Christoph Wahlen
Mentaltraining für den erfolgreichen Day-Trader
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4. Auflage 2011
© 2010 FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
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Lektorat: Ina Elisabeth von Gerlach
Satz: HJR, Manfred Zech, Landsberg am Lech
Korrektorat: Leonie Zimmermann
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86248-309-9
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Inhalt
Vorwort
1. Einführung
1.1 Nehmen Sie eine Methode, die funktioniert!
1.2 So lesen Sie dieses Buch
2. Building Blocks für Ihren Handelserfolg
2.1 Schenken Sie Ihren Gedanken mehr Aufmerksamkeit
2.1.1 Erkenne die Realität: Theorie versus Praxis
2.1.2 Kennzeichen der Simulation
2.2 Aufgabe des Paradigmas vom Homo oeconomicus
2.3 Aufgaben des Gehirns
2.4 Persönlichkeit – mentale Stärke als Erfolgsfaktor für Ihr P/L
2.4.1 Impulskontrolle/Disziplin
2.4.2 Konzentration und Durchhaltevermögen
2.4.3 Wille zum Erfolg
2.4.4 Ego oder Erfolg
2.4.5 Flow und Erwartungshaltung
2.4.6 Positives, kontrafaktisches Denken versus Selbstzerfleischung
3. Neuroökonomie – so funktioniert Ihr Gehirn
3.1 Kennen Sie Ihr Gehirn?
3.1.1 Aufbau des Gehirns
3.1.2 Informationsverarbeitung – Geld und Gehirn
3.1.3 Emotionen
3.2 New Finance – Neoinstitutionalistik und Behavioral Finance
3.2.1 Prospect Theory
3.2.2 Praxisbeispiele der Behavioral Finance
3.2.2.1 Informationsaufnahme-Anomalien (Wahrnehmung)
3.2.2.2 Informationsverarbeitungs-Anomalien
3.2.2.3 Verhaltens-Anomalien
3.2.2.4 Sonstige Wahrnehmungsverzerrungen
4. Aufbau eines mentalen Trainingsplans für den erfolgreichen Day-Trader
4.1 10-Schritte-Programm
4.1.1 Schritt 1: Konzentrations- und Imaginationsfähigkeit
4.1.2 Schritt 2: Zielbestimmung
4.1.3 Schritt 3: Diagnose der mentalen Stärke
4.1.4 Schritt 4: Erhöhung der Stressresistenz
4.1.5 Schritt 5: Negative Einflüsse wahrnehmen und bekämpfen
4.1.5.1 Verlustängste überwinden
4.1.5.2 Identifikation und Abbau negativer Überzeugungen
4.1.6 Schritt 6: Unbewusste Folgen vergangener Draw-down-Phasen bearbeiten
4.1.7 Schritt 7: Handeln jenseits des Egos – der innere Zeuge als neutraler Beobachter
4.1.8 Schritt 8: Selbstsabotage erkennen und überwinden
4.1.9 Schritt 9: Modellieren Sie Ihr Ideal
4.1.10 Schritt 10: Aufbau eines Vertrauenskreislaufs: Konditionieren Sie Ihre Persönlichkeit auf Erfolg
4.2 Zusammenfassung
4.3 Tipps und Tricks zum Durchhalten
5. Schlussbetrachtung und Ausblick
Literatur
Quellenverzeichnis
Tabellen
Stichwortverzeichnis
Vorwort
Ziel dieses Buches ist, ergebnisverantwortlichen Tradern, Investoren und Heads of Trading eine wirksame Methode zu vermitteln, mit der sie Emotionen in den Griff bekommen. Sie werden lernen, wie Sie Psychofallen vermeiden können und wie Sie, anstatt Affekte und Impulse zu unterdrücken, im Kontext ihrer Möglichkeiten handeln können. Ich werde Ihnen ein Instrumentarium an die Hand geben, mit dem Sie sich selbst helfen können, besser zu werden. Nennen Sie es eine Bedienungsanleitung für Ihr Gehirn, um erfolgreicher zu werden.
Sie wollen ein erfolgreicher Trader werden, haben vielleicht bereits Erfahrungen gesammelt, sich mit der technischen Analyse befasst und wollen nicht nur nach neuen Setups suchen? Oder Sie haben bereits langjährige Erfahrungen als Händler und erleben sich in einer Phase, in der Ihre bewährten Methoden nicht mehr greifen und Sie wieder zurück auf die Erfolgsspur kommen wollen? Vielleicht sind Sie auch Handelschef eines Hedge-Fonds, Verantwortlicher einer Prop-Trading-Firma oder ergebnisverantwortlich für den Eigenhandel Ihrer Abteilung und wollen durch innovative Ansätze die Handelsergebnisse verbessern? Indem Sie angefangen haben, dieses Buch zu lesen, machen Sie auch schon einen Schritt in die richtige Richtung.
Ihnen ist vielleicht klar, dass die Analyse von Indikatoren und die Entwicklung eines Handelssystems wichtig sind, aber nicht allein finanziell erfolgreicher machen. Lesen Sie Trading-Bücher, lernen Sie meist schlüssig und erfolgversprechend klingende Ansichten und Systeme der Autoren kennen. Die Frage ist jedoch, wie Sie diese hier und jetzt nachhaltig umsetzen. Es muss also andere Faktoren geben, die erfolgreiche von den weniger erfolgreichen Händlern trennen. Stellen Sie sich vor, es gibt eine systematische Methode, die Sie in die Lage versetzt, aus langjährigen Erfahrungen von Meistertradern zu lernen. Die Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Experten und den Besten in ihrem jeweiligen Feld, sei es im Sport oder im Business, zeigen deutlich, dass es einen systematischen Weg gibt, in seinem Fachgebiet exzellent zu werden.
Wenn Sie positive Erwartungen haben und als Trader langfristig Erfolge erzielen wollen, macht es Sinn, dass Sie dieses Buch intensiv lesen. Auf den Märkten gibt es Hunderte Wege, um langfristig Geld zu verdienen. Ob Sie erfolgreich werden, hängt von Ihrer Bereitschaft ab, das hier Gelesene aufzunehmen und umzusetzen. Sie werden lernen, Ihre Stärken zu Ihrem Vorteil zu nutzen und Ihr Handelssystem erfolgreich zu entwickeln, indem Sie Ihre Persönlichkeit auf Erfolg konditionieren. Erwarten Sie viel.
Dieses Buch richtet sich an denjenigen Händler und Ergebnisverantwortlichen, der davon fasziniert ist, wie Menschen funktionieren und was sie motiviert, zu den Besten ihrer Gattung zu gehören. Es geht darum, die inneren Stellschrauben zu kennen und sie in die richtige Richtung zu drehen. Dabei werden Sie sich auch von alten Denkmustern verabschieden. Durch die empirisch gesicherte Herangehensweise lernen Sie einen Ansatz, der Sie Schritt für Schritt auf Ihrem Weg zum Erfolg begleitet. Sie werden eine Methode verinnerlichen, die Sie in die Lage versetzt, von sehr erfolgreichen Menschen zu lernen und Ihr eigenes Leben nach Ihren Wünschen zu formen. Erfolg ist lernbar.
Wenn Sie sich schon immer gefragt haben, warum Live Trading scheinbar so schwierig ist, werden Sie hier eine Antwort finden. Aufgerufen sind alle, die einen Ruck benötigen und ihren Kopf für neue, vielleicht bahnbrechende Möglichkeiten öffnen.
Vorwort zur 2. Auflage
Viele Leserbriefe und eine in kurzer Zeit verkaufte Auflage ist eine Rückmeldung von Ihnen liebe Leser. Eine Rückmeldung, die mich Danke sagen lässt. Danke, dass Sie den Inhalt dieses Buches so gut angenommen haben. In der nun vor Ihnen liegenden zweiten Auflage werden nur minimale Änderungen vorgenommen. Es liegt mir jedoch am Herzen Ihnen etwas mit auf den Weg zu geben.
Von einem Coach, Mentor, zum Wasser also zu seiner eigenen Quelle gebracht zu werden, bedeutet das Ende der Verzauberung. Eine Verzauberung, die uns glauben ließ, dass Andere für unseren (finanziellen) Erfolg und Misserfolg verantwortlich zu machen sind. Dieses Buch, das vor Ihnen liegt, ist nicht der alleinige Heilsbringer in die finanzielle Unabhängigkeit; es schenkt dem Teil in uns Kraft, der diese Anstrengung fortsetzen will, Mut zu sammeln und den Weg der Exzellenz zu gehen. Vielleicht können Sie sich vorstellen ihn zusammen mit einen Coach und Mentor zu gehen, vielleicht gehen Sie ihn alleine. Sie werden die für Sie richtige Entscheidung treffen.
1. Einführung
Betrachten Sie dieses Buch, das vor Ihnen liegt und das Sie in den Händen haben, einmal als Kochbuch. Sie oder Ihr Mitarbeiterteam haben ein Ziel, das Sie erreichen wollen, benötigen auf dem Weg dahin nützliche und themenbezogene Tipps und Tricks, um Ihre Wünsche zu befriedigen. Das Buch ist so geschrieben, dass Sie die einzelnen Menüs nicht zwangsläufig eines nach dem anderen zubereiten und abschmecken müssen, um ein Chef de Cuisine zu werden. Vielmehr ist es so aufgebaut, dass Sie dieses Buch an einer beliebigen Stelle aufschlagen können und schnell zu praktischen Ansätzen finden, wie Sie konkrete Herausforderungen beim Handeln angehen und positive Änderungen an sich selbst vornehmen.
Dabei haben Neulinge mit dem Thema Persönlichkeitsentwicklung die Möglichkeit, gezielt ihren eigenen Erfahrungsschatz aufzubauen. Diejenigen, die bereits Erfahrungen mit dem Thema haben, werden unterstützt, Erlerntes zu vertiefen und neue, frische Ideen für den Handelsalltag daraus zu entwickeln. Je öfter Sie dieses Buch lesen, desto mehr Gewinn können Sie für sich daraus ziehen. Überzeugen Sie sich selbst, dass hier an dieser Stelle eine verlockende Menükarte präsentiert wird.
Köche der Spitzenklasse und diskretionäre Trader haben einiges gemeinsam. Wollen sie langfristig auf einem schwierigen Markt erfolgreich sein, benötigen sie eine Vielzahl von Zutaten, die fein säuberlich aufeinander abgestimmt werden müssen. Genauso wie sich der Geschmack ihrer Kunden im Zeitablauf ändert, ändern sich die Märkte. Die kochende Zunft benötigt bei der Zubereitung eines den Gaumen kitzelnden, die Nase erfreuenden Fünf-Gänge-Menüs gute Vorbereitung, Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Dasselbe gilt für Sie als Day- und Swing-Trader, bei der Entwicklung und Pflege eines auf Ihre Persönlichkeit abgestimmten Handelssystems. Aufgepasst: Jedes Wort ist wichtig! »… auf Ihre Persönlichkeit abgestimmten Handelssystems.« Das setzt voraus, dass Sie Ihre Persönlichkeit in- und auswendig kennen! Und damit sind wir auch schon beim Hauptthema dieses Buches: Persönlichkeit als Erfolgsfaktor beim Handeln. Eines kann ich Ihnen mit Sicherheit sagen: Wer auf der Klaviatur der persönlichen Verhaltensmuster spielen und seine Emotionen zu seinem Vorteil nutzen kann, wird Erfolg haben: Egal, ob er Händler, Koch, Manager, Musiker oder Spitzensportler ist. Erfolg ist lernbar! Erfolg entsteht im Kopf. Warum ist das so? Weil am Ende des Tages nur Sie selbst entscheiden, ob Sie erfolgreich sind.
Jeder, der schon länger am Markt ist und realistisch ist, weiß, dass Disziplin der erfolgversprechende Faktor ist. Wenn Sie lernen wollen, wie Sie zukünftig wieder diszipliniert handeln, werden Sie im Folgenden nicht nur wertvolle Tipps und Tricks kennenlernen, sondern auch eine Methode, die Spitzensportler in die Top 10 und wieder zurück an die Spitze gebracht und Top-Manager zum Erfolg geführt hat.
1.1 Nehmen Sie eine Methode, die funktioniert!
Der erste Schritt liegt darin, eine neutrale, ungefilterte Wahrnehmung der Realität zu bekommen. Dazu gehört es, sich mit der – vielleicht unbequemen – Wahrheit zu befassen und persönliche Einflussfaktoren auf das eigene Handeln kennenzulernen. Vereinfachend könnte man es als unsere innere Software bezeichnen, die im Kapitel zwei näher beleuchtet wird.
Spannend ist es, sich mit der feuchten Masse zusammengewundenen Zellgewebes, dem Gehirn, zu befassen. Es hilft, wenn Sie wissen, wie Ihr Gehirn funktioniert und – noch viel interessanter – wie Sie es effektiv für Ihre Zwecke nutzen können. Es lohnt sich, Ihre Gehirnfunktionen näher anzuschauen. Welche neuronalen Wege gibt es, welche »Macken« hat es und welche ungeschriebenen, unterbewussten Regeln steuern, wie Ihr Gehirn eine bestimmte Szene interpretiert? All das wird im dritten Kapitel beschrieben. Darunter fällt auch die Behavioral Finance. Der deskriptive Ansatz hat so viel Bedeutung, dass seinen Begründern David Kahnemann und Tversky 2002 der Nobelpreis für Wirtschaft dafür verliehen wurde, wie sie verhaltenspsychologische Ansätze auf das Verhalten von Finanzexperten anwenden. Wie werden Informationen konkret aufgenommen und verarbeitet und wie entscheiden sich Individuen?
Im vierten Kapitel stelle ich Ihnen einen Trainingsplan vor, bei dem es um die systematische Entwicklung mentaler Stärke geht. Dabei werden Erfolgsstrategien aus anderen Disziplinen modelliert und auf das Trading übertragen. Halten Sie sich an diesen Erfolgsplan wie ein Athlet, der sich auf die Teilnahme bei den Olympischen Spielen vorbereitet. Professionell und akribisch. Immer bereit, das Beste zu geben. Nur wer stets bereit ist, über seine Grenzen zu gehen, wird in einem anspruchsvollen Umfeld erfolgreich sein.
Let’s make money!
1.2 So lesen Sie dieses Buch
Die Erfahrungen haben gezeigt, dass Sie am meisten für sich mitnehmen, wenn Sie dieses Buch auf eine Weise lesen, die von Ihren gewohnten Lesemuster abweicht. Ein Muster, das Sie sich im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte angewöhnt haben.
Die Art und Weise, wie Sie die Übungen ausführen, also mit welcher Konzentration und mit welcher Hingabe, bestimmt das Ausmaß Ihres Erfolgs, den Sie haben werden. Ich werde das im Verlauf des vorliegenden Buches wiederholt auf die eine oder andere Art betonen. Die Erfahrungen aus zahlreichen Coaching-Gesprächen mit Tradern haben mir gezeigt, dass solche Erinnerungen notwendig sind. Es geht darum, neuronale Netze in Ihrem Gehirn neu zu vernetzen beziehungsweise störende in zielführende Denkweisen umzubauen. An dieser Stelle kann nur eine Teilauswahl an Trainings- und Übungseinheiten vorgestellt werden. Der Werkzeugkasten ist groß.
Lesen Sie dieses Buch in einer Umgebung, in der Sie ungestört sind. Das heißt unter anderem ein Ort, in dem kein überraschender Besuch auftauchen kann, Sie kein Telefonklingeln stören kann und in dem andere Störgeräusche weitgehend nicht auftauchen können. Außer Ihnen selbst und Ihrem Buch mit den Übungen brauchen Sie nicht mehr viel. Ob Sie einen Sessel oder Stuhl mit Armlehne bevorzugen, überlasse ich Ihrem Ermessen.
Bitte lesen Sie dieses Buch nicht und machen Sie die Übungen nicht, wenn Sie innerlich aufgewühlt oder wütend sind. Es geht darum, dass Sie dem, was Sie hier lesen, Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen lassen. Bitte nehmen Sie sich ausreichend Zeit dazu, sodass Sie Ihre Erfahrungen in Ruhe machen. Wichtig ist, dass Sie dieses Buch lesen, weil Sie meinen, dass Sie es wollen, nicht weil es Ihre Pflicht ist. Das Lesen dieses Buches und die Durchführung der Übungen sollten spielerisch leicht und einfach geschehen. Sie wollen es einfach.
Das, was Sie tun, ist neu oder ungewöhnlich für Sie und Sie wissen nicht, welche positiven Veränderungen dabei herauskommen. Die Übungen sind kurz und nützlich, welche Veränderungen Sie auch bei Ihnen hervorrufen werden. Lassen Sie sich überraschen.
Ihr Gehirn ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hedonistisch genug, dass es Lustgewinn anzielt und Unlust aus dem Weg geht. Es macht wenig Sinn, dieser natürlichen Neigung nicht nachzugehen. Die Übungen werden Ihnen in aller Regel Spaß machen, wenn Sie beabsichtigen, Spaß zu haben, und Ihren Erfolg als Trader uneingeschränkt zulassen. Sie werden bei der Durchführung der Übungen erkennen, dass Sie die Visualisierung der Szenen in taktiler und kinästhetischer Hinsicht produktiv erleben können und dass dies mit Freude verbunden ist.
Wie viel Ihnen das Durchlesen dieses Buches und die Durchführung der Übungen für Ihren zukünftigen Handelserfolg gibt, bestimmen Sie. Nur wenn Sie die äußeren und inneren Bedingungen herstellen, können Sie Ihre Aufmerksamkeit fokussieren. Mit Aufmerksamkeit ist ein Bewusstsein Ihres Selbst gemeint, das eine gewollte Anstrengung ausschließt. Diese Art der Achtsamkeit nützt Ihnen beim Lesen. Es ermöglicht, dass die Bedeutung der Wörter an Ihrem rationalen Verstand vorbeigeht. Sie wissen, dass die Botschaft der Worte für das Unterbewusstsein bestimmt ist. Mit dieser Art der Aufmerksamkeit bleibt Ihr Körper entspannt und garantiert die spielerische Aufnahme von neuen, zielführenden Erfahrungen. Sie lernen mit Freude statt, wie häufig in der Schule oder Universität, mit Angst.
Sie müssen – wie ich im Laufe dieses Buches wiederholt betonen werde – langsam lesen. Machen Sie insbesondere bei den Übungen zwischen den Sätzen mindestens ein bis zwei Sekunden Pause, um dem Gelesenen Zeit zu geben, tief in Ihr Unterbewusstsein einzusinken. Ihr Zentralnervensystem muss erst langsam und wiederholt neue neuronale Verschaltungen aufbauen, um die Informationen auf eine Art und Weise aufzunehmen und zu verarbeiten, wie es hier gewünscht ist. Ihr Körper und Geist machen neue Lernerfahrungen, wobei der Prozess des Lernens am Anfang langsamer sein wird, bis der Prozess mehr und mehr vertraut geworden ist.
Indem Sie sich vornehmen, langsamer und gründlicher, als Sie es bis jetzt gewohnt waren, zu lesen, sind Sie wahrscheinlich anfänglich geneigt, Ihre Gedanken während des Lesens abschweifen zu lassen und auf die Neuartigkeit der Lernerfahrung zu reagieren, indem Sie den Atem anhalten, Ihre Nackenmuskeln oder andere Muskeln anspannen. Solche unwillkürlichen Reaktionen können sehr stark sein und sie beeinflussen den Lernerfolg erheblich. Es ist sehr wichtig, Ihre körperlichen Reaktionen zu beobachten und nicht zuzulassen, dass sich dieses Verhaltensmuster festigt! Wenn Sie beobachten, dass Sie Ihren Atem anhalten oder dass Ihre Atmung hektisch wird, atmen Sie ganz bewusst in den Bauch und spüren, wie sich die Bauchdecke und der Brustkorb bei jedem Einatmen heben. Vielleicht bemerken Sie auch, dass sich die Nasenflügel mit jedem Ein- und Ausatmen mitbewegen. Nachdem sich Ihr Atemrhythmus verlangsamt hat und tiefer geworden ist, fahren Sie mit dem Lesen fort. Für den Fall, dass Ihre Schultern oder andere Muskeln angespannt sind, beobachten Sie bewusst, wie diese sich wieder lockern und Sie immer entspannter werden. Mit steigender Wiederholung werden Sie immer leichter in der Lage sein, entspannter fortzufahren und leicht Neues zu lernen.
Mit fortschreitender Übung wird die innere Entspannung der äußerlichen Ruhe folgen und Ihr Bewusstsein trainiert, die empfangenen Botschaften am Verstand vorbeizuschleusen, unterbewusst aufzunehmen und entsprechend zu handeln.
2. Building Blocks für Ihren Handelserfolg
Wollen Sie finanziell unabhängig sein und erfolgreich am Markt agieren, benötigen Sie in Ihrem Gehirn Reiz-Reaktions-Verschaltungen, die richtig auf externe Informationen, also Marktsignale, reagieren. Auf der Suche nach persönlicher Exzellenz gibt es viele Wege, die zum Ziel führen. Dieses Buch beschreibt einen davon.
Schaut man sich die Trading-Foren, -Blog-Beiträge und -Websites an und spricht mit den Tradern, hat man hier ein Thema vor der Brust, das gerne unter den Tisch gekehrt wird. Börsenpsychologie: »Ja, das ist schon wichtig, aber zeigen Sie mir lieber ein paar Ein- oder Ausstiegssignale.« Dabei beeinflusst Psychologie nicht nur die Kursbewegungen im Allgemeinen, also den Markt, sondern auch die persönlichen Handelsentscheidungen jedes einzelnen Händlers beziehungsweise im weiteren Sinne auch die Entwicklung eines automatisierten Handelssystems! Sind Sie im Inneren auf Misserfolg programmiert, wird Ihr Unterbewusstsein Sie mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, und das sind weit mehr als Sie es sich bewusst vorstellen können, dabei unterstützen, dieses Ziels zu erreichen. Viele Händler meinen hingegen, ihr Handelserfolg sei von externen Faktoren bestimmt, und wenn die Marktumstände nicht danach sind, dann können sie auch nicht erfolgreich sein. Nun kann man natürlich dieser Überzeugung sein. Die Frage, die ich dann meinen Klienten stelle ist: »Führt Sie das zum Erfolg?«
2.1 Schenken Sie Ihren Gedanken mehr Aufmerksamkeit
Sie sind frei, zu denken, was Sie wollen, jedoch machen einige Gedanken erfolgreicher und bringen Sie Ihrem Ziel näher als andere. In der kognitiven Verhaltenstherapie beschäftigt man sich mit negativen und positiven Kognitionen (das, was man denkt und fühlt) und wie sinnvoll es ist, die Kognitionen zu untersuchen beziehungsweise zu verändern, wenn diese nicht zielführend sind. Wer als Händler denkt, er hätte keinen Einfluss auf seinen Erfolg und sein Glück beim Handel, dem wird es anders gehen als dem Händler, der überzeugt ist, dass er es ist, der für seinen Erfolg verantwortlich ist. Erfolg und Glück sind eine direkte Folge unserer Erfolgs- beziehungsweise Glücksfähigkeit. Jedem von uns steht diese Erfolgs- und Glücksfähigkeit zur Verfügung und wir können sie nutzen. Wir können beschließen, uns darauf zu konzentrieren, statt passiv darauf zu warten, dass das Schicksal uns äußere Umstände beschert, damit wir Erfolg haben. Diesen Entschluss können Sie jetzt sofort oder später für sich alleine treffen. Stellen Sie sich die Frage: »Worauf warte ich noch?«
Im Folgenden werde ich darauf eingehen, wie die allgemeinen Charakteristika komplexer Entscheidungssituationen aussehen, in denen Menschen planen und handeln. Ich skizziere, welche typischen Verhaltensweisen und welche systematischen Fehler bei der Lösung einer Aufgabe auftreten. Zunächst einmal ganz allgemein.
2.1.1 Erkenne die Realität: Theorie versus Praxis
Quizfrage: Kennen Sie Tanaland? Sagen Sie jetzt nicht zu schnell: »Ja, da wollte ich schon immer einmal hin. Da gibt es so viele Sonnentage.« Tanaland ist mit seiner Population aus Menschen und Tieren sowie zahlreichen Landschaftsparametern Teil einer Computersimulation, um menschliche Planungs- und Entscheidungsprozesse genauer zu untersuchen. Exemplarisch sollen anhand Dörners Experiment (Dörner 2006) menschliche Unzulänglichkeiten beim Denken und Handeln behandelt werden. Die Probanden dieses Planspiels sollen eine Verbesserung der gegenwärtig schlechten Situation der Tupis, eines Stamms, der von Ackerbau und Viehzucht lebt, und der Hirtennomaden, der Moros, schaffen. Dazu wurden ihnen diktatorische Rechte verliehen, mit denen alle Maßnahmen umgehend und widerspruchslos umgesetzt werden konnten. Ein typisches weitreichendes Muster ist, dass anstehende dringende Probleme gelöst wurden, ohne die durch die neue Problemlösung entstandenen Fernwirkungen zu beachten. Und damit wurden sehr häufig neue, zum Teil katastrophale Probleme erschaffen und das Gegenteil von dem erreicht, was eigentlich beabsichtigt wurde. Als Gründe für den häufigen Misserfolg erwiesen sich bestimmte »Denkfiguren«, die häufig auf linearem Denken der Probanden beruhten. Beeinflusst man eine Variable, hat das einen Effekt auf andere Parameter, die das Gesamtsystem bedingen. Wenn Sie beispielsweise die Ernteerträge verbessern wollen, indem Sie direkte Ernteschädlinge (wie Mäuse, Ratten und Affen) bekämpfen, wirkt sich das im ersten Schritt positiv auf die Acker- und Obstbauernte aus. Da sich aber Insekten, die ja die Beute der Kleinsäuger sind, nun ungehemmter vermehren können und gleichzeitig den Raubkatzen die Nahrung entzogen wird, müssen sich Letztere Alternativen, wie dem Viehbestand der Nomaden, zuwenden. Zusammenfassend kann man sagen, dass das Nichteinbeziehen von Nebenwirkungen eine grundsätzliche Ursache für Misserfolge menschlicher Entscheidungen ist.
Nichteinbeziehung von Nebenwirkungen = Ursache für falsche Entscheidungen
Die Tätigkeiten der Probanden wurden klassifiziert in die Kategorien »Entscheidung treffen«, »Nachdenken« und »Fragen stellen«. Es wurde untersucht, ob sich im Zeitablauf des Versuchs ein Muster bildet. Die Häufigkeit von »Fragen« und »Nachdenken« wird mit dem Zeitablauf reduziert und die Häufigkeit des »Entscheidens« wächst. (Beobachten Sie sich selbst einmal beim Handeln und fragen Sie sich, ob dieses Verhalten auch auf Sie zutreffen könnte!) Dem anfänglich vorsichtigen Zögerer weicht ein entscheidungsfreudiger Macher. Es zeigt sich, dass Menschen ab einem gewissen Stadium meinen, dass sie ein genügend genaues Bild der Zusammenhänge haben und diese Erfahrungen keinesfalls durch zusätzliches Analysieren infragegestellt werden soll. Einher geht diese Beobachtung mit dem Phänomen der Selbstüberschätzung in der Praxis. Ein zusätzliches Problem im Rahmen der menschlichen Entscheidungsfindung ist das Umdefinieren beziehungsweise Umgewichten von Teilzielen. Dies führte im Endeffekt dazu, dass die Erfüllung des Gesamtziels unmöglich gemacht wurde. Eklatante Folgen waren unnötiges Leiden und zahlreiche Tote. Alles nur Folgen der Unfähigkeit, seine einmal gefasste Meinung noch einmal zu revidieren. Ein Mehr an Nachdenken und Weniger an Machen erschien dagegen durchaus sinnvoll.
Die Unfähigkeit, ein komplexes Problem zu lösen, war oft ein Auslöser für Zynismus und ging einher mit Fluchttendenzen. Generelle Erkenntnis und Fazit: Denken, Werte, Stimmungen und Emotionen haben einen signifikanten Einfluss beim Lösen von komplexen Aufgaben. Typische Phänomene waren:
Nichtberücksichtigen von Fern- und Nebenwirkungen
Handeln ohne Analyse der vorliegenden Situation
Nichtberücksichtigen von Prozessabläufen
Festhalten an Methodismus
Flucht in Einzellösungen
Warum sind diese allgemeingültigen Erkenntnisse für den Trader relevant? Die Fehler, die Menschen beim Denken und Planen machen, müssen bei der Entwicklung einer erfolgreichen Trader-Karriere berücksichtigt werden. In diesem Simulationsexperiment wurde unter Optimalbedingungen gearbeitet. In der Praxis werden diese Effekte noch deutlicher zum Tragen kommen. Kein Trader hat diktatorische Rechte und derart direkte Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten – weder auf das Gesamtsystem »Markt« noch auf das Subsystem Broker und damit auf die Qualität der Order Execution. Im Gegenteil, er kann sein Handelssystem nur den externen Veränderungen des Marktes beziehungsweise dem Datenfeed anpassen. Im Folgenden beleuchte ich die von außen beobachtbaren Phänomene näher, warum Menschen in komplexen Entscheidungs- und Planungssituationen häufig schlechte Ergebnisse liefern.
Ein häufiger Fehler liegt darin, dass sich Menschen zu wenig die »Warum«-Frage stellen. »Ich habe x, y und z gemacht, dabei ist nicht das gewünschte Ergebnis herausgekommen. Warum?« Ein weiterer typischer Fehler liegt darin, dass zu wenige Entscheidungen pro Absicht getroffen werden, also zu wenig »komplex« gehandelt wird. Menschen tendieren dazu, Entscheidungen zur Realisierung von einem Ziel zu treffen. In komplexeren Systemen ist es jedoch sinnvoll, mehr Entscheidungen pro Absicht zu realisieren. Beispielsweise kann man das Ziel »Einnahmeerhöhung« durch die Maßnahme »Vermehrung von Arbeitsplätzen« »alleine oder in der Kombination »Schaffung von Arbeitsplätzen«, Investition in Produktentwicklung« und »Werbung« erfüllen. Das grundlegende Ziel des Traders »Kapitalerhalt« kann durch die Maßnahme »Setzen eines engen Stops (im Verhältnis zur Depotgröße)« alleine oder durch die Kombination »Stop Loss Order«, »übergeordneter Zusammenhang im 60-Minuten-/Tages-Chart« und »Momentum der großen Marktteilnehmer« erfüllt werden.
Zurück zum Experiment von Dörner. Vielen Entscheidern mangelte es im Versuch an der Priorisierung des tatsächlichen Problems. Andere arbeiteten im falschen Bereich an der Problemlösung und verrannten sich in Spezialfragen.
Ideal: Analyse der Zusammenhänge, Vorstrukturierung; Selbstreflexion, Verhaltensstabilität
Nicht relevant: Intelligenz
Ziel: Fähigkeit Unsicherheit zu ertragen + zur Selbstmodifikation
Die Mehrzahl der schlechten Planer und Entscheider haben ursprünglich angenommene Zusammenhänge nicht weiter geprüft, sondern sie – auch nachdem widersprüchliche Ergebnisse auftauchten – weiterhin als gegeben angesehen. Zu diesen Herausforderungen addierte sich ein zu häufiger Themenwechsel, letztendlich eine geringe Verhaltensstabilität. Dazu kam ein geringer Grad an Selbstreflexion und kritischer Stellungnahme sowie eine häufig auftretende geringe Bereitschaft zur Selbstmodifikation – es kam lediglich zu Rekapitulationen der »schlechten« Verhältnisse: »Das funktioniert alles nicht!« Nur wenige Probanden schaffen eine geeignete Vorstrukturierung des eigenen Verhaltens. Schließlich kam auch noch ungeeignete Delegation von Verantwortung hinzu, die gerade dann häufig anzutreffen war, wenn der Proband mit den anstehenden Problemen nicht fertig wurde. Folge dieser Maßnahme war, dass Nebeneffekte nicht sichtbar wurden, d.h. die Gründe für das Scheitern nicht aufgefunden wurden. Die Intelligenz eines Probanden hatte keinen Einfluss auf das Ergebnis. Wichtiger war die Fähigkeit, Unbestimmtheit/Unsicherheit »zu ertragen«.
2.1.2. Kennzeichen der Simulation
Nachdem oben die zu beobachtenden einschränkenden Muster menschlichen Planens und Entscheidens in der Simulation beschrieben wurden, sollen im Folgenden die Charakteristika bei der Lösung von Problemen genauer betrachtet werden. Welches sind nun die Kennzeichen?
Komplexität
Vernetztheit
Intransparenz
(Eigen-)Dynamik
Die Komplexität eines Modells ist bedingt durch die Anzahl der Merkmale, die gleichzeitig zu behandeln sind. Das Modell der Realität ist umso komplexer, je mehr Variablen es gibt und je mehr diese voneinander abhängig sind. Mathematisch könnte man die Komplexität in einer Gleichung abbilden. Sie ist ein Produkt aus Merkmals- und Verknüpfungszahl.
Der Grad der Vernetztheit ist bedingt durch die verschiedenen Variablen und auf welche Weise sie sich gegenseitig beeinflussen.
Intransparent ist das Abbild der Realität, weil unklar ist, welche Variablen es gibt und in welchem Zusammenhang beziehungsweise in welcher Stärke sie zueinander stehen. Das ist eine Quelle der Unbestimmtheit des Systems.
Die Verkettung der einzelnen Merkmale miteinander erzeugt einen gewissen Zeitdruck aufgrund der gleichzeitigen Änderung. Damit unterliegt die Situation einer Dynamik. Schließlich ist es auch für den Entscheider unmöglich, alle Informationen simultan zu sammeln, zu verarbeiten und auszuwerten. Es gilt daher, Tendenzen abzuschätzen. Stellen Sie sich einen römischen Feldherrn vor, der seine Legionen gegen seine Gegner aufstellt, bei der alle Figuren mit einem Gummiband aneinanderhängen, so dass er die Reiter oder die Wurfgeschosse nicht einzeln bewegen kann. Dazu kommt, dass sich die Kohorten des Gegners von alleine bewegen – nach Regeln, die er nicht genau kennt oder über die er falsche Annahmen hat. Schließlich befindet sich ein Teil der eigenen und der fremden Kohorten im Nebel des Morgens, sie sind nur sehr ungenau zu erkennen. Kommt Ihnen diese Situation als Trader im Ansatz bekannt vor?
In der neuesten Operations-Research-Methoden, egal ob beim Militär oder in der Industrie, werden Faktoren wie Stimmung (am Markt) und Kampfbereitschaft in die mathematische Modellierung einbezogen. Es gilt dabei, auf der Suche nach dem Druckpunkt, dem Gegner stets voraus zu sein
Idealtypische Handlungsablauforganisation
Während oben die Merkmale eines Entscheidungsproblems beschrieben worden sind, soll an dieser Stelle der idealtypische Ablauf vorgestellt werden. Es soll der Frage nachgegangen werden, wie der Planer und Entscheider unter den Bedingungen einer komplexen, dynamischen, teilweise intransparenten und stark vernetzten Umwelt handeln soll, um sein Ziel zu erreichen. Danach wird gezeigt, wie der Planer und Entscheider sich tatsächlich verhält. Hier erfolgt die Betrachtung aus der Außenansicht. An dieser Stelle soll nur skizzenhaft auf den Vorgang eingegangen werden.
Abbildung 1: Idealtypischer Ablauf eines Entscheidungs- und Planungsablaufs
Zielausarbeitung
Der erste Schritt bei der Problemlösung liegt in der Erarbeitung der genauen Zielvorstellung. Hier treten bereits die ersten Probleme auf. In der Regel handelt es sich um Komplexziele, die eine Menge von verschiedenen Teilzielen und Vorgängen beinhalten. Eine Zieldefinition eines Händlers, der schreibt »Mein P/L (Profit-Loss-Verhältnis) soll besser werden«, deutet auf mehrere Themen hin. Es zeigt, dass dieser Händler nicht weiß, wie das Ziel genau aussieht. Das schafft Unklarheit. Das Dekomponieren eines großen Ziels in viele konkrete Teilziele hat den Vorteil, dass man Maßnahmen daraufhin prüfen kann, ob sie geeignet oder ungeeignet sind, das Ziel zu erreichen!
Den idealen Bedingungen stehen menschliche Probleme bei der Lösung entgegen: Im Versuch konnte man bei der Analyse des Problemlösungsverhaltens beobachten, dass Menschen eine Tendenz haben, auffällige, aber nicht die wichtigen und dringlichen Probleme zu lösen. Oft werden die Teilziele nachverfolgt, bei denen der Lösungsweg bekannt ist. Oft konnte man feststellen, dass das Lösen einer Aufgabe zum Selbstzweck wird, um Erfolg zu bekommen. Eine weitere Folge mangelnder Dekomposition eines Komplexziels war, dass bei der Lösung eines Problems nicht die Entwicklung in der Zukunft einbezogen wurde. Letztendlich kam noch hinzu, dass implizierte Wirkungen ebenfalls nicht berücksichtigt wurden.
Modellbildung und Informationssammlung
Der nächste Schritt beim Lösen einer Herausforderung ist die Bildung eines Modells der Realität. Dazu müssen zunächst Informationen gesammelt werden. Der vollständigen Sammlung von Informationen steht der Zeitdruck entgegen. Um vollständige Information zu erhalten, müsste man ununterbrochen lesen, vergleichen und analysieren, was der begrenzten Ressource Zeit entgegensteht. Bei der Informationssuche geht es um dieselbe Herausforderung, die auch der Händler hat – die Wahl der richtigen Stopregeln: Gibt es Regeln für die Wahl des richtigen Auflösungsgrads von Information? Habe ich jetzt erst einmal genug Wissen? Wie fein granuliert brauche ich meine Informationen? Soll man zum Beispiel einen Gartenteich betrachten, bestehend aus einzelnen Tieren, einzelnen Goldfischen, einzelnen Gelbrandkäfern, einzelnen Seerosen …? Oder betrachtet man ihn als Tier- und Pflanzenpopulation, Wasser und Bodengrund? Die Frage nach dem richtigen Auflösungsgrad kann man nicht a priori beantworten. Es ist gut möglich, dass man während des Umgangs mit dem System den Auflösungsgrad wechseln muss.
Idealtypisch sind die gesammelten Informationen so aufzustellen, dass sich ein Gesamtbild ergibt, das die Realität abbildet. Dabei muss Wichtiges von Unwichtigem getrennt werden. Und man muss wissen, was zusammengehört und was unabhängig voneinander ist. Es braucht dabei die Kenntnis des Systems als Wirkungsgefüge, also die Kenntnis der kausalen Zusammenhänge des Systems. Weiterhin muss die Kenntnis da sein, wie die einzelnen Bestandteile eines Systems in Oberbegriffs- und Unterbegriffs-Hierarchien eingebettet sind, um das System eventuell mit Analogieschlüssen zu ergänzen. Schließlich muss man wissen, in welche Bestandteile die Elemente eines System zerlegbar sind, beziehungsweise wie diese Elemente in den größeren Rahmen eingebettet sind damit die Hypothese über die Zusammenhänge zwischen den Variablen getestet werden kann. Um an das Wissen über die Strukturzusammenhänge zu kommen, gibt es zwei Möglichkeiten, nämlich den Analogieschluss und die Beobachtung der Variablenwerte im Zeitverlauf. Wenn man beobachtet, dass die Variable A steigt, gefolgt vom Anstieg der Variablen B, und wenn man beobachten kann, dass die Variable A abnimmt und in Folge auch die Variable B, kann man von einer Kovariation ausgehen.
Betrachten wir nun die Fehlerquellen, die dazu führen, dass sich die Situation des Simulationssystems beim Gros der Probanden verschlechtert. Unabhängig von der Art der Katastrophe, also Rinderkatastrophe, Grundwasserkatastrophe und Bevölkerungskatastrophe, die alle aufgrund gut gemeinter Maßnahmen verursacht worden sind, ist die Hauptursache darin zu sehen, dass die meisten Probanden nicht wussten, wie sie mit einem System umgehen sollen. Ein System, bei dem zwar nicht alles mit allem, aber vieles mit vielem zusammenhängt. Es lag die Tendenz vor, »eins nach dem anderen« zu lösen. Das impliziert die (oft nicht bewusste) Annahme, dass sich das System aus vielen voneinander unabhängigen Teilsystemen zusammensetzt. Doch die Schwierigkeit im Umgang mit Systemen liegt darin, dass das Problem sehr groß wird, wenn man sich nicht darum kümmert. Dass den Probanden ein umfassendes Bild des Systems als Ganzes mit allen Wechselwirkungen fehlt, kann neben den oben besprochenen Themen auch der Informationsüberlastung zugeschrieben werden. Ein weiterer Grund dafür, ein System als zusammenhanglose Anhäufung von Teilsystemen anzusehen, liegt darin, dass dies kognitive Energie spart. Der menschliche Organismus ist stets bemüht, Energie zu sparen. Schließlich hat über Millionen von Jahren Energiemangel vorgeherrscht. Und denken kostet sehr viel Energie! Außerdem vermeidet man die Angst, Fehler zu machen: Man kann nicht falschliegen, wenn keine Hypothese über einen Wirkungszusammenhang definiert wurde. Ein weiterer Fehler liegt darin, das Gesamtgeflecht der Beeinflussung auf einen einzelnen Punkt zu reduzieren, der scheinbar alles beeinflusst. Die zentralistische Organisation einer Hypothese hat für den Entscheider den Vorteil, dass er sich nur um eine Sache kümmern muss und dennoch alles ganzheitlich berücksichtigt. Das heißt, auch wenn die Hypothesen im Einzelnen nicht falsch sind, so können sie aufgrund der Anordnung im System doch falsch sein, weil sie Rückkopplungen untereinander nicht berücksichtigen. Diese sogenannte reduktive Hypothesenbildung lässt die Tatsache außer Acht, dass, wenn man an einem Teil des Netzes zieht, sich mehr oder minder alles verändert. Damit wird dem System von positiven und negativen Rückkopplungen nicht Rechnung getragen.
Der Vorteil der Reduzierung hat noch weitere bequeme Nebeneffekte für den Entscheider: Hat man eine reduzierte Hypothese formuliert, schafft man Übersichtlichkeit. Im Gegensatz dazu schafft die Auflösung eines Systems in unübersichtliche, interdependente Teilsysteme Unbestimmtheit. Und diese wiederum verursacht, dass ein Kontrollverlust und damit Unsicherheit wahrgenommen wird. Und dies ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass reduktive Hypothesen (»Welterklärung aus einem Guss«) in der Realität so wenig hinterfragt und falsifiziert werden. (Ist die Strategie der massiven Ausweitung der Geldmenge der Fed durch den Kauf von US-Staatsanleihen und hypothekengesicherten Wertpapieren wirklich der Weg aus der Krise? Oder wird dadurch später nicht eine noch größere Blase, die irgendwann platzen muss, erschaffen?) Gleichzeitig vermeidet man komplizierte Betrachtungen, die einen hohen kognitiven Aufwand und damit einen erhöhten Energieverbrauch nach sich ziehen könnten. Menschen verwenden Mittel, um ihre Hypothesen aufrechtzuerhalten – auch gegen widersprüchliche Erfahrungen. Ein Mittel dazu ist die hypothesengerechte Informationsauswahl, auf die im Kapitel Behavioral Finance (3.2) noch detaillierter eingegangen wird.
Menschen lieben und verteidigen ihre einmal aufgestellten Hypothesen, da sie ihnen scheinbar Gewalt über Dinge geben. Während abstrakte Konzepte und Generalisierungen eine lebensnotwendige Geistestätigkeit darstellen, führen übergeneralisierte Vorgänge häufig dazu, dass man von der Situation abstrahiert und Bedingungen dekonditionalisiert. Wenn eine Versuchsperson die Hypothese aufstellt, »Fremdenverkehr bringt was«, führt das ins Verderben, wenn nicht klar ist, dass eine Maßnahme zur Förderung des Fremdenverkehrs nur dann positive Ergebnisse bringt, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Der englische Philosoph James T. Reason führt diese Tendenz auf »similarity matching« zurück, also auf die Tendenz des Menschen, eher auf Ähnlichkeiten denn auf Unterschiede zu reagieren.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Schematisierungen und Reglementierungen in einem hochgradig interdependenten System gefährlich sind. Vielmehr ist es ratsam, sich bei seinen Handlungen auf den jeweiligen Kontext einzustellen und sich immer wieder anzupassen. Das hat zur Folge, dass man sein Bild von der Situation stets aufs Neue anpassen muss. Sie merken die Fähigkeit stets offen zu sein und Unsicherheit ertragen zu können ist eine Konstante bei der Suche nach der besten Performance! So muss sich der Akteur auf fließende Bedingungen einstellen, was der menschlichen Tendenz der Generalisierung und zur Bildung abstrakter Handlungsschemata im höchsten Maß entgegensteht. Die Vorteile des Ansatzes, abstrakte Konzepte zu bilden, muss man strategisch abwägen: Wann sind sie angebracht sind und wann nicht?
Dynamik der Informationssuche
Hat man keine oder wenige Informationen über die Realität, lässt sich leicht entscheiden. Sobald man ein wenig mehr Informationen gesammelt hat, wird es gefährlich. Der Planer und Entscheider merkt, dass er nicht alle Informationen kennt, und versucht, mehr Wissen zu bekommen. Er beginnt zu erkennen, dass er fast überhaupt nichts weiß. Dadurch verstärkt sich das Gefühl der Unsicherheit. So wurde (scheinbar) klares Wissens über die Lage durch eine Ansammlung von Zweifeln und Wissen über sein eigenes Halbwissen ersetzt. Hängt a wirklich von b ab? Und wovon hängt b ab? Nur von c oder auch von d? Oder ist es die gleichzeitige Kombination von e, f und g? Es scheint frustrierend zu sein: Je mehr man weiß, desto mehr weiß man auch, dass man nicht weiß. Der Zustand der vollkommenen Information dürfte gerade auf Kapitalmärkten nie erreicht sein. Schließlich wissen die am Währungsmarkt agierenden Spieler nicht, welche Absichten und Erwartungen ihre »Gegner« im Interbankenmarkt haben. Diese positive Rückkopplung aus Informationssammlung und Unbestimmtheit mag ein weiterer Grund sein, keine zusätzlichen Informationen über die Realität einzuholen. Sie würden das einmal gefasste Bild und die getroffene Entscheidung ins Wanken bringen. Dabei hat man doch gerade durch eine Entscheidung das unangenehme Gefühl der Unsicherheit und Unbestimmtheit bewältigt.
Entscheidungslogik und Psychologie
Bei Systemen mit sich widersprechenden Zielen, zum Beispiel bei der Entwicklung eines Handelssystemes mit maximaler Rendite bei minimalem theoretischem Draw-down, ist es notwendig, eine große Zahl von Informationen einzuholen und zu integrieren. Unter Zeitdruck haben Versuchspersonen die Tendenz, viele Entscheidungen zu treffen. Man könnte das als Kombination von Informationsverweigerung und Aktionismus betiteln. Die Folge ist ein Sinken der Handlungsgüte. Daraus ließe sich die Hypothese ableiten, dass ängstliche Personen tendenziell mehr Informationen verweigern und zum Aktionismus neigen. Irgendwann wird der Akteur aufhören, das Spiel weiter zu spielen, weil immer mehr Unsicherheit und Angst seine Entscheidungsfreiheit reduzieren und er in seinem Verhalten letztendlich erstarrt. Oder er gleitet in eine »Irrationaldrift« mit Aktionismus nach dem Motto: »Was soll das ganze Abwägen von Informationen und Nachdenken. Beim Handeln soll man sich ganz auf sein Gefühl verlassen.« Er wird dann vollkommen von seinen unbewussten Gefühlen geleitet. Er kann sich dann entweder in die Horizontalflucht zurückziehen, also die Probleme lösen, die er lösen kann, oder er geht in die Vertikalflucht und sieht die Realität mit seinen Augen, statt sich mit ihr zu konfrontieren.
Ist Ihnen aufgefallen, dass wir beim Thema Informationssammlung und Modellbildung sind? Schon an dieser Stelle zeigen sich die weitreichenden Effekte psychologischer Wirkmechanismen! Was wir hier gerade betrachten, ist nur der sichtbare Teil des Eisberges, die anderen 90 Prozent des Eisberges werden Ihnen bei der Durchsicht des 10-Schritte-Programms deutlich werden.
Prognose und Extrapolation
Auf der nächsten Stufe des idealtypischen Ablaufs bei der Lösung eines komplexen Systems steht die Stufe der Prognose und Extrapolation. Es geht darum, aus den gesammelten Informationen Entwicklungen abzuschätzen, die über die jetzige Situation hinausgehen. Welche Maßnahme sich wie auswirkt, ist für die Planung und Entscheidung oft wichtiger als die gegenwärtige Situation. Die reine Information: »Meine Handelskontogröße ist 100 000 Euro« hat eine andere Bedeutung, wenn sie letzte Woche 200 000 und vorletzte Woche noch 300 000 Euro hatten, als wenn es letzte Woche 50 000 und vorletzte Woche 25 000 war. Wir haben eben schon angedeutet, dass Menschen Probleme haben, sich ein geeignetes Bild von Entwicklungstendenzen zu machen. Planer und Entscheider leben in einem vierdimensionalen System. Der dreidimensionalen Raum (Horizontale/Vertikale/Tiefe) bewegt sich auf der Zeitachse in Richtung Zukunft. Um unsere Umwelt zu verstehen, bauen wir Menschen uns Raum- und Zeitgestalten. Raumgestalten bleiben über die Zeit unverändert. Inhaltlich fallen darunter Objekte wie Stühle, Häuser, Straßen, Bäume et cetera. Zeitgestalten verändern sich über die Zeitachse. Eine Melodie beispielsweise spezifiziert sich über die Relation der Töne, die aufeinander folgen. Eine Debatte definiert sich aus der Reihe der vorgetragenen Argumente und der Reaktion der Opposition auf die Argumente des Vorredners. Menschen können mit Raumgestalten besser umgehen. Hat man etwas nicht verstanden, schaut man noch einmal hin. Zeitgestalten ändern sich mit der Zeit. Sind sie einmal halb abgelaufen, kann man nicht sicher sein, welche Gestalt sie letztendlich annehmen. In der Zeitgestalt ist es nicht möglich, beliebig vor- und zurückzuspringen. Der Mensch kann bestenfalls mutmaßen, was sich in der Zukunft wohl ereignen wird. Er kann den tatsächlichen Verlauf der Zukunft nicht einsehen. Menschen wandeln Zeitgestalten in Raumgestalten um, um mit dem Faktor Zeit umgehen zu können. Ein Candlestick-Chart ist am Ende des Tages auch nur eine zweidimensionale Darstellung der Kursentwicklung im Zeitverlauf. Um die Zeitgestalt zu spezifizieren und möglichst gute Prognosen zu erarbeiten, zeichnen wir Diagramme mit zeitlichem Ablauf. Spannend wird es, wenn wir fragen: Welche psychologischen Mechanismen verwenden Menschen, um die Zukunft vorherzusehen?
Extrapolation des Moments
Zentralidee-Tendenz
Bei der Momentextrapolation beginnt man damit, möglichst auffällige Variablen anzuschauen, die dringlich erscheinen, ärgern, erfreuen oder erschüttern. Charakteristisch ist die lineare und »monotone« (also ohne Richtungswechsel) Fortschreibung eines gegenwärtigen Trends. Damit wird zum einen die Anzahl der betrachteten Variablen reduziert, zum anderen wird die Art des Zusammenhangs festgelegt. Letzteres bedeutet, dass den Richtungs- und Geschwindigkeitsänderungen eines Trends nicht oder nicht genügend Rechnung getragen wird.
Im Gegensatz dazu beruht die Zentralidee-Tendenz auf der reduktiven Hypothesenbildung. Ein Faktor (wie im Praxisfall der Fed »Liquidität«) wird zum Dreh- und Angelpunkt aller weiteren Variablen. Diese »Zentralvariable« bestimmt das ganze Geschehen und es wird alles auf sie bezogen.
Festzustellen ist, dass Zentralidee-Tendenz und Momentanextrapolation kombiniert auftreten können oder sich auseinander ergeben.
Problematische Abschätzung der Entwicklung
Eine Vielzahl von Menschen würde bei zahlreichen Abschätzungen komplett falschliegen. Falls Sie weder die Seerosen- noch die Reiskorn-Verdoppelungje-Schachbrettfeld-Aufgabe präsent haben, gehe ich kurz auf die letztere Aufgabe ein: Der König, der den Erfinder des Schachspiels belohnen wollte, ging auf die Forderungen des Erfinders ein, die Anzahl der Reiskörner des vorherigen Feldes auf dem darauf folgendem Feld zu verdoppeln. Und da ein Schachbrett 64 Felder hat, kam es zu 63 Verdoppelungen der jeweiligen Reismenge. Nimmt man ein paar Annahmen vorweg, also beispielsweise wie viel Gramm ein Reiskorn hat, ergeben sich Größen von ungeahnter Dimension. So wären allein für das letzte Feld zirka 3,1 Millionen Schiffsladungen zu je 50 000 Tonnen Reis fällig. Bedenkt man, dass dazu noch die Hälfte des Volumens vom letzten Feld und dessen Hälfte vom vorletzten Feld