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ISBN 978-3-8437-0320-8

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Für Lena, die im rechten Moment zur Stelle war.

Danke!

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Wildenburg in der Eifel,
im Januar 1632

D.epser Mann, den sie hinrichten wollten, war schön. Er hatte safrangelbes, lockiges Haar, das ihm der Wind aus dem Gesicht blies, so zärtlich, als wollte er ihn das Grauen der letzten Tage vergessen machen. Seine Augen spiegelten das gläserne Blau des Winterhimmels wider. Sein Lächeln – er lächelte, trotz der Schmerzen, die er litt – wirkte aufgekratzt. Natürlich ging er krumm, kaum dass er sich auf den Beinen halten konnte. Langsam schlurfte er über die Steine, mit denen Marsilius den Innenhof beim Palas hatte pflastern lassen. Sein Arm war gebrochen, und die Fetzen, die ihm am Leib hingen, starrten vor Schmutz und Blut. Er wusste, dass er sterben würde. Und er tat, als machte ihm das nichts aus.

Fröstelnd zog Sophie ihren Mantel enger um das Wollkleid. Ihr Blick folgte der grauen Katze, die auf der äußeren Burgmauer stolzierte und nach einer Stelle suchte, von der aus sie über den Hang hinab in die Felder klettern konnte. Sophie wünschte sich von Herzen, dass sie ihr folgen könnte. Rennen und rennen, bis sie nach Hause kam. Aber das ging natürlich nicht. Sie war jetzt verheiratet und musste auf dem Burghof ausharren, wie Marsilius, ihr Ehemann, es angeordnet hatte. Ich weiß, Mutter, dachte sie, ich weiß.

Der Morgen war sonnig. Von der Dachrinne des Palas tropften die Eiszapfen, und auf dem Wohnturm quietschte der Wettervogel. Unter dem Wehrgang, der sich vom Hexenturm um den Burghof zog, versuchten einige verwurmte Köter, ­ein­ander einen Knochen abzujagen. Ein alter Mann, der als verrückt galt, pinkelte gegen die windschiefe Wand der Brenn­holzhütte. Mein Reich, dachte Sophie, und ihr strich eine Gänsehaut über den Rücken. Sie war siebzehn Jahre alt – und fühlte sich wie hundert.

Beklommen sah sie zu, wie der Verurteilte stehen blieb. Er hob das Gesicht zu dem Gerüst, das Marsilius im Schatten des Palas hatte errichten lassen. Auf dem Holzblock, auf den man gleich seinen Kopf drücken würde, lag eine Schicht flauschiger Schneeflocken. Ein sanftes, kaltes Kissen. Neben dem Block stand der von Eisenringen umfasste alte Holzeimer, in den der Henker seinen Kopf werfen würde, nachdem er ihn triumphierend vor dem Publikum in die Höhe gehalten hatte. Hatte der Mann dieses Bild ebenfalls vor sich? Sophie sah, wie seine Lippen sich kräuselten.

Sie zuckte zusammen, als sich mit wildem Geschrei ein Krähenschwarm vom Dach des Palas hob. Es war, als wüssten die Vögel, dass ihnen eine Mahlzeit bevorstand. Ihr wurde übel. Nicht nur ein bisschen schwummrig, sondern richtig mit einem Würgen. Verkrampft atmete sie in den Bauch hinein. Himmel, das fehlte noch, dass sie sich vor dem versammelten Gesinde übergab! Sie war seit drei Wochen Herrin der Burg, aber niemand gehorchte ihr, und ihr Mann platzte vor Ungeduld, weil sie nichts richtig machte. Sie musste sich zusammenreißen. Marsilius hatte befohlen, dass jeder Burgbewohner bei der Hinrichtung anwesend sein sollte, also würde sie es durchstehen.

Sie sah, wie der Henker dem Verurteilten einen Stoß in den Rücken versetzte. Der Mann gab einen Schmerzenslaut von sich und murmelte, während er sich wieder in Bewegung setzte: »Wozu die Eile, Dreckskerl? Dein Herr ist noch nicht da. Soll er den besten Teil verpassen?« Obwohl er leise sprach, drangen die Worte über den Hof. Einige vom Gesinde lachten.

»Der kommt schon noch, halt uns nicht auf«, brummte der Henker. Es gab in der Wildenburger Herrschaft noch keinen Scharfrichter. Marsilius hatte einen der Söldner, die der Krieg vor sein Burgtor geschwemmt hatte, mit der Hinrichtung beauftragt. Der Mann war jung. Er hinkte stark und schien betrunken zu sein. Sie hörte ihn verdrossen fluchen. Wer einen Menschen hinrichtete, fiel so tief, wie ein Christ nur fallen konnte. Er wurde ehrlos und durfte kein Handwerk mehr ausüben und nicht einmal bei anständigen Männern in der Schenke am selben Tisch sitzen. Vielleicht bekümmerte den Burschen das. Aber vielleicht wurmte ihn auch nur das harte Stück Arbeit, das ihm bevorstand. Es würde Kraft kosten, dem Blonden den Kopf vom kräftigen Hals zu schlagen, und wenn es nicht auf Anhieb gelang, vielleicht nicht einmal beim dritten oder vierten Hieb, richtete sich der Zorn der Menge oft gegen den Henker selbst. Aber hier nicht, dachte Sophie. Dafür hatten die Burgmannen zu viel Angst vor ihrem Herrn. Und Marsilius würde es vielleicht sogar gefallen, wenn die ersten Hiebe nicht gar zu genau saßen.

Die graue Küchenkatze kam über den Hof gelaufen und strich dem Verurteilten um die Beine. Die Berührung reichte aus, ihn ins Stolpern zu bringen. Er stürzte auf die Knie, und während der Henker ihn auf die Beine zurückzerrte, erblickte er die beiden leeren Stühle, die Marsilius neben dem Brunnen hatte aufstellen lassen. »Holt euren Herrn aus dem Bett seiner Hure. Sagt ihm, gefrorenes Fleisch zerlegt sich schlecht!« Seine Stimme klang wie zerbrochen, aber der Blick war voll wilden Hochmuts. Erst Augenblicke später bemerkte Sophie, dass die Leute verstohlen zu ihr hinüberblickten. Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Die Hure, natürlich. Der Verurteilte spielte auf Edith an. Nicht, dass er ein Geheimnis verriet. Marsilius gab sich keine Mühe zu verbergen, mit wem er seine Nächte teilte. Aber der Gefesselte war der Erste, der den Namen in ihrer Gegenwart aussprach, und einen Moment lang hasste sie ihn für die Demütigung.

Dirk Wolpmann, der Burgvogt, verschaffte sich Platz und schlug den Kerl zu Boden, wie es einem treuen Gefolgsmann zukam, dessen Herr beleidigt wurde. »Scheißer!«, brüllte der Henker und zerrte ihn wieder auf die Füße.

Der Delinquent hieß Marx, fiel Sophie plötzlich ein. Marsilius hatte seinen Namen durch den Palas gerufen, als er am vergangenen Abend betrunken aus dem Südturm zurückgekommen war, wo er ihn eigenhändig gefoltert hatte. Die Hände und der wollene Rock ihres Ehemanns waren mit Blut besudelt gewesen, und er hatte gelacht, als hätte er den Verstand verloren. »Der Dickschädel! Er will den Mord nicht gestehen«, hatte er gejohlt, während er die Hände am Rock der alten Märthe abwischte. »Aber ich komme wieder, Marx von Mengersen. Irgendwann wird deine Zunge sich lösen.«

Dass er persönlich die Folterinstrumente in die Hand genommen hatte, sorgte in der Burg für Erstaunen. Auch diese schmutzige Arbeit überließ man normalerweise ehrlosen Leuten. Aber Marsilius war mit dem Opfer entfernt verwandt gewesen, und damit erklärten sie sich seine Wut. Im Übrigen war den Leuten egal, was Marsilius mit dem Gefangenen anstellte. Der Kerl verdiente kein Mitgefühl. Er hatte einen jungen Mann ermordet, seinen eigenen Herrn, um an dessen Geldbörse zu gelangen. Glücklicherweise hatte der Müller von der Bannmühle in Manscheid die Untat beobachtet. Er war zur Wildenburg geeilt, und Marsilius und Dirk hatten den Mörder gestellt und zur Burg hinaufgeschafft.

Man hatte den toten Jüngling in der kleinen Kapelle im Obergeschoss des Wohntrakts aufgebahrt, und Sophie wusste, dass Marsilius Marx an seinen Sarg gezerrt hatte, in der Hoffnung, er würde, mit dem Leichnam konfrontiert, zu seiner Tat aussagen. Aber Marx hatte sich unter gotteslästerlichen Flüchen geweigert. Natürlich half ihm das nicht, weil es ja Zeugen gab. Es war gerecht, dass er starb. Nur wollte sie es nicht mit ansehen müssen.

Der Verurteilte hatte den Podest erreicht. Er blieb davor stehen und hob das Gesicht zur Sonne. Sein Haar glänzte, sogar die bräunlichen Stellen, in denen es mit Blut verklebt war. Wieder kroch Sophie der Mageninhalt die Speiseröhre hinauf, und plötzlich war ihr gleich, was das Gesinde dachte oder Marsilius mit ihr anstellen würde. Der Drang zu flüchten wurde übermächtig. Sie rannte mit geschürztem Rock aus dem Burghof, taumelte an der Remise und dem geweißten Treppenturm vorbei und lief über die Brücke, die die Hauptburg von der Vorburg trennte.

Aber sie hatte ihren Entschluss zu spät gefasst. Als sie die Pferdetreppe erreichte, die zur unteren Brücke hinabführte, tauchte plötzlich ihr Ehemann auf. Marsilius ritt auf dem Schimmel des Fremden, einem temperamentvollen Schlachtross, unter dessen schneeweißem Fell die Muskeln spielten. Das also hatte ihn aufgehalten. Er war ein Pferdenarr und hatte den sonnigen Wintermorgen für einen Ausritt genutzt.

Und offenbar nicht allein. Ihm folgte, ein wenig langsamer, die Hure, auf die der Mörder im Hof angespielt hatte. Es versetzte Sophie einen Stich zu sehen, wie elegant Edith im Sattel saß. Sophie war selbst eine gute Reiterin. Dass Edith ihr auf ihrem ureigensten Territorium Konkurrenz machte, verletzte sie fast noch mehr als die Dreistigkeit, mit der sie ihr den Gatten stahl.

»Was treibst du hier?«, hallte Marsilius’ Stimme über den Weg. Er hatte getrunken. Nicht so viel, dass er lallte oder sich unsicher bewegte, aber er sprach langsamer als gewöhnlich. In seinem jungen Gesicht mit dem Schnauzbart – er war nur wenige Jahre älter als Sophie – löste Ungeduld seinen Übermut ab. Sie sah ihm an, dass er den Ausritt genossen hatte und wie sehr es ihn anödete, jetzt auf seine frischgebackene Ehefrau zu treffen. Gereizt hob er die Gerte.

Sophie wich gegen die Mauer zurück. Sie hasste sich für ihre Unterwürfigkeit, besonders als sie sah, wie Ediths schönes, weißes Gesicht sich höhnisch verzog. Die Frau war wenigstens zehn Jahre älter als Marsilius. Und trotzdem war es ihr gelungen, sein Herz zu erobern. Gut, gar so rätselhaft war das nicht. Ihre Haare fluteten wie flüssiger Weizen unter dem Federhut hervor. Ihr Busen wölbte sich schneeweiß aus dem Mieder. Ihre Lippen glänzten. Auf Sophie wirkte sie wie eine Amazone. Kühn und dabei trotzdem weiblich. Kein Wunder, dass Marsilius sie ihr selbst, die nur wenig Busen, schmale Hüften und ein Allerweltsgesicht besaß, vorzog.

»Marsch, in den Hof zurück«, schnauzte Marsilius und trieb sein Pferd auch schon selbst um die Hausecke. Edith folgte ihm mit einem letzten spöttischen Blick auf das Mädchen, das sich eingebildet hatte, ihr den Platz nehmen zu können, den sie bereits seit Jahren innehatte. Wen würde er wohl gleich an seine Seite bitten, wenn es darum ging, über die Hinrichtung zu präsidieren? Die Hure oder die Ehefrau? Edith natürlich, dachte Sophie niedergeschlagen.

Sie hörte Marsilius’ Stimme vom Hof. »Hoch aufs Podest mit dem Dreckskerl!« Unter dem Gesinde machte sich eine aufgeräumte Stimmung breit. »Nicht gar zu schnell, das hat er nicht verdient«, stachelten sie den Henker an. »Hackt ihm zuerst die Hand ab, mit der er den Jungen erstochen hat! Auge um Auge, Hand um Hand!«, forderte eine Stimme, vielleicht die von Theiß, dem Koch, oder von Jössele, der zur Wachmannschaft gehört. In Sophies Magen begann es erneut zu rumoren. Sie rannte zum Tor und winkte dem Wächter, der es gerade wieder schließen wollte. Aber er schien sie misszuverstehen, denn er ließ den Riegel fahren und kam ihr entgegen.

Aus dem Hof dröhnte Marsilius’ Stimme. »Fang an und bettle um dein Leben, Marx von Mengersen!«

»Wenn du deine Hure küsst, soll sie an der Scheiße ersticken, die aus deinem Mund kommt!«, brüllte der Verurteilte erstaun­lich klar.

Sophie wusste nicht, was danach geschah, sie hörte nur einen entsetzlichen Schrei – und dann gar nichts mehr. Entsetzt lief sie weiter. Vierundzwanzig breite Pferdestufen führten zum unteren Tor. Auf halbem Weg, dort wo es links zur Schmiede und zum Brandweiher ging, traf sie mit dem Wächter zusammen. Er blickte sie fragend an. Sie wies zum Hof hinauf. Marsilius wird mich prügeln, dachte sie, aber was tat’s. Nur weiter, hinaus ins Freie.

Als sie das äußere Tor fast erreicht hatte, gellte ein vielstimmiger Schrei in ihrem Rücken. Das Schwert des Henkers hatte zugeschlagen. Der Mörder war also tot. Klopfenden Herzens stützte Sophie sich an der Mauer ab. Das Blut dröhnte in ihren Ohren. Durch den Torspalt sah sie die Häuser, die zur Burgfreiheit gehörten und die wegen des Spektakels der Hinrichtung verwaist waren, und dahinter die schneebedeckten sanften Berge der Eifel mit den schwarzen Bäumen, den Feldern und den kleinen Dörfern, die sich in die Täler schmiegten. Alles sah so friedlich aus. Die Sonne ließ den Schnee bis zum Horizont glitzern.

Und wenn sie nun hinausliefe? Und sich zumindest ein paar Stunden Aufschub gönnte? Ihr wurde kalt, als sie an Marsilius dachte.

In diesem Moment vernahm sie Getrappel hinter sich. Schleppend drehte sie sich um. Und hörte auf zu atmen. Es war unmöglich, was sie sah. Es musste eine Einbildung sein. Der Schimmel, das Schlachtross des Fremden, galoppierte den Weg hinab, auf seinem Rücken hing der Mörder. Sophie starrte wie hypnotisiert auf die Gestalt, die sich mit auf den Rücken gefesselten Händen über den gestreckten Hals des weißen Tieres beugte, ums Gleichgewicht rang und jeden Moment zu stürzen drohte.

Und plötzlich war es, als würde alles langsamer. Der Blonde hob den Kopf. Er bemerkte das Tor, er registrierte, dass seine Flucht zu Ende war. Sophie sah das Erkennen und die Enttäuschung in seinem schmerzverzerrten Gesicht. Sie meinte, auch etwas wie Furcht aufblitzen zu sehen, aber da war sie sich nicht sicher.

Dann drehte sich das Tor in den Angeln. Sie selbst musste es sein, die die schweren Bohlen beiseitedrückte, um den Spalt zu erweitern. Warum tue ich das?, dachte sie entsetzt, aber gleichzeitig spürte sie einen wilden Funken Triumph.

Der Mörder donnerte heran. Der Atem des Schimmels streifte Sophies Hals. Der Flüchtling war so frech, die Lippen zu einem Kuss zu formen, als er an ihr vorüber stob. Und schon war er draußen. Die Hufe hämmerten über die Brücke, der Schimmel galoppierte durch die Vorburg der Freiheit entgegen.

Benommen schaute Sophie die Pferdetreppe hinauf. Das Gesinde, das eben noch im Hof gestanden hatte, rannte auf sie zu, allen voran Dirk, und als Nächste merkwürdigerweise Edith. Ich bin verloren, dachte sie. Marsilius prügelte das Gesinde bei jeder Gelegenheit, ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit oder sein eigenes Wohl, das ja von ihrer Arbeitskraft abhing, einfach weil er jähzornig war. Er würde auch seine Ehefrau nicht verschonen, die ihn im Angesicht des gesamten Hausstandes gedemütigt hatte. Er schlägt mich tot, dachte sie.

Im nächsten Moment sackte sie in sich zusammen. Über ihr stand die weiße Sonne und blendete sie.

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A.epsber dann schlug er sie doch nicht. Gott hatte Erbarmen. Es wurde wie durch ein Wunder alles gut.

»Wie durch ein Wunder wurde alles gut«, erklärte Sophie fünf Wochen später ihrer Mutter Ursula und ihrer Schwester Christine, die aus Breitenbenden angereist waren, um zu schauen, wie es der Jungvermählten ging, und die nun mit ihr zusammen in der kleinen Stube im Untergeschoss des Palas saßen. Ihre Familie war zum ersten Mal seit der Hochzeit auf der Wildenburg. Die Frauen hatten es sich in der Fensternische auf den Bänken gemütlich gemacht und lauschten angespannt Sophies Bericht über die Schwierigkeiten, die den Beginn ihrer Ehe überschattet hatten.

Marsilius regt sich leicht auf, man darf ihn nicht reizen, hatte sie ihnen erzählt, und Mutter hatte bekümmert genickt. So waren die Männer. Was war sonst geschehen? Sophie hatte vom Gesinde gesprochen, das viele ihrer Anweisungen ignorierte oder nachlässig ausführte. Auch das war nicht ungewöhnlich, bei Sophies Jugend, musste aber natürlich unverzüglich bestraft werden, damit klar wurde, wer jetzt Herrin im Haus war. Und weiter?

Sophie hatte gezögert. Sollte sie von dem Mörder berichten, dem sie Fluchthilfe geleistet hatte? Nein, das behielt sie lieber für sich. Ihr schwante, dass Mutter dieses Verhalten unentschuldbar finden würde. Dafür begann sie von Edith zu erzählen, die ihr das Leben schwermachte, die Dienerschaft gegen sie aufhetzte und dafür sorgte, dass Marsilius seine Nächte in ihrem Lotterbett verbrachte.

»Der Herr möge sie dafür strafen«, regte Ursula sich auf. »Aber nur Geduld, Sophie, am Ende schützt er die Gottesfürchtigen und bringt die Sünder zu Fall.«

Christine, die neben ihrer Mutter saß, zwinkerte Sophie aufmunternd zu. Sie hielt ihren kleinen Sohn im Arm, Jürgen, einen Schreihals von sechs Monaten mit einem schwarzen Haarflaum, der sich ein Vergnügen daraus machte, von einem Arm zum anderen zu wandern. Im Moment schlief er allerdings, und Ursula, die Kinder über alles liebte, strich sanft mit dem Zeigefinger über den kleinen, rosigen Mund des Enkelsohnes.

»Das Schlimme ist, dass Marsilius keine Mutter hat, die ihm den Kopf zurechtrückt«, erklärte sie dabei. »Sonst hättest du eine Verbündete in der Burg.« Sie hob den Blick, um ihre Tochter anzusehen. »Aber du kannst zuversichtlich sein. Männer gleichen einander wie Eicheln. Sie naschen an fremden Töpfen, doch sobald sie auf einen Sohn hoffen dürfen, kehren sie in die eigene Küche zurück. Deshalb heiraten sie uns schließlich. Wir erfüllen ihren Herzenswunsch.«

Und genau darin bestand das Wunder. Sophie war nämlich schwanger geworden. Sie selbst hätte es wahrscheinlich gar nicht so rasch bemerkt. Es kam heraus, als Marsilius sie nach der Flucht des Mörders in die Halle schleppte, um sie zu ­prügeln, weil sie sich auf dem Hof rumgetrieben und den Flüchtigen nicht aufgehalten hatte. Edith hatte ihm dafür eine Reitpeitsche gereicht, die sie berechnend von draußen mit hin­­eingetragen hatte. Sie hatte ihre Nebenbuhlerin mit einer Grausamkeit angestarrt wie eine Katze, die ein Mäusenest wittert – eine unheimliche, eine entsetzliche Frau. Marsilius hatte Sophie befohlen, das Kleid und ihr Hemd auszuziehen, und als sie nicht schnell genug gehorchte, die Peitsche fortgeworfen und selbst Hand angelegt.

Und da hatte sie sich auf seine Stiefel übergeben.

Vielleicht hatte Marsilius der Anblick, wie sie das Essen hervorwürgte, an die Schwangerschaft irgendeines Weibes erinnert. Jedenfalls hatte er sie am Arm hochgerissen und gefragt, ob ihre Blutung ausgeblieben sei. Sie hatte ihm nicht antworten können, weil sie immer noch würgen musste. Dann war sie auf eine Bank gesunken und hatte gewartet, während er eine Hebamme holen ließ, die ihm angstvoll versicherte, dass sein Weib vermutlich schwanger sei. Die Frau hatte in seiner Anwesenheit eine Untersuchung durchführen müssen – die er fasziniert beäugte – und schließlich ihre Meinung wiederholt. Aber natürlich war es noch viel zu früh, um wirklich etwas Sicheres sagen zu können. Überzeugt wurde Marsilius wohl erst von Ediths wuterfülltem Schrei.

Das Weib war totenblass geworden, und der unverhohlene Zorn, mit dem sie auf die Schwangere stierte, hatte Marsilius auflachen lassen. Er wünschte sich so sehr einen Nachfolger. Seine schlechte Laune verflog, und in seinem jungenhaften Gesicht malte sich reines Entzücken. Er hatte Sophie befohlen, sich wieder anzukleiden und sich in ihre Kammer zu begeben. Dann war er gegangen, um mit Dirk auf sein Glück anzustoßen.

»Alles, was du jetzt tun musst, ist, deine Stellung zu fes­tigen«, holte Ursula ihre Tochter aus der Erinnerung zurück. »Du bist die Mutter seines Kindes, das gibt dir die Macht, die du brauchst, um wirklich zur Herrin der Burg zu werden. In deinem Bauch wächst sein Glück. Pass nur auf – wenn du dich nicht gar zu ungeschickt anstellst, hat er seine Hure in wenigen Wochen davongejagt.«

Sophie blickte zu der Tür, die in den Wohnturm führte. Über ihrer Kammer lag die Schlafkammer von Marsilius, und von dort waren es nur wenige Schritte zu dem Zimmer, in dem Edith wohnte. Sie hörte jede Nacht die Türen knarren, wenn Marsilius zu seiner Gespielin ging. Und wenn sie ehrlich war, dann war sie sogar froh darüber. Dass Marsilius seine Bedürfnisse nicht in ihrem Bett erfüllen wollte, war der einzige Vorteil, den Ediths Existenz bot. Mit Grauen dachte Sophie an ihre Hochzeitsnacht zurück – und verdrängte die Erinnerung sofort. Wenn sie diesen Bildern Raum gab, würde sie verrückt werden.

»Auf jeden Fall darfst du nicht mehr auf ein Pferd«, dozierte Ursula, der es stets ein Dorn im Auge gewesen war, dass ihr Mann ihre Jüngste reiten und schießen gelehrt hatte – und zwar nicht in dem sittsamen Umfang, in dem es einer jungen Frau zukam, sondern mit sportlichem Ehrgeiz. Sophie ahnte, dass ihre Mutter vor allem ihr unweibliches Wesen für die Schwierigkeiten verantwortlich machte, die ihre Ehe überschatteten. Dass sie die dürre Gestalt eines Jungen besaß, konnte man leider nicht ändern. Auch die spitze Nase und das unweiblich harte Kinn gehörten zu den Prüfungen, die Gott ihr auferlegt hatte. Aber man hätte die körperlichen Mängel ja nicht dadurch hervorheben müssen, dass man das Mädchen wie einen Knaben großzog – bloß weil der ersehnte Stammhalter ausgeblieben war. Ursula hatte das hin und wieder ange­deutet, aber sie war zu wohlerzogen gewesen, um ihren Mann ernsthaft zu kritisieren.

»Hörst du mir überhaupt zu, Kind?«

»Nicht reiten, ja. Marsilius lässt mich sowieso nicht.«

»Dietrich hat die Nachricht von meiner Schwangerschaft in der Kirche verkünden lassen«, kicherte Christine. »Ich wusste gar nicht, wohin ich schauen sollte. O süße Jungfrau, es ist alles so aufregend.«

Sophie lächelte ihr mechanisch zu. Christine war seit einem Jahr Witwe, aber das hatte ihre Stimmung nicht lange trüben können. Sie würde bald erneut heiraten und ein weiteres Kind bekommen und glücklich sein. Sophie war klar, dass sie sich über das Kind in ihrem eigenen Bauch ebenfalls freuen müsste. Doch statt aufgeregt auf den Tag zu warten, an dem sie es endlich im Arm hielt, dachte sie nur: Herrgott, nimm’s weg, ich will es nicht. Ihr war, als hätte Marsilius etwas in sie hinein­gestopft, das schmutzig war und … und sie von innen her auffraß. Konnte man das glauben – so eine schreckliche Vorstellung?

Über sich selbst beschämt, zwang Sophie sich, auf ihren schlafenden Neffen zu schauen, der so niedlich war, dass keine Magd vorübergehen konnte, ohne ihn anzulächeln. »Wart nicht zu lange«, drang Ursulas Stimme an ihr Ohr. »Umschmei­chle deinen Mann, koche ihm etwas Gutes, sei ihm gefällig – und dann verlange, dass er Edith fortjagt!«

Sophie nickte.

»Verstehst du mich?«

»Ja.«

»Gut. Dann würde ich nämlich vorschlagen, dass du sogleich damit beginnst!«

»Womit?«, fragte Sophie verwirrt.

Mutter seufzte. »Mit der guten Mahlzeit. Schau doch Kind.« Sie wies zum Fenster. »Die Männer kommen heim. Sie reiten in den Hof ein! Du musst dich schon kümmern, Sophie, wenn du eine zufriedene Ehe führen und den Respekt deines Ehemannes erlangen willst. Er ist hungrig, er will essen. Biete ihm ein Glas Wein, um die Zeit zu überbrücken, bis die Mahlzeit auf dem Tisch steht. Hast du nie zugeschaut, wie ich es mache? Ach Herzchen, bist du langsam.«

Es brauchte den Wein nicht. Die Dienerschaft hatte den Tisch auch ohne Anweisung der Hausherrin gedeckt. Die Wildenburg war so lange ein Junggesellenhaushalt gewesen, dass die Leute genau wussten, was zu tun war. Ich bin hier völlig überflüssig, dachte Sophie niedergeschlagen. Sie nahmen an dem Tisch in der Saalkammer Platz, die im oberen Geschoss neben Marsilius eigenen Räumen lag. In dem wagenradgroßen Leuchter waren zu Ehren der Gäste Kerzen entzündet worden. Eine weiße Tischdecke, die zu Sophies Aussteuer gehört hatte, bedeckte die zerschrammte Tischplatte. In der Mitte standen ein Salzfass und vier Jahreszeitenplatten, auf denen Theiß Dörrobst drapiert hatte – Birnen, Aprikosen, Äpfel, dazwischen lagen Nüsse.

»Nun sei doch nicht so still!«, wisperte Ursula ihrer Tochter zu, während Sophies Vater und Marsilius über Kaiser Ferdinand sprachen, der mit den protestantischen Schweden Krieg wegen des heiligen katholischen Glaubens führte und seinen Generalissimo Wallenstein erneut zu seinem Heerführer gemacht hatte, um die Eindringlinge aus dem Land zu jagen. Sophie rang um einen Satz, aber ihr Kopf war wie leer gefegt. Sie wusste doch auch gar nichts über diesen Krieg, der schon so lange andauerte, wie sie zurückdenken konnte. Stumm sah sie zu, wie Theiß auf einem runden Messingtablett Pastetchen hineintrug. Es roch nach geröstetem Schwarzbrot und Nelkengewürz. Marsilius und ihre Familie plauderten in bester Stimmung. Entrüstet hörte sie ihren Vater Franz fragen: »Im Ernst? Den Leichnam?« Und da merkte sie auf.

»Aus dem noch frischen Grab«, bestätigte Marsilius. Das Grübchen, das in der Mitte seines Kinns saß, vertiefte sich, wie immer, wenn ihn etwas aufregte. »Irgendwie hat dieser Marx es heimlich auf unseren Friedhof geschafft. Der Teufel selbst muss ihm die Tollkühnheit verliehen haben, dorthin zu gehen, denn er liegt ja inmitten des Gesindedorfes, und viele Fenster gehen in diese Richtung hinaus. Aber er hat es gewagt und das Grab geöffnet und den Toten gestohlen.«

»Ein Leichendieb«, kommentierte Franz. Er war ein groß ge­wachsener Mann mit einem einfachen, gutmütigen Gesicht, in dem jetzt allerdings blanke Empörung saß.

»Weiß man, was den Kerl zu der schändlichen Tat getrieben hat?«, erkundigte sich Ursula, um das Schweigen ihrer Tochter zu übertünchen.

Marsilius zuckte mit den Schultern. »Was tut solches Pack mit einem Leichnam? Sie werden ihn zerlegt und Stück für Stück an die Apotheker oder gar an Hexengesindel verkauft haben. Für Leichenteile – gerade von Menschen, die bei bester Gesundheit gestorben sind – werden hohe Preise gezahlt.«

Christine schrie angeekelt auf, und Marsilius schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln. Sophies Schwester war hübsch, er mochte hübsche Frauen.

»Du sagst sie? Hatte der Mann denn Komplizen?«, wollte Franz wissen.

»Das nehme ich an. Marx hätte nicht genügend Kraft gehabt, um auch nur ein Fingerchen des armen toten Jungen fortzutragen. Wir hatten ihn schließlich nicht gerade sanft behandelt.«

Nein, das hast du wahrlich nicht. Sophie schauderte, als sie an das blutdurchtränkte Hemd dachte, das Marsilius ihr nach einem der Verhöre im Hexenturm vor die Füße geworfen hatte, damit sie sich um die Reinigung kümmerte. Auf der Vorderseite des Hemdes war ein blutiger Gesichtsabdruck gewesen, als hätte ihr Ehemann den Kopf des Delinquenten an sich gepresst. Rasch verdrängte sie die Erinnerung.

»Wen hat dieser Unhold denn ermordet?«, wollte Christine wissen.

»Der Mann hieß Heinrich von Elverfeldt. Ein Freiherr mit einem stattlichen Besitz westlich von Witten. Ich bin entfernt mit ihm verwandt, von der mütterlichen Seite her, obwohl ich nicht viel Kontakt zu ihm hatte. Das Tragische ist, dass er wahrscheinlich noch leben würde, wenn er hier in der Burg sein Nachtlager genommen hätte. Aber er hatte es vorgezogen, im Wald zu schlafen. Sicher eine Neigung, die ihm aus der Zeit als Offizier beim Heer geblieben ist. Seine arme Mutter und sein Onkel konnten sich jedenfalls vor Schmerz kaum fassen, als sie von seinem Tod erfuhren.«

»Und was willst du nun unternehmen?«, erkundigte sich Ursula. Sie trat Sophie unter dem Tisch. Herr im Himmel, sagte ihr Blick, es kann doch nicht so schwer sein, ein wenig zur Unterhaltung beizutragen.

»Ihn jagen, bis ihn sein gerechtes Schicksal ereilt.« Marsilius hob den Becher und prostete seiner Ehefrau zu. Sophie zwang sich zu einem Lächeln. Dieses Mal gelang es sogar, denn sie musste an das einzig Komische denken, was ihr in den Monaten, seit sie auf der Wildenburg lebte, widerfahren war: Marsilius hatte gar nicht begriffen, dass sein eigenes Weib dem Mörder den Weg in die Freiheit geebnet hatte. Man hatte sie am Tor fallen sehen – und angenommen, dass Marx sie niedergestoßen hatte. Sonst wäre ich jetzt tot, dachte sie, schwanger oder nicht. Denn auch wenn Marsilius so entspannt tat, als wäre die ganze Episode kaum das Tischgespräch wert, wusste sie, dass er den Flüchtigen mit tiefstem Hass verfolgte. Seine Wutanfälle, wenn ein weiterer Tag verstrichen war, ohne dass er den Mann zu fassen bekam, bewiesen, wie sehr ihn die Sache kränkte.

Er darf niemals erfahren, was ich getan habe, schwor sie sich, während sie an dem Wein nippte. Das musste auf ewig ihr Geheimnis bleiben.

Nach dem Essen, als Marsilius bei einem kränkelnden Pferd war und Mutter und Christine in Sophies Schlafkammer den kleinen Jürgen in den Schlaf sangen, zog Vater Franz seine Tochter in einen stillen Kräutergarten, der auf einem abgesenkten Gelände hinter der Scheune lag. Die Beete waren von einer dünnen Schneeschicht bedeckt, die von toten Pflanzen durchstochen wurde. Der Blick über das Mäuerchen war traumhaft. Man konnte meilenweit schauen.

Sophie hätte den Garten trotzdem am liebsten gleich wieder verlassen, denn hier war Ediths Reich. Es kränkte sie, dass Marsilius ihr selbst ein Blumengärtchen, um das sie ihn gebeten hatte, abschlug, der Frau aber dieses Stückchen Land überließ, um darin Kräuter zu ziehen. Wie immer, wenn sie an ihre Nebenbuhlerin dachte, erfasste Sophie tiefer Groll. Ediths Stimme hallte durch die Räume, wenn sie das Gesinde scheuchte. Ihre Kleider bleichten auf dem Rasen beim Brandweiher neben denen der Burgherrin … Sie sorgte unablässig dafür, dass die Burgbewohner sich daran erinnerten, wer die wahre Herrin der Wildenburg war.

Aber ich bin Marsilius’ Ehefrau! In plötzlich aufwallendem Zorn setzte Sophie sich auf die Bank, die an dem Mäuerchen stand. Sie tat absichtlich entspannt, während ihr Blick über die Felder und die zarten Silhouetten vereinzelter Bäume glitt, die sich im Glanz der untergehenden Sonne scharf gegen den Himmel abhoben.

Franz nahm neben ihr Platz und berührte ihren Oberarm. Sein sonnenverbranntes Gesicht war plötzlich sorgenvoll. »Also, wie ist es?«

»Bitte?«

»Behandelt dein Mann dich gut?«, fragte Franz unumwunden. Er war ein Mensch, der sich am liebsten im Freien aufhielt. Seine hagere Gestalt war muskulös, seine Haut wie Leder. Er besaß die Kraft eines jungen Burschen, obwohl er schon auf die fünfzig zuging. In den braunen Augen lag Zärtlichkeit. Gott, ich liebe dich, dachte Sophie ungestüm, und ihr Herz füllte sich mit Wärme. »Sicher tut er das«, log sie.

»Aber du lächelst nicht. Früher konntest du kaum den Mund halten. Was hast du geschwätzt! Du warst wild und hast über alles deine Scherze gemacht. Und nun?« Forschend blickte Vater ihr in die Augen.

Sophie zögerte. Am liebsten hätte sie sich in seine Arme geworfen und losgeheult: Nimm mich mit nach Hause. Ich hasse das Ungeheuer, an das du mich verheiratet hast. Ich hasse das Kind, das ich bekommen werde. Aber was dann? Es gab keinen Grund, ihre Ehe aufzulösen. So etwas erlaubte die Kirche nur, wenn kein ehelicher Beischlaf stattgefunden hatte, weil der Ehemann dazu nicht in der Lage war. Dass Männer sich ihre Mägde ins Bett holten, war weit verbreitet. Sie würde ihren Vater nur unglücklich machen, wenn sie ihm beichtete, wie sehr sie ihr neues Leben verabscheute. Außerdem war sie inzwischen fast achtzehn Jahre alt – kein Kind mehr, das bei den ersten Schwierigkeiten zu Hause Schutz suchte. »Es ist nur die Übelkeit.«

»Ganz sicher?«

»Das Kind kommt nach mir. Es macht nichts als Scherereien«, scherzte sie.

Sie sah, wie ihr Vater sich entspannte. »Ich bin ein alter Kater, der sein Kätzchen nicht hergeben kann. Man sollte mir eins mit dem Knüppel überziehen«, lächelte er. Sein Kuss war stachelig und voller Liebe. »Ist wirklich alles in Ordnung?«

Wieder nickte sie.

»Und du schenkst mir ein Enkelsöhnchen?«

»Dein sechstes«, erinnerte sie ihn an den Nachwuchs ihrer Schwestern.

»Aber das aus deinem Bauch wird mir das liebste sein.« Franz legte den Arm um sie, und sie betrachteten gemeinsam das Land, über das Marsilius herrschte. Der Krieg hatte das Wildenburger Territorium bisher verschont. In den Scheunen lagerte genügend Saatgut, um im Frühjahr die Felder zu bestellen, und in den Ställen wurde Vieh gemästet. Eigentlich ging es ihnen gut. Wer weiß, dachte Sophie, vielleicht wird Marsilius mir erlauben, wieder zu reiten, wenn das Kind erst geboren ist. Das wäre doch ein Trost.

Franz begann leise zu lachen.

Sie drehte den Kopf zu ihm. »Was ist denn?«

»Denk dran, Mädchen: Wenn der Jäger ein Wild erlegen will, dann muss er einen Pfeil losschicken. Der Pfeil, den du im Köcher stecken hast, ist dein Mut. Und wenn du ihn lossendest, wenn du Mut hast, wird der Erfolg schon folgen.«

In der folgenden Nacht litt Sophie unter Übelkeit. Sie dachte sich nichts dabei. Sie schwitzte, übergab sich und schob es auf die Schwangerschaft. Von dem Tee, den ihr eine der Mägde gebracht hatte, hatte sie nur einen Schluck getrunken, weil sie den intensiven Minzgeschmack nicht mochte. Achtlos schüttete sie den Rest des Trankes aus und gab den Becher in die Küche zurück.

Als sie ihre Eltern verabschiedete, ging es ihr schon wieder besser.

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P.epsater Ambrosius litt. Hinten in seiner Kniekehle saß ein Eitergeschwür, und da er es mit dem Gebet genau nahm – er betete zu jeder vollen Stunde, außer nachts zwischen Laudes und Komplet –, behinderte ihn die Beule sehr. Zitternd vor Kälte rollte er den Strumpf herab und band, während seine Decke immer wieder von den Schultern rutschte, einen Leinenstreifen, den er aus einem zerschlissenen Unterhemd geschnitten hatte, um das Geschwür. Er staunte, dass Gott gerade seine Kniekehle ausgesucht hatte, um ihn zu strafen, saß doch der Körperteil, mit dem er sündigte, an einem ganz anderen Platz. Aber wie jedermann wusste, waren die Wege des Herrn unergründlich.

Die Sonne strahlte in seinen kleinen Garten, doch ohne Wärme zu verbreiten. Die zurechtgestutzten Äste im Gemüse­beet, an denen im Sommer die Stangenbohnen rankten, glitzerten von Raureif. Er spürte, wie das Holz der Bank, auf der er saß, seine Sutane durchfeuchtete. Sein Bett wäre ein bequemerer und vor allem wärmerer Ort für den Verbandswechsel gewesen, aber dort sündigte er, und deshalb suchte er es nur ungern auf. Selbst in den Nächten zitterte er oft auf dem Lehm­boden seines ärmlichen Pfarrhauses, statt sich auf der Strohmatratze ein wenig Komfort zu verschaffen.

Er seufzte. Der Herr hatte einen langen Atem mit ihm. Trotz seines schwachen Fleisches hatte er ihm eine auskömmliche Pfarrstelle verschafft, mit nicht mehr Hunger als üblich. Er hatte ihn vor den schwedischen Horden bewahrt, die große Teile des Reiches unsicher machten, und ebenso vor den Verteidigern des katholischen Glaubens, die nicht weniger Schrecken verbreiteten. Im Sommer hatte er sogar die Schneckenplage beseitigt, die den Salat in Gefahr brachte und nicht einmal vor den Aschebarrieren haltmachte, die Ambro­sius um seine Beete errichtet hatte. Aber irgendwann würde die züchtigende Hand Gottes über ihn kommen – da gab er sich keinen Illusionen hin.

Ungelenk knüpfte er einen Knoten, zog den Strumpf über den Verband und die Leinenhose über den Strumpf und erhob sich. Er wollte noch rüber zum Steinfelder Berg, um nach der alten Färber-Susanne zu sehen. Der Herr rief sie schon seit Tagen zu sich, nur dass sie leider nicht hörte. Die Sturheit, mit der das Weib sich ans Leben klammerte, nötigte Ambrosius zu Fußmärschen, die seinem Knie überhaupt nicht guttaten, doch er war zu pflichtbewusst, als dass er den Besuch hinausgeschoben hätte. Susanne sündigte mit jedem Wort, das über ihre gehässigen Lippen kam, und ihm war klar, dass ein Tod ohne die Segnung der Beichte sie umgehend ins Höllenfeuer befördern würde, und daran wollte er keine Schuld tragen, grauste es ihn doch selbst, sobald er an seine Stunde vor dem göttlichen Gericht dachte.

Unter vielem Ächzen humpelte er zum Haus, um nach einem Stock zu suchen. Normalerweise war er gut zu Fuß, doch heute, mit der Eiterbeule in der Kniekehle, würde er den Hang am Hohlbach ohne Hilfe nicht bewältigen können. Er erklomm die beiden eisglatten, gemauerten Stufen, die in das einzige Zimmer seines Hauses führten. Drinnen war es düster, was daran lag, dass er eine Schweinsblase über die Fensteröffnung gespannt hatte. Aber das machte nichts. Er hielt sich ja sowieso lieber im Freien auf.

Zielsicher steuerte er auf die Nische neben seinem Bett zu, in der früher einmal eine Statue des heiligen Augustinus gestanden hatte und die jetzt als Abstellecke für allerlei Gerümpel diente. Als er nach dem Besenstiel griff, den er dort aufbewahrte, sauste fiepend eine Ratte an ihm vorbei. Dass Noah die Ahnen dieser Plagegeister nicht erschlagen hatte! Ambrosius zog den Stiel hervor, ohne viel Hoffnung, Noahs Versäumnis nachholen zu können.

In diesem Moment, gerade als er sich seufzend umdrehen wollte, legte sich eine Hand auf seine Schulter. Der Griff war eisenhart, und Ambrosius erstarrte. Auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln, in das sich Angst mischte. Er konnte sich schon denken, wer in sein Haus geschlichen war.

»Einen wunderschönen guten Morgen«, wünschte eine samtene, überaus höfliche Stimme – genau die, die zu hören er befürchtet hatte. Resigniert ließ er den Stiel fahren.

»So setz dich doch«, empfahl die Stimme, und er nickte, zu erschrocken, um zu widersprechen. Mit wackligen Knien sank er auf den Schemel neben seinem Bett und sah zu, wie sein Besucher zum Fenster humpelte und die Schweinsblase von den Nägeln hob, um draußen das Gelände zu überprüfen. Ambrosius konnte im Sonnenlicht die Wunden im Gesicht des Mannes erkennen, die inzwischen verschorft und am Heilen waren. Auch sonst schien er mit seiner Gesundung erstaun­liche Fortschritte gemacht zu haben. Er stand gerade, ohne sich abzustützen. Seine Hand lag auf dem Griff des Schwertes. Die linke natürlich. Die rechte hing nutzlos aus der Schlinge, in die der Arm gebettet war.

Ein Krüppel, dachte Ambrosius. Und dennoch, und obwohl die Gestalt ärmliche, nicht besonders saubere Bauernkleider trug und eigentlich mehr einem Bettler ähnelte, ging von ihr eine Kraft und Eleganz aus, die sein Herz in Trab versetzte. O süßer Jesus, hilf mir!, stöhnte er, als sich unter seiner Sutane der Fluch seines Körpers rührte. Warum nur stellte Gott ihn mit einem solch beschämenden Begehren auf die Probe?

Er verachtete sich selbst und konnte doch den Blick nicht von der gut gebauten Gestalt reißen. Die Waden in den grauen Wollstrümpfen waren muskulös, die Hüften schmal, der Körper biegsam, das Gesicht voller Witz und Schläue. Vor allem aber faszinierte ihn das Haar des Mannes, diese blonde Lockenpracht, die ihn aussehen ließ wie ein Kind der Sonne.

Ambrosius schrak zusammen, als der Mann plötzlich auflachte. Es war ein Geräusch, das das Zimmer bis in die Ritzen der Hauswände füllte und Ambrosius auf den Boden der beunruhigenden Gegenwart zurückholte. »Kannst du dir denken, warum ich zurückgekommen bin?« Das Lächeln, mit dem der Mann ihn umfasste, hatte etwas ausgesprochen Unangenehmes.

»Sei gesegnet, Marx, mein Sohn«, stotterte Ambrosius. »Die Seele ist ein kostbares Kleinod, und daher ist es nur natürlich und von Herzen zu begrüßen, wenn du sie der Fürsorge der heiligen Kirche …« Er verstummte unter dem neuerlichen Lachen des Mannes. Herr Jesus, dachte er entsetzt, der Kerl weiß alles.

Hatte er nicht gleich gespürt, dass dieser Mensch, der in sein Leben gebrochen war wie die Sintflut über Israel, ihn in Schwierigkeiten bringen würde? Es war an einem trüben Win­tertag geschehen. Er war in seinen Garten gestürmt, unter Mit­nahme des Zauns und Zerstörung eines Nachttopfes, der neben dem Misthaufen der Entleerung harrte. Sein Pferd, ein furchterregender Schimmel, hatte ihn bis zur Tür des Pfarrhauses getragen, und dort war er aus dem Sattel gerutscht und im Schnee liegen geblieben.

Ambrosius hatte ihn – aus Mitleid und Faszination, weil er trotz seiner Verletzungen wie ein Welpe immer wieder auf die Füße zu kommen suchte – in seine Hütte geschleppt. Das Pferd war ihnen gefolgt, als würde es sich mit einem Hund verwechseln. Es hatte misstrauisch zugesehen, wie der Mann in der schwarzen Sutane seinen Herrn aufs Bett hievte.

Und dann … O heiliger Rochus – so viel Blut. Ambrosius hatte entsetzt die Striemen, die versengten Fladen an den Beinen, die amputierten Fingernägel und den gebrochenen Arm betrachtet. Das Unglück besaß ein solches Ausmaß, dass er fast aufgegeben hätte, ohne auch nur einen Versuch zur Rettung des Mannes zu unternehmen. Vielleicht war es das drohende Schnauben des Schlachtrosses, das ihn trieb, weitere Scheite auf das Feuer zu legen und den geschundenen Körper aus den blut- und dreckstarrenden Lumpen zu wickeln und zu waschen. Er strich Salbe auf die Stellen, die sich entzündet hatten, schiente den gebrochenen Arm mit einem geschmirgelten Holzstück und wickelte alles in Verbände, so gut es eben ging. Die Schreie, die der Fremde bei dieser Tortur ausstieß, waren entsetzlich gewesen.

Dann war der Mann bewusstlos geworden und so halb und halb gestorben. Aber irgendwann – nach ein oder zwei Tagen – war er wieder zu sich gekommen, und Ambrosius hatte ihm Suppe eingeflößt, im festen Glauben, dass eine fette Hühnerbrühe die Mutter aller Arzneien sei. Er hatte den Schweiß von seiner Stirn getupft, weitere Scheite ins Feuer gelegt und die Verbände gewechselt. Er hatte Osterluzei auf die schlimmsten Wunden gelegt. Er hatte sämtliche in Frage kommenden Heiligen angerufen und gebetet, was das Zeug hielt. Kurz, er hatte alles Menschenmögliche getan, um zu helfen.

Und das hatte ihn einiges gekostet. Nicht nur wegen des Gestöhnes und des schrecklichen Geruchs, den der Fremde ausströmte: Der Mann hatte begonnen, im Fieber zu fantasieren. Nun durfte man dem, was ein Kranker von sich gab, keine Beachtung schenken, aber es war doch grausig zu hören, was er in seinem Wahn zu erleben glaubte. Eine Hexe schleppte seinen Körper ans Feuer. Sie öffnete mit Messern seinen Brustkorb und raubte das Herz. Sie säbelte ihm – was Ambrosius besonders bestürzte, weil es ihn an seine eigene Schwäche erinnerte – die Hoden ab. Nichts davon war dem Fremden wirklich geschehen, davon hatte er sich überzeugt. Aber der Arme brüllte sich die Seele aus dem Leib, und als er den Namen der Hexe stammelte – Edith –, da wurde Ambrosius klar, wem er hier Unterschlupf gewährt hatte. Die ganze Gemeinde sprach schließlich von Marx von Mengersen, dem Mörder, der nach schwerer Folter aus der Wildenburg entflohen war.

Der Pater ging mit sich zu Rate, ob er sich auf den Weg zu seinem Brotherrn machen müsse, um seine Entdeckung zu ­melden, aber er schob es immer wieder auf. Der Kopf des Fiebernden lag auf dem goldenen Haar wie auf einer kostbaren Stickerei, und unter der Decke formte sich sein makelloser Körper ab. Maria und Josef, wieso hatte der Herr ihm nur etwas so Vollkommenes in den Garten purzeln lassen! Und würde der bedauernswerte Mensch nicht sowieso bald sterben?

Also wusch und salbte Ambrosius weiter. Und als es dem Kranken nach fünf Tagen wider jedes Erwarten besser ging, konnte er sich dennoch nicht aufraffen, ihn anzuzeigen. Und dann, in einer Nacht, als er selbst zu Tode erschöpft war und die heiligen Engel schlafen gingen und der Versucher aus der Hölle kroch, da trieb er seine Fürsorge zu weit.

Es war wie von selbst gekommen. Der Fremde schlief tief und fest. Ach, versorgen wir ihn ein letztes Mal, bevor er zurück in den schaurigen Kerker muss, hatte Ambrosius voller Mitleid gedacht und in den Tiegel gegriffen. Zunächst hatte er das bleiche Gesicht gesalbt, auf dem die Wimpern wie chinesische Fächer lagen, dann den straffen Hals, die breite Brust, die sich kaum merklich hob und senkte … Was für ein statt­licher Kerl! Ambrosius hatte den Bauch gesalbt, der trotz des Erlittenen vor Muskeln strotzte und eine reine Augenweide war. Die strammen Beine … Und am Ende das Wunder der Männlichkeit, das zwischen den Beinen welkte, als würde es um ein wenig Fürsorge betteln. Ambrosius hatte tief geatmet, und während er salbte und massierte, hatte er gespürt, wie sich zwischen seinen eigenen Schenkeln wohlige Hitze breitmachte. Der Mann auf dem Laken rührte sich nicht, alles war wunderbar, leidenschaftlich, lebendig, explosiv und …

Und dann war er aufgewacht. Möglicherweise. Zumindest hatte Marx die Augen geöffnet, und der verwaschene Blick, mit dem er seinen Pfleger angesehen hatte, schien voller Zweifel zu sein. Aber als er genas, ohne sich zu dem Vorfall zu äußern, und sich zwei Wochen später mit einem kurzen Dank aus dem Staub machte, hatte Ambrosius gedacht, man könne die Angelegenheit vergessen – zumindest, soweit es nicht den Herrn betraf, der, wie man wusste, im Buch des Lebens jeden seiner Atemzüge notierte. Doch nun war Marx zurückgekommen. Und keinesfalls in guter Laune. Was hatte er vor? Kam jetzt die Abrechnung?

Ambrosius war schon halb entschlossen, eine Beichte abzulegen und um sein Leben zu betteln, als es an der Tür klopfte. Ein Mann mit einer hässlichen Glatze, auf der Muttermale wie kleine Käfer saßen, streckte den Kopf ins Zimmer. »Es ist so weit.«

Herr Jesus, was denn nur?, fragte Ambrosius sich zitternd. Er brauchte keine Aufforderung, sondern folgte Marx und seinem Kumpan widerstandslos hinaus in den Garten. Würde man ihn hier aufhängen? An seinen Hoden, denen bisher ein gütigeres Schicksal widerfahren war als jenen in Marx’ Alpträumen?

Dann sah er den Schimmel. Das Tier trug eine Last auf dem Rücken. Zwei nackte Füße im Zustand der Verwesung bewiesen, dass es sich um eine Leiche handeln musste. Unter dem Aprikosenbaum war ein Loch in die harte Erde gegraben worden, und da begriff Ambrosius, bis auf den Grund seines Herzens erleichtert, dass Marx nur seine seelsorgerische Hilfe benötigte. Ihm wurde rasch klar, um wen es sich bei dem Toten handelte. Es musste der arme Junge sein, dessen Leiche Marx gestohlen hatte – das neueste Gerücht, das in der Wildenburger Herrschaft kursierte.

­lich    gefrorene Grassoden über der Grabstätte ausbreitete, um die Stelle zu verbergen. Als die letzte Sode lag, stieß Ambrosius einen abgrundtiefen Seufzer aus.

»Und nun …«

Der Pfarrer hielt die Luft an, als Marx die gesunde Hand um seine Schulter legte und ihn einige Schritte fortführte.

»… die zweite Sache, derentwegen ich gekommen bin.«

Ihm sank das Herz. Also doch. Er hatte gewusst, dass er nicht davonkommen würde. Mit einer Stimme, die gemessen an dem, was gerade geschehen war, unpassend heiter klang, flüsterte Marx ihm ins Ohr: »Verrate mir, wo der Müller wohnt.«

»Was?«, stotterte Ambrosius überrascht.

»Der Müller. Der Mann, der Gottes Gaben zwischen Steinen zermahlt. Und dabei ganz gelegentlich zum Zeuge eines Mordes wird. Der Müller

Ambrosius überkam eine grässliche Befürchtung. Marx hatte sich offenbar vorgenommen, eines nach dem anderen die Dinge zu erledigen, die ihm am Herzen lagen. Was es mit dem toten Jungen auf sich hatte, begriff er nicht, aber der Müller war der Mann, der Marx verraten hatte, und nun sollte offenbar die Stunde der Abrechnung kommen. Wie die ausfallen würde, konnte er sich vorstellen.

»Nun?« Marx’ meisenblaue Augen strahlten. Scheiß auf Meisenaugen, dachte Ambrosius elend. Der Müller würde das, was Marx seinetwegen erlitten hatte, mit gleicher Münze heimgezahlt bekommen. Ihm stand ein Martyrium bevor. Nicht dass er ein sonderlich braves Gottesschäfchen wäre oder auch nur ein angenehmer Mensch. Man munkelte, dass er gelegentlich die Waage manipulierte. Aber trotzdem …

Und da fiel es Ambrosius plötzlich wie Schuppen von den Augen. Mit einem Schlag begriff er, warum der Herr Marx von Mengersen nach seiner Flucht vom Henkersblock ausgerechnet in den Gemüsegarten der Pfarrei geführt hatte: Gott gibt mir die Möglichkeit, für meine Sünden zu büßen! Die Erkenntnis traf ihn so machtvoll, dass er am ganzen Körper zitterte. Es gab keine andere Erklärung. Gott hatte ihn in seinen Sünden reif werden lassen, und nun reichte er ihm wie weiland Jesus im Garten Gethsemane den bitteren Kelch. Er schaute auf ihn herab und wollte wissen, ob sein Knecht seinen Nächsten mehr liebte als das eigene erbärmliche Leben und wie viel Leid er für seinen Schöpfer zu ertragen bereit war.

Gott wollte, dass er schwieg …