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Barbara Kettl-Römer

So erziehen Sie Ihre Kinder im Umgang mit Geld

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Korrektorat: Christiane Kauer, Bad Vilbel
Layout und Satz: Druckerei Joh. Walch, Augsburg
Druck: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt

Barbara Kettl-Römer · So erziehen Sie Ihre Kinder im Umgang mit Geld
1. Auflage 2010
© 2010 FinanzBuch Verlag GmbH
Nymphenburger Straße 86
80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096

Alle Rechte vorbehalten, einschließlich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks sowie der fotomechanischen und elektronischen Wiedergabe. Dieses Buch will keine spezifischen Anlageempfehlungen geben und enthält lediglich allgemeine Hinweise. Autor, Herausgeber und die zitierten Quellen haften nicht für etwaige Verluste, die aufgrund der Umsetzung ihrer Gedanken und Ideen entstehen.

Für Fragen und Anregungen:
kettl-roemer@finanzbuchverlag.de

ISBN 978-3-89879-513-5
eISBN 978-3-86248-320-4

 

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Inhalt

Vorwort

1 Inwieweit ist Geld überhaupt ein Erziehungsthema?

2 So kann es mit der Gelderziehung klappen

3 Die Taschengeldfrage(n) und mögliche Antworten darauf

Müssen Sie Ihrem Kind überhaupt Taschengeld zahlen?

Wie hoch sollte das Taschengeld sein?

Wofür sollte das Taschengeld verwendet werden?

Was tun, wenn das Taschengeld nicht reicht?

4 Wie Kinder lernen, sich in der bunten Welt des Konsums zurechtzufinden

Konsumerziehung geht über Gelderziehung hinaus

Wie viel Geld Kinder heute haben und was sie damit machen

So ist die Rechtslage: Was dürfen Kinder überhaupt mit ihrem Geld machen?

5 Wie Kinder den Zusammenhang zwischen Leistung und Geld erfahren

Mit welchen Leistungen Ihr Kind erstes eigenes Geld »verdienen« kann

»Richtige« Nebenjobs: so ist die Rechtslage

Wo und wie Ihr Kind einen Nebenjob finden kann

6 Welches Finanzwissen Ihre Kinder haben sollten

Machen Sie Geld zu einem Gesprächsthema in Ihrer Familie

Erklären Sie grundlegende finanzielle und wirtschaftliche Zusammenhänge

Grundwissen für Sparer und Geldanleger

Das kleine ABC der Geldanlage

Nützliche Internetadressen für Eltern (und Kinder)

Literaturtipps

Register

Vorwort

Erziehung ist eine mühsame Sache. Tag für Tag bemühen wir Eltern uns darum, den lieben Kleinen und Größeren Liebe und Zuwendung zu schenken und ihnen die wesentlichen Kulturtechniken unserer Gesellschaft zu vermitteln: bei Tisch das Besteck zu nutzen statt der Finger, geräuscharm zu kauen und zu trinken, Bitte und Danke zu sagen, Freunde und Bekannte eines Grußes zu würdigen, sich regelmäßig Zähne und Füße zu schrubben, in der Schule fleißig zu sein, Konflikte nicht mit den Fäusten, sondern mit cleveren Argumenten zu bestreiten, und und und. Und jetzt auch noch der Umgang mit Geld. Muss das sein?

Da Sie dieses Buch in den Händen halten, werden Sie diese Frage wahrscheinlich genau wie ich mit »Ja« beantworten. Ziel all unserer Erziehungsbemühungen ist es ja letztlich, unsere Kinder zu lebenstüchtigen Erwachsenen heranwachsen zu lassen. Zu Persönlichkeiten, die ihre Fähigkeiten und Begabungen zu ihrer Freude und zum Nutzen anderer einsetzen, die in der Lage sind, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und irgendwann selbst eine Familie zu gründen.

Ohne Geld ist das nicht möglich. Geld ist das Tauschmittel, das unsere Arbeit in Wert »übersetzt« und uns eine Teilnahme am Leben in unserer Gesellschaft ermöglicht. Es ist gleichzeitig ein Wertaufbewahrungsmittel, das es uns erlaubt, Vermögen aufzubauen und uns damit gegen viele Wechselfälle des Lebens absichert. Egal, welche Werte und Ziele wir in unserem Leben vorrangig verfolgen, wir alle müssen unseren Lebensunterhalt bestreiten und brauchen dafür Geld. Für unseren Stolz und unsere Freiheit ist es am besten, wenn es unser eigenes, selbst erworbenes Geld ist, das wir dafür einsetzen.

Geld sollte kein Selbstzweck und kein Lebensziel sein. Aber um unsere Ziele im Leben zu erreichen, müssen wir Geld verdienen, einteilen, sparen und insgesamt damit haushalten. Das sollen auch unsere Kinder lernen. Nur wie?

Es gibt unzählige Ratgeber für Eltern, in denen Sie sich informieren können, wie das Stillen klappt, wie die richtige Ernährung auszusehen hat, wie Kinder ein- und durchschlafen lernen, wie Sie Regeln durchsetzen, die Motorik trainieren, das schulische Lernen unterstützen, an den Manieren Ihrer Kinder feilen und ihre Pubertät überstehen. Aber wie Sie ihnen am besten den Umgang mit Geld beibringen, dazu gibt es nur wenig Rat.

Ziel dieses Buches ist es, diese Lücke zu schließen und Ihnen aufzuzeigen, wie Gelderziehung bewusst und unbewusst funktioniert, welche Bausteine dazugehören und wie Sie Ihren Kindern jeweils altersgerechte Geld-Lernaufgaben geben. Ich habe dazu viel recherchiert, mit Psychologen, Pädagogen, Bankern und Juristen gesprochen, mich mit anderen Eltern ausgetauscht und aus meiner eigenen Erfahrung geschöpft. Dieses Wissen möchte ich mit Ihnen teilen.

Geld ist als Erziehungsthema mindestens so komplex wie Ernährung oder schulische Leistung und meiner Meinung nach mindestens genauso wichtig. Deshalb sollten wir uns genauso viele Gedanken darüber machen, es in der Familie thematisieren und gemeinsam daran arbeiten. In diesem Buch lesen Sie, wie das funktionieren kann.

Eine ebenso unterhaltsame wie nutzbringende Lektüre wünscht Ihnen
Barbara Kettl-Römer

 

1

Inwieweit ist Geld überhaupt ein Erziehungsthema?

Das Geld, das man besitzt, ist das Instrument der Freiheit. Das Geld, dem man nachjagt, ist das Instrument der Knechtschaft.

JEAN-JACQUES ROUSSEAU

»Über Geld spricht man nicht.« Nach dieser Devise wurden schon unsere Eltern und Großeltern erzogen, und sie ist immer noch gültig. Selbst wenn wir uns auf Partys über Aktienkäufe oder die Finanzkrise unterhalten: Geld ist nach wie vor kein übliches Gesprächsthema. Unsere persönliche Finanzlage oder gar unser Einkommen teilen wir anderen erst recht nicht mit. Sie könnten ja neidisch werden, oder, noch schlimmer, mitleidig auf uns herabsehen.

Dabei beschäftigen wir uns täglich mit Geld. Wir geben es beim Lebensmitteleinkauf aus, holen frische Scheine am Bankautomaten, überweisen Rechnungsbeträge und zählen das Wechselgeld nach. Wenn das Geld knapp ist, machen wir uns Sorgen, verzichten auf Spontankäufe und suchen ausdauernd nach Tiefstpreisen. Wenn es gerade sprudelt, fühlen wir uns freudig, sicher oder sogar stolz und gönnen uns das eine oder andere Extra. All das beobachten unsere Kinder mit der ihnen eigenen Aufmerksamkeit. Und sie machen sich ihren eigenen Reim auf die Rolle und Bedeutung des Geldes:

Geld bedeutet Macht. Die Erwachsenen haben das Geld, und sie bestimmen, was gekauft wird und was nicht.

Geld bedeutet Genuss. Mit Geld kann man sich schöne Dinge kaufen und tolle Ausflüge machen.

Geld bedeutet Wahlfreiheit. Ich kann es für ein Eis oder ein Comic ausgeben oder es sparen und dann dafür ein Handy kaufen.

Geld bedeutet Arbeit. Die Erwachsenen müssen das Geld erst verdienen, das die Familie ausgibt.

Geld bedeutet Sicherheit. Wenn man genug Geld hat, kann man immer gut leben.

Geld bedeutet Anerkennung. Wer Geld hat, kann mithalten. Ein Mangel an Geld kann ein Grund zur Scham sein, wenn man weniger hat als die anderen, sich weniger leisten kann und wegen der No-Name-Klamotten ausgelacht wird.

Geld ist also schon für Kinder mit vielen Gefühlen aufgeladen. Genau wie für uns Erwachsene. Aus Sicht unserer Kinder ist Geld einer der wichtigsten Schlüssel zum Erwachsensein. »Über Geld spricht man nicht« ist daher eine verwirrende Botschaft für sie. Warum wird über etwas so Wichtiges nicht gesprochen? Ist da etwas Verbotenes, Gefährliches, Verwerfliches dran? Und wenn Sie nicht darüber sprechen: Wie soll Ihr Kind den Umgang mit Geld denn dann lernen? Aus den Medien? Von Freunden? In der Schule?

Diesen äußeren Einflüssen wollen Sie Ihre sonstige Erziehung doch auch nicht allein überlassen. Es wäre auch riskant. Denn wer nicht lernt, mit Geld umzugehen, gerät früher oder später in Zahlungsschwierigkeiten, verschuldet sich, muss vielleicht sogar eine Privatinsolvenz anmelden. Und das wünschen wir unseren Kindern sicher nicht.

Zahlen und Fakten zur Verschuldung von Jugendlichen und Haushalten in Deutschland

Jugendliche unter 18 Jahren sind bei Banken oder anderen Unternehmen schon deswegen nicht verschuldet, weil sie weder einen Kreditvertrag, noch einen Ratenkauf alleine abschließen dürfen. Dennoch hatten 8 Prozent der 14-bis 24-Jährigen schon einmal mehr Schulden, als sie zurückzahlen konnten. Bei immerhin 35 Prozent der Betroffenen handelte es sich um Beträge von über 1.000 Euro, bei etwa einem Viertel ging es um Kleinbeträge von unter 100 Euro.

Den Löwenanteil dieser Schulden (50 Prozent) hatten sie bei Eltern, Freunden und Verwandten. Jugendliche über 18 Jahren waren auch durch Bankkredite (18 Prozent) oder durch Ratenkäufe (20 Prozent) in finanzielle Schwierigkeiten geraten.1 Insgesamt ist also die Zahl tatsächlich überschuldeter junger Erwachsener eher gering.

Das aber kann sich im Laufe ihres Lebens ändern.

Eines sei vorausgeschickt: Ein Kredit ist an sich nichts Schlechtes, im Gegenteil: Ohne Kredite kann eine entwickelte Wirtschaft nicht existieren. Unternehmen können sich nicht voll aus eigener Kraft finanzieren, sondern sind darauf angewiesen, größere Investitionen mit dem Geld Dritter zu finanzieren, um daraus neue, größere Werte zu erwirtschaften.

Auch für Verbraucher sind Kredite heute etwas Selbstverständliches: Ein eigenes Haus oder auch eine Wohnung kann praktisch niemand ohne Kredit finanzieren. Gut, dass man da zur Bank gehen und ein Hypothekendarlehen aufnehmen kann.

Weniger gut ist, dass Kredite im ganz normalen Alltagskonsum inzwischen ebenfalls nichts Ungewöhnliches mehr sind. Man kauft Kleidung beim Versender ebenso auf Raten wie die neue Küche im Möbelhaus, finanziert das Auto über eine Autobank und den Urlaub über einen Sofortkredit.

Kredite für den Konsum sind aber grundsätzlich bedenklich, weil sie nach dem Prinzip »erst konsumieren, dann bezahlen« funktionieren. Das geliehene Geld wird eben nicht für Investitionen im Sinne neuer Werterzeugung und auch nicht für den Bau der Altersvorsorge »Immobilie« verwendet, sondern für Dinge, deren Wert sich verringert. Man zahlt monatelang etwas ab, das man längst nutzt und das schon lange nur noch einen Bruchteil seines Neuwerts besitzt. Noch schlimmer ist es beim Urlaub auf Pump: Wer sich den geleistet hat, zahlt noch ein Jahr später für ein vergangenes und schon beinahe vergessenes Vergnügen.

Wenn Kredite zu leicht verfügbar sind, werden viele Menschen dazu verführt, sich Dinge zu kaufen, die sie sich eigentlich nicht leisten können. Die vielen kleinen und großen Raten summieren sich, bis sie aus dem laufenden Einkommen nicht mehr bezahlt werden können. Aus der Verschuldung ist eine Überschuldung geworden.

Das ist bereits im Kleinen, auf der Ebene des betroffenen Menschen bzw. seiner Familie, eine Tragödie. Im Gesamten ist daraus jüngst die größte Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten geworden: Hunderttausende amerikanischer Kleinverdiener hatten sich auf Kredit Häuser gekauft, die sie nicht bezahlen konnten und mit leicht verfügbaren Kreditkarten-Krediten über ihre Verhältnisse gelebt. Heute sitzen sie auf der Straße, die Häuser verrotten, viele Unternehmen sind wegen des Nachfrageeinbruchs pleitegegangen, einige Banken sind zusammengebrochen und die übrigen sind heute so zögerlich mit der Kreditvergabe, dass sie dafür schon wieder gerügt werden.

Mit seinem Geld auszukommen heißt: langfristig nicht mehr auszugeben als man einnimmt. Das bedeutet, sich nicht mehr Kredite ans Bein zu binden, als unbedingt nötig sind und als man aus dem laufenden Einkommen bezahlen kann, ohne deswegen seinen Lebensunterhalt zu gefährden. Das ist vom Prinzip her schon beinahe lächerlich einfach. In der Praxis kann es aber ganz schön schwierig werden.

In Deutschland gelten heute etwa drei bis vier Millionen Privathaushalte als »überschuldet«.2 Das heißt: Sie sind dauerhaft nicht mehr in der Lage, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Es gibt mehrere Gründe, warum Menschen in eine solche finanzielle Notlage geraten: Zu den häufigsten Ursachen zählen Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen Einkommenseinbußen (29 Prozent), Veränderungen der Lebensumstände wie Trennung, Scheidung oder Tod des Partners (14 Prozent) sowie Krankheit, Unfälle bzw. Suchtprobleme (9,8 Prozent) und nicht zuletzt eine unwirtschaftliche Haushaltsführung (immerhin noch 8,6 Prozent der in den Verbraucherberatungen erfassten Fälle!).3

Häufig hatten die Betroffenen schon vor dem Eintreten der eigentlichen Ursache ihr Budget »auf Kante genäht«, so dass die überraschenden Einkommenseinbußen nicht durch entsprechende Einsparungen kompensiert werden konnten. Die Verbraucherzentralen weisen daher auch mahnend auf die zum Teil leichtfertige Kreditvergabe der Banken und auf die mangelnde finanzielle Bildung vieler Verbraucher hin.

Was noch allzu vielen Menschen nicht klar ist: Banken und Kreditinstitute beraten nicht unbedingt im Sinne ihrer Kunden, sondern eher mit Blick auf den eigenen Verdienst und die Höhe der durch ein Geschäft erzielbaren Provision. Sie verlangen von Kunden mit kleinem Einkommen und daher geringer Bonität besonders hohe Zinsen, sichern sich gegen den Kreditausfall mit einer Restschuldversicherung ab, welche das Darlehen für den Kunden nochmals verteuert, und bieten im Falle von Zahlungsschwierigkeiten erst einmal keine Stundung, sondern eine Umschuldung an – die gleich neue Gebühren in die Kasse der Bank spült. Sie nutzen das Vertrauen und die Unwissenheit dieser Kunden kühl kalkulierend aus.

Das mag moralisch zweifelhaft sein, ist aber in den meisten Fällen durchaus legal. Eine Bank hat als Markteilnehmer ihren eigenen Vorteil und Gewinn im Sinn, wenn sie Kredite und Geldprodukte unters Volk bringt. Ein mündiger und gut informierter Bürger weiß das, berücksichtigt es bei seinen Überlegungen und fragt gezielt die Produkte nach, die wiederum für ihn am vorteilhaftesten sind.

Aber was ist mit den Bürgern, die über Geldthemen weder informiert, noch an ihnen interessiert sind?

Immerhin dürften die Banken aufgrund der aktuellen Finanzkrise zurückhaltender mit dem Geldverleihen sein und noch eine Weile bleiben. Der finanzielle Bildungsstand der Bevölkerung wird sich aber nicht so schnell ändern. Praktisch alle aktuellen Untersuchungen zu diesem Thema erbringen einen »insgesamt erschreckend niedrigen Stand an Wortverständnis, Ausdrucksfähigkeit und/oder Kenntnis über wirtschaftliche und finanzielle Dinge des Lebens.«4

Viele Verbände, auch der Verbraucherzentrale Bundesverband und sogar der Bankenverband, fordern eine solide und durchgängige Bildung in Sachen Wirtschaft und Geld an den Schulen. Die gibt es derzeit noch nicht. Die Grundschüler lernen zwar, mit Geld zu rechnen. Aber sie lernen nicht, damit umzugehen. An den Hauptschulen und weiterführenden Schulen gibt es je nach Bundesland mehr oder weniger spät ein paar Stunden Wirtschaft. Dort wird meist ein Mix aus Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre und Recht gelehrt, und das mit durchaus zweifelhaftem Erfolg, wie verschiedene Befragungen zeigen (mehr dazu lesen Sie in Kapitel 6).

Was die Schule in Sachen Bildung nicht leistet, müssen Sie als Eltern Ihrem Kind beibringen. Aber was soll Ihr Kind da eigentlich lernen? Und wie?

Was Kinder in Bezug auf Geld lernen sollten

Dreierlei Menschen haben kein Geld: die Verschwender, die Armen und die Geizigen.

PETER ALTENBERG

Ich glaube, mit diesem Zitat ist schon ganz gut abgesteckt, in welchem Spannungsfeld sich die Gelderziehung bewegt: Wir wollen nicht, dass unsere Kin der heute oder später finanzielle Not leiden müssen. Sie sollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben und sich einen vernünftigen Lebensstil leisten können. Es mag sein, dass Armut adelt, aber sie ist für die meisten von uns kein Erziehungsziel. Reichtum ist übrigens merkwürdigerweise für die meisten deutschen Eltern auch keines. Anders als beispielsweise den meisten US-Amerikanern ist Reichtum uns Deutschen immer ein wenig verdächtig: Wer reich ist, ist bestimmt schrecklich hinter dem Geld her und hat deswegen weniger menschliche Qualitäten. Das ist natürlich ein Vorurteil, aber eines, das sich hartnäckig hält.

Wie auch immer: Unsere Kinder sollen genug Geld für ihre Ausgaben haben und das Ausgeben auch genießen. Das bedeutet schon wieder Spannung zwischen zwei Extremen: Wir wollen keine shoppingsüchtigen Prasser großziehen, die ihr ganzes Einkommen demonstrativ verschleudern. Verschwendung ist uns Eltern ebenso ein Gräuel wie die oberflächliche Gleichsetzung von Konsum mit menschlichem Wert. Geld soll nicht nur konsumiert, sondern auch gespart werden. Aber bitte auch das nicht in übertriebenem Maße. Sparsamkeit gilt uns als Tugend. Geiz ist dagegen nicht nur im Katholizismus eine Todsünde. Wer sich und anderen keinen Cent gönnt und sein Vergnügen nur am Geldhorten findet, findet weder elterliche Billigung noch sonstige Anerkennung in der Gesellschaft.

Was unsere Kinder lernen sollen, ist also letztlich das gesunde Mittelmaß. Sie sollen lernen:

produktiv, bewusst und aktiv am Wirtschaftskreislauf teilzunehmen;

Geld in seiner Funktion als Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel in einer arbeitsteilig organisierten Volkswirtschaft zu begreifen;

es weder zu verachten noch anzubeten;

es einzuteilen und damit zu haushalten;

einen Teil mit möglichst viel Nutzen und Genuss auszugeben und einen Teil zu sparen und zu Vorsorgezwecken anzulegen;

verschiedene Finanzdienstleistungen gegeneinander abzuwägen und sich für die den eigenen Zielen am ehesten entsprechenden zu entscheiden;

um aus dem eigenen Einkommen so frei und selbstbestimmt wie möglich in unserer Gesellschaft zu leben

sowie zu erkennen, dass Geld zwar eine notwendige Bedingung für dieses Leben ist, aber nicht das Maß aller Dinge sein darf.

Aber wie können wir ihnen das beibringen?

Im Gespräch

Interview mit Professor Dr. Engelbert Fuchtmann, Vorstand im Landesverband Bayern des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

Geld ist für viele Menschen ein Tabuthema. »Über Geld spricht man nicht«, gilt immer noch als Regel. Warum eigentlich?

Ja, das haben die meisten von uns in ihrer Sozialisation gelernt: Geld ist ein Thema, über das man nicht spricht. Ich denke, dass das tiefenpsychologische Ursachen hat. Über Jahrhunderte hinweg haben Menschen zwei Botschaften über Geld verinnerlicht: zum einen, dass es gefährlich ist, über Geld zu sprechen. Denn die anderen denken, wer darüber spricht, hat welches. Dann entstehen Neid und eine akute Gefährdung; Es kommen Räuber oder auch der geldgierige Grundherr und seine brutalen Steuereintreiber und nehmen einem das Geld weg.

Zum anderen besteht vor allem in konservativ christlichen Kreisen die Einstellung, dass Geld von Übel ist. In der Bibel kommen die Armen immer besser weg als die Reichen. Man denke nur an den berühmten Spruch Jesu, eher gehe ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher in den Himmel komme. Geld wurde mit Negativem verbunden wie Geldgier, Geiz und Anbetung des Götzen Mammon. Also hat man sich lieber weggeduckt und nicht darüber geredet.

Wie wird heute in Familien mit dem Thema Geld umgegangen?

Das ist auch heute noch mit vielen Heimlichkeiten verbunden. In einem Drittel der Familien weiß beispielsweise die Frau nicht, wie viel ihr Mann eigentlich verdient. Oft haben die Frauen nur ein Haushalts- oder »Taschengeldkonto«. Zwar verwalten in den meisten Familien die Frauen das Haushaltsgeld, aber bei großen Anschaffungen zeigt sich, dass Geld auch Macht bedeutet: »Wer zahlt, schafft an«, heißt es dann, und der Mann kauft das Auto seiner Wahl. Kinder nehmen diese Dinge sehr früh wahr, sowohl die Heimlichkeiten als auch die Machtverhältnisse. Und vieles von dem, was daheim an Einstellungen zum Thema Geld besteht und wie damit umgegangen wird, übernehmen sie im Laufe ihrer Sozialisation.

Soll man Kinder Ihrer Meinung nach überhaupt zum Umgang mit Geld erziehen?

Ja, natürlich. Dabei sollten Sie sich aber dessen bewusst sein, dass Sie Ihren Kindern auch eine Gelderziehung mitgeben, wenn Sie das nicht gezielt vorhaben.

Die Gelderziehung beginnt nämlich mit Ihrem Lebensstil: Wohnen Sie in einem großen Haus oder in einer kleinen Wohnung? Kaufen Sie regelmäßig ein neues, großes Auto oder fahren Sie einen billigen Gebrauchten? Ist der Kühlschrank immer voll oder gibt es zum Monatsende hin nur noch Nudeln? Wird großzügig eingekauft und auch mal spontan einem Wunsch der Kinder nachgegeben? Oder wird über Geld gestritten, jeder Cent zweimal umgedreht? Das erlebt das Kind so oder so, und zwar über Jahre hinweg. Das prägt seine eigene Einstellung zum Geld, ob Sie es nun wollen oder nicht.

Dann brauchen wir mit den Kindern gar nicht extra über Geld zu sprechen?

Doch, das sollten Sie tun. Je transparenter Sie mit Ihrem Geld umgehen, desto weniger tabubehaftet wird es für Ihre Kinder. Die Kinder sollen ja sehen, dass Geld eben nichts Heimliches, Verbotenes und Machtbelastetes ist, sondern dass es erarbeitet und anschließend im Familienrat zweckmäßig verteilt werden muss.

Sie sollen auch verstehen, dass Geld ein Tauschmittel ist, hinter dem ein Wert steckt, der auf menschlicher Arbeit basiert. Menschen können durch ihre Arbeit Wert schaffen. Das ist eine wichtige Erkenntnis. Und sie setzen Geld als Tauschmittel ein, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Geld, das nur herumliegt, hat in diesem Sinne keinen Wert. Diese Zusammenhänge müssen einem Kind erklärt werden, aber es muss sie auch selbst erleben.

»Transparenz« in diesem Sinne heißt auch, dass ein älteres Kind weiß, was die Eltern verdienen und welche Ausgaben in welcher Höhe sie davon bestreiten müssen. Reiche Eltern sollten in Sachen Transparenz allerdings ein wenig zurückstecken. Wenn Sie wahrheitsgemäß sagen: »Wir haben 20 Millionen und du kannst alles haben, was du willst«, wäre das im Sinne der Gelderziehung eher schädlich.

Ab welchem Alter ist das Reden über Geld sinnvoll?

Schon kleine Kinder lernen über teilnehmende Beobachtung. Sie sehen im Supermarkt, dass Mama Essen in den Korb legt und dafür Geld gibt und auf der Bank, dass man Geld holen muss. Sobald das Kind einfache Zusammenhänge verstehen kann, etwa mit vier oder fünf Jahren, können Sie mit altersgerechten Erklärungen beginnen, etwa so: »Mama und Papa verdienen mit ihrer Arbeit Geld und davon kaufen sie das Essen und die Kleidung.« Mit älteren Kindern kann man gut über den Wert von Dingen diskutieren und gemeinsam überlegen, ob man etwas wirklich braucht oder nicht.

Sehr schön finde ich es, wenn die Kinder in das familiäre Geldsystem hineingenommen werden. Meine Großmutter beispielsweise wuchs im ländlichen Polen auf, und dort war es üblich, nach dem Verkauf eines Schweines den Erlös in der Familie aufzuteilen. Auch die Kinder bekamen ein paar Münzen davon ab, das sogenannte »Schwanzgeld«. So erlebten sie, woher das Geld kommt und dass alle profitierten, wenn der elterliche Hof Wert in Form gut genährter Schweine schuf.

Nun leben wir heute in einer vergleichsweise reichen Gesellschaft, in der Kinder Taschengeld statt Schwanzgeld bekommen und wir ihnen viele ihrer Wünsche erfüllen können. Wie kann Gelderziehung da funktionieren?

(lacht) Tja, Erziehung ist und bleibt ein hartes Geschäft. Grundsätzlich gilt: Verwöhnung, also die voraussetzungslose Erfüllung von Wünschen, schadet. Wenn Sie wollen, dass Ihr Kind den Wert des Geldes kennt, es einteilen und auch sparen lernt, müssen Sie ihm sogenannte Frustrationsaufgaben stellen. Gemeint ist nicht, dass Sie es absichtlich frustrieren, sondern dass Sie ihm altersgerechte Leistungsaufgaben stellen. Etwa dass Sie eine von ihm gewünschte, aber nicht unbedingt notwendige Anschaffung zwar unterstützen, es aber dafür auch etwas von seinem Taschengeld sparen und einsetzen muss. Oder dass es sich durch Extraaufgaben Geld hinzuverdienen kann und muss. Wer monatelang auf seinen Nintendo DS gespart hat, wird seinen Wert ganz anders einschätzen als jemand, der ihn neben 20 anderen Geschenken unterm Weihnachtsbaum gefunden hat. Pädagogisch ist es sehr sinnvoll, Kinder erleben zu lassen, dass Geld knapp ist und nicht vom Himmel fällt. Das schützt gegen unangemessene Ansprüche und Verschwendung.

 

2

So kann es mit der Gelderziehung klappen

Eine gute Erziehung ist die beste Ökonomie und Unwissenheit die teuerste Sache im Lande.

ADAM SMITH

Wie funktionieren Erziehung, Lernen und Bildung überhaupt?

Insgesamt sind das sehr komplexe Prozesse, die auf mehreren Ebenen ablaufen. Kinder lernen (wie Erwachsene auch) teilweise bewusst, teilweise unbewusst, und zwar vorwiegend über ihre Sinne: durch beobachten, hören und tun.

Tun: