Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abkürzungen
1 Bindungskonzepte in der Organischen Chemie
1.1 Hybridisierung
1.2 Die kovalente Bindung
2 Grundlagen der Organischen Chemie
2.1 Räumliche Darstellung
2.2 Struktur
2.3 Stabilität
2.4 Katalysatoren in der Organischen Chemie
3 Aromatizität und Heteroaromatizität
3.1 Delokalisierung, Mesomerie, Aromatizität
3.2 Zweitsubstitution am Aromaten
3.3 Annelierte Systeme
3.5 Nomenklatur
4 Reaktivität: Polarität der kovalenten Bindung
4.1 Elektronegativität
4.2 Polarität
4.3 Polare Bindungen in der Organischen Chemie
4.4 Die Wasserstoffbrücken-Bindung
5 Lewis-Base-Konzept: Die Bedeutung der Lewis-Base in der Organischen Chemie
5.1 Die Definition von Lewis-Säure und Lewis-Base
5.2 Die Bedeutung der Lewis-Base als elektronenreiches Agens
5.3 Die Wirkung von Lewis-Säuren als Elektrophil
5.4 Die Abgangsgruppe
5.5 Das HSAB-Konzept
6 Reaktionsmechanismen in der Organischen Chemie
6.1 Legende
6.2 Addition
6.3 Substitution
6.4 Eliminierung
6.5 Kondensation
6.6 Umlagerungen
7 Funktionelle Gruppen und ihre abgeleiteten Reaktivitäten
7.1 Die Kohlenwasserstoffe
7.2 Halogenverbindungen
7.3 Alkohole (Mercaptane)
7.4 Amine
7.5 Ether (Thioether)
7.6 Carbonylverbindungen
7.7 Nitrile
Übersichtsschemata A
Glossar B
Richtig gelöst C
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Index
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Kühl, O.
Allgemeine Chemie
für Lebenswissenschaftler, Mediziner, Pharmazeuten…
2012
ISBN: 978-3-527-33198-7
Vollhardt, K. P. C., Schore, N. E.
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ISBN: 978-3-527-33068-3
Autor
PD Dr. Olaf Kühl
EMA Univ. Greifswald
Institut für Biochemie
Felix-Hausdorff-Str. 4
17489 Greifswald
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1. Auflage 2012
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Bibliografische Information
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Mobi ISBN: 978-3-527-66967-7
Vorwort
In den vergangenen etwa 20 Jahren hat sich die Biochemie von einer Randdisziplin irgendwo in der Schnittmenge zwischen Biologie, Chemie und Medizin und mit eigenständigen Wurzeln in jeder dieser drei Wissenschaften zu einer unabhängigen und zentralen Naturwissenschaft mit gesundem Selbstbewusstsein entwickelt. Gab es damals in Deutschland (West) nur vier Universitäten mit einem Studiengang Biochemie (Diplom), so gibt es heute kaum eine Volluniversität ohne ihn. Doch damit nicht genug. Die Biochemie hat auch die Kraft gefunden, mit der Biotechnologie, der Chemischen Biologie und der Medizinischen Chemie, um nur einige zu nennen, eigene Fachrichtungen zu begründen oder aber bestehende zu befruchten. Gleichzeitig hat man einen Weg gefunden, der zunehmenden Aufsplitterung biologischer Forschungsgebiete sprachlich zu begegnen und ein Gegengewicht zu den klassischen Naturwissenschaften Chemie und Physik zu schaffen. Man spricht neuerdings von den Lebenswissenschaften und meint damit nicht nur die klassische Biologie, sondern auch die Medizin, die Pharmazie und die neuen Fachgebiete wie Biochemie und Biotechnologie.
Dabei erhebt die Biochemie den Anspruch, die chemischen Prozesse in biologischen Systemen (Organismen) beschreiben zu wollen. Dies sind zumeist Reaktionen der Organischen Chemie, die teilweise unter Beteiligung von Metallkationen stattfinden. Es müssen also Grundkenntnisse dieser chemischen Reaktionen bekannt sein, um die Biochemie verstehen zu können. Das Gleiche gilt natürlich für die verwandten Wissenschaften wie Medizin (quasi die Biochemie des Menschen) und die Pharmazie (die meisten Arzneimittel werden mit Mitteln der Organischen Chemie synthetisiert), aber auch für die Biotechnologie, die mit den Enzymen und den Methoden der Biochemie arbeitet. Es ist daher erstaunlich, dass es zwar eine Vielzahl von Chemiebüchern für Studierende der Chemie gibt, die auf 1000 und mehr Seiten die gesamte Organische, Anorganische oder Physikalische Chemie darstellen, aber kaum Lehrbücher, die kompakt aber dennoch anspruchsvoll eine Teildisziplin auf 200–300 Seiten speziell für Studierende der Lebenswissenschaften aufarbeiten und präsentieren. Mit den Bänden „Allgemeine Chemie“, „Organische Chemie“, „Anorganische Chemie“ (in Planung) und „Biochemie“ (in Planung) innerhalb der neuen Lehrbuchreihe „Verdammt Clever“ möchte ich diese Lücke füllen und den Lebenswissenschaftlern die chemischen Grundlagen ihrer Wissenschaft näherbringen.
Der Band „Organische Chemie“ erklärt die Reaktionen organischer Moleküle aus der Polarität der maßgebenden Bindungen C–E, C–H und E–H (E: Elemente wie O, N, S, Halogen) heraus. Im ersten Teil des Buches (Kapitel 1–3) geht es um Bindungskonzepte, Grundlagen und das zentrale Konzept der Aromatizität, im zweiten Teil des Buches (Kapitel 4 und 5) um die Polarität von Bindungen und wie man sie beeinflusst (Lewis-Säure-Base-Konzept) und im dritten Teil (Kapitel 6 und 7) um die prinzipiellen Reaktionsmechanismen der Organischen Chemie sowie die Reaktivitäten der einzelnen funktionalen Gruppen.
Im ersten Teil erarbeitet sich der Leser die Grundlagen der Organischen Chemie, im zweiten Teil erarbeitet er sich das Verständnis für die Reaktionen und die Reaktivitäten der Organischen Chemie und im dritten (umfangreichsten) Teil erfährt er, dass sich die (unüberschaubare) Vielzahl der Reaktionen mit dem Verständnis der Grundlagen nicht nur lernen, sondern tatsächlich auch durch einen chemisch minder interessierten Studierenden der Lebenswissenschaften beherrschen lässt.
Auch wenn der Band Organische Chemie für sich allein ausreichen sollte, um die Organische Chemie verstehen zu können, so empfiehlt sich dennoch ein Blick in den Band „Allgemeine Chemie“, um die Grundlagen der Chemie aufzufrischen. Dies gilt umso mehr für Studierende, für die diese Grundlagen entweder schon lange zurückliegen oder die ihnen bisher nicht in ausreichendem Maße begegnet sind.
Mein besonderer Dank gilt den Studentinnen der Biochemie, Medizin und Pharmazie, die sich die Mühe gemacht haben, das Manuskript kritisch zu lesen und mit ihrer konstruktiven Kritik wertvolle Anregungen gegeben haben:
Jennifer Frommer
Sina Gutknecht
Claudia Schindler
Melanie Tauscher
Der Band „Organische Chemie“ entstand unter reger Inanspruchnahme einiger Lehrbücher aus meinem eigenen Studium und unter Zuhilfenahme aktueller eigener Veröffentlichungen. Insbesondere:
Siegfried Hauptmann: Organische Chemie. Verlag für Grundstoffindustrie,
Leipzig, 1985.
Eberhard Breitmaier, Günther Jung: Organische Chemie. Georg Thieme Verlag,
Stuttgart, 1978.
Wichtige Begriffe und Konzepte sind Einträge im Glossar und können dort nachgeschlagen werden.
Olaf Kühl
Greifswald, im Dezember 2011
Abkürzungen
Kurz erklärt
‡ | angeregter Zustand |
AIBN | Azobisisobutyronitril |
AO | Atomorbital |
Ar | aromatischer Rest |
B | Base |
Bz | Benzyl |
CN | Cyanid, Nitril |
Cp | Cylopentadienyl |
D- | rechtszeigend am untersten asymmetrischen C-Atom in der Fischer-Projektion |
ΔT | in der Hitze |
δ-, δ+ | negative, positive Partialladung |
DBPO | Dibenzoylperoxid |
DDT | 1,1,1-Trichlor-2,2-bis(4-chlorphenyl)ethan |
DMF | N,N-Dimethylformamid |
DMSO | Dimethylsulfoxid |
E | Element |
(E) | entgegen; Isomeres an der Doppelbindung |
Et | Ethyl |
EtOH | Ethanol |
[H] | Hydrierung |
[H+] | saure Katalyse |
hv | Bestrahlung; unter Lichteinwirkung |
HOMO | highest occupied molecular orbital |
HSAB | hard and soft acids and bases |
i- | ipso |
I-Effekt | induktiver Effekt |
[Kat] | Katalysator, Katalyse |
L- | linkszeigend am untersten asymmetrischen C-Atom in der Fischer-Projektion |
LUMO | lowest unoccupied molecular orbital |
m- | meta |
M-Effekt | mesomerer Effekt |
Me | Methyl |
MeOH | Methanol |
MO | Molekülorbital |
MTBE | Methyl-tert-Butylether |
[Ni] | am Nickel-Katalysator |
Nu- | Nukleophil |
o- | ortho |
[O] | Oxidation mit Sauerstoff |
OAc- | Acetat |
[Ox] | [Oxidation] |
p- | para |
Ph | Phenyl |
PSE | Periodensystem der Elemente |
py | Pyridin |
(R) | Konfiguration am asymmetrischen Atom: Reihenfolge mit dem Uhrzeigersinn |
[Red] | [Reduktion] |
(S) | Konfiguration am asymmetrischen Atom: Reihenfolge gegen den Uhrzeigersinn |
[S] | Umsetzung mit Schwefel |
THF | Tetrahydrofuran |
Tol | Tolyl |
Tos | Tosylat; p-Toluolsulfonsäure-Rest |
X | Halogen; Halogenid |
(Z) | zusammen; Isomeres an der Doppelbindung |
Das Kohlenstoffatom hat die Ordnungszahl 6 und somit vier Valenzelektronen in der zweiten Schale. Es ist der erste Vertreter der IV. Hauptgruppe und hat vier Valenzorbitale, das 2s- und die drei 2p-Orbitale. Im Grundzustand ergibt das die Elektronenkonfiguration [He]2s22p2 und damit die Möglichkeit, zwei Einfachbindungen durch die zwei ungepaarten Elektronen in den 2p-Orbitalen zu bilden. Diese Verbindungsklasse gibt es tatsächlich, sie wird Carben genannt. Carbene sind im Allgemeinen sehr instabil, da sie ein freies Elektronenpaar für eine Donorbindung und ein leeres Orbital für eine Akzeptorbindung haben. Viel häufiger sind Verbindungen, in denen das Kohlenstoffatom vier Einfachbindungen aufweist. Es muss also noch eine zweite Elektronenkonfiguration des Kohlenstoffatoms geben, die zu vier Einfachbindungen führt.
Wir haben einen Satz von vier Valenzorbitalen für das Kohlenstoffatom, das 2s- und die drei 2p-Orbitale. Diese haben zwei verschiedene Energieniveaus, wobei die drei 2p-Orbitale, das 2px-, 2py- und 2pz-Orbital, untereinander äquivalent sind.
Wir können jetzt zwei Dinge tun, für die wir jeweils Energie aufwenden müssen: Wir können ein Elektron vom 2s- ins 2p-Niveau anheben. Dann haben wir die Elektronenkonfiguration 2s12p3. Und wir können das 2s- und die drei 2p-Orbitale miteinander mischen, um vier energetisch gleichwertige, d. h. entartete, Orbitale zu erhalten (Abbildung 1.1). Die vier neuen Orbitale nennen wir sp3-Orbitale. Es sind Hybridorbitale, da sie aus mehreren unterschiedlichen Orbitalen generiert wurden.
Abb. 1.1 Die sp3-Hybridisierung
Abb. 1.2 Die sp2-Hybridisierung
Es gibt natürlich noch andere Möglichkeiten, das eine 2s- und die drei 2p-Orbitale miteinander zu kombinieren. Wir müssen ja nicht alle drei 2p-Orbitale verwenden. Kombiniert man nur zwei der drei 2p-Orbitale mit dem 2s-Orbital, so erhält man drei sp2-Hybridorbitale (Abbildung 1.2). Ein 2p-Orbital bleibt dabei übrig und ist daher unverändert in Gestalt und Orientierung.
Abb. 1.3 Die sp-Hybridisierung
Abb. 1.4 Übersicht über die Hybridorbitalsätze
Verwendet man gar nur eines der drei 2p-Orbitale in der Kombination mit dem 2s-Orbital, so erhält man zwei sp-Hybridorbitale und behält zwei in Gestalt und Orientierung unveränderte 2p-Orbitale (Abbildung 1.3).
Wie sehen diese Hybridorbitale aus? Zunächst einmal entstehen sie ja aus einer Kombination aus Orbitalen mit unterschiedlicher Symmetrie, dem kugelförmigen s-Orbital und den hantelförmigen p-Orbitalen. Die Hybridorbitale sind eine Kombination aus beiden und sehen den p-Orbitalen ähnlich, haben aber deutlich andere räumliche Parameter (Abbildung 1.4).
Tabelle 1.1 Hybridisierung
Hybridorbitalsatz | s-Anteil | Winkel zwischen den Orbitalen |
sp3 | 25% | 109,5°; tetraedrisch |
sp2 | 33% | 120°; trigonal-planar |
sp | 50% | 180°; linear |
Wie sind die Winkel zwischen den einzelnen Hybridorbitalen zu erklären?
Die vier sp3-Hybridorbitale verwenden alle vier verfügbaren Valenzorbitale des Kohlenstoffatoms. Daher müssen sie auch den ganzen Raum um das Atom herum dreidimensional abdecken. Dies geschieht am besten, wenn die vier sp3-Hybridor-bitale in die vier Ecken eines Tetraeders, eines euklidschen Körpers, zeigen. Daher stehen die vier sp3-Hybridorbitale in einem Winkel von 109,5°, dem sogenannten Tetraederwinkel, zueinander.
Bei den drei sp2-Hybridorbitalen ändert sich die räumliche Situation schlagartig, da nun ein p-Orbital übrig bleibt, das nicht zur Hybridisierung verwendet wurde. Dieses p-Orbital wird meistens willkürlich als pz-Orbital angenommen und steht senkrecht auf der Ebene der sp2-Hybridorbitale. Da diese jetzt nur noch eine Ebene und keinen Raum mehr aufspannen müssen, beträgt der Winkel zwischen den Hybridorbitalen nunmehr 120° und die Geometrie ist trigonal-planar, also eine in drei gleiche Sektoren geteilte Ebene.
Bei sp-Hybridorbitalen verfügt das Kohlenstoffatom noch über zwei p-Orbitale, pz und py. Die beiden sp-Hybridorbitale können also nur noch eine Gerade aufspannen. Der Winkel zwischen den sp-Hybridorbitalen beträgt daher 180° .
Die Anhebung des einen 2s2-Elektrons in das 2p-Niveau kostet Energie (etwa 300 kJ mol–1). Ebenso kostet die Hybridisierung Energie (etwa 100 kJ mol–1). Damit der Gesamtvorgang Energie liefert und daher freiwillig abläuft, müssen die Bindungen durch die Hybridorbitale energetisch erheblich günstiger sein als die Bindungen der unhybridisierten Orbitale.
Eine kovalente Bindung entsteht immer, wenn mindestens zwei Orbitale von mindestens zwei Atomen überlappen. Dann gibt es Elektronen, die beiden Atomen gemeinsam gehören. Sie gehören den beiden Atomen aber nicht unbedingt zu gleichen Teilen. Das elektronegativere Atom hat einen größeren Anteil an den Bindungselektronen als das andere Atom. Man spricht daher von einer polaren kovalenten Bindung. Sind die Elektronegativitäten der beiden beteiligten Atome gleich (z. B. eine C–C-Bindung) oder nahezu gleich (z.B. eine B–H-Bindung), so spricht man von einer unpolaren kovalenten Bindung.
Zwei Atome können auch mehr als ein Bindungselektronenpaar gemeinsam haben. Es liegt dann eine Mehrfachbindung vor (z. B. eine C=C- oder eine C=O- Bindung).
Die einzelnen kovalenten Bindungsarten werden gemäß ihrer Symmetrie mit den griechischen Buchstaben σ, π und δ bezeichnet. Diese Bezeichnung für die Molekülorbitale folgt den Bezeichnungen s, p, und d der zugrunde liegenden Atomorbitale, die die gleichen Symmetrien aufweisen.
Die Einfachbindung wird häufig auch als σ-Bindung bezeichnet. Die Bezeichnung ist allerdings insoweit irreführend, als die griechischen Buchstaben σ, π und δ die Symmetrie einer einzelnen Bindung bezeichnen und nicht die Bindungsordnung. Bei der Einfachbindung macht dies allerdings eher nichts aus, da eine Einfachbindung ja definitionsgemäß nur aus einer Bindung besteht.
Nähern sich zwei Atome auf der Kernverbindungsachse einander an, so können die aufeinander zu zeigenden Orbitale oder Orbitallappen überlappen (Abbildung 1.5). Ist die Überlappung groß genug, so entsteht eine Bindung. Ansonsten spricht man von einer positiven Wechselwirkung. Die Unterscheidung wird gemeinhin bei einem Energiegewinn von 50 kJ mol–1 getroffen.
Die Bindungsstärke hängt vom Grad der Überlappung ab, also vom Verhältnis zwischen Überlappungsgebiet und Gesamtvolumen der beteiligten Orbitale. Das ist ziemlich abstrakt und man kann es sich schlecht vorstellen. Zudem lassen sich Vergleiche auch schlecht anstellen. Erinnern wir uns also daran, dass sich die beiden Atome auf der Kernverbindungsachse aufeinander zu bewegen mussten, damit eine Bindung überhaupt stattfinden konnte. Je näher sich die beiden Atome kommen, desto größer ist also auch das Überlappungsgebiet und desto stärker ist die Bindung. Daher ist die Bindungslänge ein gutes Maß für die Bindungsstärke, aber leider nicht der einzige Faktor.
Abb. 1.5 Die Einfachbindung
Tabelle 1.2 Bindungslängen und Bindungsenergien ausgesuchter Einfachbindungen
Dies lässt sich an Beispielen ablesen. Wenn wir die Kohlenstoff-Halogen-Bindung betrachten, so erkennen wir, dass die Bindungslänge C–X von Fluor zu Iod kontinuierlich zunimmt und gleichzeitig die Bindungsenergie abnimmt (Tabelle 1.2). Dies lässt sich auf die Größen der beteiligten Orbitale zurückführen. Von Fluor zu Iod nimmt die Größe des p-Orbitals stark zu, das 2p-Orbital des Kohlenstoffs bleibt aber gleich. Die Folge ist eine relative Abnahme der Überlappungszone und damit eine Schwächung der Bindung. Innerhalb der Periode, von Kohlenstoff C–C zu Fluor C–F, beobachten wir dagegen eine Zunahme der Bindungsenergie mit gleichzeitiger Abnahme der Bindungslänge. Dies geschieht aber nicht proportional, und außerdem ist die C–C-Bindung deutlich stabiler als ihrer Bindungslänge gebührt. Es gibt also offensichtlich noch andere Einflüsse und Faktoren.
Doch warum nennt man die Einfachbindung auch σ-Bindung? Nun, die Bindung auf der Kernverbindungsachse hat keine Knotenebene, eine Eigenschaft die sie mit dem kugelförmigen s-Orbital teilt. Bei der Einfachbindung ist diese Bindung entlang der Kernverbindungsachse, mit σ-Symmetrie, die einzige Bindung und wird daher als σ-Bindung bezeichnet.
Eine Doppelbindung besteht aus zwei Bindungen, einer σ-Bindung und einer π-Bindung. Die σ-Bindung haben wir schon bei der Besprechung der Einfachbindung kennengelernt. Wir können uns also auf die Besprechung der π-Bindung konzentrieren.
Die σ-Bindung besetzt die Kernverbindungsachse. Für die π-Bindung bleibt also nur ein Raum, der zwar nicht auf der Kernverbindungsachse liegt, diese aber umgibt. Und es werden für die π-Bindung Orbitale benötigt, die diesen Raum besetzen. Im sp3-Hybridorbitalsatz finden wir keine geeigneten Orbitale. Nur eines der vier sp3-Hybridorbitale zeigt in die Richtung des anderen Atoms, und dieses Orbital wird für die σ-Bindung benötigt.
Wir werden sehr bald merken, dass dieser Merksatz für alle Hybridorbitalsätze gilt, da jeweils nur ein Hybridorbital auf das zweite Atom zeigt.
Glücklicherweise haben wir in den sp2- und sp-Hybridorbitalsätzen noch unhybridisierte p-Orbitale, die senkrecht auf den Hybridorbitalen stehen. Diese sind hantelförmig und befinden sich mit ihren beiden Orbitallappen oberhalb und unterhalb der Kernverbindungsachse. Sie können also oberhalb und unterhalb der σ-Bindung mit einem entsprechenden Orbitallappen des p-Orbitals des anderen Atoms überlappen (Abbildung 1.6). Die entstandene Bindung hat dann ebenfalls eine Knotenebene, wie das p-Orbital, aus dem sie gebildet wird. Diese Bindung wird daher π-Bindung genannt.
Es gibt selbstverständlich auch Moleküle mit mehr als einer Doppelbindung. Je nach Stellung dieser Doppelbindungen zueinander unterscheidet man in der Organischen Chemie zwischen drei Arten von Doppelbindungen, der isolierten Doppelbindung, der konjugierten Doppelbindung und der kumulierten Doppelbindung. Isolierte Doppelbindungen verhalten sich so, als gäbe es nur eine Doppelbindung im Molekül. Konjugierte Doppelbindungen sind durch genau eine Einfachbindung voneinander getrennt (C=C–C=C) und beeinflussen einander. Kumulierte Doppelbindungen folgen direkt aufeinander (C=C=C) und geben dem Molekül eine ganze Reihe spezieller Eigenschaften, sind aber sehr selten.
Abb. 1.6 Die Doppelbindung
Eine Dreifachbindung besteht aus drei Bindungen, einer σ-Bindung und zwei π-Bindungen. Beide Bindungstypen haben wir bereits besprochen, die σ-Bindung bei der Einfachbindung und die π-Bindung bei der Doppelbindung. Wir müssen daher nur noch die räumliche Anordnung der drei Bindungen zueinander finden.
Für die Dreifachbindung benötigen wir jetzt ein Hybridorbital für die σ-Bindung und ein p-Orbital für die π-Bindung, die zur Doppelbindung führt. Zur Dreifachbindung gelangen wir dann mit einem zweiten p-Orbital, das die zweite π-Bindung generiert. Dieses zweite p-Orbital steht senkrecht zum Hybridorbital und senkrecht zum ersten p-Orbital. Da wir die erste π-Bindung oberhalb und unterhalb der Kernverbindungsachse angeordnet haben, müssen wir die zweite π-Bindung vor und hinter die Kernverbindungsachse platzieren (Abbildung 1.7).
Abb. 1.7 Die Dreifachbindung
Das Gefühl sagt uns, dass zwei Bindungen stärker sind als eine und drei stärker als zwei. Die experimentellen Daten (Tabelle 1.3) bestätigen dies. Aber auch hier ist die Abhängigkeit nicht linear.
Tabelle 1.3 Bindungsparameter für Mehrfachbindungen.
Die meisten Kohlenstoffatome in organischen Verbindungen sind sp3-hybridisiert. Sie sind also tetraedrisch koordiniert und bilden Bindungswinkel von 109,5° aus. Das macht die grafische Darstellung großer organischer Moleküle keineswegs einfach. Die vielen Tetraederwinkel erzeugen eine dreidimensionale Struktur, die nur sehr schwer auf dem zweidimensionalen Papier abzubilden ist. Es empfiehlt sich also zunächst einmal, einige Vereinfachungen einzuführen. Die wichtigste ist es, Wasserstoffatome einfach nicht einzuzeichnen, es sei denn, sie sind für das Verständnis einer funktionellen Gruppe erforderlich.
Dies ist möglich, da das Kohlenstoffatom, aufgrund seiner Stellung im Periodensystem, immer vierbindig ist. Es müssen also immer so viele Wasserstoffatome im Geiste hinzugezählt werden, wie Bindungen bis zur Zahl vier fehlen.
Die zweite wichtige Vereinfachung ist die, dass Kohlenstoffatome nicht mit dem Elementsymbol C gekennzeichnet werden, es sei denn, dies ist für das Verständnis einer funktionellen Gruppe erforderlich. Das Kohlenstoffatom ist nur über Anfang und Ende eines Valenzbindungsstrichs erkennbar.
Abb. 2.1 Vereinfachung des Formelbildes anhand der Aminosäure α-Alanin
Abb. 2.2 Die sterische Darstellung der α-Aminosäure L-Alanin
Jetzt ist es an der Zeit, die in Abbildung 2.1 verwendeten Keile und gestrichelten Linien zu erklären. Die Darstellungsform wird Keilstrich-Formel genannt und ist die häufigste Grafikform in der Organischen Chemie. Die Keile dienen der Darstellung der räumlichen Anordnung der vier Substituenten eines sp3-hybridisierten Kohlenstoffatoms.
Der schwarze Keilstrich bedeutet, dass der Substituent nach vorne, aus der Zeichenebene heraus, zeigt. Die gestrichelte Linie bedeutet, dass der Substituent nach hinten, hinter die Zeichenebene, zeigt. Der Stern markiert ein optisch aktives (Kohlenstoff-)Atom. Wird auf die korrekte sterische Anordnung kein Wert gelegt oder bewusst auf eine Festlegung verzichtet, so verwendet man eine Wellenlinie.
Es gibt ganze Verbindungsklassen in der Organischen Chemie, die mehrere chirale Zentren besitzen und deren Gesamtstruktur durch die Projektion der Struktur auf die Papierebene eine große Vereinfachung in der grafischen Darstellung erfährt. Hierbei drängen sich für verschiedene Verbindungstypen optimierte Projektionsverfahren auf, die jeweils ihren eigenen Namen haben.
Die Fischer-Projektion ist besonders für kettenförmige Kohlenhydrate (Zucker) vorteilhaft, da sie die Stereozentren kettenförmiger Moleküle fixiert. Hierbei wird die Hauptkette (Kohlenstoffatome) des Moleküls senkrecht gezeichnet. Das Ende mit höchster Priorität (CIP; niedrigste Zahl) befindet sich oben. Die Orientierung der anderen beiden Substituenten ist nun wie folgt: Die Hauptkettenatome liegen in Wahrheit hinter der Zeichenebene und die anderen beiden Substituenten somit davor. In Abbildung 2.3 wird dies für L-Alanin gezeigt.
Abb. 2.3 Die Fischer-Projektion am Beispiel von L-Alanin
Die beiden Stereoanordnungen kann man vertauschen (Abbildung 2.4), indem man eine der folgenden Operationen anwendet:
Abb. 2.4 Grafische Darstellung zur Vertauschung von Substituenten in der Fischer-Projektion
Bei der Drehung des Moleküls in der Ebene um 180° passiert nichts.
Während die Fischer-Projektion das gesamte Molekül abbildet und so die gesamte Stereochemie des Moleküls grafisch darzustellen sucht, beschränkt sich die Newman-Projektion auf die sterische Situation entlang nur einer C–C-Bindung.
In der Newman-Projektion wird das Molekül entlang einer C–C-Bindungsachse betrachtet. Die Stellung der sechs Substituenten entlang dieser C–C-Bindung wird durch Striche exakt wiedergegeben. Der zentrale Kreis repräsentiert das vordere Kohlenstoffatom dieser C–C-Einfachbindung. Die gut sichtbaren drei Bindungen in diesem Kreis sind die drei Bindungen des vorderen C-Atoms. Die drei Bindungen des hinteren Kohlenstoffatoms werden vom Kreis teilweise verdeckt. Man kann aus der Newman-Projektion den Torsionswinkel (z. B. H–C–C–COOH) mit einem Winkelmesser ablesen. In Abbildung 2.5 sind idealisierte Torsionswinkel eingezeichnet. Die experimentellen Werte weichen davon ab.
Die Sägebock-Projektion ist praktisch die Seitenansicht der Newman-Projektion. Sie stellt keine so hohe Anforderungen an das räumliche Vorstellungsvermögen des Betrachters, macht dafür aber große Abstriche bei der Darstellung sterischer Hinderungen. Sie ist daher der Newman-Projektion deutlich unterlegen.
In Abbildung 2.6 sind die relative Anordnung der sechs Substituenten der zentralen C–C-Bindung in Alanin und die Bindung selbst deutlich zu sehen. Allerdings ist der Torsionswinkel (z. B. H–C–C–COOH) weder messbar noch abschätzbar. Die Sägebock-Projektion liefert im Gegensatz zur Newman-Projektion also keinen Zugewinn an Information.
In den drei vorhergehenden Projektionsarten haben wir kettenförmige Moleküle (Fischer) oder einzelne Bindungen (Newman, Sägebock) betrachtet. Es gibt aber auch eine Vielzahl ringförmiger Moleküle, die so nicht sinnvoll abbildbar sind. Daher hat Haworth eine spezielle grafische Darstellungsmethode für ringförmige Moleküle entwickelt.
Abb. 2.5 L-Alanin in der Newman-Projektion entlang der C–CH3-Bindungsachse
Abb. 2.6 Darstellung der α-Aminosäure L-Alanin in der Sägebock-Projektion
In der Haworth-Projektion wird ein ringförmiges Molekül in die Zeichenebene projiziert, aber nicht direkt von oben, sondern quasi von der Seite. Der Ring erscheint eben, obwohl er eigentlich nicht eben ist. Um vorhandene Stereozentren abbilden zu können, wird eine Konvention eingeführt: D-Substituenten(in der Fischer-Projektion rechts) zeigen nach unten, L-Substituenten (in der Fischer-Projektion links) zeigen nach oben. Dies ist in Abbildung 2.7 für kettenförmige D-Glucose (Fischer) und ringförmige α-D-Glucopyranose (Haworth) gezeigt.
Der Ringschluss zu D-Glucopyranose erzeugt ein neues chirales Zentrum, in Abbildung 2.7 mit (*) gekennzeichnet. Es wird anomerer Kohlenstoff genannt und mit α (OH zeigt nach unten) bzw. β (OH zeigt nach oben) bezeichnet. Die entsprechenden Isomere heißen Anomere.
Abb. 2.7 α-D-Glucopyranose in der Haworth-Projektion
Es gibt in der Organischen Chemie viele Summenformeln, die mehr als eine Verbindung beschreiben. Es ist daher notwendig, Molekülformeln zu entwickeln, die genau eine Verbindung eindeutig beschreiben. Die Situation ist noch deutlich komplizierter, da Einzelbindungen ja frei drehbar sind. Es findet eine Rotation um jede C–C-Bindung und jede andere Einfachbindung im Molekül statt. Diese Rotationen können gehindert oder verhindert werden. Dies geschieht durch Einbettung in Ringsysteme, durch sterisch anspruchsvolle Substituenten oder aber durch supramolekulare Wechselwirkungen (z. B. Wasserstoffbrücken-Bindungen).
Während der Rotation um die Einfachbindung kommen sich die Substituenten nahe und entfernen sich auch wieder voneinander. Dafür muss Energie aufgewendet werden bzw. es wird Energie frei. Auf jeden Fall gibt es verschiedene Stellungen während einer Rotation, ohne dass Bindungen gebrochen oder geknüpft werden müssten.
Alle diese Dinge müssen wir benennen und beschreiben, um später die Verbindungen und Reaktionen verstehen zu können.
Es ist an der Zeit, sich Gedanken zu machen, was eine eigenständige Verbindung ist und was lediglich eine andere Strukturform derselben Verbindung. Wir hatten ja bereits gesagt, dass zwei unterschiedliche Verbindungen die gleiche Summenformel haben können. Sie unterscheiden sich dann aber in ihrem Bindungsgerüst, d. h. die einzelnen Atome sind anders miteinander verbunden. Man sagt, dass zwei Verbindungen sich in ihrer Konfiguration unterscheiden.
Abb. 2.8 Verschiedene Konfigurationen (Verbindungen) von Alanin
Die Liste ist keineswegs vollständig, und wir sehen bereits, dass eine vergleichsweise kleine Summenformel eine große Zahl unterschiedlicher Verbindungen hervorrufen kann. Die vielen verschiedenen Namen dieser Verbindungen basieren auf den unterschiedlichen funktionellen Gruppen, den Trägern der Reaktivität organischer Moleküle.
Im Gegensatz zu Konfiguration beschreibt der Begriff Konformation unterschiedliche Strukturen ein und derselben Verbindung.
Abb. 2.9 Verbindungen mit gleicher Summenformel wie Alanin
Abb. 2.10 Verschiedene Konformationen von L-Valin
Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass bei der Rotation um die formale Einfachbindung die Substituenten den maximalen Abstand zueinander haben können (Bezeichnung gauche, staggered, auf Lücke) oder aber sich maximal nahekommen können (eclipsed). Wenn die Substituenten unterschiedlichen Raumbedarf haben, sind mehrere gauche- und mehrere eclipsed-Stellungen möglich. Dies ist in Abbildung 2.10 für L-Valin aufgezeigt.
Abb. 2.11 Die Konformationen von Cyclohexan
Außer den Konformationsänderungen, die aus der Rotation um nur eine Einzelbindung resultieren, gibt es auch Konformationsänderungen, bei denen gleichzeitig um mehrere Einzelbindungen gedreht werden muss. Das klassische Beispiel sind die Konformere von Cyclohexan: Sessel und Wanne. Es gibt noch ein drittes Konformer – Twist –, das als Intermediat bei der Umwandlung von der Sessel- in die Wannenform aufgefasst werden kann.
Isomerie findet immer dann statt, wenn zwei Verbindungen die gleiche Summenformel, aber eine andere Strukturformel haben. Da diese Beschreibung sehr allgemein gehalten ist, gibt es sehr verschiedene Arten von Isomerie. Isomerien, die in einer wichtigen Beziehung zueinander stehen, haben einen eigenen Namen. Beispiele sind: cis/trans-Isomerie, Stereoisomerie, Diastereomerie, Stellungsisomerie (ortho/para/meta) und einige mehr.