Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Epilog
Kommentar
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN - Die Serie
Nr. 2690
Der fünfte Akt
Zwei Terraner auf einer kosmischen Bühne – sie sind Zeuge des Kampfes gegen QIN SHI
Marc A. Herren
Wir schreiben das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Auf bislang ungeklärte Weise verschwand das Solsystem mit seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem bekannten Universum.
Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes kleines Universum transferiert, wo die Terraner auf seltsame Nachbarn treffen, die sich alles andere als freundlich verhalten. Nach zahlreichen Verwicklungen kann jedoch Reginald Bull einen Waffenstillstand erreichen.
Perry Rhodan kämpft gegen QIN SHI, die negative Superintelligenz. Sie attackiert das Reich der Harmonie, es droht unter QIN SHIS Angriff zu zerbrechen.
Psibegabte Peaner ermöglichen es Perry Rhodan und seinen Freunden, der positiven Superintelligenz TANEDRAR beizustehen. Doch ausgerechnet Rhodan und Gucky wurden bereits von QIN SHI ausgeschaltet.
Das Finale des großen Kampfes naht: Es ist DER FÜNFTE AKT ...
Perry Rhodan – Der Unsterbliche muss dem Wüten QIN SHIS zusehen.
Alaska Saedelaere – Der Unsterbliche sucht ARDEN.
Nemo Partijan – Der Quintadim-Topologe zieht in sein letztes Gefecht.
Arden Drabbuh – Eine Prinzessin rüstet sich gegen einen überlegenen Feind.
Dranat – Ein Hofnarr kehrt zurück und führt den letzten Krieg.
Istinfor – Ein Xylthe zieht in den Kampf.
Riftia Juntos – Die Rombina sorgt sich um ihre Schützlinge.
Perry Rhodan fühlte das Zittern des kleinen Körpers, den er in den Armen hielt. Guckys Ärmchen hatten sich Hilfe suchend um Rhodans linken Oberarm geschlungen.
Still standen die beiden Freunde aus uralter Zeit in der Kristallgrotte, ein Moment des Innehaltens, des Verschnaufens.
Über die Jahrtausende hinweg hatten sie viele Situationen erlebt, in denen es nicht darauf ankam, erklärende und tröstende Worte auszutauschen. Die bloße Anwesenheit und Nähe, ein verstehender Blick reichten vollkommen aus.
Vor Rhodans Füßen, eingeflochten in Hyperkristalladern, lagen ihre beiden Begleiter. Sie befanden sich weiterhin inmitten des Kampfes zweier Superintelligenzen.
Besorgt blickte Rhodan in ihre Gesichter. Sie sahen aus, als schliefen sie. Dabei waren ihre Geister äußerst aktiv. Die Stränge, die sich um die Körper von Alaska Saedelaere und Nemo Partijan wanden, pulsierten in unregelmäßiger Folge, schufen die Verbindung zu der Sphäre, in der die Avatare agierten.
Die beiden waren eingewoben in eine gigantische, dicht vernetzte Geschichte. Der Kampf QIN SHIS gegen TANEDRAR spielte sich zugleich real und virtuell ab.
In ganz Escalian wüteten die Schiffe von QIN SHIS Flotte wie eine Horde wilder Büffel. Bei Pean, der Heimat von TANEDRARS Paten, befand sich die Sphäre, in der sich die Avatare in einer verfremdeten Umgebung der Bedrohung QIN SHIS stellten.
So ist es, dachte Rhodan. Wenn wir an Geschichten denken, sind dies immer chronologische Abfolgen von Ereignissen. Ein Schachspiel, Zug um Zug. Dabei spielt sich immer alles gleichzeitig ab.
Rhodan selbst war dabei gewesen.
Wie die Peaner angekündigt hatten, hatten sie je einen Avatar von ihm und den anderen drei Galaktikern erschaffen, um den einzelnen Entitäten, die zusammen TANEDRAR ergaben, beizustehen. Rhodan und Gucky waren bereits gescheitert. Sie hatten es weder geschafft, QIN SHI in Bedrängnis zu bringen, noch die einzelnen Bestandteile TANEDRARS zu schützen.
Besorgt beobachtete Rhodan, wie sich Nemo Partijans Körper unstet bewegte, als wäre er in einem gewaltigen Albtraum gefangen, aus dem es ihm nicht gelang, sich zu befreien.
Vielleicht ist es auch genau das, dachte Rhodan, ein Albtraum.
Nemo Partijan kämpfte in diesem Augenblick nicht nur an der Seite von Avataren der beiden übrig gebliebenen Superintelligenzen gegen ein geistiges Überwesen, er kämpfte auch um sein eigenes Leben.
Sein Körper hatte in den Kavernen Peans dank des starken Hyperkristallvorkommens so viel fünfdimensionale Strahlung abbekommen, dass er die nächsten Stunden nicht überleben würde.
Was bedeutete dies für seinen Geist? War er noch stark genug, um sich den Aufgaben zu stellen, denen sein Avatar begegnen würde?
Die vier, die eins sind, sind nur noch zwei, dachte Rhodan. TAFALLA ist fort, NETBURA ist tot oder assimiliert oder ... Es liegt jetzt bei Nemo Partijan und Alaska Saedelaere zu verhindern, dass sich QIN SHI auch noch die restlichen zwei Entitäten einverleibt.
Phase 3: Nemo Partijan
HOFNARR: »Ihr kennt die weit entfernte Provinz von TRYCLAU-3? Tod, Vernichtung und Zerstörung haben die erbitterten Feinde der Hohen Mächte dort angerichtet.«
KANZLER: »Es gab einen Krieg, na und?«
HOFNARR: »Na und? Die dortigen Völker wurden angegriffen, gerade weil sie den Hohen Mächten dienten! Ihre Verbündeten versuchten ihnen beizustehen – mit dem Resultat, dass alle daran zugrunde gegangen sind!«
KANZLER: »Ein tragisches Schicksal ...«
HOFNARR: »Ihr irrt, Kanzler! Es ist nicht ein tragisches Schicksal, sondern das tragische Schicksal ... das früher oder später alle Völker treffen wird, die voller Irrglauben den Hohen Mächten helfen wollen!«
KANZLER: »Krieg gehört zum Kosmos wie der Frieden.«
HOFNARR: »Ein trauriger Allgemeinplatz, den Ihr da bemüht! Wollt Ihr die Gesichter der Sterbenden sehen? Wollt Ihr ihre Todesschreie hören? Wollt Ihr einen Blick auf die zerstörten Welten werfen, eingehüllt in Rauch- und Aschewolken, bar jeglichen Lebens? Wagt Ihr den Blick in die Bilderkugel?«
KANZLER: »Ich brauche die Bilder nicht zu sehen. Ich kenne sie bereits.«
HOFNARR: »Habe ich es doch gedacht! Ihr wollt das Reich der Harmonie mit offenen Augen und wehenden Fahnen in den Untergang steuern! Da bin ich ja einmal gespannt, was der gute König zu den Bildern in der Kugel sagt!«
KANZLER: »Der König hat kein Interesse daran, deine Bilderkugel zu sehen, Narr. Wirf sie in den See, sie richtet nur Unheil an!«
HOFNARR: »Das würde Euch so passen. Nein! Der König hat das Recht und die Pflicht, die Bilder von TRYCLAU-3 zu sehen!«
KANZLER: »Aber verstehst du denn nicht? Das Reich der Harmonie ist stark – aber um stark zu bleiben, braucht es die Hohen Mächte! Ich habe alles genau geprüft; ich weiß, dass das der einzig richtige Weg ist, wenn das Reich der Harmonie nicht stagnieren, sondern weiter aufblühen soll!«
HOFNARR: »Ihr sprecht vom Reich und habt doch nur das eigene Honigtöpfchen im Sinn!«
KANZLER, wütend: »Wir profitieren alle davon, wenn es dem Reich im Schoße der Allianz gut ergeht!«
HOFNARR: »Je mehr Ihr Euch verteidigt, desto deutlicher kommt Eure hässliche Fratze zum Vorschein! Ihr handelt für Euch allein, das ist mir spätestens jetzt mit aller Deutlichkeit klar geworden. Wisst Ihr was? Ich werde gleich jetzt zum König gehen, um ihm die Bilder zu zeigen. Anschließend zeige ich sie der Prinzessin. Dann seid Ihr alle Zeiten davon befreit, mit ihr Spaziergänge am See machen zu müssen. Wie findet Ihr das? Ich zerstöre das Wort des Boten, und gleichzeitig treibe ich ein für alle Mal einen Keil zwischen Eure fette Gestalt und die Prinzessin!«
KANZLER, schreit: »Das wirst du nicht, verfluchter Narr. Hörst du? Unter keinen Umständen! Narr! Narr!«
(Er zückt einen Dolch, rammt ihn dem Narren in die Brust und stemmt ihn über die Brüstung des Balkons in den See. Der Körper schlägt auf einen Felsen und wird von der Brandung verschluckt. Der Kanzler starrt auf die Stelle, reibt sich über das Gesicht.)
KANZLER: »Was habe ich getan? Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Aus dem Spiel wurde Ernst.«
Das Mahnende Schauspiel vom See der Tränen, 3. Akt, 4. Szene (Auszug)
*
Die Gewissheit, dass etwas nicht stimmte, sickerte nur langsam in sein Bewusstsein. Wie durch dichten Nebel, der alle Konturen verwischte, versuchte er, einen Blick auf die Situation zu erhaschen. Auf sich.
Behutsam ertastete er sein Ich. Er fühlte, wie schwach und matt es war. Und da war Hitze. Sie erfüllte seinen Körper, trieb den Schweiß in Strömen aus den Poren.
Da! Er fühlte, wie ein einzelner Schweißtropfen vom Kinn am Hals hinunterrann, um irgendwo in der Brustgegend im Untergrund zu versickern.
Ein klarer Eindruck! Dankbar nahm er wahr, wie die Konturen langsam schärfer wurden, wie sich der Nebel zögernd lichtete.
Sein Geist kehrte zurück.
Nemo Partijan öffnete die Augen. Über sich sah er einen blauen Himmel. Eine einzelne Wolke trieb als riesiger Wattebausch über ihn hinweg. Und das Strahlen ...
Er blinzelte. Nicht eine, sondern zwei Sonnen standen nahe dem Zenit. Partijan blinzelte erneut. Seltsamerweise gelang es ihm, den Blick direkt in das Sonnenlicht zu richten, ohne dass es ihn ernsthaft blendete. Er kannte den Effekt von Kunstsonnen.
Waren die Sonnen also nicht natürlichen Ursprungs?
Der Hyperphysiker wusste es nicht, hätte zur Bestätigung seiner These zumindest ein Spektroskop benötigt.
Er blinzelte. Tränenflüssigkeit rann aus seinen Augen, die Wangen hinunter. Partijan fühlte, wie ihm übel, speiübel wurde. Er konzentrierte sich auf seinen Atem, saugte vorsichtig Luft in seine Lungen, atmete ruhig wieder aus. Der Magen zog sich zusammen, pulsierte geradezu.
Partijan schloss die Augen, fokussierte sich auf seine Atmung.
Wie bin ich hierher gelangt?
Der tiefblaue Himmel, die Kunstsonnen. Etwas stimmte nicht. Hätte er nicht in einem SERUN stecken sollen? Und weshalb war er allein? Was war geschehen, bevor er offensichtlich das Bewusstsein verloren hatte?
Er atmete tiefer ein. Der zusätzliche Sauerstoff half ihm. Der Magen beruhigte sich allmählich. Würde er es schaffen, sich nicht zu übergeben? Würde er ...
Partijans Gedanken stockten. Aus dem Dunkel seines Bewusstseins stieg ein Bild von bläulichen Adern auf. Kristallinen Adern, wie aus ... Howalgonium. Ganze Geflechte ... Ein Geäst aus strahlenden Hyperkristallen. Stalaktiten und ein hohes Gebäude ...
Die Andachtsgrotte!
Plötzlich war der Begriff da, gleich darauf begann vor seinem inneren Auge ein Film zu laufen.
Das Gespräch mit dem Peaner. Er hatte ihnen angeboten, die Superintelligenzen und sie vier in Avatare zu verwandeln. Ihm, dem Quintadim-Topologen, fiel der Auftrag zu, ihre Gruppe tiefer in das Labyrinth zu führen, hinab zu der Andachtsgrotte. Die immense Hyperstrahlung der Kristalladern setzte ihnen trotz ihrer Schutzanzüge zu. Ihm am meisten, was ihn über alle Maßen erstaunt.
Ausgerechnet er, Nemo Partijan, sollte durch eine Überdosis Hyperstrahlung strahlenkrank werden? Es durfte, es konnte schlichtweg nicht sein. Weshalb schützte es ihn nicht, so, wie seine drei Begleiter ganz offensichtlich durch ihre Zellaktivatoren geschützt wurden?
Die tiefe Besorgnis um seinen Zustand und das euphorisierende Gefühl, das diese phantastische Umgebung ihm vermittelte, hielten sich die Waage. Er hatte sich noch nie gleichzeitig so lebendig und elend gefühlt. »Das letzte große Abenteuer« hatte er diesen Trip durch Hyperkristall und Schmerz genannt. Sein Instinkt schrie ihn innerlich an, versuchte ihn zum Umkehren zu bewegen. Aber er stapfte einfach weiter, befahl der Medoeinheit des SERUNS, ihn bei Bewusstsein zu halten.
Als sie schließlich die Andachtsgrotte erreicht hatten, zerschlug sein innerer Triumph die Schmerzen wie ein Hammer, der auf eine Kristallfigur niederkrachte. »Wunderschön«, sagte er, während er sich umschaute. Er dachte, dass es in einem spirituellen Totenreich schöner nicht sein konnte als in dieser Kristallgrotte. Dann ... dann war irgendwie die Dunkelheit gekommen.
Es war, als bliese ein starker Wind den Nebel fort, der sich über seinen Geist gelegt hatte. Die Erinnerung kehrte vollumfassend zurück.
Nemo Partijan öffnete die Augen.
Der tiefblaue Himmel war nach wie vor da. Ebenso die beiden Sonnen und die einzelne Wattewolke. Seltsamerweise schien sie zu treiben und bewegte sich dabei trotzdem nicht vom Fleck. Ein optischer Trick?
Von irgendwo drang Gemurmel an ihn heran. Ein kratzendes Schleifen erklang, als wenn schwerer Stoff über felsigen Boden gezogen wurde.
Etwas geschah. Nemo Partijan sah sich nicht in der Lage, sich sofort zu bewegen. Zu unruhig war sein Magen. Seltsamerweise fühlte er sich nicht in direkter Gefahr. Das Murmeln klang friedlich ... fast ein wenig erhaben.
»Das Reich der Harmonie steht am Scheidepunkt!«, sagte plötzlich eine kräftige Stimme.
»Von Eurer Entscheidung hängt seine Zukunft ab«, sagte eine andere, ungleich höher, fast ein wenig schrill.
»Es gibt nur einen richtigen Weg«, sagte die erste Stimme.
»Aber welcher ist das?«, fragte die zweite.
Der Hyperphysiker schluckte mühsam.
Hatten die Peaner ihr Angebot wahr gemacht? Waren er, Rhodan, Saedelaere und Gucky nun als Avatare irgendwo in Escalian, um auf die Avatare der Superintelligenzen Einfluss nehmen zu können?
Das Reich der Harmonie steht am Scheidepunkt.
Er hob zögernd die rechte Hand, strich sich über den Bauch, die Brust. Er fühlte rauen Stoff unter nackten Fingern. Ein Hemd, darüber ein jackenartiges Kleidungsstück. Danach legte er die Hand auf den Boden, spürte die gerillte Oberfläche von Holz- oder Kunststoffplanken.
Die letzte Gewissheit: Der SERUN war weg – und er lag nicht mehr in einem Geäst aus Howalgoniumadern.
Nemo Partijan atmete tief ein, konzentrierte sich auf seinen Magen, der sich zusehends weiter beruhigte. Entschlossen rollte sich der Hyperphysiker herum ... und riss erstaunt die Augen auf.
Keine fünf Meter vor ihm standen zwei Gestalten. Ein übergewichtiger Mann in steifer, dunkler Kleidung und ein kleinerer Mann, der in einem blaugelben Kostüm steckte. Auf seinem Kopf saß eine Kappe, die in drei Zipfeln auslief, an deren Ende je eine daumengroße Schelle hing.
»Das Mahnende Schauspiel ...«, flüsterte Partijan.
Saedelaere hatte ihnen kurz von diesem Theaterstück erzählt, das vor den Gefahren warnen sollte, die bei einer Zusammenarbeit mit Repräsentanten der Hohen Mächte entstanden.
Alles drehte sich um das Reich der Harmonie. Ein machtgieriger Kanzler fädelte eine Zusammenarbeit mit einem Vertreter der Hohen Mächte ein. Daraufhin besuchte ein Bote den Hof des alten Königs und versprach jenem, der Prinzessin und dem Kanzler blühende Landschaften und darüber hinaus einen Nektar, dem man eine lebensverlängernde Wirkung nachsagte. Für den alten König, der ohne Nektar nicht mehr lange zu leben hätte, ein vielversprechendes Geschäft.
Einziger Warner war ausgerechnet der Hofnarr, dessen Narrenkappe ihm zwar das Privileg gab, offen seine Zweifel auszusprechen – nur fanden seine Worte kaum Gehör. Einzig der Prinzessin schien die Aussicht, in eine »Allianz der Völker« eingebunden zu werden, nicht ganz geheuer.
Der Bote und der Kanzler taten aber das Ihre, um die Bedenken der zukünftigen Regentin zu zerstreuen und sie vom Dienst für diese höhere Macht zu überzeugen.
Alaska Saedelaere hatte nicht alle fünf Akte gesehen und durchlebt, aber zumindest bis zur Peripetie hatte er die Handlung verfolgen können.
Im ersten Akt besuchte der Bote den Hof und unterbreitete sein Angebot.
Im zweiten Akt entwickelten sich die Verstrickungen zwischen den Figuren. Sowohl der Kanzler als auch der Hofnarr machten ihre Gefühle für die Prinzessin offenkundig und legten ihre grundlegend unterschiedlichen Ansichten zum Kontrakt mit der höheren Macht auf den Tisch. Der Kanzler versuchte zudem, mit eigenen Argumenten den König von den Vorzügen eines Beitritts zur Allianz der Völker zu überzeugen.
Im dritten Akt strebte die Geschichte dem ersten tragischen Höhepunkt entgegen. Während eines Maskenballs köderte der Bote den König mit dem Angebot des lebensverlängernden Nektars – und der Regent zeigte sich interessiert. Die mahnenden Worte des Narren verhallten.
Während der Bote der Prinzessin bei einem Tanz näherkam, konfrontierte der Narr den Kanzler mit den Ergebnissen eigener Erkundigungen. Er hatte Bildmaterial von der Schlacht um TRYCLAU-3 gesammelt und präsentierte die furchtbaren Auswirkungen, die der immense Materialverschleiß auf die beteiligten Hilfsvölker gezeitigt hatte.
An dieser Stelle hatte sich Saedelaere aus der tödlichen Intensität der Inszenierung befreien können. Alles hatte danach ausgesehen, dass der Kanzler den Narren umgebracht hatte, um zu verhindern, dass dieser das Beweismaterial dem König unterbreitete.
Nemo Partijan erhob sich vorsichtig.
Die Übelkeit war vollständig abgeklungen. Langsam fand er zu neuen Kräften. Der Hyperphysiker sah an sich hinunter. Das weiße Hemd und das braune Jackett saßen wie angegossen. Die Beine steckten in weit geschnittenen dunkelgrünen Hosen, und an den Füßen trug er weichledrige Schuhe.
»Was schauet Ihr fortwährend in Richtung des Tores?«, erklang die giftige Stimme des Hofnarren. »Ihr gleicht einem Halunken, der sich anschickt, einem armen Bauern seine letzten Münzen zu entreißen.«
»Geh einem anderen auf die Nerven, unleidiger Narr. Hier wird gleich Geschichte geschrieben«, hielt der Kanzler entgegen.
Partijan sah wieder zu den beiden Gestalten, die in der Mitte der Bühne standen.
»Geschichte wird auch dann geschrieben, wenn es nicht darum geht, Euren Geldbeutel zu füllen!«
Der Terraner blinzelte. Beide Figuren achteten nicht auf ihn. Beide schienen sie voll in ihrem Element zu sein. Im Gegensatz zum Narren wirkte der Kanzler aber seltsam durchscheinend wie ein schlecht kalibriertes Holo.
Sind die beiden echt?, fragte sich Nemo Partijan.
Er fragte sich, was er eigentlich vor sich sah. Zwei Schauspieler, die ihre Rolle verkörperten, oder fand alles nur in seinem Kopf statt?
War es gar eine Mischung aus beidem? Waren sie tatsächlich alle nur Avatare auf einer virtuellen Bühne, erschaffen durch die Peaner?
Partijan sah sich um.
Die Bühne stellte den Thronsaal des Schlosses Elicon nach, des Sitzes des Königs des Reichs der Harmonie. Die Wände erhoben sich nur gerade drei Meter in die Höhe und waren auf den ersten Blick als Kulissen erkennbar. Die vierte Wand des Saals fehlte und ermöglichte den Blick auf eine technoide Umgebung.
Eine gewaltige, metallene Ebene erstreckte sich weiter, als das Auge zu blicken vermochte. Über ihr stand das Schwarz des Weltraums, der erst in der Höhe der Bühne in den tiefblauen Himmel mit der eigenwilligen Wolke und den beiden Kunstsonnen überging.
Saedelaere hatte erzählt, dass es sich bei der eigentlichen Bühne des Mahnenden Schauspiels um eine gigantische Weltraumplattform von fünfzehn Kilometern Länge und neun Kilometern Breite handelte.