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Das leise Summen des Türöffners erklang. »Bist du in Schwierigkeiten?« Mams Röntgenblick heftete sich an sie, versuchte tief in ihr Innerstes vorzudringen. »Hat Daniel dich in irgendwas hineingezogen?«

»Wieso hackst du noch immer auf ihm rum? Ich hab mit ihm Schluss gemacht. Und du hast das sicher mit Champagner gefeiert. Also lass es endlich gut sein.«

Durch die Glasscheibe der Haustür sah sie den Mann näher kommen. Anfang vierzig, dunkle Haare. Chino, Poloshirt. Er sah nicht aus wie ein Kriminalbeamter. Aus der Hosentasche zog er seine Marke und hielt sie hoch, während Saskia bereits die Tür öffnete.

Bitte nicht Paps!, schoss es ihr durch den Kopf. Doch dann wurde ihr klar, dass der Mann in diesem Fall nach Saskia gefragt hätte.

»Dühnfort.« Er reichte Mam die Hand. »Es tut mir leid, so früh zu stören.« Sein Blick wanderte durch die Halle, traf auf Mikas. »Sind Sie Mika?«

Ein mühsames Nicken gelang ihr. »Eigentlich Monika.« Weshalb hatte sie das jetzt gesagt? Sie rappelte sich auf. Mama schaltete sofort auf Gastgeberin um, bat den Mann ins Wohnzimmer, fragte, ob sie ihm etwas anbieten könnte. Kaffee, Tee, Saft? Benommen folgte Mika den beiden, sie fühlte sich wie unter Wasser.

»Bei Kaffee sage ich niemals nein.« Dühnfort hatte ein freundliches Lächeln, das aber sofort wieder verschwand. Mam bot Platz an und ging in Richtung Küche, dabei warf sie Mika einen Blick zu, der zwischen Ratlosigkeit und Panik pendelte. Sie hatte echt Schiss, Daniel habe irgendwas angestellt und sie sei darin verwickelt.

Mika ließ sich auf eine Ecke der Sitzlandschaft fallen. Hinter den Panoramascheiben lag der Garten. Die Wasserfläche des Pools war glatt wie ein Spiegel. Ihr Blick verfing sich in der Eibenhecke und kehrte zu dem Polizisten zurück. Abwartend saß er auf dem Polsterhocker und beobachtete sie.

Die Frage purzelte einfach so aus ihr heraus. »Wer?«

Er verstand sofort. Sein Brustkorb hob und senkte sich. Es fiel ihm nicht leicht. »Daniel. Daniel Ohlsberg. Es tut mir leid.«

»Daniel?« Nicht Daniel!

Ein glühender Schmerz breitete sich in ihrer Brust aus, wie ein alles versengendes Feuer. Die Tränen schossen ihr in die Augen. Sie kannte ihn ihr Leben lang. Er hatte immer dazugehört. Mal mehr, mal weniger. Aber dazu. Seit sie denken konnte. Und jetzt sollte er tot sein? Das musste ein Irrtum sein. Dühnfort reichte ihr ein Tempo. »Sie sind seine Freundin?«

»Ja … Nein. Nicht so, wie Sie denken. Wir sind Freunde und waren auch mal ein Paar. Seit einigen Wochen aber nicht mehr. Was ist denn passiert?« Dumme Frage, dachte sie. Zu schnell gefahren, Kontrolle verloren, gegen einen Baum geknallt. Daniel und sein aufgemotzter Golf. Er konnte nicht tot sein.

»Daniel … Er wurde heute Nacht … Es ist ganz hier in der Nähe passiert. Vorne in der Baustelle im Anemonenweg. Jemand hat auf ihn geschossen.«

»Geschossen?« Sie klang wie sein Echo. »Wer denn? Warum?« Das konnte doch nicht sein.

»Das wissen wir noch nicht.«

Sie wollte sich das nicht vorstellen. Ein letzter Blick, ein letzter Gedanke, eine erstaunte Frage und alles war vorbei. Von einem Augenblick zum nächsten. Patsch. Aus.

Mam kam mit Kaffee, Sahne und Zucker. Als wäre es möglich, jetzt Kaffee zu trinken. Daniel war tot, und alles ging weiter, als wäre nichts geschehen. Dasselbe Gefühl wie bei Isa. Jemand musste die Zeit anhalten. Wenigstens für einen Augenblick. Bitte!


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