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Mike Burrows ist Geschäftsführer und Principal Consultant von David J. Anderson and Associates (djaa.com). In seiner beruflichen Laufbahn, die sich von der Luftfahrt über das Bankwesen, das Energiewesen bis hin zum öffentlichen Dienst zieht, ist Mike bereits IT-Leiter, globaler Entwicklungsleiter und Softwareentwickler gewesen. Er ist akkreditierter Kanban Trainer (AKT) und Kanban Coaching Professional (KCP) und wird überall auf der Welt eingeladen, um auf Veranstaltungen Vorträge zu halten. Er bloggt auf positiveincline.com und twittert als @asplake und @KanbanInside.

Übersetzer:

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Florian Eisenberg hilft Unternehmen als Trainer, Berater und Coach auf ihrem Weg zur Agilität. Dabei setzt er am liebsten auf Kanban und unterstützt es durch andere Vorgehensmodelle wie beispielsweise Scrum. Er schätzt an Kanban besonders den respektvollen Umgang mit den Beteiligten und die lösungsoffene Herangehensweise.

Nach seinem Studium der Informatik in Karlsruhe arbeitete er als Programmierer, Scrum Master und Product Owner, bevor er Berater wurde. Er ist einer der ersten akkreditierten Kanban Trainer (AKT) und Kanban Coaching Professionals (KCP). Sein Blog finden Sie auf florianeisenberg.de, er twittert als @fjeisenberg.

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Wolfgang Wiedenroth ist ausgebildeter Fachinformatiker der Fachrichtung Anwendungsentwicklung und arbeitete insgesamt fünf Jahre als Scrum Master in verschiedenen Bereichen der IT. 2010 entdeckte er Kanban und verliebte sich in dessen erstes Prinzip »Beginne mit dem, was du gerade tust« und wurde ein wahrer Kanban-Enthusiast. Heute arbeitet er bei it-agile als Berater und hilft Unternehmen, mit Kanban ihre Prozesse und Umgebung zu verstehen und zu verbessern. Wolfgang ist akkreditierter Kanban Trainer (AKT) und Kanban Coaching Professional (KCP). Außerdem ist er Co-Founder der Limited WIP Society München. Er bloggt auf agilemanic.com und twittert als @wwiedenroth.

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Zu diesem Buch – sowie zu vielen weiteren dpunkt.büchern – können Sie auch das entsprechende E-Book im PDF-Format herunterladen. Werden Sie dazu einfach Mitglied bei dpunkt.plus+:

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Kanban

Verstehen, einführen, anwenden

Übersetzt aus dem Englischen
von Florian Eisenberg und Wolfgang Wiedenroth

Mike Burrows

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Übersetzung:

Florian Eisenberg (post@florianeisenberg.de)

 

Wolfgang Wiedenroth (wolfgang.wiedenroth@it-agile.de)

Lektorat:

Christa Preisendanz

Copy-Editing:

Ursula Zimpfer, Herrenberg

Herstellung:

Birgit Bäuerlein

Umschlaggestaltung:

Helmut Kraus, www.exclam.de

Druck und Bindung:

M.P. Media-Print Informationstechnologie GmbH, 33100 Paderborn

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:
Buch    978-3-86490-253-6
PDF    978-3-86491-805-6
ePub    978-3-86491-806-3
mobi    978-3-86491-807-0

Deutsche Ausgabe der 1. amerikanischen Auflage 2015
Translation Copyright für die deutschsprachige Ausgabe © 2015 dpunkt.verlag GmbH
Wieblinger Weg 17
69123 Heidelberg

Copyright der amerikanischen Originalausgabe © 2014 by Mike Burrows
Title of American original: Kanban from the Inside
Blue Hole Press · 72 Buckhorn Road · Sequim, WA 98382 · www.blueholepress.com

ISBN 978-0-9853051-9-2

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten.

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Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

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image Für Sharon image

Geleitwort

Ich bin ein Amerikaner, der in der glücklichen Lage ist, einen ordentlichen Teil der Welt gesehen zu haben. Während meiner Reisen habe ich festgestellt, dass Amerikaner eine einzigartige Vorliebe für das Genre der »Selbsthilfe«-Bücher haben: Amerikaner lieben es, gesagt zu bekommen, dass sie etwas falsch machen und dass das atemberaubende Buch in ihren Händen den geheimen Code darüber enthält, wie sie dünner, schneller, stärker oder sogar schöner werden.

Mike ist Brite und die Welt kann sich glücklich schätzen, dass er sich entschieden hat, dieses Buch zu schreiben. Denn das Letzte, was wir brauchen, ist ein weiteres »Selbsthilfe-Software-Methode«-Buch, in dem der Autor verspricht, Entwicklungsorganisationen den geheimen Code dafür zu geben, wie ihre Leute besseren Programmcode schreiben, der besser zu den Kunden-, Stakeholder- und Marktbedürfnissen passt, mit weniger Fehlern und den aktuellsten Technologien. Das bedeutet bedauerlicherweise, dass einige Amerikaner – und möglicherweise auch einige andere, die von der Schule der »Selbsthilfe« genährt wurden – dieses Buch meiden könnten.

Das wäre äußerst schade.

In diesem ausführlichen Buch gibt uns Mike keinen Rat zur »Selbsthilfe«. Stattdessen gibt er uns etwas, was noch viel, viel mächtiger und beständiger ist: Werkzeuge und Prozesse zur Selbsterkenntnis.

Da Erkenntnis die Fähigkeit ist, das wirkliche Wesen einer Sache zu verstehen, ist Selbsterkenntnis die Fähigkeit, uns selbst zu verstehen. Aus der Perspektive dieses Buches meint das »Selbst« nicht uns als Individuen, sondern unser »Organisations-Selbst« – unser Unternehmen oder Entwicklungsteam oder unsere Entwicklungsorganisation.

Die mächtigen Werkzeuge, die Mike beschreibt – beispielsweise das Kanban-Board oder das Cumulative Flow Diagram –, werden auf der Grundlage einer Reihe von Werten eingeführt, die uns wirklich umfassende Mittel zur Verfügung stellen, um anhaltende Veränderungen zu erzielen.

Das Überraschendste ist vielleicht, dass Mike das tut, ohne zu fordern, zu beschwatzen, zu nötigen oder überhaupt darum zu bitten, dass Sie als Leser auch nur eines dieser Dinge tun. Stattdessen beginnt Mike mit einer tiefen Erkundung der Werte und zeigt uns dann, wie wir so handeln können, dass es kongruent zu diesen Werten ist. Wenn Sie diese Dinge »wert«-schätzen, werden Sie diese Aktionen umsetzen wollen. Und wenn Sie sie umsetzen, werden Sie feststellen, dass Sie beginnen, die Verbesserungen zu erzielen, die Sie die ganze Zeit haben wollten.

Luke Hohmann
Gründer und CEO der Conteneo, Inc.

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Die Diskussion über die Werte von Kanban wurde emotional geführt, als Mike sie in seinem Blog publizierte. Wieso sollte Kanban Werte bekommen? Die Community hatte sicher aus den Erfahrungen gelernt, die ein Teil der Gruppe mit den Werten von Scrum (Offenheit, Mut, Respekt, Commitment, Fokus) gemacht hatte: Wenige Menschen kennen sie und noch weniger Menschen wenden sie tatsächlich auch an. Warum sollten also Werte für Kanban wichtig sein? Sie bilden eine gemeinsame Sprache, aber das tun die Grundprinzipien und -praktiken auch. Sie geben diesen beiden allerdings eine »wertvolle« Grundlage: Sie verankern das Gefühl, das Kanban-Anwender kennen, wenn sie über die Methode sprechen, in der Sprache. Die meisten Kanban-Enthusiasten wissen, wie schwer es ist, Kanban allein anhand der Praktiken und Prinzipien zu vermitteln, denn es steht immer auch eine Philosophie, eine Geisteshaltung dahinter. Die ließ sich schwer in Worte fassen – bis die Werte die Brücke zwischen den Daten und den Emotionen bildeten. Die Community diskutierte intensiv über den Zweck, die Zusammensetzung, das Hinzufügen oder Weglassen einzelner Werte. Herausgekommen sind neun Werte, die in Beziehung zu den Praktiken und Prinzipien der Kanban-Methode stehen. Dieses Buch orientiert sich stark an diesen Werten und zeigt dabei, wie eng diese Beziehung ist. Wenn wir als Kanban-Trainer oder Coaches in Unternehmen gehen und uns eine bestehende Kanban-Implementierung ansehen, erkennen wir häufig anhand der Struktur und der Stimmung bei Meetings oder schon allein anhand des Kanban-Boards, dass etwas schiefläuft: fehlende WIP-Limits, Risiken werden nicht besprochen, Kundenwünsche nicht berücksichtigt, Überlast bei einzelnen Mitarbeitern, Aufgabenzuteilung auf einzelne Mitarbeiter etc. Denn obwohl einige Praktiken von Kanban augenscheinlich implementiert wurden, klingen viele Implementierungen trotzdem blechern, wenn man dagegen klopft – bildlich gesprochen. Bei jeder Kanban-Implementierung geben uns die Werte einen Ansatzpunkt, um über unsere spezifische Interpretation der recht allgemein gehaltenen Praktiken zu urteilen: Sind wir auf den Kunden fokussiert? Fließt unsere Arbeit tatsächlich? Verstehen wir das System und die bestehende Unzufriedenheit zur Genüge? Handeln wir mit dem Einverständnis aller und respektieren wir die Menschen im System? Nachdem Sie dieses Buch gelesen und sich hoffent-lich die Werte zu eigen gemacht haben, werden Sie diese Fragen ganz natürlich für eine bestehende oder neue Implementierung stellen können. Fragen wie diese stellen erfahrene Kanban-Anwender ständig – sie sind für die richtige Implementierung der Prinzipien und Praktiken ungemein hilfreich und wichtig.

In der Reflexion über die Werte und ihre Anwendung liegt viel Lernpotenzial. Auch wir beide haben während der Bearbeitung des Buches wieder viele neue Aspekte und Interpretationen der Kanban-Methode gefunden. Ihnen wird das Buch natürlich nicht nur die Werte vermitteln, sondern auch den aktuellsten Stand der Kanban-Methode. Falls Sie die Methode bereits anwenden, aber die Werte noch nicht kennen, wird Ihnen das Buch einen neuen Blick auf Kanban bescheren. Und auch wenn bei der täglichen Arbeit selten die Zeit vorhanden ist, um über die Prozesse und ihre Anwendung zu reflektieren: Es lohnt sich, mit neuem Blick auf die eigene Arbeit zu schauen. Die Kanban-Methode sieht diese Feedbackzyklen zum Glück explizit vor!

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und freuen uns über einen Dialog mit Ihnen!

Florian Eisenberg

Wolfgang Wiedenroth

post@florianeisenberg.de

wolfgang.wiedenroth@it-agile.de

Hamburg, Juli 2015

 

Vorwort

Vielleicht haben Sie schon von Menschen mit T-förmiger Qualifikation gehört. Nun, dies ist ein T-förmig qualifiziertes Buch! Es besitzt in seinem Kern die Tiefe, die man erwartet, gleichzeitig aber auch eine gewisse Breite. Seine Tiefe bezieht sich natürlich auf die Kanban-Methode: Was sie ist; wie Anwender denken; Ratschläge, wie man sie anwendet; und so weiter. Die Breite kommt in Form einiger wichtiger Referenzpunkte außerhalb der Methode hinzu. Diese sind hoffentlich sowohl für die hilfreich, die Kanban noch nicht verwenden und von außen hineinsehen, als auch für jene, die Kanban anwenden und auf der Suche nach frischen Quellen der Inspiration sind.

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die »menschliche ›Beginne mit dem, was du gerade tust‹-Vorgehensweise für Veränderung« nicht als Produktivitätswerkzeug zu beschreiben, sondern als Managementmethode. Eine Methode, die um ein starkes Framework von Werten herum gebaut ist. Sie ist ein Weg, um Organisationen zu helfen, besser für ihre Mitarbeiter, Kunden und Stakeholder zu arbeiten.

Eine wichtige Eigenschaft dieser Managementmethode ist, dass sie auf vielen verschiedenen Ebenen angewendet werden kann: von der Ebene einzelner und kleiner Teams bis ganz nach oben zu strategischen Businessinitiativen. Seien Sie also nicht überrascht, wenn wir uns innerhalb weniger Abschnitte von einer Ebene auf die andere bewegen. Die Einfachheit, mit der das möglich ist, gibt schon eine deutliche Vorstellung davon, wie die Kanban-Methode funktioniert.

Ich schreibe als erfahrener Manager mit einem ausgeprägten technischen Hintergrund. In den vergangenen Jahren bin ich Entwicklungsleiter von Teams auf vier Kontinenten, Geschäftsführer, IT-Leiter und Interimsmanager gewesen. Es ist schon einige Zeit her, dass ich dafür bezahlt wurde, Anwendungen zu programmieren. Es ist aber immer noch eine meiner Leidenschaften und auch heute noch zieht es mich in Diskussionen über Systemarchitektur und Design.

Natürlich lässt sich das Buch ein wenig leichter lesen, wenn man etwas Wissen über die Softwareentwicklung besitzt, es ist aber keinesfalls eine Voraussetzung. Genauso werde ich keine Annahmen über Kenntnisse in Bereichen wie Lean und Agile treffen – dazu kommen wir, wenn wir sie brauchen. Sie sollten vielmehr eine Art professioneller Neugier über das Management kreativer Wissensarbeit mit mir teilen und wie ich daran interessiert sein, wie man diese für alle Betroffenen verbessern kann.

Das Buch ist in drei Hauptteile gegliedert:

Es ist Ihnen vielleicht schon aufgefallen, dass ich Kursivschrift verwende, wenn ich ein Wort oder eine Phrase bewusst als technischen Ausdruck verwende – beginne mit dem, was du gerade tust zum Beispiel ist Kanbans erstes Grundprinzip; Serious Games bezieht sich auf etwas Wohldefiniertes. Viele dieser Begriffe und Ausdrücke finden sich im Glossar wieder. Begriffe wie Balance und Kundenfokus, die fett gedruckt sind, beziehen sich auf die Werte von Kanban.

Inhaltsübersicht

Teil I        Kanban durch seine Werte verstehen

1       Transparenz

2       Balance

3       Kooperation

Reflexion:    Transparenz, Balance und Kooperation

4       Kundenfokus

5       Arbeitsfluss

6       Führung

Reflexion:    Kundenfokus, Arbeitsfluss und Führung

7       Verständnis

8       Vereinbarung

9       Respekt

10     Muster und Agenden

Teil II        Modelle

11     Systemdenken, Komplexität und die lernende Organisation

12     Engpasstheorie (TOC)

13     Agile

14     TPS und Lean

15     Ökonomische Ansätze zum Arbeitsfluss

16     Die Kanban-Methode

17     Kleinere Modelle

Teil III        Implementierung

18     Quellen der Unzufriedenheit erkennen

19     Anforderungen und Leistungsfähigkeiten analysieren

20     Den Workflow modellieren

21     Serviceklassen finden

22     Kanban-Systeme gestalten

23     Ein Kanban-System einführen

Anhang

A       Demings 14 Punkte für gutes Management

B       Danksagung

C       Glossar

D       Literatur

Index

Inhaltsverzeichnis

Teil I      Kanban durch seine Werte verstehen

1        Transparenz

1.1      Kernpraktik 1: Visualisiere

1.1.1      Visualisierung und Veränderung

1.2      Kernpraktik 4: Mache Prozessregeln explizit

1.2.1      Prozessregeln und Veränderung

1.3      Kernpraktik 5: Implementiere Feedbackzyklen

1.3.1      Das Standup-Meeting

1.3.2      Replenishment-Meetings

1.3.3      Weitere Meetings

1.3.4      Feedbackzyklen, die auf Metriken basieren

1.4      Transparenz als Wert

2        Balance

2.1      Kernpraktik 2: Parallele Arbeit (Work in Progress, WIP) limitieren

2.2      Pull-Systeme in der Wissensarbeit

2.3      Balance zwischen Arbeitslast und Kapazität

2.4      Andere Möglichkeiten, WIP zu limitieren

2.5      Balance zwischen dringlichkeits- und termingetriebener Arbeit

2.6      Risikobasierte Kategorisierung und Serviceklassen

2.7      Balance zwischen Anforderungen und Leistungsfähigkeit

2.8      Stakeholder-Balance

2.9      Balance suchen

3        Kooperation

3.1      Kernpraktik 6: Erziele Verbesserung kooperativ und entwickle experimentell

3.2      Kooperation ist eine ernste Sache

3.3      Erziele Verbesserung kooperativ

3.4      Zu Kooperation ermutigen

3.5      Fokus auf Kooperation legen

3.6      Entwickle experimentell

3.7      Die und wir

Reflexion:      Transparenz, Balance und Kooperation

4        Kundenfokus

4.1      Kernpraktik 3: Manage den Arbeitsfluss

4.2      Warum Kundenfokus?

4.3      Zufriedenheit garantiert

4.4      Quer über das Board

4.5      Upstream-Kanban

4.6      Bedürfnisse vorwegnehmen

5        Arbeitsfluss

5.1      Kernpraktik 3: Manage den Arbeitsfluss (nochmal)

5.2      Gleichmäßigkeit

5.2.1      Wie sieht Arbeitsfluss aus?

5.3      Quer über das Board (nochmal)

5.4      Es gibt immer einen größeren Kontext

5.5      Einige einfache Beispiele

5.6      Arbeitsfluss quer durch die Organisation

5.7      Arbeitsfluss managen, um Pünktlichkeit zu erzielen

6        Führung

6.1      Grundprinzip 4: Führung auf allen Ebenen

6.2      Möglichkeiten finden sich überall

6.3      Führung erzeugt Führung

6.4      Warum Führung wertschätzen?

6.5      Wie sieht Führung in Kanban aus?

Reflexion:      Kundenfokus, Arbeitsfluss und Führung

7        Verständnis

7.1      Änderungen ohne Verständnis – drei Anti-Pattern

7.1.1      Selbstzufriedenheit

7.1.2      Draufgängertum

7.1.3      Einmischung

7.2      Einführung der J-Kurve

7.3      Ein Muster für zielgerichtete Veränderung

8        Vereinbarung

8.1      Verfolge evolutionäre Veränderung

8.2      Vereinbare das Verfolgen

8.3      Change Management

8.3.1      Der Change Agent

8.3.2      Der betreute Change Agent

8.3.3      Das Change-Team

9        Respekt

9.1      Fange nicht bei den Rollen an

9.2      »Sei wie Wasser«

9.3      Respekt für Menschen

9.3.1      Transparenz

9.3.2      Balance

9.3.3      Kooperation

9.3.4      Kundenfokus

9.3.5      Arbeitsfluss

9.3.6      Führung

9.3.7      Verständnis

9.3.8      Vereinbarung

9.4      Die menschliche »Beginne mit dem, was du gerade tust«-Methode

10      Muster und Agenden

10.1    »Noble Muster«

10.2    Agenden für Veränderung

10.3    Die Nachhaltigkeits-Agenda

10.4    Die Serviceorientierungs-Agenda

10.4.1    Die Kanban-Linse

10.5    Die Überlebensfähigkeits-Agenda

10.6    Die Agenda Ihrer Organisation

10.7    Wie erging es uns?

10.8    Fünf Jahre später

Teil II      Modelle

11      Systemdenken, Komplexität und die lernende Organisation

11.1    Systemdenken

11.1.1    Hebelpunkte und Systemdynamiken

11.2    Komplexität

11.2.1    Kausalität und das Cynefin-Framework

11.2.2    Komplexe adaptive Systeme

11.3    Wissen, lernen und die lernende Organisation

11.3.1    Demings System vom umfassenden Wissen

11.3.2    Argyris und das Doppelschleifen-Lernen

11.3.3    Die lernende Organisation

11.4    Systemdenken und Kanban

11.4.1    Das Design der Methode

11.4.2    Anwendung

12      Engpasstheorie (TOC)

12.1    Die fünf Fokussierungsschritte und der Process of Ongoing Improvement (POOGI)

12.2    Drum-Buffer-Rope (DBR)

12.3    Thinking Processes – Denkprozesse

12.4    Critical-Chain-Projektmanagement (CCPM)

12.5    Throughput Accounting – Durchsatzrechnung

12.6    Die Beziehung von TOC zu Kanban

12.6.1    POOGI und die fünf Fokussierungsschritte

12.6.2    DBR und CCPM

12.6.3    Die Denkprozesse

12.7    Dennoch ...

13      Agile

13.1    Drei agile Methoden

13.1.1    Feature-Driven Development (FDD)

13.1.2    Extreme Programming (XP)

13.1.3    Scrum

13.2    Kanban und Agile

13.2.1    Kompatibilität

13.2.2    Wann ist Kanban zu benutzen?

13.3    Das Modell Agile

14      TPS und Lean

14.1    Drei Lean-Werkzeuge

14.2    TPS und Lean im richtigen Licht

14.3    Verbesserungen bei Lean

14.4    Lean Product Development

14.5    Lean Startup

14.6    Lean/Agile-Hybriden

14.7    Kanban und Lean

15      Ökonomische Ansätze zum Arbeitsfluss

15.1    ROI und die Pareto-Diät

15.2    Verzögerungskosten

15.2.1    Die Kosten von Warteschlangen

15.3    Haltekosten

15.4    Optionen

15.4.1    Optionen haben einen Wert

15.4.2    Optionen verfallen

15.4.3    Binde dich nie frühzeitig, es sei denn, du weißt warum

15.5    Alles zusammengeführt

16      Die Kanban-Methode

16.1    Eine sehr kurze Historie

16.2    Grundprinzipien

16.3    Kernpraktiken

16.4    Kontextualisiertes Kanban

16.4.1    Personal Kanban

16.4.2    Portfolio-Kanban

16.4.3    Scrumban

16.5    Unterstützende Konzepte und Werkzeuge

16.6    Implementierungshilfe: STATIK

17      Kleinere Modelle

17.1    Zwei, die davongekommen sind

17.1.1    Littles Gesetz

17.1.2    Das Satir-Modell für Veränderung

17.2    Denkwerkzeuge und Coaching-Modelle

17.2.1    GROW

17.2.2    A3

17.2.3    Exkurs: Wie ein Profi überprüfen!

17.2.4    Der Lean Change Canvas

17.3    Gruppenmoderation und Spiele

17.3.1    Kaners Moderationsmodell

17.3.2    Serious Games

17.4    Modelle für kooperative Führung: Triaden und T-Formen

Teil III      Implementierung

18      Quellen der Unzufriedenheit erkennen

18.1    Zwei Perspektiven

18.2    Zwei Fragen

18.3    Formate

18.4    Organisiere und erforsche

18.5    Folgemaßnahmen

19      Anforderungen und Leistungsfähigkeiten analysieren

19.1    Wissen, was Sie wem liefern und warum

19.1.1    Was

19.1.2    Wem

19.1.3    Warum

19.2    Quantitative Analyse

19.2.1    Flusseffizienz

19.3    Wie Arbeit ankommt

19.4    Passt alles zusammen?

20      Den Workflow modellieren

20.1    Grob aufzeichnen

20.2    Top-down-Dekomposition

20.3    Bottom-up-Organisation

20.4    Fazit

21      Serviceklassen finden

21.1    Entdecken, überprüfen

21.2    Beispiele

21.3    In Richtung einer gesunden Arbeitszusammenstellung

22      Kanban-Systeme gestalten

22.1    Umfang, Granularität und Status der Arbeitseinheiten

22.1.1    Aufeinanderfolgende Status

22.1.2    Parallele Status

22.1.3    Fehler

22.1.4    Abhängigkeiten

22.2    Andere Dimensionen

22.3    Hierarchische Boards und das Aufbrechen/Zusammenführen-Muster

22.4    Work in Progress limitieren

22.5    Review

23      Ein Kanban-System einführen

23.1    Den Einsatz planen

23.2    Die Agenda zusammenstellen: die drei P

23.2.1    Positionierung

23.2.2    Zweck (Purpose)

23.2.3    Prioritäten

23.3    Veränderung durch das System vorantreiben

23.3.1    Veränderungsinkremente identifizieren

23.3.2    Veränderung visualisieren

23.4    Abschließende Gedanken

Anhang

A        Demings 14 Punkte für gutes Management

B        Danksagung

C        Glossar

D        Literatur

Weiterführende Literatur zu einzelnen Themen

Index

Teil I

Kanban durch seine Werte verstehen

Die Herangehensweise, die ich zur Einführung von Kanban wähle, ist ein wenig unüblich, denn meist wird Kanban durch die Grundprinzipien und Kernpraktiken erklärt. Ich gehe einen halben Schritt zurück und beginne bei einem System von neun Werten. In der Reihenfolge der ersten neun Kapitel in Teil I sind dies die Werte Transparenz, Balance, Kooperation, Kundenfokus, Arbeitsfluss (Flow), Führung (Leadership), Verständnis, Vereinbarung und Respekt.

Durch diese Vorgehensweise entfallen keine Prinzipien und Praktiken von Kanban; jedes Kapitel referenziert eine oder mehrere direkt.

Der Einfachheit halber kennzeichne ich die Grundprinzipien als GP1 – 4:

GP1: Beginne mit dem, was du gerade tust.

GP2: Vereinbare, dass evolutionäre Veränderung verfolgt wird.

GP3: Respektiere initial bestehende Prozesse, Rollen, Verantwortlichkeiten und Jobtitel.

GP4: Ermutige dazu, Führung auf jeder Ebene der Organisation zu zeigen – vom einzelnen Mitarbeiter bis zum höheren Management.

Ebenso bezeichnen KP1 – 6 die sechs Kernpraktiken:

KP1: Visualisiere.

KP2: Limitiere die Menge paralleler Arbeit (Work in Progress, WIP).

KP3: Manage den Arbeitsfluss.

KP4: Mache Prozessregeln explizit.

KP5: Implementiere Feedbackzyklen.

KP6: Erziele Verbesserung kooperativ, entwickle experimentell (unter Verwendung von Modellen und der wissenschaftlichen Methode).

Statt eine detaillierte technische Rechtfertigung für jede Technik darzustellen, hoffe ich, einen Einblick geben zu können, der erklärt, wie Kanban-Anwender organisatorische Probleme angehen. Mit Kanban-Anwendern meine ich Manager, Mitarbeiter und externe Experten, die die Methode kennen und anwenden. Die Werte helfen, die Intention der Prinzipien und Praktiken zu betonen, sodass Sie sie einfacher mit den Bedürfnissen Ihrer aktuellen Organisationssituation übereinbringen können.

Das zehnte und letzte Kapitel des ersten Teils fügt die 10 Werte in drei Agenden zusammen und führt ein weiteres nützliches Werkzeug ein, die KanbanLinse.

1 Transparenz

Wir befinden uns ein paar Stockwerke weiter oben in unserem schönen, neuen Büro, von dem man die Nyugati-Haltestelle in Budapest überblicken kann. Es ist kurz nach 9:30 Uhr und unser Standup-Meeting läuft gerade. Unsere Stimmung ist ein wenig vergnügter als sonst, denn wir freuen uns auf Kaffee und Kuchen auf der anderen Straßenseite. Dort werden wir feiern, dass wir wieder etwas Neues gelernt haben. Die Rechnung geht dieses Mal auf mich – ich habe es am Tag zuvor geschafft, den Build über mehrere Stunden in einem schlimmen Zustand zu hinterlassen, und der Entwicklungsleiter sollte das eigentlich nicht tun.

Allerdings haben wir noch ein paar wichtige Dinge, um die wir uns kümmern müssen. Tibor und Maté drücken ihre Sorge über ein Ticket (eine gelbe Haftnotiz) aus, das seit Tagen in der »Released«-Spalte auf dem Whiteboard des Teams feststeckt. Gy bietet kurzerhand seine Hilfe an: Er ist sich recht sicher, dass er das Betriebsteam überzeugen kann, dass die neue Preiskurve, die durch das feststeckende Ticket repräsentiert wird, zuverlässiger ist als die alte; wir sollten damit rechnen, dass sie in ein bis zwei Tagen voll in der Produktion implementiert ist. Gys Angebot wird dankbar akzeptiert und wir nehmen uns das nächste Ticket vor.

Diese wenigen Momente reichen aus, um einige Beispiele für Kanbans ersten Wert zu demonstrieren, Transparenz:

Dieses Szenario spielte sich 2009-2010 ab, gerade als David Anderson Feedback zu den kürzlich formulierten Grundprinzipien und Kernpraktiken der Kanban-Methode einholte. Wir – Menschen wie ich, die die Ideen bereits anwendeten – diskutierten und verfeinerten sie über unsere Gruppenmailingliste. Innerhalb weniger Wochen gingen sie mit Davids »blauem Buch« [Anderson 2010] in den Druck. Wir hatten eine dokumentierte Methode!

Transparenz ist ein zentraler Aspekt von Kanban. Drei der sechs Kernpraktiken stehen damit in Verbindung:

KP1: Visualisiere.

KP4: Mache Prozessregeln explizit.

KP5: Implementiere Feedbackzyklen.

Sehen wir sie uns nacheinander an.

1.1 Kernpraktik 1: Visualisiere

Kanbans Ein-Wort-Praktik »Visualisiere« erscheint erst einmal sehr unspezifisch. Allerdings besitzen die meisten Kanban-Implementierungen eine bestimmte Art der Visualisierung, ein Kanban-Board. Diese Boards werden verwendet, um Kanban-Systeme zu implementieren. Das sind visuelle Arbeitsmanagementsysteme, die einige nützliche Eigenschaften haben. Wir werden diese Eigenschaften in den nachfolgenden Kapiteln genauer betrachten, für den Moment konzentrieren wir uns auf die visuellen Aspekte.

Hätten wir ein elektronisches Werkzeug verwendet, hätte unser Board vielleicht so wie in Abbildung 1–1 ausgesehen.

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Abb. 1–1 Ein elektronisches Board

Statt Haftnotizen auf einem Whiteboard haben wir nun Icons, die wir über den Bildschirm ziehen können. Egal ob elektronisch oder physisch, diese werden als kanban bezeichnet, ein japanisches Wort, das als »visuelles Zeichen« oder auch »Platzhalter« übersetzt werden kann. Wir bevorzugen die etwas umgänglicheren Begriffe Karte (oder Ticket – ich verwende die beiden synonym) und Arbeitspaket. Denken wir an das visuelle Design, tendieren wir zum ersten Begriff. Wir verwenden eher den zweiten, wenn der Fokus darauf liegt, was sie repräsentieren.

In diesem Buch repräsentieren Arbeitspakete festgelegte Teilstücke von Wissensarbeit: Dinge wie Produkteigenschaften, die entwickelt werden müssen, oder Serviceanfragen, die zu erfüllen sind. Diese Dinge müssen keine Verbindung zu Software haben – es gibt Beispiele aus Rechtsabteilungen, Personalabteilungen, dem Vertrieb und dem Büro des Geschäftsführers. Sie haben typischerweise gemeinsam, dass ein großer Teil der Arbeit in den Köpfen von Menschen oder auf ihren Computern erfolgt. Ohne das Board wäre diese Arbeit unsichtbar.

Es hört sich vielleicht trivial an, aber es ist wichtig, dass diese Tickets beweglich sind. Man bewegt die Tickets von Spalte zu Spalte, während die Arbeit am dahinterliegenden Arbeitspaket voranschreitet. Das bedeutet, dass man mit einem Blick sehen kann, wie viel Arbeit sich in welchem Zustand der Fertigstellung befindet. Schaffen Sie das mal mit einer To-do-Liste!

Wenn das Board groß genug und das Ticketdesign deutlich genug ist, kann man von der anderen Seite des Raums erkennen:

Haben wir all diese Informationen ständig verfügbar, bekommen wir recht schnell ein Gefühl dafür, wie ein gesunder Zustand aussieht. Wenn man sich darauf einmal eingerichtet hat, lässt einen das Board sofort wissen, wenn Dinge von der Norm abgewichen sind und eine Untersuchung des Zustands oder korrigierende Maßnahmen notwendig sind.

1.1.1 Visualisierung und Veränderung

Die Visualisierung und andere Formen der Transparenz haben in Kanban einen doppelten Sinn: Zum einen soll die Notwendigkeit von Aktivität sichtbar gemacht werden und zum anderen soll den Menschen geholfen werden, gute Entscheidungen zu treffen. Beides funktioniert auf zwei Ebenen:

Wie reagieren Sie, wenn das Board anzeigt, dass nicht alles so ist, wie es sein sollte? Hier sind einige übliche Antworten, die ein Manager oder Coach geben könnte:

  1. Egal, es wird sich schon alles selbst regeln, wie es das normalerweise auch immer tut.

  2. Ich werde durch ein straffes Management eingreifen, bis die Situation vorüber ist.

  3. Ich werde durch eine Veränderung des Systems eingreifen.

  4. Verstehen sie, wie die Dinge so gekommen sind? Wollen sie das System entsprechend verändern? Wie sollte ich ihnen helfen?

  5. Ich respektiere ihre Fähigkeiten, angemessene Änderungen in dieser Situation durchzuführen.

Jede dieser Verhaltensweisen hat ihre Berechtigung, allerdings scheinen einige eine höhere Reife widerzuspiegeln als andere. Durch das Auslösen von Aktionen und das Unterstützen guter Entscheidungen führt Kanban die Menschen zu reiferem Verhalten wie in Punkt 4 oder 5. Organisationen, die diese Verhaltensweisen bewusst akzeptieren und die Führungsstile fördern, die solches Verhalten unterstützen, sind auf einem guten Weg zu höherer Reife.

Verhalten 5 (und zu einem geringeren Anteil Verhalten 4) enthält ein weiteres, sehr interessantes Element, die Selbstorganisation.

Selbstorganisation ist eine wunderbare Sache. Sie bedeutet nicht nur, dass Individuen autonom handeln können – obwohl das essenziell für ihr Wohlergehen ist. Selbstorganisation bedeutet auch, dass das System sich selbst neu organisieren und einstellen kann, um effektiver mit seinen Herausforderungen umgehen zu können. Selbstorganisation bringt in ihrer vollen Bedeutung Anpassungsfähigkeit und Resilienz. Da Selbstorganisation ohne Intervention von außen passieren kann, skaliert sie sehr gut. Sowohl für den Systembetrieb als auch für die Systemveränderung ist Selbstorganisation sowohl effektiv als auch menschenfreundlich.

Ein System zu verändern, das visuell gemanagt wird, sollte eine kostengünstige und schnelle Sache sein. Einfach eine Linie oder zwei auf dem Whiteboard ausradieren, eine weitere zeichnen und ein paar Klebezettel umherschieben (oder ein paar Klicks mit der Maus). Die Auswirkung dieser Änderungen kann sehr groß sein. Verglichen mit dem recht kleinen Implementierungsaufwand ist dieses Arbeiten am System eine Aktivität mit sehr großem Hebel.

Hier ist ein positiver Kreislauf im Spiel:

1.2 Kernpraktik 4: Mache Prozessregeln explizit

Kanban-Boards sind sehr effektiv darin, Arbeit zu organisieren, aber einige Aspekte des Systems werden manchmal nicht optimal durch die visuelle Sprache von Tickets, Farben, Spalten und Ähnlichem beschrieben. Manchmal machen ein paar wenige Worte in Form von Prozessregeln den Unterschied. Es handelt sich dabei nicht um Verordnungen von oben: Vielmehr sind sie ein Weg, um zwischen den Teilnehmern ein gemeinsames Verständnis darüber aufrechtzuerhalten, wie das System betrieben wird.

Ein weiterer Aspekt der Transparenz: Parallel zur Strategie, das Unsichtbare sichtbar zu machen, machen wir das Implizite explizit, und zwar dann (und nur dann), wenn wir glauben, dass es uns hilft, bessere und vorhersagbarere Entscheidungen zu treffen. Auch hier möchten wir einen Hebel ansetzen – wenige Worte, die vorsichtig ausgewählt werden, um die Absicht darzulegen, keine dicken Dokumente, die alle Eventualitäten abdecken. Ich habe schon Prozessregeln gesehen, die so kurz waren wie »Demo!« und über der betroffenen Spalte auf dem Board gehängt waren – das war alles, was benötigt wurde, um eine effektive Vereinbarung über die Arbeitsweisen zu stützen.

Viele Prozessregeln beschreiben, welche Kriterien Arbeitspakete erfüllen sollen, wenn sie eine Spalte erreichen oder sie verlassen, zum Beispiel:

Auf unserem Board waren Stichworte wie »< 5 Tage Implementierung«, »Codereview« und »Demo!« als Erinnerung an die Erwartung des Teams absolut ausreichend.

Andere Prozessregeln können auch globalerer Natur sein:

Diese Beispiele für Prozessregeln sind nicht universal anwendbar, aber sie können einfach in vergleichbare Kontexte übernommen werden. Das ist nicht untypisch. Manchmal existiert ein unterliegendes Prinzip, das sich leichter übertragen lässt als die Regel – »Das Lernen feiern« statt »Kuchen essen« zum Beispiel. Es ist aber auch keine Schande, wenn eine Regel komplett einmalig für die Situation ist. Der Kontext ist wichtig!

1.2.1 Prozessregeln und Veränderung

Wir fügen Prozessregeln hinzu, wenn wir glauben, dass die zusätzliche Klarheit uns dabei helfen wird, bessere Entscheidungen zu treffen oder diese effizienter zu treffen. Das ist häufig ein guter Zeitpunkt, um die darunterliegenden Denkweisen zu diskutieren, wie zum Beispiel:

Indem wir Prozessregeln explizit machen, erzwingen wir, dass das darunterliegende Denken überprüft wird. Passt die Realität nicht zu unserem Denken, sind wir ständig dabei, uns an den Regeln zu reiben. Das erzeugt Unbehagen, aus dem eine Reevaluation und weiteres Lernen entsteht.

Aus diesem Grund ist es gut, mit einfachen Prozessregeln zu beginnen, die die aktuelle Praxis wiedergeben (das, was wirklich in den meisten Fällen getan wird, unabhängig von den offiziellen Regeln), und von dort aus nach Bedarf zu verfeinern. Beginne mit dem, was du gerade tust ergibt hier genauso viel Sinn wie auch sonst. Schreib sie nieder, dann stelle dich der Herausforderung. Ist es immer sinnvoll, hier eine Demo zu machen? Könnte diese Zehn-Tage-Aufgabe vielleicht trotz allem doch okay sein?

Diese Strategie – vorher implizite Dinge explizit zu machen – bezieht sich auch auf die Kanban-Methode selbst. Das Vorhandensein von Feedbackzyklen und ihre Implementierung waren so offensichtlich, dass niemand daran dachte, sie im ursprünglichen Entwurf der Methode mit aufzunehmen.

1.3 Kernpraktik 5: Implementiere Feedbackzyklen

Trotzdem sie anfangs ausgelassen wurden, sind Feedbackzyklen essenziell. Ohne frühes Feedback werden Anzeichen, dass das System ungesund ist, übersehen. Oder sie werden ignoriert oder so halbherzig adressiert, dass niemand sicher ist, ob wir wirklich eine Verbesserung erzielt haben. Feedbackzyklen sind deshalb essenziell, damit Transparenz zu einem effektiven Treiber für die Veränderung gemacht werden kann.

Wie bei »Visualisiere« ist viel Platz für Interpretation und kreative Implementierung in der Formulierung dieser Praktik. Das ist Absicht. Um es etwas konkreter zu machen, schauen wir uns drei allgemein implementierte Beispiele für Meetings an, die regelmäßig die Möglichkeit für verschiedene Arten von Feedback bieten. Wir beenden diesen Abschnitt mit Feedbackzyklen, die auf Metriken basieren.

1.3.1 Das Standup-Meeting

Sollte ich eine agile Praktik vor allen anderen empfehlen, so wäre es diese. Ich habe erlebt, wie Teams Standup-Meetings abschaffen, weil sie ihren Wert nicht erkennen, um sie dann nur wenige Tage oder Wochen später wieder einzuführen, wenn die Dinge langsam auseinanderfallen. Vielleicht macht gerade die Vertrautheit mit dieser Praktik es so einfach, den Wert dahinter zu übersehen.

Standup-Meetings sind kurze Treffen – kurz genug, dass alle Teilnehmer für die Dauer komfortabel stehen können (oder sollten) –, die regelmäßig durchgeführt werden (häufig täglich). Die Geschwindigkeit kommt mit der Übung: den Ablauf kennen, Aktualisierungen auf einem angemessenen Detailniveau darstellen und die Disziplin besitzen, Konversationen auf danach zu vertagen.

Standup-Meetings können verschiedene Formen haben: