Meine karmische Geschichte
Die Seelenprofilerin
Meine karmische Geschichte
Autorin: Sabine Guhr-Biermann
ISBN 978-3-934982-86-4
© Erstausgabe 2014 Libellen-Verlag · Leverkusen
Coverfoto: © Coka - Fotolia.com
Covergestaltung: Bremer-MedienDesign, Stephan Bremer
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Dieses Buch, welches ich vor vielen Jahren geschrieben habe, diente mir in erster Linie dazu, meine Lebensstufen in diesem wie in früheren Leben zu sortieren. Dann kam mir die Idee, dieses Buch zu überarbeiten und aufzulegen. Doch als ich es mir vornehmen wollte, da hatte ich das Gefühl, mein Leben so nicht preisgeben zu wollen. Über zehn Jahre schlief es unbearbeitet in meinem Computer, bis mir eines Tages die Idee kam, ein Buch zu schreiben, welches den Titel „Die Seelenprofilerin“ trägt. Ein Werk, welches mein Leben in Bezug auf frühere Leben beschreiben soll. Mein bester Freund erzählte mir am darauffolgenden Tag, dass er davon geträumt habe, dass ich eine Art Autobiographie schreiben soll. Ich lachte und gab ihm mein unbearbeitetes Werk zu lesen, welches ich so aber niemals als Allgemeingut zur Verfügung stellen wollte. Er war begeistert und animierte mich, dieses Buch zu veröffentlichen. Anfangs zögerte ich, doch dann entschied ich mich, dem nachzugeben, es zu überarbeiten, um dann zwei Bände der „Seelenprofilerin“ auf den Markt zu bringen. Der erste Band ist nun fertig und ich bin stolz darauf, seinem Drängen nachgegeben zu haben.
Das eigene Leben zu beschreiben ist wohl eine der schwierigsten Aufgaben, der man sich als Buchautor selbst stellen kann. Da ist die Erinnerung, die einen nochmal in die alten Zeiten führt, so lebendig, als wäre es gerade erst geschehen. Da sind schöne Emotionen, aber auch traurige, die sich gerne in den Text einschleichen und Erkenntnisse, die einen selbst weitergebracht haben und die den Leser dieses Werkes mit Sicherheit interessieren werden. Und zu guter Letzt die karmischen Erlebnisse, so lebendig, wie sie einst waren, die einen direkten Aspekt zu diesem Leben haben und die auch wiederum interessant sind, zu verstehen, wie das gesamte System der Inkarnation überhaupt funktioniert. Auch ich habe lange gebraucht, um meine eigenen Schlüssel der Freiheit zu finden, mich selbst und meinen wahrhaftigen Ursprung zu verstehen.
Solange wir im Glauben stehen, unsere nicht verarbeiteten Erlebnisse, die unseren Lebensweg pflastern, alleine überstehen zu müssen, ohne jemanden an unserer Seite zu wissen, dem wir uns offenbaren können, der uns hilft, unsere schmerzvollen Erfahrungen zu verstehen, solange fühlen wir uns von der Welt ausgestoßen, alleingelassen. Wir denken, dass nur wir diejenigen sind, die von der kosmischen Fürsorge vergessen wurden. Wir sehen nicht, dass es anderen in unserem Umfeld ähnlich geht. Zumeist wissen wir auch gar nicht, warum uns dieses oder jenes passiert. Wir verstehen unser “Buch des Lebens“ nicht, wir erkennen nicht, nach welchen Mustern wir uns was aussuchen. Wir verstehen nicht, was wir tun können, um den Fettnäpfchen, in die wir immer wieder genussvoll rein trampeln, aus dem Weg gehen zu können. Wir fühlen uns allein gelassen, unverstanden, ausgestoßen vom sozialen Umfeld. Wir wissen nicht, wie wir dem inneren Schmerz entfliehen können. Wir verstehen nicht, warum uns das passieren muss. Wir fühlen uns nicht handlungsfähig.
Schon alleine die prägnante Erkenntnis, dass wir unser Elternhaus selbst aussuchen und uns mit diesen Seelen verabredet haben, nur um bestimmte Erfahrungen zu machen, fehlt uns. Wir fühlen uns unverstanden, allein gelassen, gedemütigt und verstehen nicht, dass unsere Eltern zumeist gar nicht in der Lage waren, uns das zu geben, was wir gebraucht hätten, um für den Lebensstartschuss positiv gewappnet zu sein. Wir wissen zumeist nicht, dass schmerzvolle Kindheitsprägungen Erfahrungen sind, die wir benötigen, um noch einmal unsere inneren Prägungen zu verstärken, die wir aus früheren Leben in uns tragen und die wir in diesem Leben verändern wollen.
Wer hat uns gesagt, dass wir unsere karmisch geprägten Themen, die in uns schlummern, mit Emotionen füttern müssen, damit wir im Erwachsensein durch unsere inneren Belastungen deutlich spüren, welches Muster wir in uns lösen, von welcher unverstandenen, in uns gespeicherten Energieschwere wir uns befreien müssen? Wer hat uns verraten, dass wir genau mit diesen emotionalen Prägungen in der Kindheit starten müssen, damit wir sicherstellen können, dass wir unsere karmisch geprägten Themen tatsächlich auch lösen werden? Keiner. Wir leben unser Leben und versuchen, das Beste daraus zu machen. Wir haben eine bestimmte Vorstellung, wie es laufen soll. Wir verstehen nicht, wenn unser Leben anders verläuft, als wir es bewusst geplant haben. Wir sind enttäuscht, traurig, wütend und verstehen die Spielregeln nicht. Woher auch. Wir denken, allen anderen geht es besser. Wir wollen es auch so sehen. Die Hoffnung auf ein besseres Leben stirbt zuletzt. Wir wollen nicht mit unserem Schicksal hadern, doch wir tun es. Wenn wir spüren, dass es unserem Umfeld besser geht als uns, dann fühlen wir uns motiviert, angespornt, dem nachzueifern. Wir tragen den Hoffnungsschimmer, dass es auch uns eines Tages besser gehen wird. Nur, wie soll das passieren, wenn wir unsere eigenen Strickmuster nicht verstehen? Wenn wir nicht erkennen, warum wir etwas durchleben müssen?
Keiner will leiden, jeder will glücklich sein, nur, wer in uns definiert Glück? Wie erkennen wir, was uns wirklich glücklich macht? Woran erkennen wir den einstigen Verabredungshintergrund, wenn wir auf einen Partner treffen, mit dem wir uns für dieses Leben verabredet haben, rein um ein karmisches Verstrickungsmuster zu lösen, welches endlich gelöst werden muss? Woran erkennen wir einen früheren Mörder, wenn wir ihm wieder begegnen? Zumeist gar nicht. Wenn wir uns für dieses Leben vorgenommen haben, Themen zu lösen, um wieder auf unsere Ursubstanz zu fallen, dann werden wir dies auch tun müssen. Dann werden wir streng nach der Regieanleitung unseres inneren Lebensbuches den Fahrplan einhalten und an den Stationen anhalten, die wir anzufahren haben. Wir werden alle unsere eingetragenen Lernaufgaben erfüllen, all das durchleben müssen, was wir uns programmiert haben, streng nach unserer eigenen Vorgabe, um dorthin zu gelangen, wohin wir gehen müssen.
So auch in meinem Leben. Hätte ich trotz meiner hellsichtigen Fähigkeiten direkt alles gesehen, dann hätte ich mir viel ersparen können, aber darum ging es nicht. Ich musste all die Lebensbereiche, die auf meinem Plan standen, durchlaufen und war auch stark genug, es zu schaffen. Heute bin ich stolz darauf. Heute weiß ich, dass man blockierende Energiedichten, die man in einer Inkarnation fleißig erschaffen hat, nur in einem irdischen Leben wieder lösen kann. Keine noch so hellsichtige Begabung wird uns davor bewahren, den einstigen Geliebten wieder in unser Bett zu lassen, obwohl er uns Leid zugefügt hat. Wenn wir das einst erlebte Leid noch einmal erleben müssen, um beispielsweise in diesem Leben anders zu handeln und sei es nur, um uns zu schützen, dann werden wir die Bettdecke mit einem Lächeln hochschlagen und uns ankuscheln. Wir sind Menschen und gestalten unser Leben. Es nutzt keinem, sich Jahre über Jahre behutsam auf der Couch zu fläzen, nur um dem außenstehenden Lebenssturm zu entgehen. Leben heißt auch, wirklich am Lebensgeschehen teilzunehmen, ansonsten wird Unzufriedenheit unser Stimmungsbarometer in die Höhe schnellen lassen. Und egal, welches Thema auch immer im Vordergrund stehen wird, es führt uns dahin, wo wir hin wollen.
Solange wir uns in keiner Inkarnation befinden, uns auf der Astralebene aufhalten, solange können wir all die Muster viel klarer sehen und uns anders wahrnehmen. Doch zu leben heißt auch zu lieben und sich mit Kummer und Schmerz auseinander zu setzen. Haben wir das geschafft, können wir stolz auf uns sein. Doch zumeist vergessen wir all diese edlen Lebensaspekte, wenn wir uns mitten im Film unseres Lebens befinden, dann sind wir im Hier und Jetzt und dann ist es nicht immer einfach, zu verstehen und wahrhaftig zu handeln.
Heute bin ich froh, dass alles so gekommen ist. Ich verstehe meine Vergangenheit, ich kann sie sehen. Für mich war es wichtig, so tief zu gehen, um mich von Mustern zu befreien, die ich mir einst selbst auferlegt hatte. Nicht jeder hat so tiefe Verletzungen und muss so weit in die Materie einsteigen. Nicht jeder muss Leidenswege schmerzhaft durchleben. Doch ich machte diese Erfahrungen, es stand in meinem Lebensbuch. Heute weiß ich, dass alles richtig war, ich habe meine Mission verstanden und erfüllt. Doch bis dahin war es ein langer, weiter und auch steiniger Weg, der seinen Ursprung für dieses Leben, wie soll es auch anders sein, in meiner Kindheit hat. Und genau dort werde ich auch ansetzen.
Meine Zeilen nehmen den Leser mit in meine Welt der Erkenntnisse, nicht um mich zu outen, nicht um Personen, die mir wiederbegegnet sind, zu denunzieren, sondern rein, um meine Lebenserkenntnisse verständlich zu erklären, bewusst, um auch die Einfachheit des Seins über meine Erlebnisse zu schildern. Ich tauche nun in die Erinnerung meines Lebens ein, in der Reihenfolge, wie es mir persönlich passiert ist, wie mir meine inneren emotional gesteuerten Stagnationsberge zugänglich gemacht wurden. Ich nehme den Leser mit in meine Welt der Erkenntnisse, die mich letztendlich wieder dahin zurückgebracht haben, wo ich heute stehe, wieder bei mir in meinem Leben, selbstbestimmend und frei. Frei von Zwängen, die karmische Unebenheiten von mir verlangten. Frei von selbst auferlegten Glaubensmustern, die sich über Jahrhunderte hinweg in mein Leben meißelten und mich erbarmungslos an Ebenen festhielten, die mir nur Schmerz und Kummer bereitet haben.
Dieses Buch stellt einen Teil meiner Selbsterkenntnis dar. Mein wirklich karmischer Ursprung liegt in Ägypten, dem Land, welches man auch als „Wiege der Magie“ bezeichnen kann. Der Platz, an dem ich das erste Mal inkarniert bin, um meiner Aufgabe für das kosmische Kollektiv dienlich zu sein. Jeder von uns hat eine Aufgabe zu erfüllen, die für alle nützlich ist und diese Aufgabenstellung begleitet uns über die gesamte Inkarnationsschiene hinweg. Doch zu leben, in einer Inkarnation, in einem materiellen Körper zu stecken als Seele, heißt auch, nicht fehlerfrei zu sein. Und so ist es leider auch mir passiert, ich habe mich energetisch verstrickt und bin von meinem Weg, von meinem eigentlichen Ursprungsplan, abgedriftet. Und dies, wie es den meisten passiert, von Inkarnation zu Inkarnation immer mehr und irgendwann, dann nehmen wir uns vor, all die karmischen Verstrickungen und Umwege endlich aus dem Weg zu räumen, um in diesem Leben wieder dahin zu gelangen, wo wir hergekommen sind.
Genau das hatte ich mir für dieses Leben vorgenommen. Mein Buch des Lebens prall gefüllt mit vielen karmischen Begegnungen, Aufgaben und auch Regeln, so dingfest eingraviert, dass ich unter keinen Umständen von meinem selbst auferlegten Pfad entfliehen konnte. So bin ich inkarniert in das jetzige Leben und genauso hat es für mich heimatlos begonnen. Doch nun will ich keinen länger auf die Folter spannen. Mein Spiel des Lebens hat Ende Dezember 1962 begonnen.
Die Autorin
Im Winter 1962 kurz nach Weihnachten erblickte ich das Licht der Welt und bekam einen Namen und ein normales Zuhause, was man unter normal verstehen kann. Ich hatte eine Schwester, die etwas über zwei Jahre älter war als ich. Wir waren eine Durchschnittsfamilie und von daher kamen auch nicht mehr Kinder in Frage. Zwei war das Höchstmaß, was man damals haben wollte. Familien mit mehr Kindern wurden als asozial bezeichnet und eher geächtet. Ich fand solche Familien immer klasse. Und als Kind spielte ich gerne in einer Straße, in der sehr viele Großfamilien lebten und ich liebte es, wenn ich einfach dort sein konnte. Diese Menschen hatten kaum Geld, aber Herz, das war auch das, was ich sehen wollte. Deswegen habe ich in meinem Leben vier Kinder auf die Welt gebracht, es hätten aber gerne auch mehr sein können.
Meine Mutter war eine sehr hübsche Frau, die Wert darauf legte, gepflegt auszusehen. Mein Vater schien unnahbar zu sein. Aus Erzählungen weiß ich, dass er über meine Ankunft nicht erfreut war. Er hatte wohl mit einem Sohn, einem Stammhalter gerechnet, dass ich dann kam und wieder ein Mädchen war, das musste er wohl erst mal verdauen. Die ersten zwei Tage meines Lebens wollte er mich nicht sehen, dann schien ihn wohl die Vernunft angetrieben zu haben, meine Mutter und mich doch noch im Krankenhaus besuchen zu wollen. Ich war nicht willkommen, das war offensichtlich, obwohl meine Mutter sich wohl alle Mühe gegeben haben muss, mir doch ein Gefühl von Nähe geben zu wollen. Man muss auch dazu sagen, dass meine Eltern, wie früher üblich, auch noch sehr jung waren. Die Gesellschaft damals legte Wert darauf, dass Familien sehr früh gegründet wurden, was den Nachteil hatte, dass die Personen oft zu unreif waren und sich selbst nicht gerecht werden konnten. Wenn man Kinder bekommen kann, dann muss man auch wissen, wie man damit umzugehen hat, so dachte das Umfeld und verstand es nicht, wenn der eine oder andere Erziehungsprobleme hatte.
Als Kind hinterfragt man nicht. Man nimmt am Leben teil, isst das, was einem geboten wird, genießt die Erziehung, die man beigebracht bekommt. Versucht, sich im Leben zurechtzufinden. Lacht, wenn die Erwachsenen lachen. Freut sich, wenn Freude angebracht ist. Wird geprägt durch die Erfahrungen, die man durchläuft. Doch wenn die Eltern selbst noch unreif sind, wenn Probleme den Alltag bestimmen, dann vergeht jedem das Lachen, was einem anwesenden Kind jedoch vermittelt, dass Leben nur schwer sein kann.
So auch bei mir. Ich fühlte mich nicht wohl. Die Energie, die in der Familie herrschte, war nicht herzlich, so musste ich mich wohl mit ein paar Monaten entschieden haben, das Leben beenden zu wollen. Eine Lungenentzündung war mir da sehr dienlich. Hätte man mich zum Schlafen hingelegt, dann wäre ich wohl erstickt, doch das wollten sie nicht. Meine Mutter und eine Tante trugen mich aufrecht haltend abwechselnd durch die Gegend, sodass ich dann doch weiterlebte. So nahm ich wieder am Leben teil, aber immer dann, wenn ich mich mit der Außenwelt nicht wirklich verbinden konnte und ich vor einem Berg unlösbarer Probleme stand, dann dachte ich, dass ich lieber nicht da sein wollte. Einfach nur weg, doch so einfach geht das nicht.
Ich wollte auch nicht richtig sehen, nicht aktiv am Leben teilnehmen. Meine Schwester und ich, wir wirkten eher introvertiert, wir lachten kaum. Es gab nichts zu lachen, obwohl sich meine Mutter alle Mühe gab, eine gute Hausfrau zu sein, was aber mit den herrschenden Ansprüchen meines Vaters nicht gerade einfach war. Mit zwei Jahren setzte man mir eine Brille auf die Nase, da man dachte, ich könnte nicht gut sehen. Mein Vater, groß, schlank und für mich damals sehr mächtig, war Brillenträger und da dachte man, dass wir Kinder die Sehschwäche geerbt hätten. Nun sollte ich ein Leben lang ein schweres Gestell auf der Nase tragen, das machte mich noch hässlicher und ich fühlte mich unwohl. Meine Augen verschlechterten sich dadurch immer mehr, da sie sich ja nicht normal entwickeln konnten. Doch auch dies war früher normal und viele Kinder trugen Brillen, so wie wir.
Ich wollte als kleines Kind immer lange Haare haben. Ich liebte Haare, doch meine Mutter schnitt mir meine regelmäßig ab, da sie dachte, die würden dann stärker werden. Ich hatte eine Puppe, die liebte ich besonders, aber am liebsten mochte ich ihre Haare. Wenn ich daran denke, dann fällt mir auf, dass ich heute tatsächlich dieselbe Frisur und auch Haarfarbe habe, wie diese Puppe damals. Als Kind habe ich mir manchmal ein leeres Obstnetz über den Kopf gestülpt und so getan, als hätte ich lange Haare. Haare waren für mich ein Symbol der Freiheit, der Selbstbestimmung, der Kraft, einfach ich. Aber ich war in der Kindheit nicht ich. Ich nahm immer Rücksicht und hatte Angst, fühlte mich unwohl, lebte in einer inneren Anspannung, die sich durch mein Leben zog.
Körperlich war ich lange Zeit sehr klein und schmächtig, wirkte wesentlich jünger, als ich war. War auch unheimlich dünn. Ich wollte ja nicht wirklich da sein, doch ich hatte keine andere Möglichkeit, man ließ mich nicht. Mit knapp sechs Jahren stellte man bei mir eine beidseitige Hüftdeformation fest, sodass eine Operation dringend angesagt war, damit ich, wenn ich älter bin auch weiterhin laufen kann. Wäre ich nicht unters Messer gekommen, dann hätte ich mit knapp 20 Jahren mein Leben im Rollstuhl verbringen müssen.
Heute weiß ich, dass dies meinen karmischen Konstellationen entspricht, doch sollte ich mein Leben wohl nicht unbeweglich gestalten, sonst hätte ich nicht das Glück gehabt, dass man den Geburtsfehler entdeckte und mich operierte. Damals war eh alles noch ganz anders. Als Mutter konnte man nicht dabei sein, sich um sein Kind im Krankenhaus kümmern, das gab es nicht. Besuchszeiten waren nur einmal kurz am Wochenende. So war ich auf mich allein gestellt. Ich wusste nicht, was man mit mir vorhatte, aber ich stellte mich der Situation. Ich hatte ja keine andere Wahl. Auch kann ich mich noch gut an den Äthergeruch erinnern, als man mir im Operationsraum eine Maske auf Nase und Mund hielt, dann war ich weg. Zuerst operierte man das eine Bein, ich glaube, es war das linke, aber ich weiß es nicht mehr so genau. Ich weiß, dass ich aufwachte und mein Bein geschient war und schmerzte.
Ich lag mit anderen Kindern zusammen auf einem Stationszimmer, sodass wir auch Spaß hatten, lachten und Blödsinn machten. Und ich weiß auch noch, dass mir ein Kind helfen wollte, mit dem geschienten, relativ frisch operierten Bein aufzustehen und als ich gerade so halb aus dem Bett hing, kam entsetzt eine Krankenschwester auf mich zu und schob mich zurück. Daraufhin hatten sie die zweite Operation vorgezogen, damit nichts passieren konnte. Als ich danach aufwachte, lag ich auf einem Holzbrett als Bett, beide Beine komplett in Gips eingepackt, nur die Zehen schauten raus und mein Po lag frei, der lag in einer Art Mulde, die auf dem Holzbrett eingelassen war. Unter dem Bett, also was man als Bett bezeichnen mag, gab es noch ein anderes Brett. Ja, so lag ich da, wie eine Gefangene. Ich hatte sehr große Schmerzen, konnte mich ja nicht bewegen, war fest fixiert, aber keiner konnte mir helfen, ab und zu bekam ich Spritzen. Ich hasste es. Aber ich denke, wegen Thrombosegefahr mussten die einiges machen. Ich fühlte mich ab da nicht mehr wohl. Auch die Schwestern waren nicht nett. Ich konnte den Zustand des Festgebundenseins nur schwer ertragen, aber ich hatte keine andere Wahl, ich musste da durch. Also stellte ich mich der Situation und versuchte, damit klar zu kommen.
Die Krankenschwestern damals waren echt heftig, das kam noch dazu. Auch die Einsamkeit, die man als Kind verspürte, abgeschottet von der Familie, war keine einfache Situation. Wenn Besuchszeit war, dann wurde vorher alles aufgeräumt, um das Gefühl zu vermitteln, es sei alles in Ordnung und die Kinder werden bestens versorgt. Es gab Schwestern, die waren echt nett, aber es gab auch Nonnen und die waren mit Vorsicht zu genießen. Eine ältere, sehr unsympathische Person, ich denke, ich kannte sie aus einem früheren Leben, die hat uns Kinder mit Wonne geärgert. Diese verhärmte Frau hatte einen lustigen und doch gruseligen Nachnamen.
Wenn uns Spielzeug runtergefallen war, dann hat sie unter unseren Betten gekehrt und sich das Spielzeug auf der Kehrschaufel angeschaut, angefasst und uns gefragt, ob wir es wiederhaben wollten. Wenn wir dann darum baten, es wieder zu bekommen, hat sie es zumeist mit Wonne vor unseren Augen weggeschmissen. Und das tat weh, denn das Spielzeug war unser Heiligtum. Nicht nur für mich, sondern auch für die anderen Kinder, mit denen ich im Zimmer lag. Doch diese Frau liebte es, uns zu quälen. Als ich das zweite Mal aus dem Krankenhaus entlassen wurde, ist sie wohl gekündigt worden, das hat man erzählt und ich hatte es vernommen. Es müssen sich wohl einige Eltern beschwert haben, aber während ich dort im Krankenhaus lag, konnte sie noch ihr Unwesen treiben. Und leider ist uns allen dadurch auch einiges verloren gegangen.
Nur meine geliebte Puppe, die hielt ich eisern fest, die wanderte nicht in die Mülltonne. Ich weiß noch genau, dass meine Mutter mich vor der ersten großen Operation fragte, was ich mir wünschen würde und das war eine Barbiepuppe. An ihr hatte ich mich festgehalten. Sie hatte Mühe, dass das Krankenhaus sie überhaupt reinließ, aber sie schaffte es und als sie mein Zimmer betrat, da erwachte ich kurz aus der Narkose, sah die Puppe, lächelte, nahm sie und schlief sofort wieder ein. Ich brauchte immer etwas, an dem ich mich festhalten konnte.
Die Zeit verging und mehr und mehr juckten meine Beine. Ich dachte immer, der Gips wäre größer geworden, dabei waren es meine Beine, die kleiner wurden, sodass ich mich ein wenig kratzen konnte. Ich benutze Gabeln, alles was mir in die Hände kam, um von diesem quälenden Schmerz Abstand zu nehmen. Nach einigen Wochen endlich sollte ich den Gips abbekommen, man fuhr mich den Flur entlang in ein Praxiszimmer. Der Arzt zeigte mir, dass die Schneidemaschine, die den Gips öffnen sollte, die Haut nicht verletzen kann. Ich hatte trotzdem Angst, aber egal, der Gips musste ab und ich konnte dieses Jucken nicht mehr ertragen und war von daher froh.
Ich weiß noch, wie es roch, als man mir den Gips öffnete, dann hob man mich von der Liege und meine Knie bewegten sich nach unten. Ich jaulte kurz auf, da mir dies weh tat, immerhin hatte ich sie wochenlang nicht bewegt. Die Schwester, die mich trug und ich war ja ein Fliegengewicht, die meinte dann nur, ich solle mich nicht so anstellen und bog mir die Beine nach unten. Ich schrie kurz auf vor Schmerzen. Danach wurde ich abgewaschen, das tat gut. Ich weiß nur noch, dass ich dann langsam wieder lernen musste, zu gehen. Meine Mutter schaffte es dann endlich, mich nach Hause zu holen, zumindest für einige Zeit. Denn eine weitere Operation stand an, man hatte die Knochen mit einer Art Nagel arretiert, damit sie anwachsen konnten und die mussten später natürlich wieder raus. Aber das war mir alles egal, Hauptsache nach Hause. Dort fuhr ich dann mit dem Dreirad durch die Wohnung. Ich konnte mich wieder bewegen. Ich war dankbar und glücklich.
Danach musste ich, wie gesagt, noch einmal ins Krankenhaus, wie lange, das weiß ich nicht mehr, aber ich denke, es war nicht allzu lange. Als ich dann den Verband ab bekam, war ich glücklich, es geschafft zu haben, obwohl einem das als kleines Kind nicht wirklich bewusst ist. Die Nonnen waren nach wie vor unerträglich und ärgerten uns. In meinem Zimmer lag ein Mädchen, welches die Hände verbunden hatte, ihr war ein Laster über die Hände gerollt. Im Nebenzimmer ein Mädchen, welches den ganzen Oberkörper mit heißem Wasser überbrüht hatte. Es waren alles Kinder, die wirklich schwere körperliche Leiden hatten, doch darauf wurde keine Rücksicht genommen.
Als der Verband ab kam, setzte sich die besagte Nonne neben mich und fing an, die Krusten von meinen Narben abzupiddeln, sie meinte, das müsste so sein. Dann wurde sie gerufen und sie ließ von mir ab. Ich machte damit natürlich nicht weiter. Man kann bis heute die Stelle genau sehen, an der sie sich zu schaffen gemacht hat. Schon lange hätte ich diese Narben noch mal öffnen und schöner zusammennähen lassen können. Das habe ich nie gemacht und werde es wohl auch nie tun. Ich denke gar nicht an sie. Ich lebe damit und das gerne, denn ich weiß, ich kann laufen, mich bewegen, tanzen und lachen. Ich bin frei, mein Körper ist gesund.
Was ich als Kind natürlich nicht wissen konnte war, dass ich eine Art Glasknochen hatte. Ich denke mal, da ich mich mehr innerlich zurückzog, als mich positiv meinem äußeren Wachstum zu stellen, war ich kleiner und auch empfindlicher als so manch andere in meinem Alter. Mit ca. zehn Jahren, da wollte ich mir an dem Büdchen unserem Wohnhaus gegenüber etwas Süßes holen. Meine Mutter war ausnahmsweise unterwegs. Ich rutschte auf der Straße aus und fing mich mit einer Hand ab, da brach ich mir meine Armknochen, diese durchbohrten meine Haut. Meine arme Schwester hat alles für mich gemacht, um mich zu beruhigen, mir vorgelesen, sich um mich gekümmert, bis meine Mutter wiederkam, die mich dann direkt ins Krankenhaus brachte. Dort stellte man dann fest, dass meine Knochen nicht allzu stark sind. Da habe ich dann verstanden, dass ich mehr ins Leben, mich mehr um mich kümmern muss und je älter ich wurde, desto robuster wurde ich auch. Mein Leben ging von da an weiter vorwärts und ich nahm aktiv teil. Ich hatte verstanden, dass es an mir lag und dass ich was tun konnte. Warten alleine half nicht, ich musste die Zeit mit Leben füllen, mit all dem, was mich umgab.
Neugierig stieg ich bewusst in den Zug meines Lebens ein, ich wollte nicht mehr Mitreisender, sondern selbstbestimmend sein. Koste es, was es wolle. Ich wollte mich nicht verbiegen, wollte bewusst mein Leben steuern. Träumte von einem Leben in Glück und Harmonie. Meine Träume gaben mir Kraft, die ich brauchte, um dem grauen tristen Alltag gerecht zu werden. Ich sehnte mich nach einem besseren Leben. Hoffte auf den Traumprinzen, der mich erkannte und in eine andere Welt entführte. Ich sah nicht, was ich selbst hätte tun können, ich meinte immer, mein Leben müsste komplett anders sein, dann würde es funktionieren. So wuchs ich auf, wurde älter und mein Lebensmuster aktiver.
Meine Träume ließen sich nicht realisieren, das Leben zeigte mir einen anderen Weg, den ich zu gehen hatte. Und wenn ich mein Leben nicht ertrug, da ich es als zu hart empfand, dann hatte ich immer die Möglichkeit, in meine Traumwelt abzudriften, um mit dem Alltag wieder klarzukommen. Jeder braucht eine Art Suchtstruktur. Doch steigen wir nun mehr in mein Leben und meine Gedankenwelt ein.
Wenn ich heutzutage, im Nachhinein über mein Leben nachdenke, dann erscheint es mir manchmal wie ein Alptraum, den ich durchlaufen musste und ich frage mich immer noch, wie ich es überhaupt schaffen konnte, diese verschiedenen Stufen zu überleben, ohne dabei innerlich zu verzweifeln. Heute bin ich Mutter von vier Kindern in den unterschiedlichsten Altersstufen. Meine Rolle als Mutter liebe ich nach wie vor sehr. Aus meinen Kindern sind tolle Persönlichkeiten geworden, denen man das auch ansieht.
Oftmals war ich mir nicht sicher, ob ich es schaffen würde. Ob ich die Kraft dafür hätte, ihnen all das zu geben, was sie brauchten. Ich war immer schon sehr ehrgeizig und diszipliniert. Meine innere Haltung war mein Antriebsmotor, immer dafür zu sorgen, dass alles da war. Manchmal dachte ich, ich schaffe es nicht, mein Körper wird versagen. Und wenn ich mich dann überfordert fühlte, spürte ich auch eine leichte Sehnsucht, endlich Abstand nehmen zu können, die Augen zu schließen und einzuschlafen. Ich hätte gerne alles hinter mir gelassen, trug einen latenten Wunsch zu sterben in mir. Wollte mit der viel zu großen überlastenden Verantwortung nicht mehr alleine dastehen. Wenn ich diese leichte Sehnsucht in mir spürte, durchlebte ich immer einen Wandel, der mir dann im Nachhinein, wenn ich mich wieder aufgerappelt hatte, die Kraft gab, erneut aufzustehen und mit Elan weiterzumachen. Wie Phönix aus der Asche, erwachte auch ich zu neuem Leben. Dann wusste ich, ich schaffe es. Manchmal denke ich, dass ich diese Art der tiefen Transformation erleben musste. Danach ging es mir grundsätzlich um einiges besser. Ich hatte wieder neuen Antrieb, mich meinem Leben mit all der verantwortlichen Kraft zu stellen.
Auch kann ich mich noch gut daran erinnern, dass ich schon in meiner frühen Kindheit meine Probleme in Luft auflösen wollte, indem ich mich am liebsten wegbeamen, vom irdischen Dasein loslösen, vernichten wollte. Ich versuchte dann einfach, aufzuhören zu atmen, was mir aber nicht wirklich gelang, aber ich fand diese Art von Spiel, gespickt mit Trauer, Resignation und auch Wut als eine Art Macht, meine Macht, über mein Leben selbst bestimmen zu können. Ich dachte immer, wenn ich sterbe, dann ist alles vorbei und ich war mir sicher, wenn ich aufhöre zu atmen, dann muss es doch vorbei sein, aber dem war nicht so. Sämtliche Versuche hatten natürlich keinen Erfolg, der körperliche Reflex sorgte immer dafür, dass ich weiteratmen musste. Doch nach jedem Versuch sagte ich mir, irgendwann, da wird es schon klappen und lebte weiter. Als ich vier Jahre alt war, da verweigerte ich die Nahrung und erbrach alles, was man in mich reinstopfte. Man schleppte mich kurzerhand in ein Krankenhaus, die mich dann zwangen, zu essen oder aber ich wäre mit einer Infusion einverstanden und da ich keine Spritzen mochte, war klar, dass ich mich mehr und mehr der Macht der Ärzte ergeben musste.
Drei Wochen später wurde ich dann als geheilt entlassen. Ich kann noch nicht mal sagen, dass ich darüber wütend war, aber glücklich war ich auch nicht. Meine Kindheit würde eine Ewigkeit andauern, wenn ich schon hätte zählen können, dann hätte ich die Tage gezählt. Ich wollte erwachsen werden und das so schnell wie möglich, selbstbestimmend und frei mein Leben bestimmen. Und ich stellte mir mein Leben toll vor. Dann konnte ich entscheiden, was ich alles tun und auch essen wollte. Es ging nur um mich, so dachte ich damals und versuchte auszuharren. Doch wachsen wollte ich auch nicht, irgendwie hatte ich Angst, dass das Leben dann doch nicht so schön sein würde und wollte lieber in meiner Traumwelt ausharren. Erst langsam in der pubertären Phase entschloss ich mich dann doch, mein Riechorgan mehr in die Höhe zu strecken und meinem körperlichen Wachstum nicht mehr im Wege zu stehen. Das waren noch Zeiten!
Doch zurück zu meinen Kindern und meiner zeitweiligen Überlastung. Leider hatte ich während deren Kindheit viel zu wenig Zeit für sie. Selten konnten wir zusammen spielen. Meine Kinder würden das mit Sicherheit bestätigen, aber als Mutter setzte ich andere Prioritäten und sorgte dafür, dass sie alles hatten, um sich zu entwickeln. Alles musste immer schnell gehen, Zeit, mal inne zu halten und intensiv an einem Event teilzunehmen, hatte ich nicht. Ich musste stets viel arbeiten, um uns das Leben zu ermöglichen, was ich mir als Mutter so vorstellte und dazu gehörte einiges. Alles das, was ich in meiner eigenen Kindheit entbehren musste, das wollte ich meinen Kindern natürlich gewähren. Das ist zwar ein blödes Muster, nach welchem ich lebte, aber ich denke, sehr viele Menschen leben so, wie ich das tat. Ich wollte immer, dass sie alles hatten, soweit es in meiner Macht stand. Von daher war es mir auch wichtig, wie und wo wir lebten und das kostete Geld, jede Menge Geld und dafür ging ich arbeiten.
Doch meiner Arbeit nachzugehen, das machte ich auch besonders gerne. Dies war und ist auch deutlich spürbar an meinem Erfolg, alles das, was ich bisher in meinem Leben geschaffen habe, habe ich aus eigener Kraft geschafft. Es war mein Ehrgeiz, dem ich auch gern gefolgt bin. Auch wenn ich manchmal geflucht habe, da ich mal wieder das Gefühl hatte, mir wächst gerade alles über den Kopf, so war es doch meine Motivation, die mich antrieb und zu großen Taten auflaufen ließ. Mein überaus großer Ehrgeiz ließ mir jedoch wenig Zeit für mich selbst, wenig Zeit, über mich selbst nachzudenken oder mich selbst zu hinterfragen, was ich denn gerne tun würde, außer arbeiten und Kinder versorgen. Denn ehrlich gesagt, was nützt es mir, wenn ich in meinem Lauf des Lebens, man könnte es auch als Lebensjogging bezeichnen, kaum mehr Platz für mich selbst finde. Nur, dieses Thema, das wollte ich nicht unbedingt wahrhaben. Mein Antrieb, meine große Versorgungslinie, all das ließ mich meinen Alltag bestimmen. Das war ich und so fühlte ich mich auch wohl. Das Gefühl, gebraucht zu werden löste in mir meinen Ehrgeiz aus.
Die Sorge um die Kinder war die eine Seite, meine zwei Firmen die andere. Beide Ebenen waren sehr fruchtbar und trotzdem, was war mit meinem Inneren, was war mit mir? Wenn ich mich manchmal einfach nur müde und ausgebrannt fühlte, dann fragte ich mich schon. „Auf welcher Couch darf ich Platz nehmen und verweilen, ohne sie selbst bezahlt zu haben? Wo war mein Platz? Wo war in meinem Leben die Selbstverständlichkeit, die ein Mensch in seiner Kindheit erfahren sollte, das Gefühl, einfach da sein zu dürfen und geliebt zu werden?“ Das große Thema, immer für alles bezahlen zu müssen, war wie ein roter Faden, der sich durch mein Leben zog. Alles und jedes musste ich teuer bezahlen. Keiner meiner nahen Mitmenschen fühlte sich verantwortlich, mir auch nur irgendetwas zurückgeben zu müssen.
Das, was ich in meiner Kindheit kennengelernt hatte, zog sich in meinem Leben weiter durch. Und da ich äußerlich keinen Anspruch stellte, konnte keiner meine inneren Tränen erkennen, die da rebellierten und schrien. Ich wollte nicht immer alles alleine tragen, hatte aber wohl keine andere Wahl, als dies tun zu müssen.
Im Gegenteil, da ich mich schon frühkindlich auch für meine Mutter verantwortlich fühlte, lebte ich dieses Muster im Erwachsenendasein weiter aus und traf nach dem Gesetz der Resonanz immer wieder auf Personen, die meine Vorzüge der kompletten Alleinversorgung sehr wohl zu schätzen wussten und sich auf meiner Lebenscouch so breit machten, dass ich selbst fast runterfiel. Auf der einen Seite war ich oftmals fassungslos über so viel Egoismus, der mir entgegenschlug, auf der anderen Seite aber auch fasziniert, denn das Recht, zu nehmen, das fehlte mir mit Sicherheit. Ich hatte teilweise das Gefühl, als würde ich stets jemandem dienen, nur dass die Gesichter wechselten.
Ich lebte genau das nach, was ich in meiner Kindheit schon all die Jahre gelebt hatte, ich wartete darauf, dass der Mensch, dem ich in meinem Leben eine Wichtigkeit einräumte, endlich eigenverantwortlich in die Pötte kam. So wie früher. Wie sehr hatte ich mir gewünscht, dass ich mich aus meiner Kindheit und der daraus resultierenden Stagnation lösen könnte, denn ich spürte einen enormen Anspruch an mich gestellt, dem ich ohne Punkt und Komma, leider immer wieder folgte. Mir fehlte einfach das Grundbedürfnis, einen Anspruch stellen zu dürfen. Doch das alles war mir damals nicht bewusst, sodass ich mir immer wieder Personen an meine Seite zauberte, die es sich bei mir gemütlich machten und die gar nicht erst auf die Idee kamen, auch nur eine Miniportion Verantwortung für das gemeinsame Projekt „Wir“ tragen zu wollen.
Durch die alleinige Lastenträgerschaft wurde ich dann mit der Zeit schwerer und brach wie immer irgendwann aus dem Gefängnis aus, was zur Folge hatte, dass derjenige, dem ich den Laufpass gab, sehr vehement versuchte, seine Position zu verteidigen, um mich wieder zu gewinnen. Nur ganz so blöd war ich dann doch nicht. Na ja, dies ist jetzt natürlich echt eine Auslegungssache, aber das Arbeitsmaterial, welches ich mir für meine partnerschaftliche Aspektierung aussuchte, hätte so manch andere Frau eher stehen gelassen. Ich nahm gerade die, die kompliziert waren und schwer greifbar. Im Nachhinein weiß ich, dass ich ihnen weit überlegen war und das machte mich zum großen Sieger auf dem Spielfeld, das dachte ich teilweise zumindest so. Tief in meinem Inneren wusste ich eh, dass irgendwann Mr. Right um die Ecke kommen würde und jedes Mal, wenn ich dachte, das könnte er nun sein, erkannte ich innerhalb kürzester Zeit, dass ich mal wieder einem Irrglauben aufgesessen war.
Aber natürlich, wie bei allen Menschen, passierte es auch mir, dass ich auf karmische Partner traf, um mit ihnen den Deal zu leben, den wir uns einst für dieses Leben als Lernaufgabe vorgenommen hatten. Doch leider verstand ich die Regieanweisung meiner eigenen Lebensgeschichte in jungen Jahren zu wenig, sodass ich einfach nur erstaunt, ja manchmal fassungslos war, über das, was ich erlebte. Hätte ich gewusst, dass mein Buch des Lebens prall gefüllt war, da ich mir diesmal auch wirklich alles reingepackt hatte, dann hätte ich bestimmt nicht so gejammert, aber so blieb mir oftmals nur das Jammern, Zetern und Weinen. Ich dachte immer, wenn du älter bist, werden gewaltige Tränensäcke dein Gesicht zieren. Diesem Wunsch konnte ich Gott sei Dank entgehen. Und wie sollte es auch anders sein, die von mir ausgesuchten Väter meiner Kinder winkten, was das Thema Verantwortung anbelangte, dankend ab und ich stand dann mal wieder mit leicht gewölbtem Bauch alleine da. Und da es ja mein Ehrgeiz nicht zuließ, nur zwei oder drei Kinder zu haben, bin ich ja froh, dass ich nicht auf die Idee einer selbst produzierten Fußballmannschaft gekommen bin, so erlaubte ich mir wenigstens den Luxus von vier Kindern, auch wenn ich sie alleine tragen musste.
Auf der einen Seite war ich stolz über meinen Mut, andererseits fühlte ich mich aber auch sehr einsam. Manchmal, da hatte ich Angst vor der Zukunft, dann fragte ich mich: „Wie soll ich weiterleben, wenn ich die Kraft, die mich am Leben erhält, verlieren sollte?“ Ich wollte endlich zur Ruhe kommen, ein ganz normales Leben haben, wie so viele andere auch. Zumindest die, die mir den Anschein machten, das leben zu können, was ich so gerne gelebt hätte. Es wäre alles einfacher gewesen, wenn man es zusammen getragen hätte, aber so stand ich alleine da. Und damals dachte ich noch, bis sie alle groß sind, ist es noch ein weiter Weg. Meinem Ziel der inneren Ruhe, Gelassenheit und auch Freiheit vor Auge, folgte ich gehorsam diesem manchmal etwas holprigem Weg. Meine Überforderung in diesem Leben zeichnete sich durch Überlastung auch in früheren Leben aus. Wenn ich weiter in meine Erinnerung gehe, die mich Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte zurückwirft und die mich sanft und doch auch realistisch hart an meine innerlich gelebten, karmisch geprägten Schmerzen erinnert, dann verspüre ich eine alte Gewohnheit, die mich wie ein Stahlmantel sanft umhüllt.
Das, was wir uns selbst auferlegt haben, dem können wir nicht entfliehen. Alte Flüche, Sprüche und Weisheiten, die wir in unsere Matrize eingefräst haben, werden ihre Wirkung zeigen. Und gerade die vergangene Fischezeit, das Zeitalter des Leidens hob die Studie altgewohnter Schmerzempfindungen deutlich hervor. Meine Karmaliste war lang, meine Begegnungen im Anmarsch und der Wunsch nach Ruhe und Glückseligkeit in weiter Ferne. Doch von all dem wusste ich nichts. Ich schämte mich oftmals für das, was mir begegnet war, ohne die karmische Zauberformel zu kennen. Mir war es peinlich, wie sich Menschen in meinem nahen Umfeld verhielten. Ich übernahm Verantwortung für Bereiche, die meiner Verantwortung nicht unterlagen. Ich räumte auf bei all denjenigen, die selbst zu faul waren, das zu tun. Ich war so wie immer, ohne dabei zu erkennen, wie weit ich mich von mir selbst wegbewegt hatte.
Gerade vor zehn Jahren, als ich mich entschieden hatte, dieses Buch zu schreiben, um mein Leben zu sortieren, steckte ich in einer extrem schwierigen Zeitphase. Ich war so verletzt. Meine alten Schmerzen holten mich in einer rasenden Geschwindigkeit ein, sodass mir schwindelig wurde. Ich fühlte mich schwach, ausgelaugt, hatte keine Kraft mehr. Ich war entmutigt, schon als Kind war es für mich nicht selbstverständlich, einfach da zu sein und ernährt zu werden, wie sollte ich da als junge Frau lernen, Ansprüche zu stellen. Mein Vater oder besser gesagt mein Erzeuger war ein großer Egoist, dem es nur um sein Wohlergehen ging. Ich hatte früher einen sehr großen Respekt vor ihm, man könnte auch teilweise von Angst reden. Er beherrschte die Familie und zeigte deutlich, wer das Geld verdiente. Für ihn war das Beste gerade gut genug, für uns der Rest.
Meine Mutter musste als junge Frau einiges entbehren, damit wir, meine Schwester und ich, genug zum Leben hatten. Doch auch wir Kinder wirkten fast unterernährt, zumindest Liebe, Freude und Lachen fehlten uns komplett. Nicht, dass man nun denken möge, wir hätten finanziell Sorgen gehabt, wären arm gewesen. Nein im Gegenteil, wir hatten genug Geld und hätten es uns im familiären Verbund richtig schön machen können. Es war der Geiz und die Disziplin, die Härte und Strenge meines Vaters, der sich über nichts erfreuen konnte, was mich lange Zeit prägte und was ich erst viel zu spät erkannte. Er hat immer nur das gegeben, was er geben wollte und mehr nicht. Ihm fehlte selbst so viel, dass er es nicht ertragen konnte, wenn wir Freude hatten. Geprägt aus seiner eigenen Kindheit hatte sich sein Ego so entwickelt. Gefühle ließ er nicht zu, die kannte er nicht. Er wollte selbstbestimmend und dominant als Herrscher seiner Familie auftreten und das tat er auch. Auch die damalige Zeit spielte eine gewichtige entscheidende Rolle. Viele Männer waren so, wie er. Der Wert wurde auf äußerliche Augenwischerei gelegt, das war so. Prestige zeigte sich im Außen und wer was auf sich hielt, der demonstrierte dies, vor allem unter Zeugen. Man präsentierte sich und zeigte sich.
So auch er, wenn wir mit anderen zusammen, also unter Leuten waren, dann zeigte er sich als der große Gönner, der gerne gibt, der seine Familie liebt und stolz auf seine Kinder ist. Was für ein Blender. Schon alleine die Tatsache, dass sein zweites Kind auch ein Mädchen war, ließ ihn nach meiner Geburt erst zwei Tage später im Krankenhaus vorbeischauen. Sein flüchtiger Blick auf meinen schmächtigen Körper, demonstrierte seinen Unmut. Ich glaube, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte und die Zeit hätte zurückdrehen können, dann hätte er mich wieder reingeschoben und abgetrieben.
Er war mit seiner Lebenssituation grantig, dass diese Unzufriedenheit schon aus seiner Kindheit stammte, das konnte er nicht sehen. In Wahrheit war er seiner eigenen Familie gegenüber ein Tyrann, dem keiner entwischen konnte. Sein Vater war noch schlimmer, unnahbar und hatte das Machtzepter der gesamten Familie in der Hand. Er erzog seine Kinder mit Härte und Disziplin, Lachen und Freude am Leben waren ihm ein Gräuel. Meine Großmutter verkroch sich in ihre eigene Welt. Religion wurde in dieser Familie hoch gepriesen, man lebte asketisch und teilte alles in kleine Häppchen auf. Nichts im Überfluss, alles nur in kleinen Mengen, gerade so, dass es zum Leben reicht. Sexualität war ein Wort, welches man nicht benutzte, aber sehr wohl auslebte, doch dies nur unter vorgehaltener Hand. Wie häufig verbindet man religiöse Aspekte mit frivol gelebter und verbotener Sexualität. Man könnte fast meinen, dass diese beiden, doch sehr animalischen Bereiche, sehr eng miteinander verbunden sind. Das sind sie ja auch, wenn man genauer hinsieht. Der Mensch braucht seinen Glauben, das gewährt ihm Kraft und der Trieb der Fortpflanzung gewährt ihm den geebneten Weg seines Daseins.
Mein Vater war im Berufsleben eine Koryphäe, er entwickelte sehr viel und arbeitete bis zum Umfallen. Er war nie sonderlich stolz auf sich selbst, obwohl er in seinem Leben sehr viel erreicht hatte. Doch zur Ruhe zu kommen, stolz auf sich zu sein, sich die Ernte für seine mühevolle Arbeit einzuholen, nein, das war nicht seins, das tat er nicht. Er hatte aus seiner Kindheit als Erstgeborener eine sehr große Bürde auferlegt bekommen. Mit Härte und Disziplin wurde er durch seine Kindheit getrieben, ja fast gepeitscht. Er kannte es nicht, wie sich Wärme und Fürsorge anfühlen würden, das war ihm fremd. Aus der erlernten kindlichen Minderwertigkeit heraus wollte er allen beweisen, wie stark und machtvoll er war. Er kannte keine Grenzen, konnte weder mit seiner Frau als fürsorglicher Ehemann, noch mit seinen Kindern als liebevoller Vater umgehen. Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle und teilweise durch Alkoholgenuss gefördert, prügelte er sich seinen Weg, um an die Macht seiner Familie zu gelangen, indem er unsere absolute Unterwürfigkeit und Demutshaltung einforderte.
Besonders meine Mutter musste seine erzieherischen Prügeleinsätze des Öfteren über sich ergehen lassen. Mein Vater wurde immer unzufriedener, was zur Folge hatte, dass er seine gestaute Wut an den Menschen ausließ, die ihm am nächsten standen und mit denen er unter einem Dach lebte, das waren wir. Auch Sexualität bedeutete für ihn Machtausübung, sodass er auch diese Struktur an seiner Familie ausließ, was zur Folge hatte, dass seine Eskapaden mehr und mehr seiner eigenen Befriedigung dienlich waren, ohne dass er jemals darüber nachgedacht hatte, was er tatsächlich tat. Hätte ich damals schon gewusst, dass es eine wahrhaftig existierende dämonenhafte Ebene gibt, dann wäre ich mir sicher gewesen, er muss mit einer Art Teufel einen Pakt abgeschlossen haben.
Meine Mutter zerbrach nach Jahren an dieser Tortur, ähnlich wie eine Frau, die durch die Folter gebrochen wurde, habe ich sie erlebt. Der Retter aus diesem Tyrannenchaos war ihr damaliger Freund, der im selben Haus lebte wie wir. Auch er hatte Probleme mit seiner Familie. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder, zwei Söhne, um die er sich zu kümmern hatte. Ich weiß nicht wie, aber meine Mutter schaffte es, ihn für sich zu gewinnen. Wahrscheinlich war es Schicksal, was die beiden zusammenführte, sodass sie ihr Leben miteinander verbringen wollten, was sie auch taten. Er wollte sie um jeden Preis retten und das tat er dann auch. Bevor jedoch die endgültige Trennung überhaupt vollzogen werden konnte und sie vor den tyrannischen Eskapaden Schutz fand, musste so mancher Polizeieinsatz her, der meinen Vater in die Schranken wies.
Meine Mutter brach danach über mehrere Jahre körperlich und auch seelisch zusammen und war nicht mehr richtig ansprechbar. Die Überforderung in ihrem Leben so auszuleben war ein Muster, welches sie ihr Leben lang nutzte, wenn sie das Gefühl hatte, über den Alltag angstvoll gefrustet zu sein. Und das hatte sie danach häufig. Wenn sie krank war, dann konnte sie keiner wirklich ansprechen und sie zog sich mehr und mehr in ihre eigene Welt zurück. Ich persönlich würde dies nicht als Leben bezeichnen, aber jeder hat ja seine eigene Art, das Leben so zu gestalten, wie er es will. Nur, als Kind wünscht man sich was anderes, als eine kranke, gebrechliche und hoch depressive Mutter zu erleben.
Natürlich hatte auch sie ihre Vorgeschichte und war auch durch ihre eigene erlebte Kindheit verletzt. Sie ist in den Kriegswirren inmitten von Köln groß geworden. Ich denke immer noch, dass einige Personen durch die erlebten Schicksalssituationen echt traumatisiert ihr Dasein fristen. Es war keine einfache Zeit, in der sie groß wurde und auch ihre persönlichen Erlebnisse ließen sie teilweise in ihrem eigenen Leben stagnieren. Aber natürlich startete auch sie als junge Frau durch, wollte ihre Kinderschuhe hinter sich lassen und sich auf einen neuen Weg begeben. Eine gute Partie als Partner zu finden garantierte in der Zukunft einen vernünftigen Lebensstandard, so dachten viele junge Frauen früher und hielten Ausschau, was der Markt so alles zu bieten hatte.
Sie wollte sich, wie so viele in ihrem Alter, durch eine gut situierte Ehe ein besseres Leben ermöglichen und dachte, sie hätte die passende Wahl getroffen. Natürlich war ihr Leben in der damaligen Zeit nicht einfach und natürlich hatte jedes junge Mädchen die Hoffnung, durch eine gute Partie aus der Armut entfliehen zu können. Doch mein Vater war alles andere als ein liebevoller Ehemann, was sie aber damals noch nicht wissen konnte und ich denke, auch er wusste nicht, wie er sich später verhalten würde. Sie lernte ihn kennen und ließ sich mit ihm auf eine Beziehung ein. Durch die nicht geplante Schwangerschaft mit meiner Schwester, stand einer Hochzeit nichts mehr im Wege. Er studierte damals noch und die beiden fanden einen Weg, ihr gemeinsames Leben, auch zu dritt, zu gestalten. Durch seinen Studienabschluss und die beginnende Berufstätigkeit war durch die deutliche finanzielle Verbesserung ein anderer Lebensstandard gewährleistet, in dem ich dann, über zwei Jahre später, das Licht der Welt erblickte. Wie gesagt, mein Vater war über meine Ankunft sehr enttäuscht, da er sich, wie viele andere Männer zu dieser Zeit auch, einen Stammhalter gewünscht hatte. Erst viel später, in seiner zweiten Ehe, wurde er stolzer Vater eines Sohnes.