Das Buch
Höchste Eisenbahn für dieses Buch! Denn wer hört sie nicht gerne, die unzähligen Geschichten rund um Pleiten, Pech und Passagierzüge? Vom Hitzechaos bis zu eingefrorenen Weichen, von verirrten Zügen bis zu verwirrten Schaffnern – eine Bahnfahrt gehört immer noch zu den abenteuerlichsten Reisen, auf die man sich einlassen kann. Und macht dank humorvoller Lokführer und Sitznachbarn manchmal auch richtig Spaß. Nach ihrem großen Bestseller Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt sammelten Stephan Orth und Antje Blinda nun die besten, schrillsten und lustigsten Anekdoten zum Thema Bahnfahren, die Hunderte Leser an SPIEGEL ONLINE geschickt haben. Ihr Fazit? Totaler Bahnsinn!
Die Autoren
Antje Blinda, Jahrgang 1967, ist seit 1998 bei SPIEGEL ONLINE tätig, wo sie das Ressort »Reise« leitet.
Stephan Orth, Jahrgang 1979, arbeitet seit 2008 als Redakteur bei SPIEGEL ONLINE. Ihre beiden ersten »Sorry«-Bücher standen monatelang ganz oben auf der Taschenbuch-Bestsellerliste.
Von Stephan Orth und Antje Blinda sind in unserem Hause außerdem erschienen:
Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt. Kurioses aus dem Cockpit
Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt. Kurioses aus dem Urlaub
Besuchen Sie uns im Internet:
www.ullstein-taschenbuch.de
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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch
1. Auflage September 2012
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2012
In Kooperation mit
SPIEGEL ONLINE, Hamburg
Umschlaggestaltung:
ZERO Werbeagentur, München
Titelabbildung: © FinePic®, München
Cartoons und Abbildungen im Innenteil:
Hauck & Bauer, www.hauckundbauer.de
Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach
eBook: LVD GmbH, Berlin
ISBN 978-3-8437-0249-2
Vorwort
Wer eine Kontaktanzeige schreibt, überlegt sich jedes Wort sehr genau. Nicht nur, weil jeder Buchstabe Geld kostet, sondern vor allem, weil jedes Wort den Schreiber in ein besonders vorteilhaftes Licht rücken soll. Bemerkenswert ist deshalb der Abschluss dieses kurzen Textes in der Rubrik »Kennenlernen« im Zeit-Magazin: »Ich mag Brahms, Kandinsky, Loriot und besitze eine Bahncard.«
Warum erwähnt der promovierte Naturwissenschaftler (53/ 1,83/Nichtraucher) seine Bahncard, um beim anderen Geschlecht aufzutrumpfen? Ob er damit eine Chance hat gegen den »alten Segler« in der Anzeige direkt darüber, der eine weibliche Begleitung für abenteuerliche Törns sucht? Oder gegen den »vermögenden Adligen«, der »in gehobener Position tätig« ist und sich bestimmt lieber im polierten Sportwagen als im Zugabteil von A nach B bewegt?
Die Frage, ob Bahnfahren sexy macht, werden wohl viele zunächst verneinen. Sie denken an schwitzende Menschen in überfüllten Großraumwagen, an streng riechende Brösel-Picknicks im Abteil, an »Schatz, ich komme später, Oberleitungsschaden«-Handyanrufe. Doch vergleichen Sie mal Passagiere nach sechs Stunden Flug und nach sechs Stunden Bahnfahrt: Letztere sehen gewöhnlich erheblich weniger zerknautscht aus, haben keine trockenen Augen oder Knieschmerzen. Sogar Wissenschaftler fanden bereits heraus, dass Zugfahren gut für die Gesundheit ist (siehe hier). So gesund wie Segeln allerdings wohl nicht, gegen diesen Kandidaten kann unser Beispiel-Single also noch nicht punkten.
Probieren wir deshalb eine andere Lesart der Anzeige: Wer Brahms, Kandinsky und seine Bahncard im gleichen Satz erwähnt, spielt darauf an, dass eine Zugreise eine höchst kultivierte Angelegenheit ist. Auch die Deutsche Bahn wünscht sich diese Assoziation bei den Kunden, sie tauft ihre Züge »Johann Sebastian Bach«, »Michelangelo« oder »Albrecht Dürer«. Wer viel aus dem Fenster schaut, lernt tatsächlich jede Menge über das Land, durch das er gerade reist, über die Geographie und die landschaftlichen Unterschiede, viel mehr als ein Flugpassagier oder ein Autofahrer. Erwischt man jedoch einen Waggon voller sangesfreudiger Fußballfans (meist keine Bach-Kantaten) oder pubertierender Schüler auf Klassenfahrt, ist das Gefühl, ein besonders exklusives Beförderungsmittel zu nutzen, gewöhnlich schnell dahin. Also, in einem solchen Fall: ebenfalls Vorteile für den Sportflitzer des vermögenden Adligen und das Segelboot.Vielleicht will der einsame Mann nur sagen, dass er mobil und auch für eine Fernbeziehung zu haben ist.
Aber vielleicht muss man seinen Text auch noch ganz anders lesen. Im Kern steht dort nämlich: »Ich mag Loriot und besitze eine Bahncard.« Lieber Naturwissenschaftler, 53, damit überzeugen Sie uns. Wir würden Sie gerne kennenlernen und könnten uns sogar eine gemeinsame Zugfahrt vorstellen. Denn Loriot und Bahncard, das passt zusammen wie Schirmmütze und Schaffnerkopf: Wer viel mit dem Zug fährt, hat häufig das Gefühl, mitten in einem Sketch des Meisterkomikers gelandet zu sein. Zum Beispiel, wenn ein Lokführer durchsagt, dass sich die Fahrt wegen eines Fasans in der Bremszuleitung auf unbestimmte Zeit verzögert (Kapitel 13). Wenn ein Schaffner sich auf Englisch mit »Sorry for traveling with Deutsche Bahn« (Kapitel 7) verabschiedet. Wenn per Durchsage »Sex und Getränke« statt »Snacks und Getränke« angeboten werden und eine schlagfertige Schaffnerin mit dem Vorschlag reagiert, dafür doch in die erste Klasse zu wechseln. (Kapitel 1). Auch die lieben Mitreisenden können für viel Situationskomik sorgen, ihnen haben wir ein eigenes Kapitel und eine Typologie gewidmet (Kapitel 3).
Doch bei allen Problemen, über die sich Bahnfahrer immer wieder beklagen, bei allen Dingen, die im hochkomplexen deutschen Schienenverkehr oft nicht nach Plan laufen, möchten wir an dieser Stelle einmal betonen: Wir fahren gern mit der Bahn. In keinem anderen Verkehrsmittel kann man so bequem ein Buch lesen oder die Landschaft genießen (Kapitel 9). Und die skurrilen Situationen, die gibt es gratis dazu. Also, vergessen Sie den Sportwagen, vergessen Sie das Segelboot: Packen Sie die Bahncard ein, buchen Sie eine Strecke durch halb Deutschland und setzen Sie sich in ein Abteil voller fremder Menschen. Dort überlegen Sie sich, welcher der Mitreisenden am ehesten als Figur für einen Loriot-Sketch taugen würde. Kurz vor dem Aussteigen schenken Sie ihm dieses Buch – bis dahin wünschen wir Ihnen viel Spaß beim Lesen!
Antje Blinda und Stephan Orth
Kapitel 1
Vertrackte Versprecher:
»Probieren Sie die alkoholfreie Erfrischungsfrikadelle!«
Ein unbestrittener Meister des unglücklichen Versprechers ist CSU-Mann Edmund Stoiber. Einmal gab er zu, dass er in seinem Garten gerne mal »eine Blume hinrichte«. Ein andermal wollte er mit einer Rede die »gludernde Lod« bei seinen Parteikollegen entfachen und fand auch in zwei weiteren Versuchen (»gludernde Flut«, »lodernde Flut«) nicht die gesuchten Wörter. Seine berühmteste Pannenrede handelte jedoch von der in München geplanten Transrapid-Strecke vom Hauptbahnhof zum Flughafen. Ein Auszug im Wortlaut: »Wenn Sie vom Flug … äh vom Hauptbahnhof starten – Sie steigen in den Hauptbahnhof ein, Sie fahren mit dem Transrapid in zehn Minuten an den Flughafen, an den Flughafen Franz Josef Strauß, dann starten Sie praktisch hier am Hauptbahnhof in München – das bedeutet natürlich, dass der Hauptbahnhof im Grunde genommen näher an Bayern, an die bayerischen Städte heranwächst, weil das ja klar ist, weil aus dem Hauptbahnhof viele Linien aus Bayern zusammenlaufen.«
Was er damit genau sagen wollte, ist bis heute ungeklärt. Ebenso wie die Frage, ob Stoiber mit dieser misslungenen Werberede eine Mitschuld daran trug, dass das Transrapid-Projekt schließlich scheiterte. Oder die Frage, ob es Zufall ist, dass diese Kommunikationspanne im Zusammenhang mit einem Bahnprojekt stand. Klar ist zumindest: Verbale Entgleisungen aller Art sind in Gleisfahrzeugen und Bahnhöfen keine Seltenheit – das beweisen die folgenden Anekdoten.
Auf einer Zugfahrt im Regionalexpress aus Hannover wollte der Schaffner kurz vor Einfahrt in den Bremer Hauptbahnhof die Anschlussverbindungen durchsagen. Anstatt mit »Verehrte Fahrgäste« wurden wir zu unserer großen Freude mit »Verehrte Fahrgleise« angesprochen. Erst zwei, drei Sekunden später bemerkte der Schaffner das Malheur und brach die Ansage vor Lachen ab. Einen zweiten Versuch gab es nicht.
Carsten Binnewies
Als Telefone in Zügen der Deutschen Bundesbahn noch neu waren, habe ich einmal folgende Durchsage gehört: »Sehr geehrte Fahrgäste, an Bord dieses Intercitys befindet sich ein Selbstwähltelefon, von dem aus Sie Selbstgespräche ins In- und Ausland führen können.«
Urs von Freydorf, Bonn
Folgende Durchsage war in einem ICE von Hamburg nach Berlin zu hören: »Verehrte Fahrgäste, aus aktuellem Anlass folgender Hinweis: Dieser ICE ist ein Nichtraucherzug. Das gilt auch für die Toiletten. Wir haben da nämlich Kameras … äh … Rauchmelder.«
Heiko Adam, Hamburg
Durchsage im Jahr 2010: »In Kürze erreichen wir die Bundeshauptstadt Bonn.«
Stefan Ritter, Köln
Auf der Strecke Oldenburg-Wilhelmshaven machte der Lokführer folgende Durchsage: »Aufgrund eines auf den Gleisen stehenden Lkw verzögert sich die Weiterfahrt um ein paar Minuten.« Ein Knistern war zu hören, dann ganz leise: »Der Idiot … wo hat der denn bitte seinen Führerschein her? Tja, klar, und jetzt auch noch dämlich grinsen und winken – so einer sollte nicht mehr in den Straßenverkehr gelassen werden … Oh, verdammt!!!« Dann wieder deutlich lauter: »Es tut mir leid, dass Sie diese Unterhaltung mit anhören mussten, wir sind nun bereit zur Weiterfahrt!« Der Lokführer hatte vergessen, das Mikro auszustellen.
Maureen Wreg
Im Intercity von Karlsruhe Richtung Nürnberg, sehr früh am Morgen. Der noch müde wirkende Zugbegleiter informierte die Reisenden per Durchsage über das kulinarische Angebot: »Unser Bordbistro bietet Ihnen heute: eine alkoholfreie Erfrischungsfrikadelle mit … äh … ein alkoholfreies Erfrischungsgetränk mit Frikadelle!«
Moritz Schwering, Albersweiler
An einem Sonntagabend, an dem Bauarbeiten auf der Strecke von Kassel nach Frankfurt stattfanden, sagte der Zugbegleiter Folgendes: »Sehr geehrte Fahrgäste! Ab jetzt sind keine planmäßigen Verspätungen mehr eingeplant!«
Marcel Leßmann
Ansage des Zugchefs: »Unser Personal im Bordrestaurant würde sich gerne auf Sie freuen.«
Frank Muschalle, Berlin
Einen schönen Versprecher habe ich im ICE auf der Fahrt von Basel nach Hannover erlebt. Es war schon nach 23 Uhr und dunkel. Ich döste vor mich hin, als ich folgende Ansage des Zugchefs hörte: »Sehr verehrte Fahrgäste, in wenigen Minuten erreichen wir Berlin Hauptbahnhof.« Mein Puls schnellte auf 180, mein Kopf ruckte zum Fenster. Dann kam der Rest der Ansage: »Entschuldigung, Hannover Hauptbahnhof.« Ich war jetzt jedenfalls hellwach.
Tim Groth, Braunschweig
Gerade war neu eingeführt worden, dass ein Zugmitarbeiter vor dem Aussteigen ansagt, auf welcher Seite der Bahnsteig ist. Da kam kurz vor Düsseldorf folgende Durchsage: »Nächster Halt Düsseldorf Hauptbahnhof. Zum Aussteigen benutzen Sie bitte die Türen …« Sehr lange Pause, Gelächter im Zug, erst dann ging es weiter: »… auf der rechten Seite.«
Jan Meese, Wuppertal
Im Intercity von Stuttgart nach Köln knackte der Lautsprecher. Dann folgte eine Durchsage in sehr bedeutsamem Tonfall: »Achtung, Achtung! Im Speisewagen sind zurzeit alle Sitze beplätzt.«
Thomas Heinrich, Wien
Kurz vor Karlsruhe in einem Zug mit halbstündiger Verspätung kam die Durchsage: »Wir bitten die Entspätung zu verschuldigen!«
Wolfgang Rieger, Freiburg
Ich steckte einmal eine Stunde mit dem ICE irgendwo in der Pampa fest. Es ging nichts voran, und es gab auch keine Prognose. Dafür gab es eine Durchsage, die selbst den grimmigsten Reisenden ein Lächeln entlockte – das ist wahre Meisterschaft. »Sehr geehrte Fahrgäste, aufgrund einer Streckensperrung hat unser Zug momentan eine Verspätung von circa einer Stunde. Die Weiterfahrt verzögert sich auf unbestimmte Zeit. Wir bitten Sie, das zu bedauern.« Kurz danach wurde die Bar geöffnet, und es gab alkoholfreie Getränke auf Kosten des Hauses.
Michael Bieligk
Mein Lieblingsversprecher, damals bei der Einfahrt in den Bahnhof Erlangen: »Verehrte Fahrgäste, in Kürze erlangen wir …« Der Rest ging in einem Lachanfall unter.
Tobias Kipp, Gilching
Ich saß an einem schönen Sommertag in einem Regionalzug aus Oranienburg in Richtung Süden. Der Zug näherte sich dem Berliner Hauptbahnhof, da ertönte folgende Ansage: »Sehr geehrte Damen und Herren, in Kürze erreichen wir den Bahnhof Potsdamer Platz … ähhh … ach, Scheiße, wo sind wir denn jetzt?! So wird das hier nichts!« Der Bahnhof Potsdamer Platz kommt wohlgemerkt nach dem Hauptbahnhof. Die Ansage jedenfalls brach abrupt ab, kurz darauf meldete sich der Zugchef erneut: »So, sehr geehrte Damen und Herren, wir erreichen in Kürze natürlich Berlin Hauptbahnhof und nicht Potsdamer Platz. Ich würde Ihnen auch gerne sagen, an welche Züge Sie dort Anschluss haben, aber mein Handy will nicht mehr, und meine Liste, von der ich jetzt ablesen könnte, finde ich nicht. Im Namen der Deutschen Bahn wünsche ich allen Fahrgästen, die am Hauptbahnhof um- oder aussteigen, eine gute Weiterreise und einen schönen Tag!« Ich konnte mich, wie einige andere Fahrgäste auch, kaum noch vor Lachen halten.
Peter Ley, Berlin
Die schönste Durchsage, die ich je erlebt habe: »Wir begrüßen die zugestiegenen Fahrscheine!«
Ralph Piotrowski, Berlin
Einmal herrschte auf dem Bahnhof Rosenheim Chaos: Regionalzüge fuhren nicht, aber ein Intercity. Die Zentrale in Frankfurt genehmigte, dass auch Passagiere mit Nahverkehrstickets auf den IC ausweichen durften, Abfahrt sei in wenigen Minuten auf Gleis 4. Als wir am Bahnsteig ankamen, wurde der Zug sogleich per halbverständlicher Lautsprecherdurchsage angekündigt: »Es fährt ein der Intercity aus München – auf Gleis 3.« Wie, auf Gleis 3? Es hieß doch Gleis 4. Einige Leute rannten schon in die Unterführung, um zum anderen Bahnsteig zu gelangen. Doch dann kam die Erleuchtung per wiederholter Lautsprecherdurchsage: Der Sprecher meinte nicht »auf Gleis 3«, sondern »aufpreisfrei«.
Martin Schweinberger, Traunstein
Auf einer Fahrt im ICE von Hamburg nach Göttingen hörte ich nach Verlassen des Bahnhofs Hannover folgende Durchsage: »Liebe Reisende, soeben ist unser Snackverkäufer zugestiegen. Er bietet Ihnen nun Sex und heiße Getränke. Unsere Gäste in der ersten Klasse werden auch direkt am Platz bedient.« Schweigen im vollbesetzten Abteil. Ich prustete verhalten los. Alle schauten sich um: Haben wir das richtig verstanden? Dann brach ein Lachsturm los. Kurz darauf kam die Schaffnerin ins Abteil. Wir hatten uns noch nicht beruhigt, und ich konnte mir den anerkennenden Hinweis auf das deutlich erweiterte Serviceangebot bei der Bahn nicht verkneifen. »Also habe ich doch richtig gehört«, sagte die Schaffnerin und ergänzte: »Ich möchte Sie dann aber bitten, in die erste Klasse zu wechseln, dort haben wir mehr Personal. Ich schaffe das hier nicht allein. Gern kann ich Ihnen dazu ein Upgrade verkaufen.« Das war richtig schlagfertig.
Thomas Seidel, Hamburg
Sehr nett war eine Durchsage im Intercity aus Amsterdam bei der Ankunft am Abend in Hannover: »Wir verabschieden uns von allen Vorwürfen – ähhh – von allen Fahrgästen, die in Hannover aussteigen.«
Eduard Interwies, Berlin
Sehr häufig waren auf der Strecke von Bonn nach Düsseldorf, die ich jahrzehntelang regelmäßig fuhr, Ansagen über Anschlusszüge zu hören, die in »Liege« – deutsch ausgesprochen – halten. Hat eine Zeit gedauert, bis ich kapiert habe, dass das französische »Liège« (Lüttich) gemeint war.
Urs von Freydorf, Bonn
Im Sommer 2010 saß ich im Regionalexpress von Gifhorn nach Wolfsburg. Der Schaffner kündigte an, dass wir in wenigen Minuten Wolfsburg Hauptbahnhof erreichen. »Dort haben Sie Anschluss an einen Intercity nach … [Pause]Tschetschenien.« Ich staunte zunächst nicht schlecht über diesen Ausbau der Streckenverbindungen – tatsächlich gemeint war aber der polnische Name von Stettin, Szczecin.
Frank Muschalle, Berlin
Durchsage an einem Sonntagabend im Frühjahr 2011 im Intercity von Münster nach Frankfurt, kurz vor der Einfahrt in Köln: »Verehrte Fahrgäste, wir erreichen in Kürze den Hauptbahnhof Köln mit einer Verspätung von fünf Minuten. Sie erreichen jedoch alle Ihre Anschlusszüge. Wir bitten, dies zu entschuldigen.«
Karl-Dietrich Leonhard, Rheine
Eine Bahnfahrt von Köln nach Bremen mit dem Intercity am Donnerstag vor Ostern. Der Zug war sehr voll, und viele Reisende standen in den Gängen. Ansage des Schaffners: »Meine Damen und Herren, der nächste Halt ist Duisburg. Dort haben Sie Anschluss [ihm fällt auf, dass er seine Brille nicht aufhat] – und das Ganze ohne Brille – an den RE nach … [Pause] ich glaube, Bochum.« Lautes Gelächter im Zug, das merklich zur Auflockerung der Stimmung führte! Den Rest der Ansage hat er dann fehlerfrei über die Bühne gebracht.
Friederike Kunkel, Bamberg
Im Nachtzug von München nach Berlin: »Wir verabschieden uns von den Fahrgästen, die in Potsdam von uns gehen.«
Matthias Beutter, München
Vor etwa einem Jahr war ich mit drei Freunden unterwegs von Paris nach Mannheim. Während der Fahrt gab es wie so häufig einige außerplanmäßige Stopps, weshalb wir in Mannheim einige Minuten später als geplant ankamen. Kurz bevor wir unser Ziel erreichten, ertönte folgende Durchsage: »Sehr geehrte Damen und Herren, wir bedanken uns für die Verspätung und entschuldigen uns für Ihre Reise mit der Deutschen Bahn.«
Jasmin Fußer, Mannheim
Allerhöchste Eisenbahn
Manche unserer alltäglich benutzten Redewendungen nehmen Bezug auf die Welt der Bahn. Was wirklich dahintersteckt:
»Ich verstehe nur Bahnhof«
Diese Redewendung für absolutes Unverständnis stammt vermutlich aus dem Ersten Weltkrieg. Gegen Ende waren die deutschen Soldaten an der Westfront derartig zermürbt, dass sie nur wieder in die Heimat wollten – egal, was ihnen angewiesen wurde, sie wollten zum Bahnhof und nach Hause.
»Dasselbe in Grün«
Zwei Berliner stehen vor einem Fahrkartenschalter, sagt der erste: »Ein Billett dritter Klasse nach Frankfurt.« Dann kommt der nächste, etwas vornehmer gekleidete Fahrgast, der ebenfalls nach Frankfurt will, aber zweiter Klasse: »Dasselbe in Jrün.« Diese Szene druckte die humoristische deutsche Wochenschrift »Fliegende Blätter« 1903 ab. Und sie gilt als eine der Erklärungen für den Ausdruck, dass zwei Dinge fast gleich sind. Zu der Zeit hatten die steifen Pappkärtchen-Tickets je nach Wagenklasse unterschiedliche Farben: gelb für die erste, grün für die zweite, braun für die dritte und grau für die vierte Klasse.
»Ich stehe unter Dampf«
Wer gestresst ist oder begierig, loszulegen, der steht unter Druck – wie der Kessel einer Dampflokomotive. Mit Kohle oder Öl angeheizt, entsteht dort Wasserdampf, der Treibstangen, Räder und damit die Lok in Bewegung setzt. Bei zu hohem Druck im Kessel wird »Dampf abgelassen« – im übertragenen Sinne: dem Ärger Luft gemacht.
»Es ist allerhöchste Eisenbahn«
Der Berliner Satiriker und Autor Adolf Glaßbrenner ist der Schöpfer dieses Ausdrucks, der Dringlichkeit verkündet. Er verfasste 1847 ein Theaterstück namens »Ein Heiratsantrag in der Niederwallstraße«, in dem ein zerstreuter Postbote fortwährend Wörter durcheinanderbringt. Etwa in dem Satz: »Es ist die allerhöchste Eisenbahn, die Zeit is schon vor drei Stunden anjekommen.«