Achtung, Spionage!
Kosmos
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© 2013 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
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ISBN: 978-3-440-13675-1
Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Ein süßes Geheimnis
»Jetzt muss ich aber wirklich los!« Kim machte einen halbherzigen Schritt auf die Eingangstür des Café Lomo zu, wo sie mit Franzi und Marie verabredet war. Gleichzeitig schlang sie ihre Arme noch fester um Michi. Der Spaziergang mit ihm durch den Jakobipark in der nasskalten, frischen Januarluft war wunderschön gewesen. Sie hatten sich so viel zu sagen gehabt, hatten gemeinsam gelacht und Händchen gehalten. Kim wollte ihren Freund gar nicht mehr loslassen.
Michi ging es ganz genauso. »Nur noch einen Kuss!«, flüsterte er in ihr Haar hinein.
Den Wunsch erfüllte Kim ihm nur zu gerne. Danach löste sie sich schweren Herzens aus seiner Umarmung. »Ich ruf dich an, sobald das Clubtreffen vorbei ist«, versprach sie.
»Ich zähle die Sekunden!« Michi warf ihr eine Kusshand zu. Eine weiße, perfekt kreisrunde Atemwolke strömte aus seinem Mund.
Kim nahm Michis wunderbares Lächeln und den Glanz seiner blaugrünen Augen mit ins Café Lomo. Wie auf Wolken schwebte sie zum Stammplatz der drei !!!, zu einer gemütlichen Sitzecke im hinteren Teil des Lokals. »Hallo, Franzi, hi, Marie! Ihr seid ja schon da.«
»Allerdings«, bemerkte Marie und tippte verärgert auf ihre weiße Armbanduhr. »Du bist genau zehn Minuten und zweiunddreißig Sekunden zu spät. Ich hoffe, du hast einen guten Grund dafür.«
Kim, sonst immer die Pünktlichkeit in Person, sah Marie mit einem entwaffnenden Lächeln an. »Tut mir leid, hab ich nicht. Ich konnte mich einfach nicht von Michi trennen.« Sie schälte sich aus ihrer Winterjacke und ließ sich neben Marie in die weichen Polster der Eckbank fallen.
Franzi grinste von einem Ohr zum andern. »Kann ich gut verstehen. Jetzt, wo ihr euch endlich wiedergefunden habt …«
Kim griff verträumt nach der Tasse Kakao Spezial, die verführerisch nach Vanille duftend auf dem Tisch stand, und nahm einen Schluck vom Lieblingsgetränk der Detektivinnen. Manchmal konnte sie es immer noch nicht glauben. Die Liebesgeschichte zwischen Michi und ihr war wie ein Märchen. Schon beim ersten Fall des Detektivclubs hatte sie sich in ihn verliebt, dann waren sie lange Zeit ein Paar gewesen, hatten sich auseinandergelebt, getrennt, neu verliebt und waren an Weihnachten ein zweites Mal zusammengekommen.
»Hey, das ist mein Kakao!« Marie nahm Kim vorwurfsvoll die Tasse aus der Hand. »Du musst dir schon einen eigenen bestellen.«
»Komm wieder runter!«, sagte Franzi ruhig. »Als ob du noch nie zu spät gekommen wärst.«
Eine feine Röte breitete sich auf Maries sorgfältig geschminkten Wangen aus. »Hmmm … stimmt auch wieder«, grummelte sie und zupfte an den Fransen ihres weißen XXL-Schals.
Wenn es bei den drei !!! einen Wettbewerb im Zuspätkommen gegeben hätte, hätte Marie garantiert den ersten Platz belegt. Kim wurde allein schon bei der Aufzählung von Maries diversen Hobbys schwindelig: Aerobic und Yoga, Schwimmen, Schauspiel- und Gesangsunterricht und nicht zu vergessen der Detektivclub. Doch sobald es darauf ankam, ließ Marie sofort ihre anderen Freizeitaktivitäten sausen und stürzte sich voll in die Ermittlungen.
»Was haltet ihr davon, wenn wir zuerst unsere neuesten privaten Geheimnisse austauschen und dann erst zum offiziellen Teil übergehen?«, schlug Franzi vor.
Kim strahlte. »Eine sehr gute Idee.« Sie bestellte einen Kakao Spezial und zur Feier des Tages gleich zwei Blaubeermuffins. Seit sie verliebt war, hatte sie noch mehr Appetit auf Süßigkeiten.
Marie nickte großzügig. »Okay, einverstanden.«
Die Aushilfsbedienung, ein junges Mädchen, war mit den vielen Tellern auf dem Tablett überfordert. Franzi nahm ihr einen Teller ab, stellte ihn vor Kim hin und sah ihrer Freundin beim Essen zu. »Freut mich total, dass du glücklich bist. Mir geht es übrigens auch sehr gut. Felipe und ich haben uns schon ewig nicht mehr gestritten. Er ist längst nicht mehr so eifersüchtig wie früher. Es klingt vielleicht verrückt, aber ich glaube, dass unsere Liebe alles überwinden kann.«
»Dasch klingt überhaupt nicht verrückt«, nuschelte Kim, nachdem sie in Rekordzeit ihren ersten Muffin verdrückt hatte. »Ich weiß genau, was du meinst.« Insgeheim bewunderte sie Franzi. Mit einem temperamentvollen Halbmexikaner zusammen zu sein war bestimmt nicht leicht, zumal Franzi selbst auch manchmal ziemlich aufbrausend sein konnte.
Franzi spielte mit dem geflochtenen Lederband an ihrem linken Handgelenk. Der Anhänger aus Rosenquarz schimmerte im Licht der Bienenwachskerze auf dem Tisch. »Danke. Aber keine Angst, ich fange jetzt nicht an, euch stundenlang von Felipe vorzuschwärmen. Ich wollte euch nämlich noch was anderes erzählen: Stellt euch vor, ich bekomme daheim wahrscheinlich bald ein zweites Zimmer!«
Marie reagierte nicht. Sie rührte schon seit einer Weile stumm in ihrer Tasse und vernichtete dabei systematisch den ansehnlichen Berg aus lockerem Milchschaum auf ihrem Kakao.
»Wie hast du das denn geschafft?«, fragte Kim. »Hast du Chrissie rausgeworfen?« Franzis ältere Schwester konnte unglaublich zickig sein. Auf ihre Art war sie genauso nervtötend wie Kims zehnjährige Zwillingsbrüder Ben und Lukas.
Franzi kicherte. »Leider nicht. Stefan wird ausziehen. Er sucht sich gerade eine Studentenwohnung in der Innenstadt. Er sagt, er will endlich näher bei der Uni sein und mehr Freiheit haben.«
Marie legte abrupt den Kaffeelöffel weg. »Also … falls dein cooler großer Bruder nichts finden sollte, kann er gerne bei uns einziehen.«
Marie wohnte gemeinsam mit ihrem Vater, dem berühmten Schauspieler Helmut Grevenbroich, seiner Lebensgefährtin Tessa und deren Tochter Lina in einer wunderschönen alten Villa im Ostviertel. Dort gab es zwei große Gästezimmer. Kim und Franzi tauschten einen kurzen Blick und prusteten gleichzeitig los.
»Da käme Stefan ja vom Regen in die Traufe«, sagte Kim. »In eurer Patchworkfamilie ist doch noch mehr Trubel als bei den Winklers. Hast du nicht richtig zugehört? Er will mehr Freiheit!«
Marie breitete die Arme auf der Sofakante aus. Dabei klirrten ihre dünnen silbernen Armreife, die sie zum roséfarbenen Seidenrolli trug. »Genau wie ich. Freiheit ist das Allerwichtigste. Deshalb werde ich wegen Holger auch nie meine Flirts aufgeben.«
»Zu schade!«, stichelte Franzi. »Dabei wärt ihr so ein schönes Paar.«
Maries kurze Beziehung zu Holger war in die Brüche gegangen, weil Holger in Billershausen wohnte und die Fernbeziehung auf Dauer zu belastend gewesen war. Doch seit einiger Zeit knisterte es wieder zwischen den beiden.
»Es ist wunderbar so, wie es ist.« Marie betonte jedes einzelne Wort, als ob sie sich selbst davon überzeugen müsste. Sie zog ihre Arme an den Körper und wirkte auf einmal verfroren, obwohl es im Café Lomo ausgesprochen warm war.
Kim wunderte sich. Marie war heute irgendwie anders als sonst. Ihre Stimmung wechselte fast schon im Sekundentakt. »Was ist los? Habt ihr euch gestritten?«, forschte Kim nach.
»Nein.« Marie schüttelte den Kopf. »Es ist nur … wegen Holgers Mutter. Ihr Gemischtwarenladen in Billershausen läuft nicht gut. Die Leute fahren lieber mit dem Auto zu den Supermärkten in der Umgebung, statt bei ihr einzukaufen. Wenn es so weitergeht, muss sie den Laden dichtmachen.«
Kim und Franzi sahen sich betroffen an.
»Ich hab natürlich versucht, Holger zu trösten«, erzählte Marie. »Er macht sich große Sorgen. Trotzdem fühle ich mich so hilflos. Ich würde so gern helfen, aber ich hab keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte. Ich kann ja die Billershausener schlecht mit der Pistole zum Einkaufen bei Frau Kurz zwingen.«
Kim legte mitfühlend eine Hand auf Maries Arm. »Du hilfst Holger allein dadurch, dass du für ihn da bist und ihm zuhörst.«
»Ich weiß …«, murmelte Marie. Sie beugte sich über ihre silberne Handtasche und suchte nach einem Taschentuch. Puderdose, Lipgloss und Lidschatten klackerten gegeneinander. Als sie die Papiertaschentücher gefunden hatte, schnäuzte sie sich und atmete tief durch. »Themawechsel bitte! Lasst uns über unseren Club reden. Heute hab ich nachgerechnet, dass unser letzter Fall schon über einen Monat her ist.«
Franzi grinste. »Das stimmt. Eine halbe Ewigkeit. Wenn wir nicht einrosten wollen, sollten wir so schnell wie möglich einen neuen Fall an Land ziehen.«
»Da stimme ich dir voll und ganz zu.« Kim verputzte die letzten Krümel ihres zweiten Muffins, der ein bisschen trocken gewesen war. Rasch bestellte sie sich noch eine Cola, während ihre Gedanken in die Vergangenheit wanderten.
Seit der Clubgründung hatten die drei !!! über 30 Fälle gelöst und dabei hartgesottene Verbrecher im In- und Ausland das Fürchten gelehrt. Ihre Erfolgsquote lag bisher bei 100 %, worauf sie zu Recht stolz sein konnten.
»Jede von uns könnte sich in ihrer Umgebung mal umhören«, überlegte Kim. »Franzi, in der Tierarztpraxis deines Vaters ist doch immer was los, oder im Freizeitpark Sugarland im Restaurant von Felipes Mutter. Hast du noch eine Idee, Marie?«
Marie Grevenbroich hüllte sich in düsteres Schweigen.
Kim hakte vorsichtig nach: »Geht’s wieder? Sollen wir das Treffen vielleicht doch lieber verschieben?«
»Was? Natürlich nicht!«, protestierte Marie. »Ich bin voll da.«
Franzi räusperte sich. »Den Eindruck machst du, ehrlich gesagt, nicht. Du bist die ganze Zeit schon so nervös und unausgeglichen. Ist noch was außer der Sache mit Holger?«
Marie wich Franzis Blick aus und kramte schon wieder in ihrer Handtasche. Diesmal musste sie unbedingt ihr Lipgloss auffrischen. »Nein, wieso?« Sie pfefferte die kleine Dose zurück in die Tiefen ihrer Handtasche. Als Kim und Franzi sie weiter forschend ansahen, gab sie es schließlich auf. »Na schön. Ihr kennt mich einfach zu gut. Ja, da ist noch etwas. Ich hab es erst heute Morgen erfahren … Vorsicht, da ist eine Stufe!«
Die Warnung an die Aushilfsbedienung kam zu spät. Das Mädchen stolperte über die kleine Stufe vor der Sitzgruppe. Das Tablett geriet in Schieflage, das Glas rutschte und kippte um. Ein Schwall Cola ergoss sich über Kims Hose. »Oh … Entschuldigung! Das … das tut mir so leid!«, stammelte die Bedienung.
Kim sprang auf. »Mist!« Colabäche rannen über ihre Hosenbeine. Natürlich war es Kims Lieblingsjeans, die sie heute frisch angezogen hatte. »Ist nicht so schlimm«, sagte sie und meinte es auch so. Heute konnte ihr nichts und niemand die gute Laune verderben.
»Ich bezahle natürlich die Reinigung«, versicherte die Bedienung.
Kim winkte ab. »Nicht nötig. Das schafft unsere Waschmaschine zu Hause schon.«
Die Bedienung entschuldigte sich nochmals und lief eilig zur Bar zurück, um einen Wischlappen und eine neue Cola zu holen. Kim verzog sich inzwischen auf die Mädchen-Toilette. Mit Seife und Wasser konnte sie nur die gröbsten Spuren entfernen. Die Jeans klebte an ihren Beinen, aber Kim konnte schon wieder drüber lachen. Bis zum Ende des Clubtreffens würde die Hose schon trocken werden.
Gespannt kehrte Kim ins Café zurück. Womöglich hatte Maries Neuigkeit ja mit einem neuen Fall zu tun.
»Was ich euch vorhin sagen wollte …«, setzte Marie zum zweiten Mal an.
»Die Straßenzeitung, die neue Ausgabe der Straßenzeitung!« Ein bärtiger Obdachloser betrat das Café Lomo.
Marie machte den Mund wieder zu. Auch die Gespräche an den anderen Tischen verstummten, alle Köpfe fuhren herum.
Franzi kannte den Mann. Er wärmte sich im Winter öfter in der Bahnhofshalle auf und lächelte den vorbeilaufenden Leuten immer freundlich zu. »Ich hätte gerne eine Zeitung«, sagte Franzi laut.
Hocherfreut kam der Obdachlose an den Tisch der Detektivinnen. »Vielen Dank! Einen schönen Tag noch euch drei. Alles Gute!«
»Ihnen auch«, wünschte Franzi.
Damit war der Bann gebrochen. Mehrere Leute im Café zückten ebenfalls ihre Geldbeutel. Am Schluss hatte der Mann alle seine Zeitungen verkauft und verließ glücklich das Café.
»So, jetzt kann uns nichts mehr stören!«, sagte Franzi und beugte sich erwartungsvoll über die Tischkante.
Marie holte tief Luft. »Also es geht darum …«
Krääähhh! Das Baby am Nachbartisch war aufgewacht und fing sofort an zu brüllen. Maries restliche Worte wurden komplett verschluckt. Genervt trommelte sie mit ihren rosa lackierten Fingernägeln auf die Tischplatte.
Kim und Franzi versuchten locker zu bleiben. Die Mutter nahm den Säugling auf den Arm und wiegte ihn sanft. Das Schreien wurde leiser, langsam beruhigte sich das Baby wieder. Verärgert betrachtete Marie das rot verzerrte Gesicht des Säuglings. Sie traute dem Frieden noch nicht.
Franzi überbrückte die Pause. »Chrissie jobbt übrigens seit Neuestem als Babysitterin bei den Nowaks im Ostviertel. Frau Nowak hat mal einen Kunstworkshop in unserer Klasse gegeben. Mein Vater kennt sie auch, sie ist öfter bei ihm in der Tierarztpraxis mit ihrem Afghanischen Windhund Prinz. Chrissie quatscht mir dauernd die Ohren voll, wie süüüß die zehn Monate alte Magdalena ist. Also ich würde lieber auf den Hund aufpassen. Babys und Kleinkinder machen mich irgendwie nervös. Ich hab Angst, sie könnten kaputtgehen, wenn ich sie auf den Arm nehme.«
»Echt?«, sagte Kim erstaunt. »Also ich liebe Babys.« Gerührt betrachtete sie den Säugling am Nebentisch, der jetzt zufrieden vor sich hin gluckste. »Ben und Lukas sehen auf ihren Babyfotos übrigens total goldig aus. Heute sind sie leider richtig fiese kleine Monster.« Kim drehte ihren Kopf zu Marie. »Du findest Babys doch auch süß, oder?«
Marie starrte Kim an, Franzi und schließlich das Baby am Nachbartisch. Dann platzte sie mit ihrer Neuigkeit heraus: »Tessa ist schwanger!«
Zur Abwechslung waren Kim und Franzi sprachlos.
»Habt ihr nicht gehört? Tessa ist schwanger«, wiederholte Marie leicht genervt. »Der Schwangerschaftstest, den sie vor einer Woche gemacht hat, war positiv. Im Herbst wird sie ein Baby bekommen.«
Jetzt war die Nachricht angekommen. Kim und Franzi sprangen vom Sofa auf, fielen Marie um den Hals und redeten gleichzeitig drauflos: »Was?« – »Warum hast du uns das nicht gleich erzählt?« – »Du bekommst ein Geschwisterchen!« – »Ich freu mich so für dich!« – »Ist das toll!«
Marie wehrte ab. »Tut mir bitte den Gefallen und schreit nicht so. Wir sind nicht allein.«
Tatsächlich hatten sich schon mehrere Leute interessiert umgedreht. Kim und Franzi setzten sich wieder. Erst jetzt fiel ihnen auf, dass Marie längst nicht so begeistert zu sein schien wie sie. Ihr Lächeln war auch schon mal überzeugender gewesen.
»Und, wie geht’s dir damit?«, erkundigte sich Kim vorsichtig. »Freust du dich?«
Marie war den größten Teil ihres bisherigen Lebens Einzelkind gewesen. Helmut Grevenbroich hatte ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen, seit seine Frau zwei Jahre nach Maries Geburt bei einem tragischen Autounfall gestorben war. Es war noch nicht lange her, dass Marie sich an die neue Situation gewöhnen musste, in einer Patchworkfamilie zu leben und nicht mehr automatisch die Nummer eins zu sein.
»Klar freue ich mich.« Marie wickelte eine Haarsträhne um ihren Finger. »Aber ich muss auch dauernd daran denken, wie es sein wird, wenn das Baby da ist. Dann wird sich alles nur noch um den kleinen Zwerg drehen. Mein Vater wird keine Zeit mehr für mich haben und …« Maries Stimme versagte.
»Es wird alles gut«, versicherte Franzi. »Dein Vater wird dich genauso lieben wie vorher.«
»Meinst du wirklich?« Marie sah ihre Freundin zweifelnd an.
Kim knuffte ihr mit dem Ellbogen in die Seite. »Natürlich! Du bist und bleibst seine Prinzessin.«
Maries Gesicht hellte sich auf. »Ihr habt recht. Ich lasse erst mal alles in Ruhe auf mich zukommen. Schließlich hab ich noch genügend Zeit, um mich an den Gedanken zu gewöhnen. Und wisst ihr was? Jetzt stoßen wir auf Tessas Baby an. Ich geb eine Runde Cola aus.«
Sie wollte der Aushilfsbedienung Bescheid geben, aber Kim rief schnell: »Die Gläser hol ich lieber selber an der Bar ab.«
Einsatz in vier Wänden
Detektivtagebuch von Kim Jülich
Samstag, 0:10 Uhr
Es ist schon nach Mitternacht, aber ich bin hellwach wie ein Flummi. Franzi hat mich gerade mit ihrem Anruf aus dem Tiefschlaf gerissen. Ich konnte es kaum glauben, als ich die Zeit auf meinem Handy sah: Es war 23:40 Uhr! Das Wichtigste zuerst: Die drei !!! haben einen neuen Fall!
Ich fasse die Neuigkeiten kurz zusammen:
Gestern, also am Freitagabend, war Chrissie wieder bei den Nowaks babysitten. Ein Bote hat Pralinen vom Feinkostgeschäft Kranichstein abgeliefert. Chrissie hat die Sendung für Frau Nowak angenommen, eine edle Holzkiste, randvoll gefüllt mit der handgefertigten »Kranichsteiner Mischung«, merkwürdigerweise ohne Karte und Absender. In einem Anfall von Unterzucker – und weil sie wusste, dass die schlanke Frau Nowak prinzipiell keine Süßigkeiten isst – hat Chrissie die Holzkiste aufgemacht und wollte sich eine Praline nehmen. Dann hatte sie doch Skrupel, wollte sich aber wenigstens alle Pralinen ansehen und daran schnuppern. Als sie vorsichtig die beiden Paletten herausgenommen hat, um auf der Unterseite der Kiste den Zettel mit der Beschreibung der einzelnen Pralinen zu lesen, hat sie innen am Boden ein merkwürdig flaches, technisches Gerät entdeckt. Sie ist erschrocken, hat schnell ein Foto mit ihrem Handy gemacht und die Kiste wieder vorsichtig geschlossen. Die Sache ist ihr den ganzen Abend nachgegangen. Als sie nach Hause kam, war Franzi noch wach (sie hat über einem Pferde-Puzzle völlig die Zeit vergessen) und hat sich gewundert, warum Chrissie so durch den Wind war. Franzi musste ein bisschen nachbohren, aber dann hat Chrissie ihr die Geschichte erzählt und schließlich auch das Handyfoto gezeigt.
Franzi hat auf den ersten Blick erkannt, dass es eine Abhörwanze ist (ein schwarzer Sender mit einer winzigen Antenne). Sie war sich deshalb so sicher, weil sie sich neulich aus Neugier in einem Online-Shop über Abhöranlagen informiert hat. Franzi hat Chrissie dafür gelobt, dass sie die Holzkiste wieder verschlossen hat. So wird der Täter keinen Verdacht schöpfen.
Das waren die wichtigsten Fakten in Kürze. Ich freu mich total. Der Fall ist ganz nach meinem Geschmack: Pralinen und Spionage – gibt es eine explosivere, bessere Mischung? Wohl kaum!
Aber jetzt wieder ganz nüchtern zu den nächsten Ermittlungsschritten: Wir müssen als Erstes Chrissie befragen. Wie sah der Bote aus? Ist ihr etwas an ihm aufgefallen?
Weitere ganz wichtige Überlegungen sind: Wer hat die Wanze eingeschmuggelt? Wer ist der Spion? Der Bote? Oder jemand vom Feinkostgeschäft Kranichstein? Dort haben wir ja schon einmal ermittelt. Oder war es vielleicht sogar die Polizei, die die Nowaks abhört, weil sie unter Verdacht stehen, Straftäter zu sein? Eher unwahrscheinlich, aber wir müssen Kommissar Peters trotzdem sicherheitshalber danach fragen. Natürlich wird er uns keine Auskunft geben, aber aus seinem Gesichtsausdruck können wir vielleicht was lesen.
Und was mich natürlich auch brennend interessiert: Warum will jemand die Familie abhören? Geht es um eine Erpressung? Die drei !!! werden es herausfinden. Unserem detektivischen Scharfsinn bleibt nichts verborgen!
Geheimes Tagebuch von Kim Jülich
Samstag, 0:37 Uhr
Wer dieses Tagebuch liest, hat einen großen Fehler gemacht. Um Mitternacht habe ich zwei sehr unfreundlichen Zombis den Auftrag gegeben, unbefugte Leser gnadenlos zu verfolgen – jede Nacht bis ans Ende ihrer Tage.
Und nun zu den wirklich wichtigen Dingen des Lebens (tut mir leid, aber dazu zählt selbst mein genialer Detektivclub nicht!). Die drei wichtigsten Dinge sind:
Die Liebe. Die Liebe. Und noch mal die Liebe.
Ich bin so wahnsinnig glücklich, dass ich manchmal Angst habe, ich wache auf und alles war nur ein schöner Traum. Aber da dieses Gefühl nun schon über einen Monat anhält, gehe ich schwer davon aus, dass alles real ist und tatsächlich mir passiert, dem größten Glückspilz auf Erden.
Seit Weihnachten sind Michi und ich wieder zusammen, aber es fühlt sich immer noch so neu und wunderbar an wie am ersten Weihnachtstag. Unsere Beziehung steht heute auf einem viel festeren Fundament als früher. Ich spüre eine unglaublich tiefe Verbundenheit zu Michi. All die Missverständnisse, die wir früher hatten, dass wir uns nicht voll und ganz vertraut haben, wird es in Zukunft nicht mehr geben, da bin ich mir ganz sicher.
Vor mir auf dem Schreibtisch liegt Michis selbst gebackenes Lebkuchenherz, das er mir zu Weihnachten geschenkt hat. Jedes Mal, wenn ich die Zuckergussschrift »I love Kim« lese, geht für mich noch einmal der Weihnachtsstern auf. Das Herz duftet immer noch verführerisch, aber ich werde es nicht aufessen, dazu ist es viel zu schön. Michis Geschenke haben einen Ehrenplatz bei mir. Die Lichterkette, mit der er den Tannenbaum geschmückt hat, schlängelt sich um meinen Fensterrahmen. Es ist der Rahmen für unser Glück.