Nadine Sieger

Shoes

Warum Frauen nicht
ohne sie leben können

Schuh
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Impressum

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2015

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Designbüro Gestaltungssaal

Umschlagmotiv: © Shutterstock

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (E-Book) 978-3-451-80394-9

ISBN (Buch) 978-3-451-31303-5

Inhalt

Faszination Schuh
Wieso, weshalb, warum

Hoch hinaus
Wie High Heels zu Superstars der Schuhwelt wurden

Auf leichten Sohlen an die Spitze
Turnschuhe: vom Sportplatz auf den Laufsteg

Germany’s Top Models
Birkenstock, Doc Martens und Adidas

Schuhe, die die Welt bewegen
Das kleine Lexikon der Archetypen und ihre Entstehungsgeschichte

Märchen und Mythen
Schuhe und ihre magische Ausstrahlung

Die großen Meister
Fünf Designer, die die Schuhmode revolutionierten

Shoeaholics
Wenn aus Leidenschaft Sucht wird

Schritt für Schritt emanzipiert
Der Schuh als Spiegel der Frauenbewegung

Kunst auf Sohlen
Wie Schuhe im Museum landeten

Das Wichtigste zum Schluss
Die perfekte Schuh-Architektur und warum sie so wichtig ist

Literatur

Schuh

Faszination Schuh

Wieso, weshalb, warum

»Gib einer Frau die passenden Schuhe,
und sie kann die Welt erobern.«

Begreifen kann man dieses Phänomen eigentlich nur, wenn man es selbst erlebt hat. Erwachsene Frauen mit Stil und Verstand, die kollektiv ihre Fassung verlieren. Und die Selbstbeherrschung noch dazu. Die Ursache für die Hysterie: Schuhe. Um genau zu sein: die unwiderstehlichen Schleuderpreise, mit denen die Designer zwei Mal im Jahr ihre Restbestände und Musterschuhe an die Frau bringen. Mit den ersten Sample Sales verhält es sich wie mit den ersten Dates. Man erinnert sich sein restliches Leben daran, es ist unfassbar aufregend, aber einige Exemplare hätte man sich durchaus sparen können. So stand ich vor vielen Jahren, beladen mit mehr Schuhen, als ich eigentlich tragen konnte – in meinen Armen und an meinen Füßen sowieso –, in dem winzigen Schuhgeschäft des hippen Designer-Duos »Sigerson Morrison« im New Yorker Stadtviertel SoHo. Um mich herum Frauen auf der Pirsch, barfuß und lüstern. Denn sobald man ein potenzielles Paar auch nur eine Millisekunde aus der Hand legte, war es verschwunden – sofort. Weggeschnappt von der gierigen Konkurrenz. Selbst auf die eigenen ausgelatschten Schuhe musste man achtgeben wie ein Luchs. Hielt man für einen Moment inne, lag der Irrsinn der Situation glasklar auf der Hand, aber gleich in der nächsten Sekunde wurde ich genau von diesem wieder zurück in den Kaufrausch gerissen. Denn das anvisierte Objekt der Begierde musste unter allen Umständen verteidigt werden. Ob das Modell nun eine Nummer zu groß oder zu klein war, schien erst einmal zweitrangig. Bei den verführerischen Preisen war auch ich ausnahmsweise mal flexibel. Auch, ob das grelle Exemplar in Gelb überhaupt zu irgendeinem Teil in meinem Kleiderschrank passte, war irgendwie irrelevant. Geschweige denn, ob ich mit dem zehn Zentimeter hohen Absatz überhaupt unbeschadet von der Haustür bis zur nächsten U-Bahn-Station gelangen würde.

Das Sample-Sale-Fieber schaltete nicht nur die Vernunft, sondern auch meine mathematische Logik komplett aus. Das realisierte ich allerdings erst ein paar Tage später, als ich wieder ausgenüchtert meine Kontoauszüge checkte. Noch an der Kasse stehend konzentrierte ich mich lieber voll und ganz auf die 659 Dollar, die mir auf dem Beleg Schwarz auf Weiß und fett gedruckt deklariert wurden – als: »gespart«. Sechs Paar (!!!) neue Schuhe und 659 gesparte Dollar. Das klang doch wunderbar.

Dieses Schauspiel wiederholt sich in New York mindestens zwei Mal im Jahr. Wenn in Schuhboutiquen oder in Luxuskaufhäusern wie Bergdorf Goodman auf der Schuh-Etage im Frühling und im Herbst der Sonderschlussverkauf beginnt, mutieren Frauen zu gnadenlosen Jägerinnen. Die Trophäen heißen Jimmy Choo, Manolo Blahnik und Christian Louboutin. Die sonst so vornehme Schuhabteilung verwandelt sich in Nullkommanichts in ein wüstes Schlachtfeld.

Ganze Etagen stellen diese renommierten Kauf häuser mittlerweile für ihre eleganten Schuhkollektionen zur Verfügung. Die Abteilung in der New Yorker Shopping-Institution Sak’s Fifth Avenue ist mit fast 800 Quadratmetern so exorbitant, dass die amerikanische Post ihr 2007 sogar eine eigene Postleitzahl einrichtete: 10022-SHOE.

Aus irgendeinem Grund sind wir Frauen in puncto Schuhe unersättlich. Für jeden Anlass, jede Stimmung, jedes Lebensgefühl und jedes Outfit gibt es genau das passende Modell. Auch wenn das eine oder andere Paar ein Leben lang ungetragen auf der Ersatzbank wartet. Aber man weiß ja nie, vielleicht kommt auch für diese Exemplare noch der große Einsatz. Wer schon mal danebengegriffen hat, weiß, dass der falsche Schuh das komplette Outfit ruinieren kann. Und die Laune dazu. »Ganz klar, der Schuh bestimmt den Look und nicht umgekehrt«, bestätigt mir auch Ulrich Grimm, Chefdesigner der Calvin-Klein-Accessoires, in einem Interview.

Schuhe sind außerdem treue Erinnerungsbarometer und loyale Zeitzeugen. Das erste Paar Doc Martens war ein Meilenstein, darin sind wir auf Konzerten, Partys und Festivals durch die Höhepunkte unserer Jugend getanzt. Auch die ersten cremeweißen, knöchelhohen Chucks von Converse haben sich für immer in mein Gedächtnis eingegraben. Vor allem, weil wir dafür kämpfen und den Eltern begreif lich machen mussten, warum man für ein Paar Stoffturnschuhe über 100 D-Mark hinblättert, wenn es doch genau die »Gleichen« von einer anderen Marke für die Hälfte gab. Dass eine Naht an der falschen Stelle den Schuh augenblicklich als billige Imitation enttarnte, war Grund genug, in das doppelt so teure Original zu investieren. Damals geradezu überlebensnotwendig. Und dann das erste Paar Designer-High-Heels, mit denen wir symbolisch in einen neuen Lebensabschnitt schritten. Als Belohnung für einen schwer verdienten neuen Job, eine Gehaltserhöhung, Fundament für einen neuen Look oder einfach nur so. »Gib einer Frau die passenden Schuhe, und sie kann die Welt erobern«, sagte schon Marilyn Monroe. Und sie wusste schließlich, wovon sie sprach. Irgendwo in den Tiefen des Bewusstseins hat sich wohl in jeder weiblichen Psyche insgeheim eine kleine Cinderella eingenistet. Da ist dieser Traum, mit einem Paar Schuhe möglicherweise das ganze Leben zu verändern. Oder irgendwann mal den ultimativen »Mr. Big« zu erobern.

Mit seinen Schuhen drückt man sich aus, gehört dazu, sendet Signale. Und während man Männern vorwirft, dass sie mit Handtaschen nichts anfangen können, gibt es durchaus einige männliche Kandidaten, die der Schuhobsession genauso verfallen sind wie wir Frauen. Die waschechten Turnschuhfanatiker – genannt »Sneaker Heads« – campieren sogar nachts mit ihren Skateboards und einem Rudel Konkurrenten vor Läden wie der New Yorker Street-Style-Institution »Supreme«, um am nächsten Morgen ein Exemplar der limitierten Editionen zu ergattern. Und das meist nicht mal, um die Sneakers dann gleich stolz zur Schau zu tragen, sondern um sie umgehend und unangetastet in die deckenhohe Sammlung im heimischen Schuhregal einzureihen. Schuhkarton neben Schuhkarton. Hunderte davon. So wird ein Gebrauchsgegenstand zum Kultobjekt und Statussymbol, dessen Wert sich in kürzester Zeit durchaus bis in die Tausende vervielfachen kann. Da ist es kein Wunder, dass auch wir Frauen gelegentlich in ein einziges Paar Schuhe eine Summe investieren, die locker mit der Monatsmiete konkurrieren kann. Der Schuh als soziale Währung, ein Investment in den gesellschaftlichen Status. »Die Schuhbesessenheit hat in den letzten Jahren ein ganz neues Level erreicht«, bestätigt Valerie Steele, Direktorin und Kuratorin des Museums des »Fashion Institute of Technology« in New York, »High Heels sind die neuen ›It-Bags‹ und absolute Statussymbole.«

Um auch gleich als solches erkannt zu werden, lassen sich die Designer einiges einfallen. Der Franzose Christian Louboutin zum Beispiel verpasst seinen Luxuskreationen seit 1992 eine leuchtend rote Sohle. Sein mittlerweile weltweit berühmtes Markenzeichen. Die Entwürfe von unten mit dem knallroten Nagellack seiner Assistentin zu bepinseln war angeblich ein Spontaneinfall. Mittlerweile entgeht selbst einem ungeübten Auge nicht, wenn unten die rote Sohle hervorblitzt. Man weiß sofort, die Trägerin hat nicht nur Ahnung, sondern auch das nötige Kapital. Schließlich kostet so ein Paar mehrere Hundert, wenn nicht gar mehrere Tausend Euro. Dieser Wiedererkennungswert ist heiß begehrt, nicht nur bei treuen Kundinnen wie Sarah Jessica Parker, Halle Berry und Jennifer Lopez (die ihrer Lieblingsschuhmarke sogar eine Song widmete: Louboutin), sondern auch bei der Konkurrenz, die die kultige Sohle ungeniert kopiert. Louboutin zog daher schon mehrmals gegen Plagiatoren vor Gericht und klagte sowohl gegen die spanische Kette Zara als auch das französische Modehaus Yves Saint Laurent. Schließlich hat sich der französische Designer den Pantone-Farbton »18 Chinese Red« unter seinen Sohlen beim US-Patentamt als Markenzeichen schützen lassen. In zweiter Instanz gab man ihm im Fall Yves Saint Laurent dann sogar recht. Die Konkurrenz darf sich nun in Zukunft der farbigen Sohle nur noch bedienen, wenn der komplette Schuh rot gehalten ist. Erfunden hat Louboutin die roten Sohlen übrigens nicht. Schon der französische König Ludwig XIV. tanzte mit rot besohlten Schuhen durch seinen Palast. Zu diesem High-Heel-Adel möchten in Modemetropolen wie Manhattan noch immer einige Frauen gehören. Auch eine Freundin konnte der Anziehungskraft nicht widerstehen. Das Problem: Ein Original von Louboutin lag völlig außerhalb ihrer finanziellen Reichweite. Ihre Lösung: Einige schlaue Schuster in New York sind schon vor Jahren auf die Idee gekommen, herkömmliche Sohlen einfach rot einzufärben. Mittlerweile gibt es sogar schon Farbe zum Selbst-Anmalen, »Save Your Sole« von der Britin Amanda Collins.

Angefangen hat alles 1919. Damals veröffentlichte die US-Modebibel Vogue das erste Mal einen Artikel, der ausschließlich Fußbekleidung gewidmet war. Ein Meilenstein für Schuhe als Stars der Modewelt. Fast genau achtzig Jahre später wurden Schuhe dann sogar zu Stars einer Fernsehserie. Woche für Woche habe ich Anfang 2000 mit Millionen anderer Frauen auf der ganzen Welt gebannt die Abenteuer von Carrie Bradshaw und ihren drei besten Freundinnen in Sex and the City verfolgt. In der TV-Show drehte sich alles um das Liebes- und Sexleben der vier New Yorker Singles, aber für das Lebensglück der Hauptdarstellerinnen war ein neues Paar Manolo Blahnik weitaus entscheidender als ein erfolgreiches Date. Manolo Blahnik, ein Schuhdesigner, der vor Serienstart wohl nur modevernarrten und gut betuchten Damen ein Name war. Frauen eben, die sich dessen Luxus-Stilettos auch leisten konnten. Nach der ersten SATC-Staffel war »Manolo« selbst meiner Mutter ein Begriff. »Hi, it’s Carrie. I’m shoe shopping«, unterstrich der Anruf beantworter der Hauptdarstellerin den Stellenwert des Schuhs im Leben Bradshaws. In der Serie geht es sogar so weit, dass Carrie in einer Episode namens »What Comes Around Goes Around« überfallen wird. Der Angreifer hat es ausschließlich auf ihre pinkfarbenen Manolo-Sandalen abgesehen. Das sei aber doch ihr Lieblingspaar, protestiert sie. Eine Szene, die in einer Stadt wie New York durchaus realistisch erscheint.

Nach archäologischen Schätzungen erfand der Mensch vor etwa 40 000 Jahren das Konzept Schuh. Anfangs natürlich ausschließlich als Schutz vor äußeren Widrigkeiten. Von Mode war damals noch keine Rede. Erstaunlicherweise führte diese Protektion des Fußes zu einer evolutionären Wandlung mit erheblichen Folgen: Unsere vier kleinen Zehen wurden kürzer und kürzer und letztendlich wesentlich schwächer als der große. Eines der wenigen und wichtigen Details, in denen wir uns heute von anderen Primaten unterscheiden. Selbst beim Fund des legendären Alpen-Ötzis – des 5300 Jahre alten Mannes aus dem Eis – stieß man auf primitives Schuhwerk aus Hirschleder und Lindenbastgeflecht mit einer Sohle aus Bärenfell. Den ältesten bekannten Lederschuh fand man erst vor ein paar Jahren in einer Höhle in Armenien, schätzungsweise aus der Zeit um 3400 v. Chr. Dieses Urzeitmodell ist den mittlerweile hippen deutschen Birkenstocks nicht ganz unähnlich. Modisch war man sich anfangs allerdings nicht einig. Die alten Griechen hielten Schuhe für weibisch und ästhetisch nicht sehr ansprechend. Die Römer sahen das ganz anders. Mit Schuhen manifestierte man im Römischen Reich seinen gesellschaftlichen Rang. Sklaven mussten barfuß laufen, während freie Bürger in Schnürsandalen mit genagelter Sohle durchs Leben schreiten durften. Prostituierte nutzten die Sohle sogar als clevere Anzeigenfläche und ließen dort »Folge mir« eingravieren.

Während das Design anfangs durch Klima und Region bestimmt wurde, drückten wir später jahrhundertelang mit dem Schuhwerk unsere Herkunft, Profession und unseren sozialen Stand aus. Zwischen Geschlechtern wurde zu Beginn nicht unterschieden. Das änderte sich erst etwa im 14. Jahrhundert. Männerkleidung wurde enger und kürzer, und plötzlich trugen modebewusste Adelige in England und Frankreich »Poulaines«: extrem zugespitzte Schnabelschuhe, die bis zu 13 Zentimeter über den großen Zeh hinausragten. Für Frauen mit ihren langen Kleidern damals völlig untragbar. Auch Schönheitsideale spielten eine große Rolle. Keine Kultur trieb es so weit wie die Chinesen. So deformierte man jungen Mädchen im chinesischen Kaiserreich von der frühen Tang-Dynastie bis in das 20. Jahrhundert die Füße durch Einbinden und Knochenbruch. Das Ideal war der »Goldene Lotus«, ein Fuß, nicht länger als 7,5 Zentimeter. (Zum Vergleich: Ein heutiger Fuß mit Schuhgröße 37 ist etwa 25 Zentimeter lang!) Erotisches Statussymbol in den Augen der Männer, lebenslange Qual für die Frauen. Kleine Füße wurden vom 17. bis zum 19. Jahrhundert auch in Europa als Symbol »physischer Schönheit« und »hoher Herkunft« verehrt. Auf Gemälden ließ man die Füße Adeliger daher absichtlich winzig wirken.

»Bei der Wahl der Schuhe geht es Frauen heute in erster Linie um Verführung«, so Bruno Frisoni, seit 2003 Creative Director bei Roger Vivier. Besonders eindeutige Modelle nennt man daher auch ironisch »Fuck-Me-Shoes«. »Frauen kokettieren auch untenherum gerne mit ihrem Dekolleté, sprich den sichtbaren Spalten zwischen ihren Zehen«, erläutert Valerie Steele, »das schreit nach Sex.« Für erotische Fotostrecken in Magazinen wie dem Playboy verzichtet man daher auf Kleidung, aber nicht auf High Heels. Die sollen die Nacktheit der Frauen noch zusätzlich hervorheben. Wissenschaftliche Forschungen gehen noch heute davon aus, dass unsere Faszination für Schuhe auf der sinnlichen Natur des Fußes basiert. »Dass unsere Füße im Gehirn als besonders erotisch abgespeichert sind, hat einen biologischen Ursprung«, so Valerie Steele. Der kanadische Neurochirurg Wilder Penfield erforschte dieses Gebiet schon in den Vierziger- und Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Er fand heraus, dass Sinneswahrnehmungen von verschiedenen Körperteilen im Gehirn abgespeichert werden und dass die Rezeptoren für die Genitalregion dort direkt neben denen für die Füße liegen. »Es ist also möglich, dass es dort gelegentlich zu Überlappungen kommt«, fährt Steele fort.

Der amerikanische Schuhforscher William Rossi schrieb ein ganzes Buch zum Thema Schuhfetischismus: The Sex Life of the Foot and Shoe.

In einigen Kulturen galt es als unmoralisch und weitaus beschämender, die Füße zu enthüllen als die Genitalien. Auch in unserer westlichen Welt war es lange unschicklich, seinen Fuß zu entblößen. Peep-Toes und Sling-Backs, zwei Trends, die erst 1937 auf der Bildfläche erschienen, befreiten den Fuß nach und nach von diesem kulturellen Korsett. Der italienische Stardesigner Salvatore Ferragamo ließ mit seinem »Invisible Shoe« 1947 dann alle Hüllen fallen. Quasi ein Keilabsatz, der nur mit durchsichtigen Nylonbändern am Fuß gehalten wird. Ein Originalexemplar befindet sich mittlerweile in der Sammlung des Brooklyn Museums. Der ehemaligen US-Vogue-Chefredakteurin Edna Woolman Chase waren diese »nackten« Schuhe so zuwider, dass man dies noch 1957 in ihrer Todesanzeige erwähnte.

In den letzten Jahren hat sich ein gewisser Höhenrausch eingestellt. Niemand verkörpert diesen Trend gelungener als Lady Gaga, die auf schwindelerregend steilen Absätzen bisher erstaunlicherweise unbeschadet durch ihre Superstar-Welt balanciert. Die meisten dieser gefährlich hohen, teils absatzlosen Konstruktionen hat der japanische Avantgarde-Designer Noritaka Tatehana entworfen. Für ihr Musikvideo Marry The Night konstruierte Tatehana den »Lady Pointe«, eine pinkfarbene, Ballerina-artige Skulptur mit 45 Zentimeter Absatzhöhe, in dem der Fuß fast komplett vertikal steht.

Aber es geht natürlich noch höher. So hoch, dass man eigentlich nicht mehr laufen kann. So musste Gaga an einem sonnigen Septembermorgen von ihrem Bodyguard aus dem Auto getragen werden. Die Sängerin war auf dem Weg zu einem Vanity-Fair-Cover-Shoot mit der Promi-Fotografin Annie Leibovitz, die den Popstar in einem federnen Valentino-Couture-Kleid auf den Straßen New Yorks ablichten wollte. An den Füßen trug sie eine weitere Extremkreation Tatehanas, was dazu führte, dass sie auch den restlichen Tag beidseitig von ihren Helfern gestützt werden musste und diese dabei um einiges überragte. Doch letztendlich brachten die nudefarbenen 47 Zentimeter hohen »Lady Roma nesque« den Popstar trotz menschlicher Stützen zu Fall. Kein Grund für Lady Gaga, ihre Fassung zu verlieren, oder den Hot Dog in ihrer linken Hand, der den Sturz unbeschadet überlebte. So wie auch Gaga.

»Life is short. Heels shouldn’t be«, so Schuh-Designer Brian Atwood. Womit wir beim nächsten Kapitel wären …

Schuh
Schuh

Hoch hinaus

Wie High Heels zu Superstars der Schuhwelt wurden

Der Schuhschrank meiner Oma war die große Wunderkammer meiner Kindheit. Die Modelle mit Absatz hatten es mir natürlich besonders angetan. Nicht dass ich darin auch nur ansatzweise laufen konnte, aber trotzdem stöckelte ich stundenlang mit meinen winzigen Füßen in den viel zu großen Schuhen durch die Wohnung. Diese Faszination für High Heels scheint bereits bei kleinen Mädchen tief in ihrer weiblichen DNA verankert zu sein. Trotzdem war die Welt erstaunt, wenn nicht sogar entrüstet, als Katie Holmes’ kleine Tochter Suri als Dreijährige plötzlich mit Stöckelschuhen durch Manhattan lief. »Sie liebt meine High Heels, wie jedes kleine Mädchen, also habe ich ihr welche gekauft«, verteidigte der Hollywoodstar damals seine Entscheidung. Sie habe Tanzschuhe mit Absatz für Kinder gefunden, die völlig gesund und harmlos für die kleinen Füße seien. Die Boulevardpresse lief damals natürlich trotzdem Amok.