhe weg. Er war nicht bei Sinnen, und mir wäre es in seiner Situation nur wenig anders ergangen. Schließlich sackte er in meinem Griff zusammen und wurde von einem Weinkrampf geschüttelt.
»Hören Sie, Mr. Coughlin«, fuhr ich fort, »können Sie sich noch daran erinnern, weshalb Sie Trevor Sullivan informiert haben? Was genau ist Ihnen an Ihrer Tochter aufgefallen? Und wann hat dieses merkwürdige Benehmen eingesetzt?«
Schwer atmend schloss er die Augen. Seine Lippen zitterten, als er mir antwortete: »Ich weiß nicht. Sie war so anders. Sie hat Dinge getan, die wir nicht verstanden haben, Sarah und ich, meine ich. Und jetzt – jetzt hat sie ...« Er stockte, und ich sah die Tränen, die ihm von Neuem in die Augen schossen. Er befreite sich aus meinem Griff und stand auf. »Sie hat Sarah umgebracht, ja.«
»Was für Dinge hat Janet getan? Was ist Ihnen an ihr aufgefallen?«, hakte ich nach.
»Alles. Ihr eigenartiges Benehmen. Sie sprach oft wie im Fieber. Auf ihrem Nachttisch stand ein Tongefäß, das sie wie ihren Augapfel hütete. Ich weiß nicht, wo sie es kaufte – und auch nicht, warum. Es ist das hässlichste Stück Geschirr, das mir jemals unter die Augen gekommen ist. Auf der Innenseite ist ein übergroßer Mensch abgebildet, der einen anderen in einer Art Kessel ertränkt. Ich wollte die Vase wegwerfen, aber Sarah ...« Seine Stimme versagte bei der Erwähnung des Namens. »... hielt mich davon ab. Obwohl auch sie nicht verstand, was mit Janet vorging. Diese Vase war ihr ein und alles, und sie fürchtete, es würde alles nur noch schlimmer machen, wenn wir sie ihr fortnähmen ...«
Es musste sich um das Gefäß handeln, dessen Splitter über das gesamte Zimmer verstreut gewesen waren. Auf dem Nachttisch jedenfalls hatte ich keine Vase mehr gesehen.
Coughlin hatte sich fast in Rage geredet und blickte mich nun aus geröteten Augen an. Anscheinend erwartete er, dass ich ihm auf der Stelle den Grund für die Veränderung seiner Tochter nannte. Ich hatte zwar keine Ahnung, was Trevor ihm von mir erzählt hatte, aber ein verdammter Hellseher war ich nicht.
»Wir müssen die Polizei rufen«, sagte ich lahm, obwohl ich wusste, dass es in seinen Ohren wie eine Kapitulation klingen musste.
Sein Blick wurde hart. »Die Polizei?«, rief er verächtlich. »Die wird mir nur meine Tochter wegnehmen. Nein, ich verlange, dass Sie den Fall aufklären. Dafür hat man Sie geschickt.«
Da befand er sich leider auf dem Holzweg. Niemand hatte mich geschickt, sondern ich war gekommen, um Trevor Sullivan einen Gefallen zu tun. Doch wenn mich mein Gefühl nicht trog, waren die Dinge bereits außer Kontrolle geraten, noch bevor ich einen Fuß in dieses Haus gesetzt hatte.
Unvermittelt packte Coughlin mich am Oberkörper. »Sie müssen mir helfen!«, jammerte er wie im Fieber. »Vielleicht lässt sich noch etwas machen. Vielleicht hat Janet ... ich meine, vielleicht hat sie Sarah nicht richtig getroffen. O mein Gott, wir müssen hoch und nachsehen, wie ihr zu helfen ist!«
Der Mann wusste nicht mehr, was er sagte. Er hatte den Kopf seiner Frau selbst in den Händen gehalten, und jetzt heulte er vor meiner Nase Rotz und Wasser und versuchte, mich in Richtung Treppe zu zerren. Ich bedauerte ihn ehrlich, doch es blieb mir nichts anderes übrig, als ihn zurückzuhalten. Ich rief ihn mehrmals beim Namen und versuchte, ihn zur Besinnung zu bringen – ohne Erfolg. Je länger ich auf ihn einsprach, desto wütender wurde er, und schließlich warf er sich hin und her, um sich aus meinem Griff zu befreien. Ich schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht und presste ihn schließlich auf einen der Sessel. Die Ohrfeige hatte ihn verstummen lassen, aber ich glaube nicht, dass der Schmerz wirklich zu ihm durchdrang. Um so erleichterter war ich, als er urplötzlich die Augen verdrehte und erneut die Besinnung verlor. Ich ließ ihn in den Sessel zurücksinken und richtete mich auf.
Ich seufzte. Was zum Teufel hatte mich getrieben, auf Trevor zu hören und dieses gottverlassene, irische Nest namens Clenwan aufzusuchen? Ein kleiner Gefallen hatte es sein sollen. Und jetzt befand ich mich bereits mitten in einem verdammten Blutbad. Ich drückte die Zigarette, die noch immer im Aschenbecher glomm, aus und begab mich zum Telefon, um den Mord der Wache im nahe gelegenen Drogheda zu melden. Man versprach, auf der Stelle einen Wagen zu schicken.
Dennoch blieb mir Zeit genug, noch einmal nach dem Mädchen zu sehen. Das Knarren der Treppenstufen klang überlaut in meinen Ohren. Ich erreichte den Treppenabsatz und näherte mich der Tür. Unter der Schwelle war ein dünner Streifen Blut hervorgesickert und von dem flauschigen Teppichboden aufgesogen worden. Als ich das Zimmer betrat, lag Janet noch immer regungslos auf dem Bett. Die Dämonenbanner schienen ihre Wirkung zu tun. Ich ging ins Bad, feuchtete einen Lappen an und rieb ihr die Zeichen vom Körper. Sie hatten ihren Dienst getan, und die Polizei sollte keine unangenehmen Fragen stellen. Ich kniete nieder und ließ meinen Blick über das Chaos schweifen. Auch die Scherben, die halb unter der Leiche begraben lagen, zog ich vorsichtig hervor. Aber auf keiner von ihnen ließ sich die Abbildung finden, von der Coughlin gesprochen hatte. Ahnungsvoll richtete ich meine Aufmerksamkeit auf das Fragment, das Janet noch immer in der Rechten hielt. Mein Herz schlug schneller, während ich ihre Finger behutsam von der Scherbe löste. Ein winziges Bildnis kam zum Vorschein, genauso wie Tadeusz es beschrieben hatte. Ein auffallend großer Mann in hautenger Kleidung, dessen Haar zu einem kunstvollen Zopf geflochten war. Vor ihm schwebte in Hüfthöhe eine Art Kessel, in den der Riese kopfüber einen kleineren Menschen tunkte, der ängstlich in seinen Armen zappelte. Oder zog er ihn gerade wieder heraus? Ich war sicher, dass es sich um eine Götzendarstellung handelte. Ein religiöses Menschenopfer vielleicht. Nachdenklich legte ich die Finger des Mädchens wieder in die Ausgangsposition zurück, wobei ich darauf achtete, keinen Fingerabdruck auf dem Mordwerkzeug zu hinterlassen. Die Leiche Sarah Coughlins würdigte ich nur eines kurzen Blickes. Die Verletzungen schienen sich auf den Kopf- und Halsbereich zu beschränken. Bemerkenswert, wenn man bedachte, in welcher Raserei Janet ihre Mutter hingemordet hatte.
Mit einem letzten Blick auf das schlafende Mädchen verließ ich das Zimmer und ging zurück ins Erdgeschoss. In spätestens zehn Minuten würde die Polizei eintreffen. Zeit genug also, Trevor anzurufen und sich zu erkundigen, ob Coco, die den Fall gleichzeitig von einer anderen Seite untersuchte, sich bereits bei ihm gemeldet hatte.
»Blumen?! – Nelken?«
Ich schüttelte irritiert den Kopf und versuchte gleichzeitig, den fragenden Blicken des Inspektors standzuhalten. Seine riesigen Augenbrauen und die dichte Brustbehaarung, die ihm über den Hemdkragen raus fast bis an den Kehlkopf wucherte, verlieh ihm das Aussehen eines bärbeißigen, grimmigen Menschen. Ich spürte, dass er mir nicht über den Weg traute. Und ich konnte es ihm nicht einmal verdenken. »Janet hat tatsächlich von Nelken gesprochen?«, wiederholte ich ungläubig.
»Nicht nur das, Mr. Hunter«, entgegnete er mit ernster Miene. »Sie schwor, dass ihre Mutter sie mit diesen Blumen vergiften wollte. Es gab ein Handgemenge, in dessen Folge die Vase auf dem Boden zersplitterte. Sarah Coughlin kam mit den Nelken in Berührung und trug starke Verätzungen davon. Das Fleisch hat sich an den entsprechenden Stellen aufgelöst, und innerhalb weniger Sekunden drang das Gift immer weiter in ihren Körper vor, zersetzte ihn und ...«
»So ein Unsinn!«, unterbrach ich ihn. »Im ganzen Zimmer liegt keine einzige Nelke, das müssen Sie doch gesehen haben.«
Er nickte betreten. »Das ist ja auch nur Janet Coughlins Version der Geschichte. Sie ist ohne Zweifel verwirrt und weiß nicht, was sie sagt. Der Körper ihrer Mutter weist Schnittwunden durch die Tonscherbe auf, jedoch keine Verätzungen. Die Scherbe war nicht sehr scharf – was den Anblick der Leiche nicht gerade erträglicher macht.«
Er räusperte sich und bot mir eine Zigarette an. Ich nickte dankbar. Nachdem wir unsere Glimmstängel in Brand gesteckt hatten, fuhr er fort: »Es bleiben einige Ungereimtheiten. Woher nahm das Mädchen die Kraft, die Waffe zu führen? Wir haben einen Mediziner da oben, der etwas von seinem Fach versteht. Er sagt, dass es unmöglich ist, einem Menschen mit einer relativ stumpfen Tonscherbe den Kopf abzuschneiden.«
Ich wandte mich achselzuckend ab. Schließlich konnte ich ihm schlecht erzählen, dass Dämonen ihre Finger im Spiel hatten und deren Magie Janets Kräfte um ein Vielfaches verstärkt hatte. Wahrscheinlich hätte er mich gleich in die nächste Irrenanstalt geschickt – zusammen mit Janet Coughlin, die soeben auf eine Bahre gebunden von zwei Sanitätern abtransportiert wurde.
Vielleicht wäre es besser gewesen, hätte ich das Haus direkt nach dem Telefonat mit Trevor verlassen. Da auch Coco sich noch nicht gemeldet hatte, gab es nicht den kleinsten Hinweis, der mich selbst von einem Verdacht freisprechen konnte. Aber durch eine Flucht hätte ich mich nur noch verdächtiger gemacht, und so wartete ich geduldig in der Stube neben dem bewusstlosen Tadeusz Coughlin, bis die Beamten eintrafen. Eine halbe Stunde lang hatten sie mich im Wohnzimmer festgehalten, ehe schließlich Inspektor Risso aufgetaucht war, um einen Blick auf den Tatort zu werfen und anschließend mit der Zeugenbefragung zu beginnen. Dabei blieb ich sein vorerst einziges Opfer. Coughlin war nicht vernehmungsfähig gewesen, obwohl er inzwischen aus seiner Ohnmacht erwacht war. Er brabbelte nur dummes Zeug vor sich hin und schrie immer wieder nach seiner Frau, die dringend Hilfe benötige. Vor ein paar Minuten war er seiner Tochter ins Spital vorausgefahren.
»Weshalb haben Sie Janet nicht von dem Mord abzuhalten versucht?«, fragte Risso.
»Weil ich gerade erst ankam, als es geschah.« Ich verzog das Gesicht und warf einen demonstrativen Blick auf den Beamten, der einige Meter von uns entfernt am Esstisch saß und jedes meiner Worte mitstenografiert hatte. »Das habe ich alles schon mal erzählt.«
Das Gesicht des Inspektors ließ nicht erkennen, ob er sich über meine lapidare Antwort ärgerte oder nicht. Er wandte sich einem Uniformierten zu, der den Transport Janets in den Krankenwagen begleitet hatte und nun aus dem Flur hereingestolpert kam, um Risso mit gesenkter Stimme zu informieren. Sie unterhielten sich kurz miteinander, dann bedankte sich der Inspektor und schickte den Polizisten wieder hinaus.
Ich schaute gelangweilt aus dem Fenster.
»Was haben Sie mit Janet gemacht, nachdem Sie zusammen mit Mr. Coughlin ins Zimmer kamen?«, erkundigte Risso sich. Er ließ einfach nicht locker. Vielleicht legte er es darauf an, mich zu provozieren. »Ich meine, Sie sahen das Mädchen dabei, wie es seine Mutter ermordete, und anschließend legte es sich einfach wieder ins Bett und schlief seelenruhig ein?«
»Ich habe Janet zurückgerissen und aufs Bett gelegt. Dann habe ich sie beruhigt.«
»Beruhigt – eine Wahnsinnige? Hm, mich würde interessieren, wie Sie das angestellt haben.«
Zugegeben eine gute Frage, endlich einmal. »Ich habe sie mithilfe einer gnostischen Gemme hypnotisiert«, sagte ich frei heraus.
Risso schwieg für einige Sekunden. Diese Zeit brauchte er, um zu ergründen, ob ich ihn vielleicht veralbern wollte. Seine Antwort fiel weniger arrogant aus, als ich befürchtet hatte. »Würden Sie mir vielleicht die Freude machen, dieses Kunststück hier und jetzt zu wiederholen?«
»Wenn Sie darauf bestehen.« Ich ließ mir nicht anmerken, wie sehr mir die Angelegenheit auf die Nerven ging, und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. Dann kramte ich die Gemme unter meinem Hemd hervor. »Ein magischer Stein«, erläuterte ich, als ich seine interessierten Blicke bemerkte.
Er nickte. »Die Lehre der Gnosis und so weiter, davon habe ich schon gehört.«