Holly Bourne

THIS IS NOT A LOVE STORY

Roman

Aus dem Englischen
von Nina Frey

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Prolog

An »Seelenverwandtschaft« als Konzept hatte ich nie geglaubt. Das war so eine Hollywood-Idee – ein Begriff, erschaffen, um Filmrechte und Schmachtfetzen zu verhökern.

Meiner Meinung nach war Liebe nichts als eine weltweit verbreitete Zwangsvorstellung, ein Hirngespinst, an das sich die Verzweifelten klammern. Manche nannten es Leidenschaft, Romantik, die Begegnung zweier Seelengefährten und lauter solchen Quatsch. Ich nannte es Hormone, Biologie, Chemie, die im Gewand des märchenhaften ewigen Glücks daherkommen – ein Selbstbetrug, der nichts ist als die Angst vor der eigenen Einsamkeit.

Doch zynisch sein ist leicht, solange es einen noch nicht selbst erwischt hat …

Denn das Problem ist ja: Hollywood, Stephenie Meyer, die ganzen Nackenbeißerverlage – sie haben alle recht. Seelengefährten gibt es wirklich.

Nur eins haben sie nicht kapiert: dass es nicht unbedingt ratsam ist, sie zu finden.

1

Der Tag begann wie jeder andere auch: mit einem Sonnenaufgang.

Vermutlich ist noch jeder, dem irgendwann irgendwas Außergewöhnliches widerfahren ist, an jenem bewussten Tag ganz stinknormal im Bett aufgewacht. Sei es eine Nahtoderfahrung oder das Zusammentreffen mit dem Menschen, mit dem man den Rest seines Lebens verbringen möchte – alles beginnt immer mit einem Sonnenaufgang, einem Weckerklingeln und dem Beiseiteschieben der Bettdecke. Ganz banal. Ganz wie gehabt.

Der Tag, der mein Leben umkrempelte, passte voll ins Schema.

Ich lag unter meiner Decke in meinem schmalen Bett und beobachtete den Lichtstrahl, der sich an meinem Vorhang vorbeischlängelte und sich um meine Beine schmiegte. Und während ich das tat, machte ich meine Atemübungen. Ich legte die Hände auf den Bauch und konzentrierte mich darauf, wie er sich mit jedem Atemzug wölbte und wieder zusammenzog. Immer wieder, zehn Minuten lang.

Es war Samstag, der Tag ohne Verpflichtungen. Ich zog den Vorhang auf, damit das Licht in jeden Winkel meines Zimmers dringen konnte. Dann kletterte ich aufs Fensterbrett, hockte mich in den Schneidersitz und blickte nach draußen.

Ich heiße Penny Lawson und meine Heimat ist mir ein Graus. Auch wenn es furchtbar abgedroschen ist, siebzehn zu sein und seinen Wohnort zu hassen, – es ist so. Im Grunde gibt es an meinem Leben rein gar nichts, was nicht völlig typisch wäre. Ich wohne in einer kleinen Stadt, von der es sich perfekt nach London pendeln lässt. Jeden Morgen um halb sieben machen sich die Männer in ihren Anzügen auf und ziehen im Gänsemarsch Richtung Bahnhof. Die Ehefrauen bleiben zu Hause, machen ihre Kinder für die Privatschule zurecht und schaufeln schalenweise Biomüsli in sie hinein, um schließlich die SUVs zu erklimmen und die Wettfahrt zur Schule einzuläuten. Es ist eine dieser Städte, in der jedes Haus einen Vorgarten hat, wo jeder jeden kennt und wo den Teenagern die Freizeitaktivitäten nur so in den Rachen gestopft werden, als hänge die Zukunft der Familie allein von den Leistungen ihrer Sprösslinge in der Lacrosse-Mannschaft ab. Alles in allem ein einziges Riesenklischee – und mir zutiefst zuwider. Aber wahrscheinlich ist das genauso ein Klassiker.

Das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen Gedanken. Ich schaute aufs Display und lächelte. Es war Lizzie.

»Was willst du mitten in der Nacht? Andere schlafen vielleicht noch, du Nuss«, sagte ich.

»Ach, jetzt stell dich nicht so an, es ist halb elf vorbei und es gibt Neuigkeiten.«

»Na dann: raus damit.« Ich entknotete meine Beine und streckte sie auf dem Fensterbrett aus.

»Wegen heut Abend. Das wird der Wahnsinn.«

Lizzie verstand es, aus allem das Letzte herauszuholen. Sie wollte Journalistin werden, um jeden Preis, und arbeitete fast rund um die Uhr darauf hin. Sie fungierte als Klatschkurier zwischen den einzelnen Cliquen, verwandelte in der morgendlichen Rückschau noch die drögeste Wohnzimmerparty in ein prickelndes Event und verfügte selbstverständlich über ein geradezu enzyklopädisches Wissen zu jedermanns Privatangelegenheiten. Mittlerweile war mir klar, dass sie einfach rein körperlich nicht in der Lage war, ein Geheimnis für sich zu behalten, was meiner Liebe zu ihr keinen Abbruch tat. Durch sie wirkte dieser Ort – unser Leben – dramatisch. Sie war der Farbklecks in unserem Grau in Grau.

Ich seufzte. »Lizzie, heute ist mal wieder Band-Night, was kann da schon groß passieren? Ach nein, sag nichts. Eine der Versagerbands aus unserem Bekanntenkreis hat doch tatsächlich einen Plattenvertrag unterschrieben?« Ich quietschte auf, um meinen Sarkasmus zu unterstreichen. »Ich glaub’s einfach nicht! Ein Wunder ist geschehen!«

Lizzie lachte. »Ach was, natürlich nicht.« Sie machte eine dramatische Pause. »Aber heut Abend spielt tatsächlich eine neue Band, eine wahnsinnig gute angeblich. Growing Pains heißen sie. Der Leadgitarrist soll ein absoluter Hingucker sein, hab ich gehört, und scheinbar gibt’s echt eine Plattenfirma, die ein Auge auf sie hat.«

Ich seufzte noch einmal.

»Ehrlich.«

»Lizzie, wie lange pilgern wir jetzt schon zur Band-Night? Zwei Jahre? Wie viele Bandtypen kennen wir, die anscheinend eine Plattenfirma haben, die ein Auge auf sie hat? Und jetzt verrat mir bitte, wie viele von denen es wirklich zu was gebracht haben. Ich wette um eine Million mit dir, dass die alle auf die Uni gehen und BWL studieren, und dann gönnen sie sich natürlich ein Jahr Auszeit, weil sie ja angeblich keinen Job in Papas Firma wollen, bis sie schließlich doch dort anfangen, zum Einstiegsgehalt von zweiunddreißigtausend Pfund.« Erneut faltete ich die Füße unter mir zusammen und holte energisch Luft. »Und wenn sie dann vierzig sind, unterhalten sie bei Dinnerpartys ihre Reich-und-schön-Freunde mit Schwänken aus ihrer wilden Jugend am Rande des Abgrunds, als sie mal Rockstars waren.«

Jetzt war es an Lizzie, zu seufzen. »Himmel, hast du eine Laune.«

Ich schickte ein Achselzucken durch die Leitung. »Ich sag nur, wie’s ist.«

»Okay. Dann spar dir jetzt mal das Band-Bashing, Madame Ich-steh-über-allem, und lass mich wenigstens was vom heißen Gitarristen erzählen.«

Ich lachte. »Na gut, schieß los.«

Wir plauderten noch ein paar Minuten, und als ich auflegte, sah alles schon deutlich rosiger aus. Selbst wenn es nicht der gesellschaftliche Höhepunkt meines Daseins werden würde, war es doch ein Samstagabendprogramm ganz ohne Pizzaservice, Trashfilm und Gesuhle im eigenen Uncoolsein. Mit einer jähen Aufwallung von Energie schwang ich meine Beine vom Fensterbrett und ging runter zum Frühstück.

Als ich die Küche betrat, machte Mum gerade Tee. Da stand sie im Morgenmantel und musterte finster die Wandschränke. Seit Jahren versuchte sie, meinen Vater zu einer Küchenrenovierung zu überreden, doch der weigerte sich standhaft, Geld für etwas »so Banales wie Küchenschränke« rauszuwerfen.

»Guten Morgen«, sagte sie und riss sich von den Schränken los. »Du auch ein Tässchen?«

Ich klappte einen Wandschrank auf und zog eine Müslischachtel heraus. »Ja, bitte.«

Als ich mir die Schale füllte, brachte sie mir einen Becher und wuschelte mir durchs Haar.

»Mum!«

»Pardon, Schätzchen.«

Sie setzte sich neben mich und wärmte sich die Hände an ihrem Becher, während ich draufloslöffelte.

»Also, was steht heute Großes an?«

Ich schluckte eine Ladung Haferflocken hinunter. »Nur wieder Band-Night. Da spielt irgendeine neue Gruppe, soll gut sein. Mit einem heißen Gitarristen angeblich.«

Meine Mutter horchte auf. »Ach wirklich? Wie aufregend. Ein heißer Mann in Middletown, unfassbar. Welch seltene Gnade des Schicksals.«

»Tja.« Ich verdrehte die Augen. »Es geschehen noch Zeichen und Wunder.«

Meine Mutter lachte. Sie zog mich ständig damit auf, dass ich jeden potenziellen Verehrer grundsätzlich mit Missachtung strafte, dass mir keiner je gut genug sein würde, aber Ehrenwort, so anspruchsvoll war ich gar nicht. Was konnte ich denn dafür, dass die siebzehnjährigen Jungs einfach alle nur widerlich waren? Und die seltenen Ausnahmen hatten völlig überdimensionale Egos von der ständigen Aufmerksamkeit, die sie abkriegten. Meiner Theorie nach war erst bei Neunzehnjährigen Schluss mit dem Widerlichsein, und da ich noch nicht hübsch genug war, um einen älteren Typen an Land zu ziehen, war ich gern bereit, noch zwei Jahre abzuwarten, bis Jungs meines Alters keinen Brechreiz mehr bei mir auslösten.

Meine Mutter jedoch teilte meine Meinung nicht und machte sich Sorgen um mich. Tatsächlich war es ihr liebster Zeitvertreib, sich um mich zu sorgen. Und wie aufs Stichwort wurde ihre teeumdampfte Miene ganz ernst.

»Sag mal, wie lief dein Termin bei Dr. Ashley neulich so?«, fragte sie betont beiläufig.

Oje, wir waren mal wieder so weit.

»Ganz okay«, antwortete ich unverbindlich und mampfte weiter.

»Warum so vage?« Kein Elterngespräch ohne diesen Spruch. »Worüber habt ihr geredet?«

»Das Übliche, du weißt schon.«

Sie nickte. »Okay.«

Ich konzentrierte mich auf mein Müsli und wartete darauf, dass sie nachhakte.

Es dauerte keine dreißig Sekunden.

»Also, was ist denn so das Übliche?«

Ich schluckte.

»Mein Gott, Mum, keine Ahnung. Ich hab über meine Schularbeiten gejammert, er ist mit mir wieder dieses bekloppte Atmungsdings durchgegangen, wir haben darüber gesprochen, was ich mache, wenn’s … passiert. Du weißt schon.«

Sie sah noch besorgter drein und ich hielt die Luft an, bis die Frage fiel.

»Also weiß er immer noch nicht, was die Ursache ist?« Tränen stiegen ihr in die Augen. Verdammte Hacke. Diese Unterhaltung hatten wir eindeutig schon zu oft gehabt.

»Mum.« Ich sprach ganz langsam und überdeutlich. »Dich – trifft – keine – Schuld. Weder hast du mich als Säugling auf den Kopf fallen lassen noch bei meiner Erziehung versagt. Du hast alles genauso gemacht wie bei Louise, und bei der ist alles in Butter. Es ist einfach nur Pech. Mehr nicht. Glaub’s mir doch bitte.«

Sie sah zu mir empor wie ein Kind. »Wirklich?«, flüsterte sie. »Dr. Ashley hat nicht gemeint, irgendwer sei dran schuld?«

»Natürlich nicht. Weil’s einfach nicht so ist. Nur meine Biologie, meine Hormone, die Richtung halt. Irgendwann ist es vorbei, und dann lachen wir nur noch, wenn wir dran denken. Okay?«

Sie wirkte erleichtert. Zumindest fürs Erste. Bis mir nächste Woche haargenau das gleiche Gespräch bevorstand. Und die Woche danach. Und alle, die darauf folgten.

»Okay.«

Sie schnappte sich unsere leeren Tassen und trug sie zur Spüle.

»Ich borg dir heut Abend meine Handtasche, wenn du möchtest«, sagte sie lächelnd.

»Echt? Genial. Danke, Mum.«

Und sie verließ die Küche.

Die Sache ist nämlich die: Sosehr ich auch dagegen ankämpfe, ich bleibe ein wandelndes Klischee. Ich habe »psychische Probleme«. Hochoriginell, ich weiß. Ich verachte mich ja auch für diesen völligen Mangel an Kreativität, aber leider habe ich überhaupt keine Kontrolle darüber. Es ist, als müsse mein Hirn sich krampfhaft mit so was auf Trab halten, weil ich doch der Mittelschicht entstamme und mir über Geld und solches Zeug keinen Kopf zu machen brauche.

Vor ungefähr zwei Jahren saß ich in der Schule und lauschte gerade den Ausführungen meines Erdkundelehrers über fair gehandelten Kaffee, als ich es plötzlich ziemlich eindeutig fand, dass ich gleich sterben würde. Die Wände stürzten über mir zusammen, alles wurde schwarz, und atmen konnte ich auch nicht mehr.

Mir wurde klar, dass dies meine letzten Momente auf Erden waren, und ein Riesenschub Adrenalin jagte mir durch den Körper. Und während ich in blinder Panik nach Luft rang, dachte ich noch, wie unsäglich grauenhaft es doch war, mitten in Erdkunde den Löffel abzugeben. Ohne noch mal meine Eltern gesehen zu haben. Oder Louise. Wenn ich jetzt starb, würde das ihr Leben doch total versauen. Und mit Delfinen war ich auch noch nie geschwommen, hatte nie den Grand Canyon gesehen, auf einem Motorrad gesessen oder sonst irgendwas von den Dingen abgehakt, die man vor seinem Tod absolviert haben sollte.

Dann traf mich plötzlich die Erkenntnis, dass ich sterben würde, ohne jemals einen Freund gehabt zu haben. Und obwohl die Welt um mich herum im Nebel versank, konnte ich nur noch an die Liebe denken. Und dass ich sie nie erlebt hatte. Nie würde ich erfahren, wie es sich anfühlte, in der Gewissheit einzuschlafen, dass ein anderer Mensch an mich dachte. Nie würde mir jemand vertraulich die Hand auf den Rücken legen, um mich durch eine Menschenmenge zu geleiten. Und nie würde ich den Umriss eines anderen Gesichts blind nachzeichnen können und trotzdem nicht gelangweilt davon sein. Und wie ich so auf die graue, kaugummifleckige Auslegeware niedersank, hatte ich nur den Gedanken im Kopf, wie traurig das doch war.

Natürlich wachte ich wieder auf. Umringt von besorgten Gesichtern, meine Handballen blutig von den Fingernägeln, die ich hineingegraben hatte. Den Rest des Tages bekam ich frei. Meine romantischen Einsichten schob ich flugs beiseite, indem ich sie einer Gehirnerschütterung zuschrieb. Oder so. Die ganze Woche über wurde ich behandelt wie ein rohes Ei und irgendwann war Gras über die Sache gewachsen.

Mein Leben ging seinen gewohnten Gang. Bis es wieder passierte.

Ich war gerade mit meiner Mutter Tampons kaufen – wohl das Peinlichste, was man bei einer öffentlichen Nahtoderfahrung bei sich tragen kann. Wie schon beim ersten Mal wollten die Wände mich zerquetschen, und ich spürte, wie das Nichts mir die Luft abdrückte. An mehr erinnere ich mich nicht. Als ich wieder zu mir kam, lag ich kreischend auf dem kalten Marmorboden, während ein Dutzend verschreckter Kunden auf mich hinabstarrte. Meine Mutter umklammerte verzweifelt meine Hand, die Augen angstgeweitet.

Ein Arzttermin jagte den nächsten. Im Nu hatte Mum sich mit unserem Hausarzt überworfen und so nahmen wir uns natürlich »einen Privaten«. Nach Hunderten von Blutanalysen, zwei weiteren »Vorfällen« und Dutzenden von Überweisungen landete ich schließlich in einem großen weißen Gebäude und wurde genötigt, mich mit irgendeinem Grinsemann mit seltsam gelblichem Vorzeigegebiss zu unterhalten. Er nannte die Sache schließlich beim Namen. Panikattacken. Sehr verbreitet offenbar. Die hohen Anforderungen des modernen Lebens und so weiter.

Und so begannen meine wöchentlichen Sitzungen bei Dr. Ashley, dem Seelenklempner oder Hirndoktor, wie man eben mag. Außerdem durfte ich jeden Morgen, zwei Jahre lang, Mums gequälte Miene ertragen. Wie sie nach einer Antwort forschte, einer Ursache, und am Ende doch immer wieder Asche auf ihr unschuldiges Haupt lud.

Ich hielt meine Müslischüssel unter den Wasserhahn, um die Körnerreste abzuspülen, die sonst wie Zement am Rand haften würden. Dann wartete ich auf den Abend, der hoffentlich irgendeinen frischen Wind durch diese beknackte Stadt pusten würde.

Ich füllte die Wartezeit mit Mädchenkram. Ließ mir mit dem Nobelzeug meiner Mutter ein großes Schaumbad ein und rasierte mir die Beine. Probierte an die fünf Millionen verschiedene Outfits durch. Nach endlosen Überlegungen fiel meine Wahl auf den dunklen Jeansmini und das ausgewaschene Smiths-T-Shirt aus dem Secondhandshop, das ich meinem Vater aus der Tasche geleiert hatte. Ein paar Schichten Mascara, Eyeliner und Lipgloss später blickte ich auf mein Handy und stellte fest, dass ich die anderen in fünf Minuten treffen musste. Ein letzter Blick in den Spiegel – nicht übel. Ein echter Bringer allerdings auch nicht. Braune Augen starrten mir entgegen, teils verborgen unter straßenköterfarbenem Haar, das ich zu einer Art Rockergörenlook hatte überreden wollen, leider erfolglos. Ich schlüpfte in die ausgelatschten Ballerinas, schnappte mir meine Jacke und rannte zur Tür hinaus.

Es war immer noch hell, als ich zum Treffpunkt hastete. Allerdings stand die Sonne schon tief am Himmel und tauchte alles in goldenes Licht. Einen Moment lang schwelgte ich darin, wie hübsch es hier doch aussah, aber dann rief ich mir in Erinnerung, wie sehr ich Middletown hasste.

Meine Freundinnen warteten schon an der Ecke: Elizabeth, Ruth und Amanda.

»Du bist zu spät«, rief mir Lizzie entgegen. »Ich opfere echt mein halbes Leben dafür, auf dich zu warten.« Sie sah gut aus. Neue Jeans und ein schwarzes Oberteil. Ihr Haar hatte sie zu einem komplizierten Knoten aufgezwirbelt und sie trug eine Menge Eyeliner.

Ich joggte die letzten paar Meter auf sie zu. »’tschuldigung«, keuchte ich. »Akute Klamottenkrise.«

»Ja, ja. Ich krieg die Krise, wenn uns der heiße Gitarrist durch die Lappen geht.«

Bei den Worten »heißer Gitarrist« leuchteten Ruths Augen auf. Ich umarmte sie kurz zur Begrüßung.

»Hast du diesen mysteriösen Traumprinzen schon zu Gesicht bekommen?«, fragte sie mich.

Ruth war stets in Stimmung für eine neue Eroberung. Hatte sie erst mal ein Auge auf jemanden geworfen, war sie quasi nicht mehr zu bremsen und eigentlich auch nicht auszustechen. Nicht zuletzt wegen ihres eindrucksvollen Brustumfangs, an dem jede Konkurrenz einfach abprallte. Zum Glück war ich selbst nie an jemandem interessiert, denn neben Ruth hätte ich wohl kaum eine Chance gehabt.

»Hab vorhin erst von ihm erfahren. Aber heute Morgen hab ich vor der Apotheke ein Pferd kotzen sehen. Für mich ein eindeutiges Zeichen, dass ein toller Mann in der Stadt weilen muss.«

»Penny«, sagte sie. »Deine Worte betrüben mich. Um dich herum gibt es so viele tolle Männer. Wenn du nur einmal die Augen aufmachen und die unendlichen Möglichkeiten wahrnehmen würdest.«

»Tolle Jungs«, verbesserte ich. »Tolle Männer kennen wir, glaub ich, keine.«

»Ach, wenn ich erst mit denen durch bin, sind sie Männer.« Sie zwinkerte mir zu.

Ich hängte mich bei Amanda ein, die bisher noch nichts beigesteuert hatte. Die Gute. All die gemeinsamen Jahre mit Ruth hatten sie gelehrt, dass es einfach nicht der Mühe wert war.

»Wie läuft’s mit Johnno?«

Johnno war Amandas Beinahe-Freund. Sie hatte sich wieder selbst übertroffen und jemanden aufgetrieben, der noch schüchterner war als sie selbst. Die meiste Zeit über entschuldigten sie sich beieinander oder hielten verkrampft Händchen, wie Kinder, die man auf einem Hochzeitsfoto zusammengezwungen hat.

Sie lief knallrot an. »Mit Johnno ist alles gut«, haspelte sie. »Gestern haben wir es geschafft, uns zu küssen, ohne mit den Nasen aneinanderzuknallen.«

Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen. »Politik der kleinen Schritte, was?«

Lizzie hakte sich bei mir und Ruth unter, damit wir eine Reihe bildeten.

»Alles klar, die Damen«, sagte sie. »Mir schwant, dieser Abend wird unvergesslich.«

»Klaro«, murrte ich.

»Schnauze. Wirklich, ein Brennen in meinen Lenden verrät mir, dass sich heute Abend etwas ereignen wird.«

»Dagegen gibt’s eine Creme, gegen dieses Brennen.«

Ruths Augen leuchteten bestätigend auf. »Ja, stimmt. Kann dir da was empfehlen. Weg in null Komma nichts.«

»Ruhe jetzt«, sagte Lizzie und wir brachen in Gelächter aus. »Heute Abend werden große Dinge geschehen. Ich wittere es einfach.« Sie machte eine Kunstpause. »Mit meiner Reporternase.«

Wir verdrehten die Augen.

»Bringen wir’s hinter uns«, sagte ich.

Und wir zogen ab in Richtung Club.

2

Band-Night war ein ziemlich hochtrabender Begriff für das, was es eigentlich war: der Gig irgendeiner Band aus der Gegend in einem ranzigen Club in der Innenstadt. Der Clubbesitzer verschloss die Augen davor, dass alle minderjährig waren, und im Gegenzug schleppten die Bands sämtliche ihrer Freunde an, um die sonst völlig verwaiste Tanzfläche zu füllen. Wir gingen hin, seit Ruth ihre Titten bekommen und gelernt hatte, den Türsteher damit abzulenken.

Es wurde schon dunkel, als wir vor dem Clubeingang ankamen.

»Oh nein«, sagte Lizzie. »Da stehen sie schon Schlange. Die müssen das von dem heißen Gitarristen auch mitgekriegt haben.«

Tatsächlich reihten sich die Wartenden bis um die Ecke des Clubs. Zahlreiche Mädchengrüppchen hatten sich zu bibbernden Trauben zusammengeschlossen und taxierten schweigend die umstehende Weiblichkeit. Wir vier tappten ans Ende der Schlange und sahen im Vorbeigehen, wie die anderen Mädchen feindselige Blicke auf uns und Ruths schamlosen Ausschnitt warfen. Ruth feixte und drückte die Brust noch einen Tick weiter raus.

»Wir hätten uns vordrängeln sollen«, sagte sie.

»Unnötig«, meinte Amanda. »Es geht eh schnell voran.«

Ruth markierte einen Trotzanfall und stampfte mit dem Fuß auf. »Aber die da vorne lernen den heißen Gitarristen eher kennen als ich!«

Ich lächelte. »Ach, komm schon. So heiß ist der wahrscheinlich gar nicht. Bestimmt ist er totaler Durchschnitt, und jeder hält ihn nur für heiß, weil er auf der Bühne eine Gitarre hält.«

Lizzie seufzte tief auf. »Stellt euch mal vor«, meinte sie, »was für ein Traum das doch wäre, mit einem Musiker zu gehen!«

Die anderen beiden stimmten in ihr Seufzen ein.

»Oh Gott, allein die Vorstellung, da inmitten all dieser Menschen zu stehen und zuzusehen, wie dein Freund von allen angeschmachtet wird, und zu wissen, mit dir geht er später nach Hause«, schwelgte Ruth.

»Oder er holt seine Akustikgitarre raus und singt ein Liebeslied, und du weißt, das hat er nur für dich geschrieben«, ergänzte Lizzie.

»Oder du stößt in jedem zweiten People-Magazin auf Interviews mit ihm, und da steht schwarz auf weiß, wie sehr er dich anbetet«, schloss Amanda.

Ich lüpfte eine Augenbraue und wir rückten ein Stückchen in der Schlange auf. »Oder … stellt euch vor, ihr seid jedes Mal krank vor Panik, wenn er auf Tour ist, weil’s schon vorprogrammiert ist, dass er fremdgeht. Stellt euch vor, ihr seid nur als die Freundin von dem und dem bekannt und nicht als ihr selbst. Oder wie ihr zu Hause mit seinen Bälgern versauert, während er immer noch ständig auf Achse ist und einen auf Rockstar macht, obwohl er längst einen schwabbeligen Altmännerbauch und kaum noch ein Haar auf dem Kopf hat. Oder …« Ich unterbrach meine Tirade, weil ich merkte, wie mich alle mit Blicken durchbohrten.

Lizzie pfiff leise durch die Zähne. »Warum, zum Teufel, schleifen wir dich überhaupt mit, Penny?«

»Ja, du alte Spielverderberin«, sagte Ruth. »Man wird ja wohl noch träumen dürfen.«

Wir rückten wieder in der Schlange auf. Jetzt hatten wir es fast geschafft.

»Natürlich darf man träumen«, wiegelte ich ab. »Aber einen Musiker als Freund? Kommt schon, Mädels. Das ist so was von abgeschmackt.«

Ihr Stöhnen kam im Chor.

»Mensch, du bist ja völlig besessen!«

»Ich bin nicht besessen. Ich begreife nur nicht, warum ihr so scharf darauf seid, euch irgendeine melancholische Arschgeige zu angeln, die zu allem Überfluss auch noch ihre Wachstumsschmerzen besingt. ›Growing Pains‹, also wirklich!«

Lizzie feixte. »Wer weiß? Vielleicht ist er unglaublich talentiert und selbstkritisch zugleich und verfällt einer von uns mit Haut und Haaren.«

»Lizzie. Das Leben ist keine Seifenoper.«

»Na, zum Glück lässt du keine Gelegenheit aus, mich darauf hinzuweisen.« Sie hakte sich wieder bei mir unter und wir betraten den Club.

Dank all der Möchtegerngroupies war der Laden gestopft voll, ganz anders als üblich. Auf der sonst so spärlich genutzten Tanzfläche drängten sich heute dicht an dicht wimperngetuschte Mädchen mit ausgefahrenen Ellenbogen. Ein Blick auf die Uhr – gerade mal halb zehn. Die Band würde frühestens in einer halben Stunde loslegen und trotzdem kloppten sich die Tussis bereits um die VIP-Plätze im ersten Rang. Ihre wilde Entschlossenheit hing derart schwer in der Luft, dass man sie fast hätte in Flaschen abfüllen und als Parfüm verkaufen können.

Trotz heftiger innerer Gegenwehr mochte ich den Laden. Die leuchtend lila Wände waren mit alten Schwarz-Weiß-Fotos berühmter Musiker geschmückt. Die ehemals weiße Decke war vergilbt von all den Zigaretten, die hier im Laufe der Jahre verglommen waren. Doch am liebsten mochte ich die Bar. Ganz im Geist des Rock ’n’ Roll hatte der Besitzer verfügt, dass alles, was aus Portionierern ausgeschenkt werden konnte, auch aus Portionierern ausgeschenkt werde musste – selbst der Wein. Er hatte sich sogar Portionierer spezialanfertigen lassen, aus denen Rosé in 250-Milliliter-Einheiten abgegeben wurde. Das war zwar etwas eklig, aber wenigstens hatte der Club Charakter – was in dieser Reißbrettstadt seltener anzutreffen war als ein sibirischer Tiger.

Die Mädels und ich bahnten uns einen Weg zur Bar. Ich setzte die Ellenbogen ein, drängelte mich zur Theke und beugte mich vor, um die Aufmerksamkeit des Barkeepers zu erregen.

»Was darf’s sein?«, brüllte er über die lauten Heavy-Metal-Riffs, die zum Anheizen der Menge aus den Lautsprechern dröhnten.

Ich reckte die Finger. »Vier große Cuba Libre mit Cola light, bitte.« Langsam wurde es schwül und ich fächelte mir Luft zu. »Auf Eis.«

Während ich wartete, beobachtete ich, wie Lizzie sich unter die Leute mischte. Das Mädchen kannte echt jeden. Sie schwirrte von einer Gruppe zur nächsten und saugte Gerüchte auf, wie ein Kolibri auf Nektartour. Garantiert quetschte sie gerade alle nach der neuen Band und ihrem mysteriösen Gitarristen aus. Lizzie wusste gern, was Sache war. Alles eine Investition in ihre Zukunft, meinte sie.

Der Barkeeper reichte mir die Drinks und ich schob ihm einen Zehner und einen Fünfer rüber, bevor ich mir die Gläser vorsichtig zwischen die Finger klemmte. Dann kämpfte ich mich zurück zu meinen Freundinnen, die sich inzwischen einen Platz in Bühnennähe gesichert hatten.

»Also, was hab ich verpasst?«, kreischte ich über das Gewummer und begann, die Drinks auszuteilen.

»Danke«, schrie Lizzie zurück und schnappte sich ein Glas. »Weißt du was? Ich hab Eins-a-Infos über Noah.«

»Wer ist Noah?«, rief ich und nahm einen tiefen Schluck.

Ihr Antwortbrüllen ging im Lärm unter.

»Was?!« Ich beugte mich vor.

»ICH HAB GESAGT, NOAH IST DER HEISSE GITARRIST.«

Ich nickte. Noah hieß er also. Erstaunlich, dass es nichts Angeberischeres war. Mir hatte eher etwas Richtung »Hendrix« vorgeschwebt.

Lizzie winkte uns alle noch näher heran. »Ich hab gehört …« Sie versuchte sich an einem dramatischen Flüsterton, musste aber fast schreien, um verstanden zu werden. »Rachel hat mir erzählt, er wohnt alleine, weil seine Eltern ihn rausgeschmissen haben.«

»Was, echt?«, fragte Amanda mit aufgerissenen Augen, als habe Lizzie eröffnet, er sei zur Hälfte Heinzelmännchen oder so was.

Lizzie nickte ernst. »Anscheinend hat er sie total fertiggemacht. Der muss echt einen an der Klatsche haben. Vor ungefähr zwei Jahren ist er dann hierhergezogen und die haben klinische Depression bei ihm festgestellt«, fuhr sie fort. »Aber er hat sich geweigert, in Therapie zu gehen, und hat sich lieber auf Alk und Weiber gestürzt. Der muss der totale Hurenbock sein. Richtig böser Bube.«

Die anderen bekamen einen ganz wehmütigen Blick, wo ich nur höhnisch grinsen konnte. Echt, klischeehafter ging’s nicht.

»Egal, anscheinend hat die Sache mit der Band alles wieder ins Lot gebracht. Musik hilft ihm wohl, sich … besser zu fühlen.«

»Wow«, sagte Amanda. »Der klingt ja … innerlich total zerrissen.«

Ruth pflichtete ihr bei. »Ja, der muss ganz schön was durchgemacht haben. Bestimmt wünscht der sich einfach nur eine richtige Freundin, eine, die ihm Bodenhaftung gibt. Eine Schulter zum Ausweinen. Eine, der er vertraut, auf die er sich verlassen kann.«

Eine Weile standen wir schweigend herum. Wahrscheinlich malten sich meine Freundinnen im Geiste aus, wie es wohl wäre als sein Wundermädchen, als die Lösung all seiner Probleme. Stöhn.

Wir leerten unsere Gläser und Ruth zog ab, eine neue Runde organisieren, während wir unsere Stehplätze verteidigten. Langsam wurde es hier so richtig knallvoll, und knallheiß obendrein. Ich spürte, wie sich unter meinen Stirnfransen ein dünner Schweißfilm bildete. Sehr attraktiv. Obwohl wir so spät gekommen waren, hatten wir eigentlich einen ziemlich anständigen Blick auf die Bühne – nicht ganz vorne, aber dafür direkt in der Mitte. Noch mehr Leute drängten herein, doch wir hielten die Stellung. Ruth brachte den Getränkenachschub und ich sah wieder auf die Uhr. Zwei vor zehn. Jetzt konnte es jeden Augenblick losgehen. Weitere Zuschauer versuchten, sich einen besseren Blick zu erkämpfen, und ein paar Idioten begannen, ihre Bierbecher in die Menge zu schleudern. Eine kreischende La-Ola-Welle erhob sich, wobei sich einige mit Sorgfalt erstellte Mädchenfrisuren in Nichts auflösten.

Die Lichter erloschen, Jubelgeschrei setzte ein. Ich konnte erkennen, wie die Schattenrisse der Band auf die Bühne traten, und auf einmal brandete mir eine Woge fremder Gliedmaßen in den Rücken. Ich verlor den Boden unter den Füßen und wurde an den Rippen einen halben Meter nach vorn geschleift. Meine Zehen krallten sich in die Ballerinas, um sie ja nicht zu verlieren, und ich wurde leicht panisch bei der Feststellung, dass ich meine Freundinnen nicht mehr sah. Mühsam drehte ich den Kopf und machte irgendwo hinter mir Lizzie aus. Sie lächelte und wartete aufgeregt auf das Einsetzen der Musik. Ich erwiderte ihr Lächeln und plötzlich sprang die Bühnenbeleuchtung an, katapultierte die Band ins grellweiße Rampenlicht. Aus den Boxen brach Musik hervor …

Und dann blieb mir die Luft weg.

Die Musik wurde ganz blechern und mein Kopf füllte sich mit Mief. Ich versuchte einzuatmen, doch der Sauerstoff erreichte meine Lunge nicht. Die Füße gaben unter mir nach, und ich spürte, wie die Menge mich nach vorne schob. Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Ich war völlig auf die fremden Körper angewiesen, die mich aufrecht hielten, während ich mich an meinen Techniken aus der Therapie versuchte.

Du stirbst nicht, sagte ich mir. Das ist nur eine Panikattacke. Du stirbst nicht.

Aber das kaufte ich mir nicht ab. Das hier war schlimmer als alles, was ich je erlebt hatte. Meine Lunge brannte, mein Gesichtsfeld wurde immer enger.

»Hilfe«, krächzte ich, in der Hoffnung, irgendwer würde mich hören. Doch die Hilfe kam nicht.

Wieder versuchte ich zu atmen, wieder erfolglos. Panik schwappte durch meinen Körper wie ein Tsunami.

Ich muss raus hier. Ich sterbe.

Mit meiner ganzen verbliebenen Kraft versuchte ich, aus dem Gedränge auszubrechen, nur am Rande wahrnehmend, wie mich Leute anbrüllten. Meine Freundinnen waren nirgends zu sehen. Nichts war zu sehen. Alles wurde immer dunkler.

ATMEN, befahl ich mir. Aber ich schaffte es nicht. Nur leeres, sinnloses Luftschnappen. Meine Lunge fühlte sich an, als würde sie explodieren.

Ich ertrinke, dachte ich. Ich ertrinke ohne Wasser.

Ich merkte, wie mir die Füße auf dem biergetränkten Boden wegglitten, wie das Feuer in meiner Lunge auf die anderen Organe übergriff. Ich ließ mich einfach fallen. Vernahm dumpf und vage das Dröhnen der Akkorde aus den Verstärkern. Dann wurde alles schwarz und endlich herrschte Ruhe.

3

Schmerz. Brennen.

Schwarz war es noch immer, aber mit der angenehmen Ruhe war es vorbei.

»Die Augenlider zucken«, hörte ich. Es klang, als läge eine kilometerdicke Wasserschicht zwischen der Stimme und mir.

Wieder erfüllte das Brennen meine Lunge. Das tat so weh. Das musste raus, raus aus mir. Meine Augen klappten auf. Ich lag auf dem Rücken. So würde das nicht funktionieren. Mit ganzer Kraft warf ich mich auf die Seite, als mir die Kotze gleich kübelweise aus dem Hals schoss. Ich würgte. Ich röchelte nach Luft. Ein saurer Geschmack verätzte mir den Hals, Geschmack nach erbrochenem Cuba Libre auf seinem Weg zum Asphalt. Ein paar Minuten lag ich so auf der Seite, abstoßend in jeder Hinsicht. Immer wieder spuckte ich, wischte mir den Mund ab, würgte erneut. Sollte mich doch sehen, wer da wollte. Einfach nur dieses Giftzeugs loswerden. Als ich endlich fertig war, rollte ich mich auf den Rücken und wischte mir durchs Haar. Es war schweißgetränkt.

»Da schlug das liebliche Dornröschen die Augen auf«, erhob sich eine sarkastische Stimme.

Lizzie. Ich fokussierte angestrengt und bekam schließlich auch ihr Gesicht scharf. Wir befanden uns außerhalb des Clubs, einmal um die Ecke auf einem winzigen, schmierigen Grünstreifen neben dem Gehsteig. Lizzie und Amanda sahen beunruhigt aus. Nun ja, Lizzie wirkte eher angeekelt als beunruhigt.

Ich holte tief Luft. »Was zum Teufel war da los?« Ich versuchte, den Kopf zu heben, doch Lizzie drückte ihn energisch in ihren Schoß zurück.

»Immer langsam mit den jungen Pferden. Du rührst dich erst mal nicht vom Fleck.« Sie sah mich ganz mütterlich an. »Du hattest wieder einen von deinen Anfällen. Amanda und ich haben uns echt in die Hose gemacht.«

Amanda hockte im Schneidersitz auf dem Gras, in respektvollem Abstand zu meiner Pfütze. Sie wirkte bis ins Mark erschüttert. Mir fiel ein, dass sie bisher noch keine meiner Panikattacken miterlebt hatte.

»Wie lange war ich weg?« Ich verlor immer jedes Zeitgefühl dabei.

»Nur ein paar Minuten. Nichts verpasst, keine Angst.«

»Wo ist Ruth?«, fragte ich.

Ein säuerlicher Ausdruck huschte über Lizzies Gesicht, bevor sie wieder ein Lächeln zustande brachte.

»Die hält uns unsere Plätze frei. Ich hab ihr gesagt, bei dir braucht sie sich nicht zu bemühen, weil du eh gleich nach Hause gehst, aber sie hat trotzdem drauf bestanden.«

»Nach Hause? Ich geh nicht nach Hause!«

»Doch, tust du. Mensch, Penny, so was hab ich echt noch nie erlebt. Ich mein, ich hab dich schon mal zusammenbrechen sehen, aber so noch nie. Ich dachte, du bist tot.«

Hinter ihrem aufgesetzten Grinsen erkannte ich jetzt echte Besorgnis. »War ich so schlimm?«, fragte ich. »Hm, es hat sich zumindest schlimmer angefühlt als sonst.«

»Es war wirklich grauenvoll. Ich hab versucht, ein Auge auf dich zu haben, weil Menschenmengen das ja manchmal auslösen bei dir. Du hast völlig okay gewirkt, obwohl da drinnen echt die Hölle los war. Meine Frisur ist völlig hinüber …« Sie hielt inne und setzte neu an. »Egal, kaum war die Band auf der Bühne, hast du deine Zuckungen gekriegt. Ich hab noch versucht, mich zu dir durchzuschlagen, aber da war kein Durchkommen durch diese Menge. Du bist rumgewankt, als würden deine Füße streiken oder so. Und dann bist du einfach abgetaucht. Ich hab mich zu dir durchgeboxt. Du warst bewusstlos, aber hast so gezittert – wie unter Elektroschocks. Ich sag’s dir, das sah echt übel aus. Wenn ich’s nicht besser wüsste, würde ich glauben, das war ein epileptischer Anfall oder so was.«

Einen Moment lag ich still da und verarbeitete ihre Worte.

»Dann hab ich mich also komplett zum Deppen gemacht, was?«

»Aber hallo!« Lizzie pfiff durch die Zähne. »Egal, was verschwendest du da überhaupt einen Gedanken dran, Penny? Du hast’s überstanden, alles andere ist völlig schnurz.«

Ich überging ihren Kommentar und blickte auf zu Amanda. »Hab ich mich zum Deppen gemacht oder nicht?«, fragte ich sie.

Amanda sah nervös drein, wahrscheinlich weil Lizzie sie anstarrte wie der Leibhaftige.

»Keiner hat’s wirklich mitgekriegt«, versicherte sie mir schließlich. »Alle waren viel zu sehr auf die Band fixiert. Die sind übrigens erstaunlich gut.«

Ich hievte mich in Sitzposition. Laue Nachtluft auf klebrigem Gesicht, das hatte was.

»Na, wenn das so ist«, sagte ich und stand vorsichtig auf, »dann gehen wir besser mal rein und schauen sie uns an.«

Lizzie war geschockt. »Nein, Penny. Komm schon. Wir müssen dich heimbringen.«

»Mir geht’s gut. Bitte, lasst mich einfach normal weitermachen.«

»Aber vielleicht kriegst du noch so einen Anfall.«

»Werd ich nicht. Das ist jetzt durch. Kommt, wir suchen Ruth.«

Lizzie schaute verzweifelt zu Amanda. »Wir können sie da doch nicht wieder reinlassen.«

Amanda zuckte die Schultern. »Willst du dich ihr in den Weg werfen?«

»Ha! Triumph!« Ich reckte die erhobene Faust in die Luft, wurde prompt unsicher auf den Beinen und geriet ins Taumeln. Lizzie hielt mich gerade noch aufrecht und stierte mich böse an.

»Okay«, seufzte ich. »Ich bleib ganz hinten wie der letzte Depp. Nur falls es noch mal passiert. Was nicht der Fall sein wird.«

Wir gingen langsam zum Clubeingang zurück und hielten den Türstehern im Vorbeigehen unsere gestempelten Handrücken unter die Nase. Denen fiel gleich auf, dass Lizzie und Amanda den größten Teil meines Körpergewichts stemmten, und einer von ihnen hob die Augenbrauen.

»Alles klar mit eurer Freundin?«, fragte er und beäugte mich misstrauisch.

»Der geht’s bestens«, antwortete Lizzie, bevor sie sich an mich wandte. »Ist doch so, Penny, oder?«

»Vollgepumpt mit Lebenslust.«

Das Gelächter folgte uns noch durch die Clubtür. Augenblicklich waren wir von der lauten Musik eingehüllt. Wir standen ganz hinten und binnen zehn Sekunden hatte ich beschlossen, die Band zu mögen. Sie waren wirklich der Wahnsinn. So ganz anders. Mein Herz hämmerte so wild im Rhythmus der Musik, dass ich zur Beruhigung die Arme um mich schlingen musste. Aus der Menge stiegen gigantische Dampfwolken auf.

»UNGLAUBLICH«, brüllte ich Lizzie und Amanda zu, die mich beide angrinsten.

»HAB ICH’S NICHT GESAGT?«, kreischte Lizzie zurück. »UND JETZT GIB DIR BITTE MAL DEN GITARRISTEN.«

Mein Blick folgte ihrem Finger durch den brechend vollen Raum in Richtung Noah.

Ich bin noch nie mit vollem Karacho in eine Mauer gerannt, aber ich konnte mir vorstellen, dass es sich so ähnlich anfühlen musste: Die Zeit schien stillzustehen wie bei einer richtigen Kinoschmonzette. Ich spürte, wie ich den Atem anhielt, als ich mich an seinem Anblick weidete. Lizzie hatte recht. Er war wunderschön.

Er stand ganz links auf der Bühne, die Gitarre lässig auf der Hüfte. Sein Blick war konzentriert, völlig auf sein Spiel gerichtet. Verschwitztes dunkles Haar fiel ihm in die schwarzen Augen und umrahmte sein perfekt proportioniertes, markantes Gesicht. Ein verwaschenes grünes T-Shirt klebte an seinem schmalen, aber muskulösen Leib und die Jeans saß ihm tief auf der Hüfte. Schnell prüfte ich seine Beine und seufzte erleichtert auf – keine Skinny Jeans! Ein wahres Wunder! Unwillkürlich leckte ich mir die Lippen. Ich wollte mich zu meinen Freundinnen umdrehen und seine Erscheinung im Detail erörtern, aber ich konnte meinen Blick nicht von seinem Gesicht abwenden.

Verdammte Hacke, was war denn bloß in mich gefahren? Ich musste meine Augen regelrecht von ihm losreißen. Lizzie grinste.

»Heiß, heiß oder heiß?«, fragte sie.

»Heiß heiß.« Ich nickte mit Nachdruck. »Punkt für dich.«

Sie schlang ihren Arm um Amanda und mich und zog uns zu sich heran.

»Eines Tages werdet sogar ihr begreifen, dass ich unfehlbar bin. Dann darf ich dich wohl auf die Liste der Interessierten setzen, Penny?«

Ich erwachte schlagartig. »Was?«, prustete ich. »Nein!«

Lizzie knuffte mich in die Seite. »Kleiner Scherz, krieg dich wieder ein. Außerdem …« Sie zeigte ins Gedränge. »Sieht so aus, als hättest du bereits Konkurrenz, und zumindest ich für meinen Teil würde mich nur ungern mit Ruth anlegen.«

Wieder folgte ich ihrem Zeigefinger. Er wies mich zu Ruth, die es irgendwie geschafft hatte, sich in die erste Reihe durchzuwuseln. Sie stand direkt unterhalb von Noah und starrte ihn mit entschlossener Miene an. Das Herz rutschte mir in die Hose – aus unerfindlichen Gründen, denn das entsprach doch völlig Ruths Standardverhalten. Aber heute Abend ging es mir auf die Nerven.

»Was hat die denn vor?«, zischte ich Lizzie zu. »Heute geht sie aber über Leichen.«

»Das hat bisher noch keinen Typen abgeschreckt.«

Da war was dran.

Ich drehte mich wieder zurück und beobachtete Ruth bei der Arbeit. Sie stand direkt in Noahs Sichtlinie und riss ihm mit ihren Blicken fast die Kleider vom Leib. Mir war schleierhaft, wieso ihre Frisur der Hitze standgehalten hatte, und ich hätte schwören können, dass sie ihren Ausschnitt noch einen offenen Knopf tiefergelegt hatte.

Das schien alles unfassbar unsubtil, aber wie Lizzie gesagt hatte: Die Erfolge von Ruths Charmeoffensiven sprachen für sich.

Nur ein Trost blieb mir in meiner völlig irrationalen Wut: Noah schien Ruth gar nicht zu bemerken. Sein Blick blieb auf seine Gitarre und seine virtuos umherschwirrenden Finger geheftet. Interesse an seinem Publikum: gegen null.

Die Band spielte jetzt einen Gute-Laune-Song und alles tanzte und bespritzte sich gegenseitig mit Schweiß. Der Leadsänger – ein ordentlich gebauter Typ, attraktiv, aber eben kein Noah – schien voll in der Menge aufzugehen. Er hob die Hände über den Kopf und klatschte, um das Publikum zum Mitsingen zu animieren.

Als das Stück seinen Höhepunkt erreichte, zerrte Noah den Blick von seiner Gitarre und nahm die wogende Menschenmenge wahr, die ihm huldigte. Mit einem atemberaubenden Lächeln reckte er die Hand in die Luft. Das Publikum drehte komplett durch, alle Mädchen brachen in Gekreische aus. Ruths höchsteigener Beitrag war trotzdem noch herauszuhören. Völlig in Noahs Anblick versunken, bemerkte ich auf einmal, dass sich unsere Blicke trafen. Wieder begann mein Gesichtsfeld zu verschwimmen und ein nur allzu vertrautes Gefühl der Schwäche überrollte mich. Verdammte Hacke. Nicht schon wieder.

Es dauerte kaum eine Sekunde. Einen winzigen Moment lang starrten wir uns einfach nur an, mein Magen schlug Purzelbäume und mein Herz hämmerte wie verrückt. Und dann war es vorbei, so schnell, wie es begonnen hatte.

Die Musik hatte schlagartig aufgehört. Schluss, Sense. Die aufgekratzten Klänge wichen verwirrtem Schweigen und das Publikum suchte nach einer Erklärung. Die fand sie im Rauch, der aus Noahs Gitarrenverstärker aufstieg und die Bühne in beißenden Gestank hüllte. Noah eilte zu seinem Verstärker wie eine Mutter, die sich zur Rettung ihres Kindes vor ein Auto wirft. Der Rest der Band hechtete quer über die Bühne und kämpfte sich durch den Rauch, um zu retten, was zu retten war.

Ich drehte mich zu Lizzie und Amanda und schaute sie fragend an. Sie zuckten mit den Schultern.

»Noch was zu trinken?«, fragte ich.

Beide nickten.

Auf dem Weg zur Bar warf ich einen raschen Blick über die Schulter. Der Verstärker qualmte noch immer. Mir schwante, dass der Gig damit beendet war.

»Zwei Cuba Libre mit Cola light und ein großes Glas Leitungswasser«, bat ich und lehnte mich über den Tresen. Das Wasser war für mich. Panikattacken mit Alkohol zu begießen war bekanntlich nicht die beste Idee.

Während ich wartete, trat der vierschrötige Sänger ans Mikro.

»Äh, hi Leute!«, richtete er sich an die Menge. Sein überlegenes Bühnenego war wie weggeblasen; er wirkte ein bisschen nervös. »Ich glaube, wir müssen den Gig hier abbrechen. Der Verstärker ist hinüber. Abgeritten zu seinen Ahnen.«

Stöhnen und Buhrufe aus dem Publikum.

»Sorry, Leute, aber wir können’s nicht ändern. Danke fürs Kommen. Nächsten Monat sind wir wieder hier. Schaut bis dahin mal auf unserer Website vorbei.«

Die meisten waren zu diesem Zeitpunkt schon längst im Aufbruch und er tat mir richtig leid.

Noah stand neben der Bühne und wurde von einer riesigen Mädchenherde getröstet. Ruth hatte sich direkt neben ihm postiert, berührte seinen Arm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Wieder packte mich diese rasende Wut. Ich winkte den Barkeeper zu mir herüber.

»Doch drei Cuba Libre.«

Schäumend entriss ich ihm die Gläser und goss mir dann mit großer Geste meinen eigenen Drink hinter die Binde. Natürlich war mir klar, dass Eifersucht ein völlig destruktives und sinnloses Gefühl ist, aber ich konnte mir nicht helfen: Ruths ständiges Rumgebalze brachte mich auf die Palme. Sie war eine Art magische Lustfee, die die gesamte männliche Bevölkerung mit einem neckischen Zwinkern oder einer raffinierten Doppeldeutigkeit verzaubern konnte. Männer zerbröselten zu umherstolpernden Ruinen. Selbst die charakterfestesten konnten ihren Reizen nicht widerstehen – keinem von beiden. Normalerweise störte mich das nicht, aber bisher hatte ich mich ja auch noch nie für jemanden interessiert. Ich blickte auf die beiden verbliebenen Drinks hinab und sinnierte, ob ich Lizzies und Amandas noch hinterherschütten sollte. Dann riss ich mich zusammen und wandte mich wieder Ruth und Noah zu, die nun tief in eine Unterhaltung verwickelt waren. Ich sah, wie sie ihm wieder etwas ins Ohr säuselte, um dann lachend ihren Kopf in den Nacken zu werfen. Und eine Sekunde lang, das hätte ich schwören können, guckten sie zu mir herüber.

Nur nicht durchdrehen, Penny. Das bildest du dir ein.

Als der Club sich langsam leerte, wurde es einfacher, zu meinen Freundinnen durchzukommen. Lizzies und Amandas Blicke hingen ebenfalls an Ruth.

»Die hat so ein Schwein«, sagte Lizzie, griff sich ihren Drink und leerte ihn mit ähnlich melodramatischer Geste. Ich hob eine Augenbraue. Anscheinend war ich hier nicht die Einzige, die an gelegentlichen Anfällen von Ruth-Neid litt.

Amanda nickte. »Die hat’s einfach drauf, was? Ich werd nie kapieren, wie sie …«

»Hey, schaut mal«, unterbrach Lizzie, »sie kommen zu uns rüber.«

Ruth hielt Noah bei der Hand und führte ihn durch den verbliebenen Bodensatz der Feiernden. Ein selbstzufriedenes Grinsen klebte ihr im Gesicht. Wir drei gaben vor, ihr Kommen gar nicht zu bemerken. Ich malte mit der Spitze meines Ballerinaschuhs auf dem Boden herum und lugte hinter meinem Pony hervor, der immer noch schweißnass war. Keine Ahnung, ob das jetzt reines Wunschdenken meinerseits war, aber Noah wirkte nicht gerade glücklich darüber, mit Ruth Händchen zu halten. Als sie näher kamen, wurde mir bewusst, dass mein Herz wie ein Presslufthammer gegen meine Rippen rammte. Fühlte es sich so an, wenn man jemanden wirklich gut fand? Allein beim Gedanken wurde ich rot. Als die beiden uns erreichten, beschloss ich, meine Augen tunlichst auf Fußhöhe zu halten.

»Noah«, erscholl Ruths durchdringendste Nervensägenstimme, »darf ich dir meine allerallerbesten Freundinnen vorstellen?« Ruth führte uns alle einzeln vor. »Das sind Lizzie, Amanda und Penny.« Mein Kopf nickte ganz von selbst, als mein Name fiel, doch mein Blick verharrte eisern auf den Dielen. Mit Nicken war der Höflichkeit ja wohl Genüge getan, oder?

»Hey, nett dich zu treffen«, sagte Lizzie. »Super Show. Na ja, bis der Verstärker in die Luft gegangen ist jedenfalls.«

Da hörte ich, wie er lachte. Ein rauer, herrlicher Klang. Der Presslufthammer hinter meinem Rippenbogen drehte noch etwas auf. Ich spielte mit meinem Fuß herum und betete inbrünstig, dass niemand meinen kleinen Nervenzusammenbruch bemerkte.

»Ja, das war wirklich seltsam.« Seine Stimme war tief, etwas heiser. Mein Körper reagierte ganz merkwürdig darauf – zusammenreißen jetzt!

»Ich würde es ja gerne auf mein begnadetes Spiel schieben … Verstärker kapitulierte, weil er meinem göttlichen Gitarrensolo nicht gewachsen war und so weiter.« Er sah verschwörerisch in die Runde. »Aber leider war’s nur eine technische Störung.«

Die anderen lachten über seinen gespielten Größenwahn. Wenn er denn gespielt war. Ich hingegen stand stocksteif da wie ein Schwachkopf mit Interaktionsproblemen.

»Also, ich fand’s toll«, schwadronierte Ruth. »Obwohl ich glaube, körperlich hat es nicht so stark auf mich gewirkt … wie auf unsere Penny.«

Bei der Erwähnung meines Namens schoss mein Kopf in die Höhe und ich schaute sie verwirrt an.

»Penny ist die, von der ich dir erzählt habe«, fuhr sie zuckersüß fort. »Dein Auftritt hat sie derart beeindruckt, dass sie glatt aus den Latschen gekippt ist.« Dann schüttelte sie ihre Mähne und lachte, während ich sie ungläubig anstarrte.

Eine nitroglyzeringleiche Mischung aus Demütigung, Verwirrung, Schmerz und Zorn breitete sich in mir aus. Ich begann zu zittern, mit knallroten Wangen, und die Tränen schossen mir in die Augen.

»Stimmt das, Penny?«, fragte Noah. Seine Stimme klang leicht gezwungen, als würde er sich das Lachen verkneifen. »Bist du echt ohnmächtig geworden? So unwiderstehlich war ich?«

Ich holte tief Luft, zählte, wie ich es gelernt hatte, und zwang mich dann, ihm ins Gesicht zu sehen.