Sarah Morgan, Sharon Kendrick, Chantalle Shaw
JULIA EXKLUSIV BAND 256
IMPRESSUM
REIHE erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
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| Geschäftsführung: | Thomas Beckmann |
| Redaktionsleitung: | Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.) |
| Produktion: | Christel Borges |
| Grafik: | Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto) |
Erste Neuauflage by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,
in der Reihe: JULIA EXKLUSIV, Band 256 – 2015
© 2006 by Sarah Morgan
Originaltitel: „The Sultan’s Virgin Bride“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe:
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Emma Luxx
Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe JULIA EXTRA, Band 266
© 1998 by Sharon Kendrick
Originaltitel: „The Baby Bond“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Katja Thomsen
Deutsche Erstausgabe 2000 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe JULIA, Band 1760
© 2006 by Chantalle Shaw
Originaltitel: „His Private Mistress“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Helga Meckes-Sayeban
Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe JULIA, Band 1760
Abbildungen: Name
Veröffentlicht im ePub Format in MONAT/JAHR – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733703615
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Was bildest du dir ein?“ Wütend weist Society-Girl Farrah den Heiratsantrag von Sultan Tariq bin Omar zurück. Schließlich hat er sie vor fünf Jahren einfach sitzen lassen und ihr damit das Herz gebrochen. Doch als der Wüstenprinz Farrah kurzerhand kidnappt, spürt sie erneut dieses erotische Prickeln, das sie schon damals nahezu willenlos gemacht hat …1200
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Alles war bereit.
Unnahbar und schweigend, jedoch hellwach und reglos wie ein Raubtier, das auf der Lauer lag, saß Sultan Tariq bin Omar al-Sharma an dem wohlweislich etwas versteckt platzierten Tisch und ließ seine Blicke durch den Raum schweifen. Seine arrogante Kopfhaltung sowie das kalte Glitzern in den dunklen Augen zeitigten den erwünschten Effekt, die anderen Gäste auf Abstand zu halten. Als zusätzliche Maßnahme waren Leibwächter im Hintergrund postiert, entschlossen, sich jedem in den Weg zu stellen, der es wagte, sich dem Sultan unerlaubt zu nähern.
Tariq ignorierte seine Männer ebenso wie die neugierigen Blicke der Anwesenden. Das Aufsehen um seine Person ertrug er mit der Ungerührtheit eines Menschen, der es von Kindesbeinen an gewöhnt war, Gegenstand des öffentlichen Interesses und wildester Spekulationen zu sein.
Er war der begehrteste Junggeselle der Welt, reich an Macht, Einfluss und Geld, ein Mann in besten Jahren, unnachgiebig und zäh und darüber hinaus auch noch atemberaubend gut aussehend.
Für die Frauenwelt stellte Tariq den ultimativen Fang dar. Und so buhlte auch hier wieder jede Einzelne mehr oder minder versteckt um ihn, überzeugt, dass allein sie seiner Aufmerksamkeit würdig war.
Normalerweise hätte Tariq diesen Umstand skrupellos ausgenutzt, heute Abend jedoch war er nur an einer einzigen Frau interessiert.
Und die hatte er bis jetzt noch nicht entdecken können.
Nichts an seiner kraftvollen, athletischen Erscheinung ließ ahnen, dass seine Anwesenheit hier einem anderen Wunsch entsprang als dem, an einer glamourösen Benefizgala teilzunehmen. Sein ebenmäßiges aristokratisches Gesicht verriet mit keiner Miene, dass dieser Abend den Schlusspunkt monatelanger akribischer Planungen markierte.
Er war heute Abend nicht hier, um sich zu amüsieren, sondern um seinem Land zu dienen.
Er musste die Tyndall Pipeline Corporation unter seine Kontrolle bringen. Der Bau einer Ölpipeline war für eine blühende Zukunft Tazkashs unverzichtbar – ausschlaggebend für Sicherheit und Wohlstand seines Volkes. Dass das Projekt wirtschaftlich, umweltpolitisch und finanziell durchführbar war, hatten die Untersuchungen bereits ergeben. Alles war vorbereitet.
Aber Harrison Tyndall weigerte sich mitzuspielen. Nicht einmal verhandeln wollte er. Und Tariq kannte auch den Grund.
Das Mädchen.
Farrah Tyndall.
Daddys kleiner Liebling. Die verwöhnte reiche Tochter. Das glamouröse Partygirl. Das Mädchen, das stets seinen Willen bekam.
Nur mich hat Farrah Tyndall nicht bekommen.
Tariqs harter Mund verzog sich zu einem Lächeln. Dabei hätte sie ihn durchaus haben können. Allerdings nur zu seinen Bedingungen, und die hatten ihr nicht gefallen.
Ebenso wenig, wie sie Harrison Tyndall gefallen hatten. Wochenlange zähe Verhandlungen zwischen dem Staat Tazkash und der Tyndall Pipeline Corporation hatten am Ende zu keinem Ergebnis geführt. Seitdem herrschte Funkstille – und das nun schon fünf lange Jahre.
Grotesk, wenn wegen einer Frau Geschäftsbeziehungen eingefroren wurden.
Neben ihm saß Hasim Akbar, sein Erdölminister, der sich jetzt respektvoll räusperte. „Vielleicht sollte ich mich mal umsehen, ob die kleine Tyndall inzwischen eingetroffen ist, Exzellenz.“
„Die Mühe können Sie sich sparen.“ Tariq sprach langsam und gedehnt, sein vornehmes Oxford-Englisch war Ausdruck der besten Bildung, die man sich mit Geld erkaufen konnte. „Ich wüsste es, wenn sie hier wäre.“
Hasim, der alle Mühe hatte, seine wachsende Nervosität zu zügeln, trommelte mit den Fingern auf dem Tisch herum. „Dann kommt sie aber extrem spät.“
Tariq lächelte zynisch. „Was dachten Sie denn? Mit Pünktlichkeit kann man schließlich kein Aufsehen erregen.“
Er war überzeugt, dass Farrah Tyndall in irgendeinem Flügel des Hauses bereits ungeduldig auf ihren Auftritt wartete, der natürlich so effektvoll wie möglich vonstatten gehen musste. Denn lag in der Inszenierung der eigenen Person nicht der einzige Sinn ihres müßiggängerischen Daseins? Nachdem sie vermutlich den ganzen Tag beim Frisör und mit ihrem Stylisten verbracht hatte, wollte sie jetzt der Öffentlichkeit die Früchte ihrer harten Arbeit präsentieren. Das war typisch für die Frauen, mit denen Tariq es zu tun hatte. Sie interessierten sich nur für ihr Aussehen.
„Es ist wirklich spät. Vielleicht ist sie ja doch schon hier, und wir haben sie nur übersehen.“
„Da kennen Sie Farrah Tyndall schlecht“, gab Tariq zurück. „Sonst wüssten Sie, dass es absolut unmöglich ist, sie zu übersehen.“
Sie war so außergewöhnlich schön, dass wahrscheinlich jedem Mann hier im Saal bei ihrem Eintritt der Atem stocken würde. Leider war sie auch sträflich oberflächlich.
Tariq interessierten im Moment allerdings weder ihre Schönheit noch ihre Charaktereigenschaften. Seine Leute hatten in den letzten Monaten diskret sämtliche verfügbaren Aktien der Tyndall Pipeline Corporation aufgekauft, und jetzt lag die Übernahme endlich in Tariqs Reichweite. Alles, was ihm dafür noch fehlte, war ein Aktienanteil von zwanzig Prozent.
Und genau diese zwanzig Prozent hielt Farrah Tyndall.
Hasim war so nervös, dass er schneller als normal atmete. „Ich halte diesen Plan immer noch für undurchführbar.“
Tariq lächelte. „Na, dann ist es wenigstens eine echte Herausforderung“, erklärte er ungerührt, während er den Stiel seines Weinglases zwischen den langen Fingern drehte.
„Um Ihr Ziel zu erreichen, werden Sie das Mädchen heiraten müssen“, gab der Erdölminister zu bedenken.
Tariqs Finger legten sich fester um das Weinglas. „Ich weiß. Allerdings nur vorübergehend“, schränkte er schroff ein, woraufhin sich Hasims Gesicht noch mehr verdüsterte.
„Sie denken ernsthaft daran, auf dieses uralte Gesetz zurückzugreifen, das es Ihnen gestattet, sich nach einer Wartezeit von vierzig Tagen und vierzig Nächten scheiden zu lassen?“
„Warum nicht? Ich brauche diese Aktienmehrheit, aber ich habe nicht die geringste Sehnsucht danach, länger als nötig ein verheirateter Mann zu sein.“
Der Plan war perfekt.
Hasim zupfte sich nervös ein unsichtbares Stäubchen vom Ärmel. „Soweit ich weiß, fand dieses Gesetz seit Urzeiten keine Anwendung mehr.“
„Egal.“
„Es ist eine schwere Kränkung für eine Braut und ihre Familie, Exzellenz“, wandte Hasim heiser ein. Tariq zog eine schwarze Braue hoch.
„Wie kann man eine Frau kränken, die nur an ihr eigenes Vergnügen denkt?“, fragte er. „Sie erwarten doch wohl nicht, dass ich mit Farrah Tyndall Mitleid habe.“
„Und was ist, wenn sie heute Abend nicht kommt? Davon hängt alles ab.“ Der Minister rutschte unbehaglich in seinem Sessel herum und tupfte sich verstohlen den Schweiß von der Stirn.
Tariq hingegen saß ganz entspannt da und schaute immer noch zu dem Treppenaufgang, der in den Ballsaal führte. „Sie wird kommen, verlassen Sie sich darauf. Erstens, weil ihr Vater der Schirmherr dieser Veranstaltung ist, und zweitens, weil sie nicht zu den Leuten gehört, die sich einen glamourösen Auftritt entgehen lassen. Beruhigen Sie sich, Hasim.“
Kaum hatte er seinen Satz zu Ende gesprochen, erschien Farrah Tyndall auf dem obersten Treppenabsatz.
Sie kam herabgeschwebt wie eine Prinzessin, das goldblonde Haar aufgesteckt zu einer kunstvollen Frisur, die zweifellos nur dazu diente, ihren grazilen schlanken Hals zur Schau zu stellen, in einem bodenlangen hochgeschlossenen goldenen Kleid, das sich eng an einen einfach perfekten Körper schmiegte.
Immerhin hat der Aufwand beim Frisör und beim Stylisten das erwünschte Ergebnis gebracht, dachte Tariq kalt, während sein erfahrener Blick langsam über ihren Körper glitt.
Und was er da sah, verriet, dass sich ihre Prioritäten in den letzten fünf Jahren nicht verlagert hatten.
Dennoch stellte er gewisse Veränderungen fest. Sie war selbstbewusst geworden. Erwachsen. Ihr Gang war sicher, sie bewegte sich nicht mehr leicht tapsig wie ein junges Reh, das nicht recht weiß, was es mit diesen langen Beinen anstellen soll. Sie hatte Haltung und Stil entwickelt, war in diesen umwerfenden Körper hineingewachsen.
Aus dem bildhübschen Mädchen von damals war eine atemberaubend schöne Frau geworden.
In diesem Moment wurde Tariq hinterrücks von einer abscheulichen Begierde gepackt. Nur unter Aufbietung seiner gesamten Selbstbeherrschung gelang es ihm, sich nichts anmerken zu lassen.
Was nur ein weiteres Mal bewies, dass das männliche Verlangen unberechenbar war und mit dem Verstand nicht kontrolliert werden konnte.
Verärgert über seine heftige Reaktion, beobachtete er schweigend, wie Farrah zwischen den Tischen hindurchging und gelegentlich stehen blieb, um irgendwen zu begrüßen. Dabei hatte sie ein unschuldig kokettes Lächeln aufgesetzt, mit dem sie versuchte, den Männern den Kopf zu verdrehen.
Was ihr natürlich perfekt gelang.
Ihr Tisch befand sich direkt neben seinem. Dafür hatten seine Leute gesorgt. Jetzt saß er reglos da, wie ein Tiger kurz vor dem Sprung, und wartete darauf, dass sie ihn entdeckte.
Seine Anspannung wuchs, in seinen Adern pochte das Blut.
Gleich, jetzt gleich …
Sie begrüßte einen Mann, der ihr galant die Hand küsste. Dann legte sie ihre kleine Abendhandtasche auf dem Tisch ab und drehte sich, immer noch lächelnd, um.
Das war der Moment, in dem sie ihn entdeckte.
Sie wurde bleich, ihr strahlendes Lächeln erlosch. In den Tiefen ihrer leuchtend grünen Augen flackerte ein Ausdruck von Verletzlichkeit auf, und für einen Sekundenbruchteil sah Tariq wieder das Mädchen vor sich, das sie vor fünf Jahren gewesen war.
Für einen Moment wirkte sie, als ob sie unter Schock stünde, dann aber riss sie ihren Blick von ihm los, legte ihre Finger fest um die Stuhllehne und atmete mehrmals tief durch.
Durch ihre Reaktion sah Tariq sich voll bestätigt. Jetzt zweifelte er keine Sekunde mehr daran, dass alles ganz einfach werden würde. Er beobachtete, wie sie die schmalen Schultern straffte und die Stuhllehne losließ, an der sie Halt gesucht hatte. Als sie jetzt wieder in seine Richtung schaute, war ihr Gesicht undurchdringlich. Offenbar hatte sie sich wieder in der Gewalt. Sie begrüßte ihn mit einem leichten Kopfnicken, bevor sie sich wieder umwandte, und nichts, aber auch gar nichts in ihrem Verhalten legte die Vermutung nah, dass er mehr sein könnte als ein flüchtiger Bekannter.
Sie gab sich äußerst gelassen.
Während sein Blick über ihre anziehende Rückansicht glitt, wurde Tariq klar, dass er in diesem Fall nichts dagegen hatte, sich nach der erfolgreichen Firmenübernahme ein kleines Vergnügen zu gönnen – obwohl er es sich zum Grundsatz gemacht hatte, Geschäftliches und Privates nie miteinander zu verquicken. Aber diesmal gestattete er sich eine Ausnahme. Auch wenn seine Heirat mit der Tyndall-Erbin rein geschäftlicher Natur war, würde die Hochzeitsnacht doch ein sinnlicher Genuss werden.
Ebenso wie die darauf folgenden vierzig Tage und Nächte. Tariq verzog den Mund zu einem süffisanten Lächeln. Vielleicht ließ sich diesem Deal ja doch etwas mehr abgewinnen als ursprünglich angenommen.
Plötzlich bekam diese Ehe für ihn einen Reiz, den er vorher nicht bedacht hatte.
Sie musste sofort weg hier. Auf der Stelle.
Farrah stand in einer Ecke der dunklen, von einem gepflegten Rasen umgebenen Terrasse. Der Regen hatte schon seit geraumer Zeit nachgelassen, sodass es jetzt wieder schwülwarm war, trotzdem fröstelte sie. Da half es auch nichts, sich die Arme zu reiben.
Tariq bin Omar al-Sharma. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass er im Lande war.
Sonst wäre sie zu Hause geblieben oder ans andere Ende der Welt geflohen oder im Boden versunken – alles, alles, nur nicht ihm Auge in Auge gegenüberstehen zu müssen. Und schon gar nicht so ohne Vorwarnung, ohne die Chance, sich gegen den Schock eines Wiedersehens mit ihm zu wappnen.
Ein Blick in diese exotischen dunklen Augen hatte ausgereicht, sie wieder in das schüchterne, unsichere Mädchen von vor fünf Jahren zu verwandeln. Schüchtern, unsicher und bis über beide Ohren verliebt.
Aber sie war nicht gut genug gewesen für ihn.
Er hatte ihr zerbrechliches, eben erst aufkeimendes Selbstbewusstsein mit Füßen getreten. Traurigkeit und ein Gefühl tiefer Demütigung stiegen in ihr auf, sodass sie sich am liebsten in einer dunklen Ecke verkrochen hätte.
Da hieß es immer, man könnte seine Vergangenheit einfach hinter sich zurücklassen, aber was war, wenn diese Vergangenheit eine ganze Armada aus Privatflugzeugen besaß und einen verfolgte?
Das Essen war die Hölle gewesen. Sie hatte geplaudert und gelacht, verzweifelt bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, obwohl sie sich die ganze Zeit Tariqs Anwesenheit überdeutlich bewusst gewesen war.
Das Schicksal hatte es so eingerichtet, dass sie mit dem Rücken zu ihm saß, aber das hatte nichts geändert. Sein dunkler Blick hatte in ihrem Nacken gebrannt, bis sie unter einem Vorwand nach draußen geflüchtet war.
Seltsam, dass man sich in seinem Wesenskern immer gleich bleibt, egal wie sehr man sich äußerlich auch verändert, überlegte sie benommen. Selbst wenn man sich nach außen hin noch so souverän und glamourös gebärdete, änderte das doch nichts an eventuell vorhandenen, tief sitzenden Unsicherheiten. Innerlich war sie immer noch das unscheinbare schüchterne Mädchen, das für seine Mutter ein nie versiegender Quell der Enttäuschung gewesen war.
Sie legte eine Hand an ihre pochende Schläfe. Der Gedanke an ihre Mutter vergrößerte ihr Elend noch. Ihre Mutter war jetzt seit sechs Jahren tot, aber der verzweifelte Wunsch, ihren Stolz zu erringen, war Farrah geblieben. Sie fühlte Panik in sich aufsteigen. Plötzlich glaubte sie zu wissen, wie Aschenputtel sich gefühlt haben mochte, als die Kirchturmuhr Mitternacht geschlagen hatte. Denn genauso fühlte sie sich jetzt auch. Falls sie es nicht schaffte zu entkommen, würde die Wahrheit ans Licht kommen, und dann würde sich die wahre Farrah Tyndall zeigen. Und das musste sie verhindern, das war sie ihrer Mutter schuldig. Sie musste sofort nach Hause, wo sie ohne Zeugen sie selbst sein konnte.
Aus dem Ballsaal drang Gelächter, dann vernahm sie Schritte – unüberhörbar männliche. Sie drückte das Kreuz durch und straffte die Schultern, eine Körperhaltung, die hoffentlich ihren Wunsch nach Ungestörtheit ausdrückte.
„Na, hast du schon genug? Das würde mich doch sehr wundern.“
Die Stimme erklang dicht hinter ihr, tief, seidenweich und unverwechselbar. Alles in Farrah spannte sich an.
Eine Stimme, die sie früher einmal geliebt hatte. Der glatte, einschmeichelnde Tonfall hatte in ihren Ohren exotisch und verführerisch geklungen.
Früher war ihr alles an Tariq exotisch und verführerisch erschienen.
Man hatte ihn den Wüstenprinz genannt, und dieser Name war ihm geblieben, obwohl er seit vier Jahren der Alleinherrscher von Tazkash und Sultan war. Außerdem war Tariq bin Omar al-Sharma als Prinz wie als Sultan ein äußerst erfolgreicher und kluger Wirtschaftsführer. Als Kronprinz hatte er sein kleines Land zu einem bedeutenden Mitspieler auf dem Weltmarkt gemacht. Als Sultan hatte er sich die Achtung der Politiker und Wirtschaftsinstitutionen der Welt verdient.
Sein Wort hatte Gewicht.
Jetzt brachte Farrah der Klang seiner Stimme an den Rand eines Nervenzusammenbruchs.
Ein Teil von ihr wollte diesen Mann ignorieren, wollte ihm die Genugtuung versagen, dass sie sich auch nur an ihn erinnerte, während ein anderer Teil ihm am liebsten die Augen ausgekratzt hätte.
Glücklicherweise hatte sie mittlerweile gelernt, ihre Gefühle im Zaum zu halten, eine Lehre, die sie ihm zu verdanken hatte. Er war ein Mensch, der nicht die kleinste Kleinigkeit von sich selbst preisgab.
Sie hatte ihm ihre wahren Gefühle gezeigt, und ihm war nichts Besseres eingefallen, als darauf herumzutrampeln.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf drehte sie sich langsam um, entschlossen, so zu tun, als ob seine Anwesenheit für sie nicht mehr als eine unerwünschte Störung wäre. Sie waren so grundverschieden, wie zwei Menschen es nur sein konnten. Und er hatte ihr schmerzhaft deutlich gemacht, dass sie nicht in seine Welt gehörte.
„Guten Abend, Hoheit“, sagte sie in spöttischem Ton, aber verzweifelt bemüht, seinem Blick auszuweichen, weil sie aus Erfahrung wusste, dass man in seinen Augen ertrinken konnte, und das würde sie in keinem Fall zulassen. Sie schaute an ihm vorbei zur Tür, wo sie einen großen Schatten auf der Schwelle stehen sah – einer seiner Leibwächter wahrscheinlich. Seine Bodyguards waren immer zur Stelle, ganz egal, wo Tariq sich aufhielt. „Mir war es drinnen zu warm geworden.“
„Und trotzdem zitterst du.“ Mit den für ihn so typischen sparsamen Bewegungen kam er näher, während Panik in Farrah aufstieg.
Ihr Mund wurde trocken, ihre Finger legten sich automatisch fester um ihre perlenbestickte Abendhandtasche, was natürlich unsinnig war, da kaum zu befürchten stand, dass der reichste, begehrteste Junggeselle der Welt vorhatte, sie auszurauben. Und doch hatte er ihr vor Jahren das Wertvollste geraubt, das sie besaß.
Ihr Herz.
Und dann schaute sie ihn doch an – und bereute es auf der Stelle. Beim Anblick seines geheimnisvoll wirkenden, ebenmäßig geschnittenen Gesichts verschlug es ihr den Atem.
„Ich habe keine Lust auf Spielchen.“ Sie war stolz, dass sie es schaffte, ihre Stimme ruhig zu halten. Dass sie nicht die Nerven verlor. „Es ist ein unglückliches Zusammentreffen, aber nur, weil wir zufällig auf derselben Veranstaltung sind, heißt das noch lange nicht, dass wir uns miteinander abgeben müssten. Niemand verlangt von uns, dass wir so tun, als wären wir alte Freunde.“
In diesem Dinnerjacket sah er wirklich umwerfend aus. Obwohl ihm alles stand, wie sie wusste. Ganz egal, ob er nun die traditionelle Tracht seines Landes oder westliche Kleidung trug, an ihm wirkte alles elegant und passend. Tariq bewegte sich mit einer geradezu traumwandlerischen Sicherheit zwischen den Kulturen, um die ihn weniger anpassungsfähige Menschen nur beneiden konnten.
Er spielte in einer anderen Liga als Farrah, und dass sie irgendwann einmal an eine gemeinsame Zukunft mit ihm geglaubt hatte, war eine demütigende Erinnerung daran, wie naiv sie damals gewesen war.
Vergiss es, ermahnte sie sich, als sie erneut von einer Welle der Unsicherheit überschwemmt wurde. Sie hatte schon lange ihr eigenes Leben – ein Leben, das sie liebte. Ein Leben, das zu ihr passte. Sie hatte gelernt, sich in der Welt der Schönen und Reichen zu behaupten, weil man es von ihr erwartete, aber das war nur ein kleiner Teil von ihr.
Und ganz gewiss nicht der wichtigste.
Aber das ging Tariq nichts an. Durch die kurze Beziehung mit ihm hatte sie gelernt, wie unklug es war, sich anderen gegenüber zu öffnen, weil es in den meisten Fällen nur Kummer und Schmerz nach sich zog. Wichtig war, dass man sich selbst schützte.
Jetzt trug der Nachtwind Musik durch die offenen Türen nach draußen, ein Zeichen dafür, dass der Ball eröffnet worden war. In einer halben Stunde würde die Modenschau beginnen, bei der mitzumachen Farrah sich bereit erklärt hatte. Aber wie konnte sie das? Wie sollte sie über den Laufsteg spazieren, wenn sie wusste, dass Tariq im Publikum saß?
Sie würde Henry, den Familienchauffeur, anrufen und ihn bitten, sie abzuholen.
Sich selbst zu schützen bedeutete, dass sie diese Veranstaltung hier so schnell wie möglich verließ.
Sie versuchte um Tariq herumzugehen, aber er hielt sie am Arm fest.
„Unsere Unterhaltung ist noch nicht beendet. Du bist noch nicht entlassen.“
Sie hätte fast laut aufgelacht. Anderen Menschen Befehle zu erteilen war Tariq zur zweiten Natur geworden. Er war geboren, um zu herrschen, und es machte ihm nichts aus – im Gegenteil. Mit achtzehn war sie von diesem Maß an Macht geblendet gewesen … Macht gepaart mit einer unerhört starken erotischen Ausstrahlung.
Aber inzwischen hatte sie dazugelernt.
Trotzdem spürte sie jetzt bei so viel körperlicher Nähe eine Erregung in sich aufsteigen, die ihren gesamten Körper erfasste. Sie versuchte krampfhaft, ihre Empfindungen zu ignorieren.
„Ich brauche deine Erlaubnis nicht, Tariq“, erklärte sie, verärgert über sich selbst, weil sie sich überhaupt auf ein Gespräch mit ihm einließ. „Am besten vergessen wir diese Begegnung ganz schnell.“
Ich ganz bestimmt, schwor sie sich benommen, während sie ihr wild klopfendes Herz und die Schmetterlinge in ihrem Bauch energisch zur Ordnung rief.
Diese Gefühle waren nicht echt. Sie zählten nicht.
„Glaubst du wirklich, diese Begegnung heute ist Zufall?“ Er stand so nah, dass sie durch den dünnen Stoff ihres Kleides die Hitze spüren konnte, die sein Körper abstrahlte. Sie bekam ganz weiche Knie. Obwohl sie extrem hohe Absätze trug, war Tariq immer noch fast einen Kopf größer als sie und ihr auch sonst physisch weit überlegen. Ihm so nah zu sein bedeutete Qual und Versuchung zugleich, und wieder ergriff ein leidenschaftliches Verlangen von ihr Besitz. Und als sie hörte, wie sich seine Atmung beschleunigte, wusste sie, dass es ihm genauso ging.
So war es immer zwischen ihnen gewesen.
Von diesem ersten Tag am Strand – von diesem ersten Kuss in den Höhlen von Zatua an.
Genau deshalb hatte sie sich damals zum Narren gemacht. Sie hatte sich von einer sexuellen Anziehungskraft blenden lassen, die stark genug war, den gesunden Menschenverstand auszuschalten und sämtliche kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede zwischen ihnen einzuebnen.
Für einen Moment stand sie reglos da, gebannt von Tariqs Ausstrahlung. Da war etwas Wildes, Ungezähmtes. Etwas durch und durch Männliches. Das hatte sie schon damals vom ersten Moment an gespürt, und jetzt spürte sie es erneut. Ihre Brustspitzen wurden hart und drückten sich gegen den Stoff ihres Kleides, in ihrem Unterleib entfaltete sich eine dunkle, gefährliche Hitze und breitete sich in ihrem ganzen Körper aus.
Und dann brach Gelächter aus dem Ballsaal den Bann, der es ihr unmöglich gemacht hatte, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen oder gar sich zu bewegen.
Mit dem Gefühl, gedemütigt worden zu sein, trat sie einen Schritt zurück und dachte an die Lektionen, die sie in dem Wüstenland gelernt hatte. Zum Beispiel, dass Liebe gepaart mit Leidenschaft für eine Beziehung nicht immer ausreichte.
Oder dass Tariq rücksichtslos und zynisch war und sie beide weder von ihrem Charakter noch von ihren Erwartungen her zueinander passten.
„Und du willst mir weismachen, dass du dieses Wiedersehen heute absichtlich herbeigeführt hast, ja?“, fragte sie spöttisch. „Vielleicht weil du vor fünf Jahren so todunglücklich über meine Abreise warst? Dass ich nicht lache. Ich war unpassend, erinnerst du dich nicht? Hast du wirklich vergessen, wie du dich für mich geschämt hast?“
Genauso, wie sich ihre Mutter für sie geschämt hatte.
„Du warst noch sehr jung und unerfahren damals.“ Sein Ton war kühl. „Aber ich habe deinen Werdegang in den letzten fünf Jahren mit Interesse verfolgt.“
„Was sagst du da?“, fragte sie verblüfft. „Wie meinst du das … verfolgt?“
Er lächelte trocken. „Das ist keine Kunst, man braucht nur die einschlägigen Illustrierten zu lesen. Die Designer stehen Schlange bei dir und beknien dich, zu öffentlichen Anlässen ihre Kollektionen zu wählen. Mode, die du trägst, verkauft sich gut.“
Farrah setzte ein künstliches Lächeln auf, nur scheinbar geschmeichelt. In Wahrheit fand sie die Vorstellung absurd, für andere eine Art Modeikone zu sein. Fast so absurd wie den Umstand, dass Tariq dies registriert hatte und es auch noch bemerkenswert fand.
Er war der Herrscher über ein Königreich, ein Mann, der Milliarden-Dollar-Ölgeschäfte tätigte. Warum sollte er, um Himmels willen, an derlei Dinge auch nur einen einzigen Gedanken verschwenden? Aber es war egal, ebenso wie im Grunde genommen alles, was andere mit ihrem öffentlichen Bild verbanden.
Sie hatte gelernt, ihre wahren Interessen nicht laut in die Welt hinauszuposaunen und das Spiel mitzuspielen, so wie man es von ihr erwartete. Und genau das tat sie auch jetzt, indem sie das Kinn hob und sich hinter dem Image versteckte, das sie selbst von sich entworfen hatte. Er taxierte sie eingehend aus zusammengekniffenen Augen.
„Du hast Stil entwickelt, Farrah. Und Eleganz.“
Und Schauspieltalent, dachte sie. Sie war eine Meisterin der Verstellungskunst, aber das wusste niemand außer ihr, und die traurige Wahrheit war, dass es auch gar niemand wissen wollte.
Quälende Erinnerungen stiegen in ihr auf.
Für eine kurze glückliche Zeit hatte sie geglaubt, Tariq sei anders, er mache sich etwas aus ihr. Aber das war ein großer Irrtum gewesen.
Erst nachdem er sie zurückgewiesen hatte, war in ihr der Beschluss gereift, sich neu zu erfinden. Um endlich die Tochter zu werden, die ihre Mutter sich immer gewünscht hatte, zumindest für einen gewissen Teil ihrer Zeit. Darüber hinaus führte sie ein völlig anderes Leben – das Leben, das ihr wirklich wichtig war. Ein Leben, von dem nur wenige Menschen wussten.
Ein Leben, von dem zu erzählen sie nicht die Absicht hatte.
„Freut mich, dass es deine Zustimmung findet“, sagte sie und drängte sich an ihm vorbei. „Aber jetzt muss ich gehen und …“
„Du musst gar nichts.“ Blitzschnell legte er ihr einen Arm um die Taille und zog sie an sich. Sie hob abwehrend die Hand, doch zu spät. Ihr Körper hatte seine harten Schenkel bereits gespürt und reagierte umgehend.
Damit ihr Kopf wieder klar wurde, schüttelte sie ihn und holte tief Luft, aber das führte nur dazu, dass ihr Tariqs Duft in die Nase stieg, was alles noch schlimmer machte.
Sie verkrampfte sich in seinen Armen und gab sich größte Mühe, die Maske kühler Selbstbeherrschung wiederzuerlangen, auf die sie normalerweise so stolz war. „Was willst du plötzlich von mir? Ich kann mir kaum vorstellen, dass du an Frauenmangel leidest.“
„Eher nicht.“
Seine kühlen Worte hätten ihr eigentlich nicht wehtun dürfen, und doch war es so. Sie musste sich zwingen, ihren Blick von dem dunklen Bartschatten an seinem Kinn loszureißen.
„Dann schlage ich vor, du hältst dich an eine Frau, die interessiert ist“, sagte sie, während sie die Erinnerung an vergangene Demütigungen entschlossen beiseiteschob. „Und nun lass mich los. Auf der Stelle.“
Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt. „Und warum hast du dann solches Herzklopfen, wenn du nicht interessiert bist?“
Schlimm genug, dass sie fühlte, was sie fühlte, schlimmer noch aber war, dass er es wusste. „Ich mag es nicht, wenn man mich festhält“, erklärte sie eisig. „Und ebenso wenig mag ich es, wie du mit aller Gewalt deinen Willen durchzusetzen versuchst. Auf Druck reagiere ich nicht.“
„Du fühlst dich von mir bedrängt?“ Sein Ton war gefährlich sanft, sein Mund nur einen Atemzug von ihrem entfernt. „Das ist seltsam, weil du dich bis jetzt noch keinen Millimeter bewegt hast, Farrah. Wenn es anders wäre, würde ich dich selbstverständlich sofort loslassen. Dein Körper ist immer noch an meinem, und ich frage mich, warum das so ist.“
Sie schnappte erschrocken nach Luft, als ihr bewusst wurde, dass er recht hatte, und wich eilig einen Schritt zurück, woraufhin er sie umstandslos freigab.
„Siehst du? Sie ist immer noch vorhanden“, stellte er gelassen fest, während er Farrah mit der Hand flüchtig über eine brennende Wange fuhr. „Die sexuelle Anziehungskraft, meine ich. Und das war schon immer so. Was nur beweist, wie richtig es war zu kommen.“
Irgendwie fand sie ihre Stimme wieder. „Hör auf mit dem Quatsch. Sag mir endlich den wirklichen Grund.“
Tariq tat nichts aus einer Laune heraus, das wusste sie genau. Wie auch, wo doch sein Terminkalender bis obenhin voll und jede Minute seines Tages verplant war.
Schweigend musterte er sie durch auffallend lange, dichte Wimpern. „Fünf Jahre sind eine lange Zeit. Du warst noch sehr jung und unbedacht damals und kanntest die Sitten meines Landes nicht. Es war wohl unvermeidlich, dass es zwischen uns zu Problemen kam. Zu Missverständnissen.“
Seine Worte trafen sie. Trotzig drückte sie das Kreuz durch und straffte die Schultern.
Natürlich war sie damals noch sehr jung gewesen. Gerade mal achtzehn. Unbedacht? Vielleicht, vor allem aber sträflich naiv. Man hatte ihr immer wieder Fallen gestellt, in die sie prompt hineingetappt war, weil sie keine Ahnung von den Gepflogenheiten des Palastlebens gehabt hatte. Letztendlich war sie an Tariqs Familie und der Palastpolitik gescheitert.
„Ich will nicht über den Palast reden, und deine Meinung interessiert mich nicht, Tariq.“ Ihre Stimme war ausdruckslos. „Das ist alles längst Geschichte.“
„Wirklich?“ Sein Blick glitt über sie hinweg, dann ergriff er ihre rechte Hand und hob sie hoch. „Und warum trägst du dann immer noch meinen Ring?“
Der Ring.
Erschrocken schaute sie auf den glitzernden Brillantring an ihrem Finger. Der Ring war die Versinnbildlichung ihrer Mädchenträume gewesen, deshalb hatte sie es nicht über sich gebracht, ihn abzulegen, auch nicht, als ihr Traum längst ausgeträumt gewesen war.
Sie verwünschte sich für ihre Sentimentalität und riss sich von Tariq los. „Ich trage ihn nur noch, um nicht zu vergessen, dass man Männern, die einen mit wertvollen Geschenken überschütten, nie trauen sollte.“
Er lächelte nachsichtig. „Belüg dich ruhig weiter, Laeela. Aber mir kannst du nichts vormachen. Starke Gefühle verschwinden nicht einfach über Nacht. Sie überdauern.“
Schmerz zum Beispiel, dachte sie dumpf.
„Lass mich in Ruhe, Tariq.“ Ihr Herz klopfte wie verrückt, und sie begann wieder zu zittern. „Verschwinde und lass mich mein Leben weiterleben.“
Er musterte sie nachdenklich. „Es ist kühl hier draußen. Du wirst dir einen Schnupfen holen.“
Bevor sie sich versah, hatte er auch schon sein Dinnerjacket ausgezogen, um es ihr um die nackten Schultern zu legen.
Und dann war sie wieder eingehüllt in diesen vertrauten männlichen Duft, der ihren Verstand lahmlegte.
Jetzt kam Tariq so nah heran, dass sein warmer Atem ihre Wange streifte. Panik stieg in ihr auf, sie hatte das Gefühl zu ersticken. Sie wollte dieses Jackett nicht, es war viel zu intim.
Doch bevor sie es ihm zurückgeben konnte, fühlte sie sich auch schon gegen die kalte Steinbalustrade gedrängt, und Tariq blieb dicht vor ihr stehen. Jetzt sah sie nur noch ein dunkel glitzerndes Augenpaar und einen harten sinnlichen Mund. Und einen Atemzug später war das Jackett unwichtig geworden.
„Tariq …“, brachte sie mühsam heraus, was ihn veranlasste, den Mund zu einem selbstzufriedenen Lächeln zu verziehen. Er weiß alles, dachte sie verzweifelt. Er konnte ihre Gedanken lesen. Ihre Gefühle. Ihm entging nichts, auch nicht das seltsame Summen in ihrem Körper.
„Siehst du?“, fragte er in gefährlich sanftem Ton, während er ihr mit den Fingerspitzen sacht über die Wange fuhr. „Wie ich gesagt habe: Es ist immer noch da. Das ist gut.“
Seine Berührung löste auf ihrer Haut ein heftiges Kribbeln aus. Sie musste an den Klatsch denken, den man sich über ihn erzählte. Dass er alles über Frauen und ihre Wünsche wusste. Und dass er ein atemberaubend guter Liebhaber war. Der beste überhaupt.
Sie hatte nie Gelegenheit gehabt, den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung zu überprüfen.
„Zwischen uns ist nichts mehr, Tariq“, sagte sie mit einer Stimme, die sich anhörte, als käme sie von ganz weit her. „Du hast es zerstört.“
Er lächelte selbstgewiss. „Du kannst es nicht leugnen, dafür spricht dein Körper eine zu deutliche Sprache.“
„Willst du wissen, was eine deutliche Sprache ist?“ Wütend riss sie den Arm hoch und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. Im selben Augenblick sprangen zwei Gestalten aus der Dunkelheit – seine Bodyguards. Tariq hielt sie mit einer Handbewegung auf, wobei er Farrah immer noch ungläubig anstarrte.
„Offenbar lebst du gern gefährlich, Laeela. Aber ich vergebe dir, weil ich weiß, was für ein leidenschaftlicher Mensch du bist.“ In seinen Augen blitzte Zorn auf, der jedoch gleich darauf einem viel gefährlicheren Ausdruck Platz machte. „Zwischen uns war immer sehr viel Feuer, und ich wünsche mir gar keine unterwürfige, demütige Ehefrau, auch wenn du dir das wahrscheinlich nicht vorstellen kannst.“
Farrah, die es immer noch nicht fassen konnte, dass sie tatsächlich einen Menschen geschlagen hatte, schaute ihn verständnislos an. „Ehefrau? Bist du verheiratet?“
An diese Möglichkeit hatte sie bisher noch gar nicht gedacht, aber warum sollte er nicht verheiratet sein? Selbst wenn er noch so viel Wert auf seine Freiheit legte, würde er sich auf Dauer der Ehe nicht entziehen können. Zu heiraten war seine Pflicht, denn immerhin brauchte der Palast irgendwann einen Thronfolger.
„Noch nicht.“ Sein Ton war seidenweich. „Und genau aus diesem Grund bin ich heute hier.“
„Ah, also auf Brautschau“, sagte sie mit beißendem Spott. „Dann solltest du jetzt aber unbedingt wieder zurück in den Saal gehen und dich umsehen, Tariq. Ich wette, die Kandidatinnen stehen bereits Schlange.“
„Gut möglich.“ Er zuckte gleichmütig die Schultern. „Aber ich brauche mich nicht umzusehen, weil die Frau meiner Wahl bereits vor mir steht.“ Er neigte den dunklen Kopf, sein Mund schwebte dicht über ihrem. „Ich werde dich heiraten, Farrah.“
Farrah war so schockiert, dass sie kein Wort herausbrachte.
Weil die Frau meiner Wahl bereits vor mir steht … Ich werde dich heiraten, Farrah.
Sie hörte seine Worte wieder und wieder in ihrem Kopf, und als sie schließlich sprach, war es nicht mehr als ein Flüstern. „Machst du Witze?“
Früher hatte sie von nichts anderem geträumt, als Tariq zu heiraten. Und er wusste es. Machte er sich auf grausame Weise über sie lustig?
Er zog finster die schwarzen Augenbrauen zusammen. „Mit so etwas scherze ich nicht.“
„Aber du kannst es unmöglich ernst meinen. Wir hatten fünf Jahre lang keinen Kontakt, und jetzt stehst du plötzlich vor mir und willst mich heiraten? Nach allem, was passiert ist? Nachdem du mich zwar nicht als Ehefrau, dafür aber als Mätresse wolltest?“
Noch während sie redete, begann sie wieder zu zittern. Schlagartig stand ihr die Vergangenheit wieder überdeutlich vor Augen, und ihr wurde klar, dass sie sich von diesem schweren Schlag bis zum heutigen Tag nicht erholt hatte. Dass die Zeit alle Wunden heilte, gehörte eindeutig in den Bereich der unwahren Behauptungen. Man passte sich an, verdrängte. Man lernte, mit Dingen zu leben, die man nicht ändern konnte. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass man tatsächlich geheilt war.
„Das war nur so dahingesagt. In Wahrheit warst du viel zu jung und zu naiv, um eine perfekte Mätresse zu sein.“ Tariq musterte sie nachdenklich, dann fuhr er ihr mit einer Hand über die Wange. „Die perfekte Mätresse ist sexuell erfahren und emotional unbeteiligt. Du warst weder das eine noch das andere.“
Sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss, während sie sich von Tariq losriss. „Deine Definition einer perfekten Mätresse kannst du dir sparen. Ich habe die Rolle dankend abgelehnt, erinnerst du dich?“
Er schenkte ihr ein mildes Lächeln. „Gewiss. Du wolltest mehr.“
„Ich war naiv genug zu glauben, dass dir unsere Beziehung etwas bedeutet.“
„Das war auch der Fall. Wir waren gut füreinander“, sagte er mit einem wissenden Glitzern in den Augen. „Wenn du mit mir ins Bett gegangen wärst, hättest du die wahre Bedeutung des Wortes Lust entdeckt.“
Hitze durchfuhr ihren Körper. „Mit dir ins Bett zu gehen wäre ein Fehler gewesen, den ich anschließend bitter bereut hätte.“
Er zog scharf die Luft ein. „Ich habe dir ein sehr großzügiges Angebot gemacht.“
„Großzügig? Tut mir leid, aber ich weiß wirklich nicht, was daran großzügig gewesen sein soll.“ Sie hatte ihn geliebt! Mit leidenschaftlicher Ausschließlichkeit. Mit jeder Faser ihres Herzens. Und sie hatte gehofft, dass er sie ebenfalls liebte. „Kann sein, dass du intelligent bist, aber von Gefühlen verstehst du rein gar nichts.“
„Als meine Mätresse hättest du dir nicht zu verachtende Vergünstigungen erworben.“
„Vielen Dank“, sagte sie angewidert. „Aber du hast mir Geld für Sex angeboten! Dafür gibt es ein Wort, Tariq, und das ist nicht nett.“
„Eine Ehe war damals zwischen uns nicht möglich.“
„Ach, aber jetzt ist sie möglich, ja?“, konterte sie sarkastisch.
„Fünf Jahre sind eine lange Zeit. Du warst, wie gesagt, sehr jung damals, das entschuldigt eine Menge.“
„Kann sein. Aber ich suche keine Vergebung.“ Das Einzige, was sie sich vorzuwerfen hatte, war ihre damalige Gutgläubigkeit, und zwar nicht nur ihm, sondern auch seiner Familie gegenüber. „Du warst absolut gnadenlos, Tariq. Nachdem ich dein ach so großzügiges Angebot zurückgewiesen hatte, legte man meinem Vater und mir nahe, dein Land zu verlassen.“
Sein Gesichtsausdruck gab nichts preis. „Zu bleiben wäre unter den gegebenen Umständen für euch wenig sinnvoll gewesen.“
Sie dachte an die Wüste, die herrlichen weiten Sandstrände. Die goldenen Tempel, die staubigen Straßen. Sie dachte an die Geheimnisse des Soukhs und die wundervollen Morgenspaziergänge am Strand, den die Sonne bereits vorgewärmt hatte. Sie dachte an die Höhlen von Zatua und die Legende von Nadia und ihrem Sultan. „Für eine kurze Zeit war dein Land mein Zuhause. Ich habe es geliebt. Es ist mir schwergefallen, es zu verlassen.“
Noch viel schwerer aber war es gewesen, ihn zu verlassen.
Sie hatte sich gefühlt, als ob sie das Wichtigste von sich in der Wüste zurückließe. Sie hatte an Tariqs Liebe geglaubt, und die Entdeckung, dass seine Gefühle rein sexueller Natur gewesen waren, hatte ihrem ohnehin geringen Selbstbewusstsein einen schweren Schlag versetzt.
„Wenn du mein Land wirklich liebst, wirst du mit Freuden zurückkehren.“
„Ich werde nie wieder zurückkehren.“ Tazkash und Tariq würden in ihren Gedanken für immer eins sein. Es war ein Land mit viel zu vielen schmerzlichen Erinnerungen. „Diese ganze Diskussion ist lächerlich, und ich weigere mich, sie noch länger fortzuführen.“
„Es gab einmal eine Zeit, da hast du davon geträumt, meine Ehefrau zu werden, Farrah Tyndall“, erinnerte er sie sanft, während er ihr mit der Daumenkuppe über die Unterlippe fuhr. „Du konntest es gar nicht erwarten, mit mir ins Bett zu hüpfen. Ich war es, der Zurückhaltung geübt hat, weil du so jung warst, oder hast du es vergessen?“
Ihr Puls raste wie verrückt. Sie wollte nicht daran erinnert werden, wie offen sie Tariq gegenüber gewesen war. Sie hatte ihr Herz auf der Zunge getragen, und er hatte sich wahrscheinlich köstlich über sie amüsiert. „Damals wusste ich noch nicht, dass es liebenswerte Prinzen nur im Märchen gibt. Und ich wusste auch nicht, was für ein gefühlloser, kalter Schuft du bist.“
Er kniff drohend die Augen zusammen. „Pass auf, was du sagst. So spricht niemand mit mir, auch du nicht.“
„Das beweist nur, was für eine unpassende Ehefrau ich wäre. Ich dachte eigentlich, das weißt du inzwischen, aber vielleicht muss man dich ja wieder daran erinnern.“ Sie nahm das Jackett von ihren nackten Schultern und gab es ihm zurück. „Danke für die Fürsorge. Aber ich wärme mich lieber drinnen auf.“
Seine Augen blitzten gefährlich. „Du kommst mit! Jetzt auf der Stelle!“ Das war unüberhörbar ein Befehl, bei dem Farrah eine Gänsehaut bekam.
Oh, natürlich, Tariq war nicht daran gewöhnt, dass man ihm widersprach, das hatte sie fast vergessen. Und wehe, jemand erdreistete sich, seine absolute Autorität anzuzweifeln.
„Warum sollte ich?“ Sie zwang sich zu einem leichten Ton. „Willst du mir den Weg ins Paradies zeigen? Da war ich bereits, aber ehrlich gesagt, fand ich es dort nicht so toll. Und jetzt möchte ich dich bitten, mich zu entschuldigen.“
Lange bronzefarbene Finger legten sich wie eine Stahlmanschette um ihr Handgelenk. „Ich will mit dir reden. Und zwar an einem Ort, an dem wir ungestört sind.“
„Aber ich will das nicht. Fünf Minuten mit dir haben ausgereicht, um mich davon zu überzeugen, dass du dich kein bisschen verändert hast.“
Sie konnte ihm seine Frustration ansehen. „Ich bestehe aber darauf, dass du mitkommst“, beharrte er.
„Und was ist, wenn ich mich weigere? Entführst du mich dann?“
Seine dunklen Augen verschleierten sich. „Ich glaube nicht, dass eine so drastische Maßnahme erforderlich sein wird.“
Als sich ihre Blicke trafen, wurde ihr erneut schlagartig heiß. Er meinte es ernst. Was will er bloß, überlegte sie verzweifelt. „Glaubst du wirklich, ich käme freiwillig mit?“
„Gib’s endlich zu, Farrah, es ist immer noch da. Du spürst es genauso wie ich. Und jetzt kannst du haben, was du dir immer gewünscht hast. Lass dir nicht von einem kindischen Trotz deine Träume zerstören.“
Ihr Herz hämmerte. „Sogar für einen Sultan bist du unerträglich arrogant“, fauchte sie. „Du hattest deine Chance, Tariq, aber du hast sie nicht genutzt. Jetzt ist es zu spät.“
Das schien ihn nicht weiter zu stören. Seine Augen glitzerten, und zu spät fiel ihr ein, dass Tariq ein Mann war, der die Herausforderung suchte. Er brauchte stets Hindernisse, um sie niederzureißen und so der Welt seine Überlegenheit zu beweisen.
„Schön, ich bin bereit, dein trotziges Spiel für eine Weile mitzuspielen, vorausgesetzt, du findest dich damit ab, dass wir heiraten. An gewisse Regeln musst du dich als meine zukünftige Frau allerdings halten. Wie ich gehört habe, hast du gleich vor, bei dieser Modenschau aufzutreten.“
Farrah starrte ihn an. Oh Gott, die Modenschau! Die hatte sie ja ganz vergessen. Ab dem Moment, in dem ihr Blick auf Tariq gefallen war, hatte sie nur noch an Flucht denken können. Flucht vor ihm und den verwirrenden Gefühlen, die er in ihr auslöste. Der Gedanke an die Modenschau, deren Erlös wohltätigen Zwecken diente, machte sie ganz hilflos. Wie um Himmels willen sollte sie in diesem Zustand zwei Stunden im grellen Scheinwerferlicht überstehen?
„Ich verbiete dir, daran teilzunehmen!“
„Du verbietest mir …“ Vor Empörung verschlug es ihr die Sprache.
„So etwas schickt sich nicht für meine zukünftige Ehefrau“, erklärte er rigoros.
Und dann kam ihr die rettende Idee. Die Modenschau war die perfekte Gelegenheit, Tariq ein für allemal loszuwerden.
„Damit wäre das Thema wohl erledigt“, sagte sie in süßem Ton, während sie sich aus seinem Griff herauswand. „Weil ich natürlich daran teilnehmen werde. Deshalb sollten sich Hoheit besser ganz schnell nach einer anderen Ehefrau umsehen.“
Er sog scharf die Luft ein, seine dunklen Augen flackerten ungläubig. „Lächerlich. Du bestehst also darauf, dich weiterhin desinteressiert zu geben. Ist dir überhaupt klar, dass das eben ein Heiratsantrag war?“
„Ein Heiratsantrag?“ Sie schüttelte fassungslos den Kopf. „Tut mir leid, aber da muss ich wohl etwas falsch verstanden haben. Bei einem Heiratsantrag hat man nämlich die Wahl, aber alles, was ich von dir gehört habe, waren Befehle. Nein, wirklich, Tariq, such dir jemand anders. Ich bin tatsächlich nicht interessiert.“
Damit ließ sie ihn stehen und ging zurück in den Ballsaal und von dort aus in den Raum, in dem die hektischen Vorbereitungen für die Modenschau bereits in vollem Gange waren. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, ihre Hände waren feucht und kalt, und ihr war übel.
Tariq wollte sie heiraten?
Was hatte das bloß zu bedeuten?
Warum kam er nach fünf Jahren Funkstille plötzlich an und verkündete in Diktatorenmanier, dass er vorhabe, sie zur Frau zu nehmen? Was für ein Spiel spielte er? Und warum reagierte ihr Körper immer noch auf ihn, obwohl sie schon seit langer Zeit wusste, was für ein erbärmlicher Schuft er war?
Es ist wie bei jeder Sucht, überlegte sie düster. Der Körper gierte nach dem Suchtmittel, auch wenn es noch so schädlich war. Und Tariq war für sie extrem schädlich.
„Gott sei Dank, Farrah, da bist du ja endlich!“, rief Enzo Franconi, der berühmte italienische Designer und Freund, erleichtert. „Wir haben uns schon Gedanken gemacht, wo du steckst. Du wirst heute Abend nämlich das aufregendste Kleid der ganzen Kollektion tragen. Du wirst atemberaubend aussehen, das prophezeie ich dir, absolut einmalig, so …“