Impressum
Covergestaltung unter Verwendung des Bildes 'Lola Montez' von Jos. Stieler.
ISBN: 9783955014858
2014 andersseitig
andersseitig Verlag
Dresden
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Gertrude Aretz
Berühmte Frauen der Weltgeschichte
Erst am Sonntag darauf starb Ludwig XIV. Liselotte war des besten und mächtigsten Freundes beraubt, den sie besessen hatte. Drei Generationen des königlichen Hauses hatte der Tod in kurzen Zwischenräumen hinweggerafft. Liselottes Sohn war plötzlich in den Vordergrund gerückt. Ihm war es bestimmt, das im Sinken begriffene Staatsschiff als Regent des noch minderjährigen Ludwigs XV. weiterzulenken.
Wir wissen, dass die Herzogin von Orléans sehr stolz auf ihren begabten Sohn war. Mit viel Geschick und grossem Verständnis hatte er die Staatsgeschäfte in die Hand genommen, und es erwies sich, dass er nicht nur ein tüchtiger Feldherr, sondern auch ein ausgezeichneter Politiker war. Aber als Mensch war er, wie sein Vater, ein Wüstling. Der Mutter waren seine Ausschweifungen nicht unbekannt, und sie konnte sich nicht recht des grossen Glücks erfreuen, das Philipp nach dem Tod Ludwigs XIV. auf den Thron Frankreichs erhoben hatte. Sie sah voraus, dass ihr Sohn erst recht in den Strudel der Leidenschaften mit fortgerissen werden würde, sobald er tun und lassen konnte, was er wollte und keinen Gebieter mehr über sich fühlte. Ein gewisser Trost in dieser trüben Voraussicht war ihr nur, dass sein Herz bei allen Fehlern nicht verdorben war und nicht verderben konnte. Philipp war nur durch den Zynismus einer überaus leichtlebigen und sinnlichen Umgebung verwildert. Das verderbliche Beispiel seines Vaters, das er von frühester Jugend an vor Augen gehabt hatte, überhaupt das ganze verführerische Leben an Ludwigs epikuräischem Hofe hatte viel zu den Neigungen des jungen Herzogs beigetragen. Was jedoch Liselotte, die so wenig Glück und Liebe in der eigenen Familie kennengelernt hatte, wirklich erfreute, war der Umstand, dass ihr Sohn ihr stets die grösste Achtung und Ergebenheit erwies, selbst als Regent. Wenn er auch nicht immer mit seiner Mutter übereinstimmte, so vermochten doch niemals die Intrigen des Hofes ihn ganz von ihr zu entfernen.
Nur mit der Schwiegertochter, dem «Mausdreck», war die Herzogin von Orléans nie einverstanden. Sie behauptete, die junge Herzogin beherrsche ihren Sohn vollkommen und mache mit ihm, was sie wolle. Liselotte fürchtete und hasste zugleich diesen Einfluss, mehr als jeden anderen; denn sie kannte ihres Sohnes Gemahlin als getreue Verbündete ihrer grössten Feindin, der Madame de Maintenon. Es war überdies nicht eine ganz unbegründete Angst der Mutter. Beinahe wäre es den Brüdern der jungen Herzogin, besonders dem Herzog von Maine, gelungen, sich nach des Königs Tode an Philipps Stelle auf den Thron zu setzen. Und in dieser Intrige spielte die eigene Gattin Philipps keine unbedeutende Rolle. Jedenfalls waren Madame de Maintenon und ihre einstigen Zöglinge die Hauptführer der Hofverschwörung gegen den Regenten.
Eine grosse Veränderung war in Versailles vor sich gegangen, seit der Sohn Liselottes die Zügel der Regierung in Händen hatte. Schon die letzten zehn Jahre der Herrschaft Ludwigs waren nicht mehr mit den glänzenden Zeiten des prachtliebenden Sonnenkönigs zu vergleichen. Die Maintenon hatte alles Prunkvolle, allen Glanz, alles Frivole, aber auch alles Zierliche und Anmutige von diesem Hofe verbannt und aus den Gemächern des Königs Betstuben gemacht, worin sie mit frommen Taubenaugen ihre Herrschaft ausübte. Aber der Sumpf und Moder war nur oberflächlich von dieser erzwungenen Tugend überdeckt. Mit der Regierung des Regenten brach sich die Sittenlosigkeit erst recht Bahn, aber roh und ungestüm in wüstes Treiben, nicht in die feine galante Form gezwängt, die Ludwig XIV. selbst seinen schlimmsten Ausschweifungen zu verleihen wusste. Liselottes Sohn war ein Gemisch von urwüchsiger Kraft, verdorbenen Sitten und verfeinerter Kultur, ohne die Tünche des Salonmenschen des 18. Jahrhunderts.
Allmählich gewöhnte Liselotte sich an ihr neues Leben. «Muss nur sehen», meint sie resigniert, «so zu leben, dass ich ruhig sterben kann. Und es ist schwer, in diesen Weltgeschäften ein ruhiges Gewissen zu haben.» Solche Grundsätze in Liselottes ehrlichem Herzen waren indes nicht nur durch das Alter herbeigeführte Maximen. Es waren Grundsätze, die seit langem tief in ihrem Charakter eingeprägt waren. Sie war, mitten in einer glänzenden, heuchlerischen Umgebung, wo Frauenlist und kühne Zudringlichkeit abgefeimter Günstlinge sich zu den Staatsgeschäften herandrängten, in der unverstellten Geradheit ihrer Gesinnung nie erschüttert worden. Wie sie aus Heidelberg gekommen war, so blieb sie am französischen Hof bis an ihr Ende, offen, ehrlich und natürlich. Mit diesem Fehlen aller Falschheit und Zweideutigkeit verband sie ein weiches Herz, das zum wärmsten Mitleid gegen Unglückliche gestimmt war. Sie gab, wo sie konnte. Und so wenig sie an Ludwigs prachtliebendem Hofe die grosse Kunst der Sparsamkeit üben gelernt hatte, war sie doch in allen ihren Ausgaben sehr haushälterisch. Die Sorge um die Zukunft spielte in ihrem Leben eine grössere Rolle, als es sonst bei Fürstlichkeiten der Fall ist. Sie legte zurück, um nicht später einmal in Schulden zu geraten, aber auch um immer etwas für Bedürftige übrig zu haben. Geiz war ihr fremd. Wo sie übertriebene Kargheit bei ihren Standesgenossen gewahrte, machte sie sich lustig. Repräsentieren, und zwar gut und vornehm repräsentieren, galt ihr immer als die erste Pflicht eines Souveräns. Das hatte sie von Ludwig XIV. gelernt. Deshalb ist es ihr auch leid, dass es am Hofe ihres Sohnes so einfach zugeht. «Wohl waren ihr alle Zeremonien zuwider, aber ein bürgerlicher Hof war ihr auch nicht recht. Ein Hof musste ein Hof sein, und in ihren Augen war der Hof der Regentschaft eben keiner. Und wie sie mitten unter der prunkhaften Gesellschaft Ludwigs XIV. eine Fremde gewesen, so blieb sie es auch jetzt in der Umgebung ihres Sohnes. Einsam blieb sie am Kamine sitzen und musste sich langweilen». Die einzige Zerstreuung für sie war, mit scharfen Augen hinter die Kulissen dieses Hofes zu schauen. Und das hat sie denn auch mit kluger Beobachtungsgabe getan.
Liselotte wird alt. Sie geht den Siebzig entgegen. Aus der einst schlanken, kräftigen Herzogin von Orléans ist eine dicke, unförmige Frau geworden, die sich über ihre eigene Fülle und Schwere lustig macht. Wer aber H. Rigauds bekanntes Gemälde in der Galerie von Braunschweig gesehen hat, ist ein wenig anderer Meinung über das Aeussere der Herzogin von Orléans. Mag der Maler auch idealisiert haben, so ist doch dieses Bildnis nach Liselottes eigenem Geständnis sprechend ähnlich. Und da sehen wir eine kräftige, gesunde Matrone vor uns im Hermelinmantel und mit den äusseren Zeichen ihrer Würde geschmückt. In ihren sympathischen Zügen spiegelt sich Güte und Energie, Ehrbarkeit und Frauenwürde. Vornehmheit und Selbstbewusstsein liegen in der ganzen Haltung dieser Fürstengestalt, die uns das Einfache und Natürliche in Liselottes Wesen verbirgt. Von abschreckender Hässlichkeit oder ekelerregenden Fleischmassen ist auf dem Bilde nichts zu bemerken, das die Herzogin selbst zu dem erstaunten Ausrufe veranlasst: «Man hat sein Leben nichts Gleicheres gesehen als Rigaud mich gemalt hat!»
Je älter sie wurde, desto philosophischer dachte sie über die sogenannten überirdischen Dinge. Sie erinnert sich oft an die letzte Grenze ihres Daseins. Zwar wünscht sie sich keinen frühen Tod, aber sie äusserte mehrmals, dass sie jeden Augenblick bereit sei, dem Winke der Natur zu folgen, sobald das Ziel ihres Lebens gesteckt sei. «Ich bin fest persuadiert», schreibt sie am 23. Juni 1720 an Harling, «dass meine Stunden gezählt, und ich werde keinen Augenblick darüber gehen ... Bin weiter in keinen Sorgen, was daraus werden wird, das wäre wohl eine grosse Torheit, wenn grosse Frauen und Herren sich einbilden wollten, dass unser Herr Gott was besonders für sie machen sollte; als wenn alle Menschen nicht vor unserem Herr Gott gleich wären! Solchen Stolz und Hochmut habe ich gottlob nicht. Ich weiss wer ich bin und lasse mich hierin nicht betriegen.»
Im Jahre 1722 nahmen Liselottes Kräfte sichtbar ab, so dass man ihr nur noch kurze Zeit zum Leben gab. Zudem ward das Ende ihrer Tage durch die Ungeschicklichkeit der Aerzte, denen sie ja bekanntlich nie viel Vertrauen entgegengebracht hatte, beschleunigt. Sie sollte ihre Ansicht am eigenen Körper bestätigt finden. Man hatte nämlich beschlossen, bei eintretender Mattigkeit ihr durch einen Aderlass Erleichterung zu verschaffen. Dabei geschah es, dass der Chirurg zu tief schnitt, so dass Liselotte ungeheuer viel Blut verlor, zumal der Arm zu locker gebunden war. Infolge dieses grossen Blutverlustes nahmen ihre Kräfte noch mehr ab. Zu diesem Schwächezustand gesellten sich heftige Krämpfe und die zu jener Zeit sogenannten «Vapeurs», denen die Aerzte durch starke Abführmittel Einhalt zu gebieten suchten. Auch das schwächte den Körper der Herzogin ungemein. Ihr Appetit verlor sich, ihr Gedächtnis nahm ab. Sie hatte keinen Willen mehr. Ganz im Gegenteil zu früheren Zeiten tat sie alles, was die Aerzte von ihr verlangten. Sie lieferte sich denen, die sie einst nur verächtlich «Charlatans» nannte, mit Gleichgültigkeit aus und nahm die Arzneien, die ihr sonst so zuwider waren, dass sie «krittlich wie eine Wandlaus davon wurde», geduldig ein.
Mit dem Chirurgen aber, der sie so unglücklich behandelt hatte, erfasste sie das grösste Mitleid; denn der Aermste war vor Schreck über sein Ungeschick schwer erkrankt. Und so bemühte sich Liselotte, ihn in jeder Weise zu beruhigen und von der Verantwortung freizusprechen. Was lag ihr am Leben? Sie gab nichts darum, es zu verlängern; denn sie schied nicht ungern von der Welt, in der sie nichts mehr zu hoffen hatte. Ihr schien ein zu hohes Alter durchaus nicht angenehm. «Man muss zu viel leiden, und in Absicht des Schmerzensleiden bin ich eine grosse Poltron.»
Indes scheint sie doch ihren Tod nicht so schnell erwartet zu haben, wie er wirklich eintrat, obwohl ihr Gesundheitszustand sehr zu denken gab. So hatte sie sich besonders auf die im Herbst 1722 stattfindende Krönung des jungen Ludwigs XV. in Reims gefreut, der sie auch noch beiwohnte. Aber gleich nach ihrer Rückkehr nach Saint-Cloud ging es mit ihrer Gesundheit bedeutend schlechter. Sie fühlte das Ende nahen. Von Todesahnen durchdrungen, schrieb sie noch am 3. Dezember an die Raugräfin Luise: «Erhält mir Gott das Leben bis übermorgen, werde ich antworten, nun aber nur sagen, dass ich Euch bis an mein Ende lieb behalte.»
Das Uebermorgen erlebte sie noch, aber sie war nicht mehr imstande, ausführlich auf den Brief Luises zu antworten. Am 6. Dezember fand sich Liselotte so schlecht, dass sie sich das Abendmahl reichen liess und ihr Sohn zwei Nächte hintereinander an ihrem Krankenlager wachte. Die Atemnot war so gross, dass man jeden Augenblick befürchtete, sie werde ersticken.
Am 8. Dezember 1722 endlich hatte Liselotte ausgelitten und entschlummerte ruhig, wie sie es gewünscht hatte, um 4 Uhr morgens im 71. Lebensjahre. Philipp beweinte seine Mutter aufrichtig. Vielleicht war er der einzige Mensch am ganzen französischen Hofe, der die Eigenart dieser merkwürdigen Frau verstanden und schätzen gelernt hatte, obwohl Massillon an ihrem Grabe sagte: «Unser Ruhm oder unser Unglück war ihr Ruhm oder ihr Unglück. Durch Blut und Freundschaft mit dem grössten Teil der europäischen Fürsten verbunden, gehörte sie niemand mit dem Herzen an als der Nation, und inmitten der Kriege, welche sie gegen uns rüsteten, waren ihre Verbindungen mit fremden Höfen nichts als glänzende Zeugen ihrer Liebe zu Frankreich.» Liselotte von der Pfalz stand indes den Franzosen ebensowenig mit dem Herzen nahe, wie die Franzosen sie geliebt hatten. Und so ging die Herzogin von Orléans unbemerkt aus der Welt, wie sie auch in ihr unbemerkt gelebt hatte. Ihr Leichnam ruht in Saint-Denis, dem Begräbnisort der französischen Könige; ihr Sarkophag ist einfach und prunklos, wie es ihrer ganzen Lebensweise und Denkungsart entsprach.
Auch als Tänzerin leistet Emma Hervorragendes. Ihr Schaltanz ist, wie bereits erwähnt, wegen seiner überraschend graziösen Bewegungen berühmt. Sie hatte damit so grossen Erfolg, dass sie von mehreren grossen Bühnen Englands Engagementsanträge erhielt. In Madrid sollte sie an der Italienischen Oper als «erste Tänzerin» für eine Gage von 6000 Pfund Sterling für drei Jahre verpflichtet werden, und das Covent-Garden-Theater in London bot ihr 40 000 Schilling für eine Saison. Die ganze Skala der Empfindung wird bei ihrem Tanz zur Geste, zum getanzten Erlebnis. Jeder Schritt, jede Bewegung ihrer Arme und Hände ist eine tänzerische Offenbarung. Nationaltänze tanzt sie mit vollendeter Grazie und immer mit den ihnen zugehörigen volkstümlichen typischen Eigenarten und Temperamenten. Keine Italienerin tanzte eine so bacchantische, eine so wilde und leidenschaftliche Tarantella wie Lady Hamilton. Und der alte Lord ist zuweilen ihr Partner. Er, der für Sport, Jagd und alle Leibesübungen jederzeit Begeisterte, bleibt an der Seite dieses jungen, lebensprühenden Weibes jung und elastisch. Noch als naher Siebziger tanzt er mit Emma auf einem Fest in London diesen Nationaltanz so lebhaft und ausdauernd, dass er seine um vierzig Jahre jüngere Partnerin ziemlich erschöpft.
Mit solchen Tänzen, mit ihren verführerischen Reizen, ihrer Koketterie und Liebenswürdigkeit bezauberte diese englische Sirene auch den Sieger von Abukir und vom Nil, Lord Nelson. Er sah sie zum ersten Male im Jahre 1793. Schon damals schrieb er an seine Frau: «Ich hoffe, Dir eines Tages Lady Hamilton vorstellen zu können. Sie ist eine der ausserordentlichsten Frauen in dieser Welt, eine Ehre ihres Geschlechts. Ihre und Lord Hamiltons Liebenswürdigkeit mir gegenüber ist grösser, als ich in Worten auszudrücken vermag.» Aber erst fünf Jahre später, als Lady Hamilton immer noch schön und begehrenswert war, jedoch nicht mehr jene sylphenhafte Gestalt und Jugendfrische besass wie ehedem – sie wurde bereits anfangs Dreissig sehr stark –, verliebte Nelson sich wahnsinnig in sie. Sie war eine jener Frauenschönheiten, die jederzeit, ob alt oder jung, den Mann fesseln. Und viele fanden sie auch viel später noch ebenso reizvoll wie zu jener Zeit, da Romney sie seine «göttliche Lady» nannte.
Zu Ehren des Siegers veranstalteten Lord und Lady Hamilton ein grosses Fest. Mehr als 1800 Gäste, die schönsten und elegantesten Frauen Neapels und aus der Hofgesellschaft füllten die herrlich geschmückten Säle der englischen Gesandtschaft. Aber Nelson sah nur sie, die «Unvergleichliche», dieses «ausserordentliche Wesen», wie ein sonst kühl denkender Engländer, Sir Gilbert Elliot, sie nannte. Auf Nelson, den einfachen Pfarrerssohn, der trotz seiner Siege und Feldzüge die Welt wenig und noch weniger die Frauen kannte, wirkte die von allen umschwärmte Gattin des englischen Gesandten vollends wie ein Zauberwesen. Emma Hamilton besass von da an sein Herz, seine Sinne, aber auch sein ganzes Denken und Handeln. Er tat nur, was sie wollte. Er dachte nur durch sie und mit ihr, sah alles nur mit ihren Augen.
Seitdem Emma Lord Hamiltons rechtmässige Gattin geworden war, erlangte sie am neapolitanischen Hofe, vor allem durch die ausserordentliche Freundschaft, die ihr die Königin Carolina entgegenbrachte, bedeutenden Einfluss. Solange sie nur Hamiltons Geliebte war, konnte der Hof sie natürlich nicht offiziell anerkennen. Aber gleich nach der Rückkehr des Gesandten aus England, wo er Emma im Jahre 1791 geheiratet hatte, wünschte Königin Maria Carolina Lady Hamilton bei Hofe vorgestellt zu sehen. Ein Brief der überglücklichen Emma an ihren alten Freund Romney über diese grosse Auszeichnung zeigt uns ihren guten Charakter. Sie war dankbar für alles, womit das Schicksal sie verwöhnte und verbarg durchaus nicht ihre naive Freude über den ungeheuren Aufstieg, den sie, das kleine arme Modell und Kindermädchen, genommen hatte. «Mein lieber Freund», schreibt sie aus Caserta am 20. Dezember 1791, «ich habe das Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, dass wir glücklich wieder in Neapel angekommen sind. Ich bin mit offenen Armen von allen Neapolitanern beiderlei Geschlechts, von allen vornehmen Ausländern empfangen worden. Auf ihren eigenen Wunsch bin ich der Königin vorgestellt worden. Sie bewies mir die grösste Liebenswürdigkeit und herzlichste Aufmerksamkeit. Kurz, ich bin die glücklichste Frau der Welt. Sir William liebt mich jeden Tag mehr, und ich hoffe, er wird nie Ursache haben, den Schritt zu bereuen, den er getan hat. Denn ich bin ihm so dankbar, dass ich glaube, niemals in der Lage zu sein, ihm seine Güte vergelten zu können. Aber warum sage ich Ihnen das? Sie kennen mich genug, Sie waren der erste Freund, dem ich mein Herz öffnete. Sie müssen mich kennen, denn Sie haben mich in meinen armen Tagen gekannt. Sie haben mich in meiner Armut und meinem Glück gesehen ... Oh, mein lieber Freund, ich gestehe, eine Zeitlang war meine Tugend durch Not und Elend besiegt, nicht aber mein Gefühl für das Gute. Wie dankbar bin ich meinem lieben Mann, der meinem Herzen den Frieden wiedergab, mir Ehren, Stellung und Rang verschaffte und, was mehr wert ist, Harmlosigkeit und Glück schenkte. Freuen Sie sich mit mir, mein lieber Freund; Sie sind mir mehr als ein Vater. Glauben Sie mir, ich bin immer noch die gleiche Emma, die Sie kennen. Könnte ich nur einen Augenblick vergessen, was ich war, ich würde es nicht ertragen. Befehlen Sie mir irgend etwas, was ich für Sie tun kann. Es wäre für mich die schönste Freude. Kommen Sie nach Neapel, und ich will Ihr Modell sein – oder etwas anderes, damit ich Gelegenheit habe, Ihnen meine Dankbarkeit zu zeigen ... Wir haben hier in Neapel viele Engländerinnen, wie Lady Malmsbury, Lady Malden, Lady Plymouth, Lady Carnegee, Lady Wrigth und so weiter. Sie sind alle sehr liebenswürdig und aufmerksam zu mir und setzen eine Ehre darein, ausgesucht höflich mir gegenüber zu sein. Das wird Sie besonders erfreuen, weil Sie wissen, wie prüde unsere Damen sonst sind. Sagen Sie bitte Hayly, dass ich immer sein Werk «Triumphs of temper» lese. Diesem Buch verdanke ich, dass ich Lady Hamilton bin. Denn, Gott ist mein Zeuge, vor fünf Jahren hatte ich genug, um meinen Charakter zu prüfen, und ich fürchtete, hätte ich nicht das gute Beispiel in seinem Werk gehabt, mein Temperament wäre mit mir durchgegangen. Und wäre das geschehen, so wäre ich verloren gewesen. Denn Sir William hält mehr vom Charakter als von der Schönheit. Er wünscht daher auch, Mr. Hayly möchte kommen, damit er ihm für seine gutgeartete Frau danken könne.»
Lady Hamiltons Landsitz in Caserta und ihr Haus in Neapel waren stets mit Gästen angefüllt. Manchmal hatte sie bis zu 50 Personen an ihrer Tafel. Und da sie als Frau des Gesandten die englischen Damen, die bei Hofe eingeführt werden sollten, der Königin vorstellen musste, lebte sie in beständiger Aufregung von Festen und Bällen. Der Hof hielt sich zwar ebenfalls einen grossen Teil des Jahres in Caserta auf, aber wenn er nicht da war, fand ein fortwährendes Hin und Her zwischen Neapel und Caserta statt. Es kam vor, dass Lady Hamilton in ihrem Hause in Neapel viele Gäste zu Tisch hatte, dann noch 300 Tanzteilnehmern auf ihren berühmten Bällen ein glänzendes Fest gab und erst sehr spät in der Nacht, meist erst gegen Morgen, nach Caserta zurückfuhr. Am Hofe wurde nichts unternommen, nichts beschlossen, kein Fest arrangiert, ohne Lady Hamiltons Beihilfe. Beide Frauen, sie und die geniesserische Königin, der man den Beinamen einer neapolitanischen Messalina gegeben hatte, wetteiferten im Erfinden immer neuer Ueberraschungen bei den üppigen Gelagen. Emma Hamilton verdankte es der neapolitanische Hof, dass dieses schwelgerische Genussleben nicht nur im Essen, Trinken und Ausschweifungen bestand, sondern eine verfeinerte künstlerische Note erhielt. Sie war die beste Tänzerin unter all den schönen und graziösen Frauen, die Maria Carolina umgaben. Auch in politischen Angelegenheiten besass sie unumschränkten Einfluss. Es ist indes schwer zu sagen, ob vieles in dieser Beziehung mehr dem Gesandten selbst oder seiner Gattin zugeschrieben werden muss. Auf die Königin übte jedenfalls Lady Hamilton unbegrenzte Macht aus. Sie, die in London am Hofe der Königin Charlotte niemals empfangen wurde, hatte die Tochter der Kaiserin Maria Theresia vom ersten Tage ihrer Bekanntschaft an völlig in ihrer Gewalt. Vielleicht, weil es in ihrer beider Leben soviele Punkte gab, die sich berührten oder wenigstens scheinbar berührten. Die ausschweifende Lebensweise der Königin Carolina gab ihr nicht das Recht, über Lady Hamiltons stürmische Vergangenheit zu richten. Beide Frauen verband ihre grosse Eleganz und Koketterie und das vollkommene Hinwegsetzen über alle gesellschaftliche und bürgerliche Moral. Diese letzte Eigenschaft besass vor allem die Königin in hohem Masse. Man sagt, nicht nur Diplomatie und kluge Berechnung seien die Triebfedern gewesen, die sie zu Lady Hamilton so unwiderstehlich hingezogen habe, sondern auch ihre eigene geniesserische Veranlagung. Sie habe in Emma nicht nur ein williges Geschöpf für ihre Feste und Gelage, sondern auch für ihre tribadischen Neigungen gefunden. Carolina belohnte diese Freundschaft mit reichen Geschenken. Als der «Foudroyant» nach der Wiedereroberung von Neapel im August 1799 vor Palermo mit Nelson und Lady Hamilton anlangte, eilte die Königin sofort zu ihrer Freundin und beschenkte sie mit einer goldenen Kette, an der das reich mit Diamanten besetzte Bildnis des Königs hing. Fünf Tage später sandte sie ihr zwei Wagen voll kostbarer Kleider und ein Juwelengeschmeide im Werte von 25 000 Franken. Im ganzen sollen sich die Geschenke, die Lady Hamilton um diese Zeit von der Königin erhielt, auf 150 000 Franken belaufen haben.
Die Wiedereinnahme Neapels gab Lady Hamilton Gelegenheit, ihre grossen gesellschaftlichen Fähigkeiten zu zeigen, ihrer Vorliebe für Feste, Bälle und Theatervorführungen Genüge zu leisten. Und während Tausende in Neapel und Malta Hungers starben, herrschte in Palermo am Hofe Ueppigkeit und Verschwendung. Galadiners und Bälle an Bord der englischen Kriegsschiffe im Hafen hörten nicht auf. Sie wurden von Lady Hamilton veranstaltet, und Nelson hiess alles gut was sie tat. Sie erschien auf dem Admiralsschiff wie eine zweite Kleopatra. Wenn sie mit allen ihren Freunden, wie mit einem Hofstaat umgeben, ankam, wurde sie, als wäre sie die Königin selbst, mit Salven von der ganzen Flotte begrüsst. Einmal hatte sie, auf dem von Sir Thomas Lous befehligten «Minotaurus» ein Diner bestellt. Es wurden grosse Tafeln für das Gastmahl auf Deck gebracht, die Kanonen beiseite geschoben, um den mit den köstlichsten Speisen, Früchten und Weinen besetzten Tischen Platz zu machen. Das schien selbst Nelson zu weit zu gehen. Als er sah, was aus seinem Kriegsschiff gemacht worden war, sagte er ärgerlich zu einem der Offiziere: «Verflucht, ich wollte, dieses Treiben hätte ein Ende. Mein Schiff sieht ja aus wie ein Gasthaus.» Als er aber Lady Hamiltons strahlendes Gesicht, ihr glückliches Lächeln sah, als sie ihn mit ihrer einschmeichelnden Stimme beruhigte, war sein Unmut sofort verzogen, und man sass noch bis spät abends beim fröhlichen Mahle. Auf Wunsch der Geliebten liess Nelson bei Einbruch der Dunkelheit das Schiff illuminieren, und bei jedem ausgebrachten Toast wurden an Bord Salven abgegeben, die die Forts am Festland beantworteten.
Es war dem Admiral ganz unmöglich, dieser schönen Verführerin etwas abzuschlagen. Sie war auch seine Begleiterin und Führerin durch die Schlupfwinkel und Spelunken Neapels. Der abenteuerliche Sinn, die Neigung zum Vagabundentum erwachten in ihr bisweilen von neuem. Dann packte sie die tolle Lust, mit dem Admiral in Verkleidung durch die berüchtigtsten Strassen und Hafenviertel zu streifen. Die Maske und der Domino oder auch ein Männerkostüm schützten sie bei derartigen Streifzügen. Gemeinsam mit dem Admiral besuchte sie die öffentlichen Dirnenlokale und verbrachte die Abende in Gesellschaft von käuflichen Mädchen. Emmas mimischer Veranlagung gelang es hervorragend gut, sich jenen Frauen gegenüber als jungen Mann auszugeben. Lord Nelson sah in diesen zweifelhaften Vergnügungen und Tollheiten nur einen neuen Reiz im Charakter seiner Freundin. Sie war die Frau, die er liebte, die er begehrte, die ihm wie keine andere ein nie gekanntes Liebesglück schenkte. «Du brauchst kein Weib in der Welt zu fürchten», schrieb er ihr einmal, «alle ausser Dir sind mir nichts. Ich kenne nur eine, denn wer kann wie meine Emma sein? ... Du bist unvergleichlich. Keine ist wert, Dir die Schuhe zu putzen.»
Er war an sie für immer verloren. Im Jahre 1800 nahm er sie und ihren Gatten mit nach England. Da er nicht mehr im Hause seiner Frau wohnen wollte, mit der er viele Jahre in ungetrübter Ehe gelebt hatte, zog er zu den Hamiltons nach Piccadilly. Obwohl derartige dreieckige Verhältnisse im 18. Jahrhundert durchaus nichts Seltenes waren, und man annehmen konnte, Lord Hamilton habe die Beziehungen seiner Gattin zu Nelson genau gekannt, so scheint er sie doch bis zuletzt für rein platonisch gehalten zu haben, denn als er zwei Jahre später starb, sagte er in seinen letzten Augenblicken zu dem Freund: «Mein tapferer und grosser Nelson, unsere Freundschaft hat lange gewährt, und ich bin stolz auf meinen Freund. Ich hoffe, Sie werden Emma Gerechtigkeit von den Ministern widerfahren sehen. Sie wissen, wie grosse Dienste sie ihrem Vaterland geleistet hat. Schützen Sie mein teures Weib.» Dann wandte er sich an Emma und sprach: «Meine unvergleichliche Emma, du hast mich nie, weder in Gedanken noch mit Worten, noch mit Taten beleidigt. Lass mich dir nochmals für deine herzliche Zuneigung in unserer ganzen zehnjährigen glücklichen Verbindung danken.» – Welche Macht, welche Geheimnisse besass diese Frau, die selbst als heimliche Geliebte eines anderen noch die Achtung und Liebe ihres Gatten genoss! Sie hatte Nelson im Jahre 1801 eine Tochter geboren, die als Horatia Thompson Nelson eingetragen und von dem Admiral adoptiert wurde. Obwohl Lady Hamilton dieses Kind im Hause ihres Gatten zur Welt brachte, hatte Hamilton keine Ahnung davon. Ihren Zustand wusste sie geschickt vor ihm zu verbergen, wobei ihr die weiten faltigen Gewänder behilflich waren. Hamilton war wohl auch zu alt und bereits zwei Jahre vor seinem Tode oft kränklich und bettlägerig, so dass er kaum das Schlafzimmer seiner Frau betrat. Als sie niederkam, sagte man ihm, sie sei krank, aber die Wahrheit verschwieg man. Am 20. Februar schrieb er noch an Nelson, Emma sei nicht wohl, sie habe Magenkrämpfe und Erbrechen und müsse Brechweinstein einnehmen. Der gute Alte wurde auch fernerhin getäuscht. Als die kleine Horatia geboren war, brachte man sie heimlich aus dem Hause zu einer Amme. Lord Nelson und Lady Hamilton sprachen in ihren Briefen, so lange der alte Hamilton lebte, von diesem Kinde nur als der Tochter einer Mrs. Thompson, so dass Hamilton, als die Amme das Kind eines Tages in das Haus brachte, um es dem glücklichen Vater, Lord Nelson, zu zeigen, keinen Verdacht schöpfte, als man ihm sagte, es sei Mrs. Thompsons Kind, sie wolle sich der Gunst des Admirals empfehlen.
In demselben Jahre kaufte Lady Hamilton im Auftrage Nelsons für ihn den schönen Landsitz Mertonplace in Surrey. Er sollte hauptsächlich in späteren Jahren als Wohnsitz für Emma und ihre Tochter Horatia bestimmt sein. Lady Hamilton richtete das Schloss ganz nach ihrem Geschmack ein und machte es, wie Nelson schrieb, «zum schönsten Ort der Welt». Man verlebte dort und in Hamiltons Haus in Piccadilly einen sehr vergnügungsreichen, heiteren Winter unter fortwährenden Gesellschaften. Lady Hamilton dachte hier oft an jene Zeit zurück, als sie vor 20 Jahren in Edgware Road als Romneys Modell und Grevilles Geliebte lebte. Jetzt besass sie alles, was sie sich wünschen konnte; sie verbrachte die «Season» der Jahre 1801 bis 1803 in London im grossen Stil, in Luxus und Verschwendung. In ihrem Hause verkehrte die fashionabelste Gesellschaft, ungeachtet dessen, was man sich in London über sie zuflüsterte. Die englische Gesellschaft des 18. Jahrhunderts war toleranter als heute. Man sprach ganz offen über Lady Hamiltons Verhältnis zu Nelson, und niemand glaubte an eine platonische Liebe der beiden, ausser Sir William Hamilton. Niemand nahm jedoch Anstoss daran, dass alle drei einträchtig in einem Hause wohnten. Man brachte Lady Hamilton die grösste Achtung entgegen, und sogar die nächsten Verwandten Nelsons, die seine rechtmässige Frau sehr schätzten, verkehrten wie Freunde im Hause seiner Geliebten und verehrten sie. Und dennoch war in Emmas Charakter eine grosse Veränderung vor sich gegangen. Aus der kleinen bescheidenen Freundin Lord Grevilles, die «absolut indifferent gegen materielle Interessen» schien, war eine sehr anspruchsvolle, geldgierige und vergnügungssüchtige Frau geworden, die weder an Festen noch an Toiletten und Tand genug bekommen konnte. Der neapolitanische Hof hatte sie verdorben. Sie machte Schulden über Schulden, ohne zu wissen, ob sie sie je würde bezahlen können. Der alte Sir William Hamilton war diesem Leben nicht mehr gewachsen. Bisweilen fühlte er sich auch von seiner Frau zurückgesetzt. Sie hatte nur Auge und Ohr für Nelson, für ihre Vergnügungen, lebende Bilder und die zahlreichen Gäste. Hamilton, der vierzig Jahre seines Lebens an einem so unruhigen und geräuschvollen Hofe wie dem neapolitanischen zugebracht hatte, sehnte sich in seinen letzten Lebensjahren nach Ruhe. Mit 80 Jahren konnte er sie ja auch beanspruchen. Aber Emma war nicht dieser Meinung. Sie brauchte, je reifer sie wurde, den Weihrauch der Vergötterung ihrer Person und stürzte sich immer mehr in den Strudel von Vergnügungen. In solchen Augenblicken gingen manchmal dem alten Sir William die Augen auf. Einmal brachte er sogar seinen Unmut zu Papier und schrieb: «Ich habe die letzten 40 Jahre meines Lebens in Unruhe und im Wirrwarr der Geschäfte verbracht, die mit einer offiziellen Stellung notwendigerweise verbunden sind. Nun bin ich in dem Alter, wo etwas Ruhe wirklich nötig ist; ich hoffte auf ein stilles Heim, obwohl ich, als ich heiratete, überzeugt war, dass ich alt und verbraucht wäre, wenn meine Frau in ihrer ganzen Schönheit und Jugendkraft stände. Die Zeit ist nun gekommen, und wir müssen das Beste zu unserer beider Behaglichkeit tun. Unglücklicherweise ist unser Geschmack in bezug auf die Lebensweise sehr verschieden. Ich wünsche vor allem in stiller Zurückgezogenheit zu leben. Aber selten weniger als 12 bis 14 Gäste zu Tisch zu haben und jeden Tag andere, ist für mich genau so ermüdend, wie das Leben in den letzten Jahren in Italien. Ich pflege keinerlei Beziehungen ausser zu meiner eigenen Familie. Ich kann mich auch nicht weiter beklagen, aber ich fühle, dass meine Frau ihre ganze Aufmerksamkeit Lord Nelson und seinen Interessen in Merton schenkt. Ich kenne wohl die Reinheit der Freundschaft Nelsons zu Emma und mir. Und ich weiss auch, wie untröstlich seine Lordschaft, unser bester Freund, sein würde, wenn eine Trennung zwischen uns dreien stattfände. Daher bin ich entschlossen, alles, was in meiner Macht steht, zu tun, sie zu vermeiden. Es würde für alle Teile sehr nachteilig sein, vor allem würde sie für unseren lieben Freund äusserst fühlbar sein. Vorausgesetzt, dass unser Aufwand und unsere Haushaltkosten nicht ins Masslose anwachsen – und darin sehe ich offengestanden eine grosse Gefahr –, bin ich bereit, auf dem gleichen Fusse weiter zu leben. Da ich jedoch nicht mehr hoffen kann, noch viele Jahre zu leben, ist jeder Augenblick für mich kostbar. Und darum hoffe ich, manchmal mein eigener Herr zu sein und meine Zeit nach meinen eigenen Neigungen verbringen zu dürfen. Entweder mit Angeln und Fischen auf der Themse oder indem ich öfter die Museen, Bilderauktionen, die Royal-Society und den Tuesday-Club besuche ...»
Er erkrankte indes und starb bald darauf im Jahre 1803 in Piccadilly. Seine Witwe musste das Haus verlassen und zog nach Clargestreet. Teils hier, teils in Mertonplace verbrachte sie von nun an ihr Leben. Nelson betrachtete sie nach der Geburt Horatias, die er über alle Massen liebte, und besonders nach dem Tode des Gatten völlig als seine rechtmässige Gemahlin. Dass sie eine natürliche Tochter, vielleicht sogar zwei Kinder als Mädchen gehabt hatte, wusste er nicht; er scheint nicht daran gezweifelt zu haben, dass Horatia Emmas erstgeborenes Kind war. Jedenfalls verstand sie es, auch Nelson eine Sache glaubhaft zu machen, die jeder andere Mann ihr widerlegt haben würde. Aber wie sie Sir William Hamilton die Geburt Horatias verschwiegen hatte, so verschwieg sie auch Nelson ihre frühere Tochter. Und er glaubte an sie. Im März 1801 schrieb er ihr: «Jetzt, mein einzig geliebtes Weib, das Du in meinen Augen und im Angesicht des Himmels bist, kann ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen, denn ich glaube wohl, dass Oliver diesen Brief getreulich abliefern wird. Du weisst, meine geliebte Emma, es gibt in der Welt nichts, was ich nicht täte, um mit Dir zusammenzuleben und unser liebes kleines Kind bei uns zu haben ... Ich liebe Dich, wie keine andere. Niemals hatte ich ein süsses Pfand der Liebe, bis Du es mir schenktest, und Gott sei Dank gabst Du ein solches niemals einem anderen! ... Ich verbrenne alle Deine lieben Briefe; es geschieht Deiner Sicherheit wegen. Verbrenne auch die meinigen, denn sie könnten Böses anrichten und uns beiden nur schaden, im Falle man sie fände. Ein Tüpfelchen von ihnen würde die Münder der «Welt mehr füllen, als wir wünschten ...» – Und ein andermal: «Ich hoffe, Du sollst in kurzer Zeit meine Herzogin von Bronte werden, und dann schlagen wir ihnen allen ein Schnippchen.»
Dieses grosse Liebesglück fand einen jähen Abbruch durch die Abberufung Nelsons zur Mittelmeerflotte im Jahre 1803. Emma hatte zwar die abenteuerliche Idee, sich mit Horatia und Nelsons Nichte, die in ihrem Hause lebte, auf der «Victory» einschiffen zu lassen und den Geliebten auf seinem Feldzug zu begleiten; aber es gelang dem Admiral diesmal doch, ihr diesen tollen Gedanken auszutreiben. Sie blieb in London. Der Schmerz über die Trennung war bald vergessen. Sie führte in Mertonplace und in ihrem Hause ein sehr ausgelassenes Leben, so dass sie mit der Rente, die Sir William Hamilton für sie ausgesetzt hatte, und mit den 1200 Pfund, die sie von Nelson für ihren Unterhalt bekam, nicht ausreichte. Umringt von einem Schwarm von Schmarotzern lebte sie in Saus und Braus. Sie umgab sich mit schönen leichtlebigen Frauen, die wie sie selbst auf ein Abenteuerleben zurückblickten. Ihre intimste Freundin war die berühmte und äusserst begabte Sängerin am Drury-Lane- und Covent- Gardentheater, Mrs. Billington, eine Sächsin von Geburt. Sie führte in London und in allen Städten der Welt, wo sie auftrat, das zügellose Leben einer Hetäre. Königliche Prinzen, Herzöge, Lords waren ihre jeweiligen Liebhaber. Eine Zeitlang auch der Herzog von Rutland, Vizekönig von Irland. Wie Lady Hamilton verfügte Miss Billington über vielseitige Talente und über eine Schönheit, die, wie ein Zeitgenosse sagt, «den Dämon der Sinnlichkeit in sich hatte».
Lady Hamiltons Freunde waren nicht alle selbstlos. Die meisten nützten ihre Gutmütigkeit aus, liehen von ihr Geld, das sie nie wiedergaben, prassten an ihrer Tafel, machten ihr den Hof und schmeichelten ihrer Eitelkeit, um desto mehr Vorteile von ihr zu haben. Oft ermahnte Nelson sie in seinen Briefen zur Sparsamkeit und warnte sie vor dem «Gezücht, das bei voller Tafel sass und sich sonst nicht um sie kümmerte». Als er nach zweijähriger Abwesenheit im August 1805 für kurze Zeit nach Mertonplace zurückkehrte, missfiel es ihm sehr, dass sein schöner Landsitz auffallend dem Hofe von Neapel hinsichtlich des leichten Lebens, das man dort geführt hatte, glich. Neben berühmten englischen Schauspielerinnen, Musikern, Balladendichtern, Opernsängern bildeten leichtlebige Klubmänner und Spieler, abenteuerliche Rakes, darunter auch Mitglieder des Adels und viele, deren Stand und Gewerbe höchst fraglich waren, den Gesellschaftskreis seiner unvergleichlichen Emma. Aber er war doch viel zu glücklich, die geliebte Frau und sein Kind wiederzusehen, als dass er ihr wegen ihres leichtlebigen Lebenswandels Vorwürfe hätte machen können. Solange sie sich amüsierte und wohlfühlte, solange sie als schöne Frau verehrt und umschmeichelt wurde, verzieh er und gestattete er ihr alles. In Merton ging daher das Leben auch während seiner Anwesenheit herrlich und in Freuden weiter. Von nah und fern strömten die Besucher herbei, um den gefeierten Helden zu sehen und ihm und seiner Freundin Beweise ihrer Verehrung zu geben. Sein Verhältnis zu Lady Hamilton wurde in der Gesellschaft mit wenigen Ausnahmen so anerkannt, dass er sie stets bei Empfängen als seine Frau vorstellte und immer nur bedauernd hinzufügte, «unglücklicherweise sei sie noch nicht Lady Nelson».
Sehr bald musste er von neuem von der heissgeliebten Frau scheiden. Im September 1805 verliess er England auf seinem Schlachtschiff «Victory». Im Oktober fiel er in der Schlacht von Trafalgar. Er wurde von einer Musketenkugel tödlich getroffen. Das Rückgrat war ihm zerschossen. Seine letzten Gedanken galten seiner grossen unauslöschlichen Liebe. Sein Fregattenkapitän Hardy, der um ihn war, empfing den letzten Gruss des Admirals an die geliebte Frau. «Ich scheide», sagte er, «es wird bald mit mir vorbei sein. Hardy, geben Sie bitte meiner lieben Lady Hamilton meine Haare und alles, was mir sonst gehört ... Ach, wie würde sie sich grämen, wenn sie wüsste, wie es mir geht! ... Hardy, sorgen Sie für meine liebe Lady Hamilton! Sorgen Sie für die arme Lady Hamilton!» Und dann immer wieder, zum Arzt gewendet: «Doktor, grüssen Sie mir Lady Hamilton und meine Horatia! Sagen Sie ihr, dass ich ein Testament gemacht und sie meinem Vaterland als Vermächtnis hinterlassen habe.» So treu schied Nelson von der fernen, über alles geliebten Frau.
Nach seinem Tode ging es mit ihr sehr schnell abwärts. Sie ergab sich immer mehr ihrem ausschweifenden Leben und stürzte sich in ungeheure Schulden. Als sie nichts mehr zu verschenken hatte, wandten ihr die meisten, die in ihrem Hause gelebt und an ihrer Tafel geschwelgt hatten, den Rücken. Schon drei Jahre nach dem Tode Nelsons hatte Lady Hamilton ihr ganzes Vermögen und das ihrer Tochter verschwendet. Mertonplace musste veräussert werden, und auch über ihren eigenen Besitz in London wurde verfügt. Schliesslich kam sie 1813 ins Schuldgefängnis. Aus der schönen berühmten Frau war ein armes Weib geworden, das von der Gnade der wenigen Freunde lebte, die ihr noch blieben. Mit deren Hilfe entfloh sie auch aus dem Gefängnis nach Calais, in der Hoffnung, bis nach Italien zu kommen, wo sie auf die Hilfe ihrer früheren reichen Freunde hoffte. Aber schon ein halbes Jahr später, im Jahre 1815, starb sie in Calais an einem Leberleiden. Das üppige Leben und die Freuden der Tafel hatten ihrer Gesundheit und besonders ihrer Gestalt furchtbar geschadet. Sie war sehr dick und unförmig geworden, und von der einstigen Schönheit war nichts geblieben als ihre schöne melodische Stimme und ihre hellen blauen Augen.
An einem Wintermorgen, am 22. Dezember 1793, hielt die siebzehnjährige Prinzessin Luise ihren Einzug in Berlin. Im Sturm eroberte sie sich alle Herzen. Am 24. Dezember fand im Weissen Saal des Berliner Schlosses die Trauung statt. Kaum zwei Jahre später gab sie ihrem ersten Sohn das Leben, dem Prinzen Friedrich Wilhelm, dem nachmaligen König Friedrich Wilhelm IV.
Der Kronprinz lebte mit Luise wie ein glücklicher Privatmann. Er fühlte sich am wohlsten zu Hause im Familienkreis, denn er hasste das leere, hohle Geschwätz der Hofleute und alles steife Zeremoniell. Da er sehr pedantisch war, führte er ein äusserst gleichförmiges Leben, in dem jede Stunde ihre Bestimmung hatte. Für sich und die Seinen mied er jeden Glanz.
Während der alte König zu kränkeln begann, war dem Kronprinzenpaar ein zweiter Sohn geboren worden. Am 22. März 1797 hatte Luise dem Prinzen Wilhelm, dem späteren deutschen Kaiser Wilhelm I., das Leben gegeben. Natürlich vermehrte dies ihre Popularität. Aber sie verlebte auch damals schon qualvolle Tage. Am Hofe des alten Königs übte seine Mätresse, Gräfin Lichtenau, die aus niedrigsten Kreisen stammte, eine unbeschränkte Herrschaft aus. Auch Luise war gezwungen worden, der Vorstellung der Geliebten beizuwohnen, und fühlte sich dadurch tief verletzt. Kurze Zeit darauf starb der König, und Friedrich Wilhelm III. trat eine wenig erfreuliche Erbschaft an. Das Land steckte durch die Verschwendung des Hofes tief in Schulden, und es war für Preussen ein Glück, dass dieser sparsame Herrscher mit seinen einfachen, dem Prunk abholden Gewohnheiten zur Regierung kam.
Ein Ereignis in Luises Leben war die Begegnung mit dem Zaren Alexander I. Sie fand im Jahre 1802 in Memel statt. Die Eindrücke, die die junge Königin in jenen, nach ihren Worten «zauberhaften» Tagen von Memel empfing, waren so stark, dass sie in ihrem Tagebuch alles niederschrieb, was sie bewegte. Auch Alexander nahm aus diesen Tagen Erinnerungen mit sich, die ihm unvergesslich blieben. Luise soll in Memel ganz besonders schön und anziehend gewesen sein. Sie war 26 Jahre alt, in der Blüte ihres Weibtums. Es war kein Wunder, dass der junge Zar sie bewunderte. Nicht nur ihm ging es so. Graf Ségur, damals Adjutant Napoleons, wurde von der Königin Luise im Jahre 1803 empfangen. Er findet kaum Worte, den Eindruck zu schildern, den sie auf ihn machte. Vor allem fesselte ihn der Klang ihrer Stimme: «Es lag eine so harmonische Weichheit darin, in ihren Worten etwas so Liebenswürdiges, so rührend Hinreissendes ..., dass ich einige Augenblicke völlig betroffen war und mich einem jener Wesen gegenüber glaubte, deren entzückende und bezaubernde Bilder in den alten Fabeln geschildert werden.»
Königin Luise von Preussen Gemälde von Wilhelm Böttner
Vom Tage seiner Thronbesteigung an hatte König Friedrich Wilhelm das Bestreben, neutral zu bleiben. Er wollte sich nicht in die Streitigkeiten der Staaten mischen, und er hielt Preussen für stark genug, gegen den siegreichen Kaiser der Franzosen die Neutralität wahren zu können. Während ringsum die Welt im Kampf mit dem Gewaltigen stand, schien es, als nähme Preussen keinen Anteil an den Ereignissen. Friedrich Wilhelm meinte, die Neutralität, die im Basler Frieden von 1795 bestimmt worden war, streng aufrechterhalten zu müssen und war nicht zu bewegen gewesen, der Koalition vom Jahre 1798 beizutreten. Er hing genau so fest an diesem Vertrag wie später an dem russischen Bündnis. Von Tag zu Tag wuchs die Macht Napoleons, aber weder der König noch seine Diplomaten sahen darin für das kleine Preussen eine Gefahr. Nur Luise hegte seit längerer Zeit Zweifel an der Richtigkeit der Politik ihres Gatten und seines Kabinetts. Ihre Abneigung gegen den Emporkömmling hatte mit der Erschiessung des Herzogs von Enghien begonnen, aber sie beruhte zunächst auf menschlichem Mitgefühl gegenüber dem Opfer, nicht auf politischem Hass gegen Napoleon selbst. Erst als sie sah, dass Preussen immer mehr an Ansehen verlor, fasste sie den Entschluss, sich näher mit politischen Dingen zu befassen. Ganz aufgegangen aber sind ihre Zweifel an der Politik Preussens erst nach der zweiten Begegnung mit dem Zaren im Jahre 1805.
Jener Aufenthalt des klugen und äusserst raffinierten russischen Kaisers in Potsdam fand seinen Abschluss durch den berühmten Schwur der beiden Monarchen auf dem Sarge Friedrichs des Grossen. Dann stieg der Zar in seinen Reisewagen und fuhr von dannen, froh, das preussisch-russische Bündnis doch noch zustande gebracht zu haben. Luise war von diesem Bündnis begeistert. Allerdings stiegen ihr bisweilen leise Zweifel auf, dass der liebenswürdige Alexander vielleicht doch nicht die Tiefe der Seele besitzen könnte, die sie ihm zuschrieb. Vorläufig vermochte sie allerdings den König nicht zu beeinflussen, denn dieser unterzeichnete im Dezember 1805 einen Allianzvertrag mit Frankreich, dem der Austausch Hannovers zugrunde lag. Der preussische Minister Haugwitz war auf Grund des Vertrags mit Russland zu Napoleon geschickt worden, um ihm entweder den Frieden vorzuschlagen oder – wenn der französische Kaiser die Vorschläge nicht annähme – den Krieg zu erklären. Haugwitz war jedoch weder dem Kaiser noch Talleyrand gewachsen. Anstatt sich seines Auftrages zu entledigen, kehrte er mit einem Schutz- und Trutzbündnis mit Frankreich heim.
Inzwischen brachten die Waffen die Entscheidung. Die Russen wurden bei Austerlitz geschlagen. Die Nachricht erschütterte Luise aufs tiefste. Noch mehr aber enttäuschte sie die Flucht Alexanders nach der Schlacht. Zum erstenmal in ihrer Ehe gab es zwischen Luise und Friedrich Wilhelm heftige Auseinandersetzungen. Sie war der Meinung, dass nur eins nötig sei: «Das Ungeheuer (Napoleon) schlagen, zu Boden schlagen ...» Immer stärker wurde die Partei der Königin, und immer wieder versuchte man, den König zum Kriege zu überreden.
In der Folge wurde der Rheinbund geschlossen. Diesem Bündnis zufolge sagten sich sechzehn deutsche Fürsten vom Reiche los und wählten den französischen Kaiser zu ihrem Schirmherrn. Napoleon aber vergass es weder dem preussischen Kabinett noch dem König, dass sie seinem ersten Allianzvertrag so grosses Misstrauen entgegengebracht hatten. Ueberall hatte er Truppen stehen und rief dadurch die grösste Besorgnis in Berlin hervor. Plötzlich traf die Nachricht ein, dass er nun doch Hannover England angeboten habe. Seine Heere standen längst kampfbereit an den Grenzen und warteten nur auf den Befehl zum Vormarsch. Preussen hatte zu lange gezögert. Jetzt war es zu spät, einen Krieg mit Frankreich zu beginnen. Die Zeiten hatten sich geändert.
In dieser Lage stand auch Haugwitz der Königin zur Seite. Der Minister war von Napoleon wenig schmeichelhaft behandelt worden. Nun rächte er sich. Der König folgte dem Rate seines Ministers und erteilte am 9. August 1806 den Mobilmachungsbefehl. Am 17. September wurde der Krieg beschlossen.
Anfangs war die Rede davon, dass Luise den König nur so lange ins Feld begleiten solle, bis die Armee den Vormarsch begonnen hätte. Aber die Königin folgte ihrem Gatten von Naumburg aus nach Erfurt, das man zum Hauptquartier erwählt hatte. Beinahe wäre ihr der Aufenthalt im Kriegsgebiet teuer zu stehen gekommen. Drei Tage vor der Schlacht von Jena hatte sie sich mit dem König nach Weimar zurückgezogen. Hier wurde sie plötzlich von anrückenden französischen Truppen überrascht. Sie musste nach Berlin fliehen.
Es war am Morgen des denkwürdigen 14. Oktober. Der Kanonendonner der Schlacht von Jena schlug an Luises Ohr, als sie in ihrem Reisewagen bangen Herzens und doch voller Hoffnung auf den Sieg über Mühlhausen, Braunschweig nach Berlin fuhr. Kurz vor Brandenburg erreichte sie ein Kurier. Als sie den Brief gelesen hatte, brachen alle ihre Hoffnungen zusammen. Es war alles vernichtet: das Heer, der Staat, ihr Glück. Ihr grösster Feind, Napoleon, war von nun an Diktator über Preussens Geschick. Furchtbar war die Enttäuschung der Königin, unermesslich der Schmerz über das Unglück. Sie litt Qualen der Angst und Sorge. Nun galt es, mit ihren Kindern zu fliehen. Diese waren bereits, als sie in Berlin ankam, auf die Nachricht von der Niederlage nach Schwedt auf das ehemalige Schloss ihrer Schwester Friederike gebracht worden, denn schon standen die Franzosen vor den Toren Berlins. Der König selbst war auf der Flucht. Am Tag nach ihrer Ankunft in Berlin musste auch sie weiter fliehen. Ihr nächstes Ziel war Küstrin. In atemloser Hast reiste sie über Stettin dorthin.
Aber auch hier war kein Bleiben. Tieferschüttert von den Ereignissen setzte die Königin ihre Flucht nach Königsberg fort. Zu all dem Traurigen, das sie in jenen Tagen erleben musste, kamen noch die Schmähungen, die Napoleon seit der Schlacht von Jena in seinen Bulletins gegen sie losliess. Der beissendste Spott, die höchste Ironie sprachen aus den Worten, die das 1. Bulletin der Grossen Armee vom 8. Oktober 1806 über die Königin enthielt. «Marschall», sagte darin der Kaiser zum Marschall Berthier, «man gibt uns für den 8. Rendez-vous. Niemals hat ein Franzose ein solches verfehlt. Und da, wie man sagt, eine schöne Königin Zeuge des Kampfes sein will, so seien wir höflich und marschieren wir, ohne uns Ruhe zu gönnen, nach Sachsen ...» Und weiter höhnt dasselbe Bulletin: «Die Königin ist bei der Armee, als Amazone gekleidet, in der Uniform ihres Dragonerregiments. Sie schreibt täglich zwanzig Briefe, um von allen Seiten den Brand zu schüren. Man meint Armida zu sehen, die in ihrer Verblendung den eigenen Palast anzündet.» Allem aber setzte das berühmte 19. Bulletin die Krone auf, worin Napoleon die Königin in ihrer Frauenehre angriff.