1. DIE FREMDEN
2. TARAN 17
3. DIE XSOOR
4. KAMPF UM KANTAR
© 2009 by Basilisk Verlag, Reichelsheim
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Umschlagillustration: Emmanuel Henné
Umschlaggestaltung: Christopher Grieser
Satz und Layout: Andrea Velten
ISBN 3-935706-41-3
Die Schreibweise in diesem Buch entspricht den Regeln der neuen Rechtschreibung.
Ein zartes, wunderschönes Morgenrot …
Morgenrot?
Ein Omen, ein überaus schlechtes Omen!
In wenigen Stunden würde das seit beinahe zwei Wochen vorherrschende, ruhige und heiße Hochsommerwetter von einer im Westen heraufziehenden Gewitterfront verdrängt, genauer gesagt, hinweggefegt werden!
Sie mussten auf jeden Fall wieder rechtzeitig zurück sein! Ein Landeanflug bei böigem Seitenwind in einem Gewittersturm war wirklich keine Kleinigkeit. Zumal sie lediglich eine Landebahn zur Verfügung hatten und Ausweichplätze für Marineflieger dünn gesät waren.
Grimmig wandte er seinen Blick vom Himmel und stieg in sein Auto. Von der Kaserne in Tarp bis zum südlich davon gelegenen Flugplatz Eggebek waren es gerade mal sechs Kilometer. Trotzdem wollte er wie gewohnt pünktlich sein.
*
Strahlend, wie von einem begnadeten Künstler auf samtig schwarzem Hintergrund arrangiert, präsentierte sich ihnen ein wunderbar anzusehendes System mit einer weit entfernten, goldenen Sonne.
Tagelang hatten die ihre Umgebung darstellenden Schirme lediglich ein verwaschenes, unruhiges, graues Geflimmer angezeigt, die normale Abbildung des optisch nicht erfassbaren Hyperraums. Dann, von einer Sekunde zur anderen, waren sie mit dem vertrauten Bild des Weltalls gefüllt.
Raumkapitän Kort Nagar saß zufrieden dreinsehend im Kommandositz, neugierig den Hauptschirm betrachtend. Kaum ein System glich dem anderen, immer gab es Unterschiede! Obwohl ihr Forschungsschiff schon mehrere fremde Systeme angeflogen hatte, war es jedes Mal ein erhebendes Gefühl, ein neues, unbekanntes Sonnensystem anzusteuern.
Was würde sie dieses Mal erwarten? Insektenabkömmlinge? Humanoiden? Oder gar intelligente Lebewesen wie sie selbst, nämlich hoch entwickelte, lebend gebärende Nachkommen von Reptilien?
Andererseits: Jeder Anflug in ein unbekanntes System war mit einem nicht geringen Risiko verbunden. Die Angst, sich unversehens eines Tages mit einer Rasse konfrontiert zu sehen, welche über unvorstellbare Vernichtungswaffen verfügte, darüber hinaus kriegerisch veranlagt und eroberungssüchtig war, flog immer mit. Niemals durften die Koordinaten ihrer Heimat derartigen Kreaturen bekannt werden! Sollte ihr Forschungsschiff einer solchen Rasse in die Hände fallen, ein Entkommen nicht mehr möglich sein, hatten sie klare Anweisungen …
Kort Nagar schüttelte sich. Wie kam er ausgerechnet in diesem Augenblick auf derart trübe Gedanken?
»Ortung an Kommandant: Wir werden nicht angetastet, keine Gefahr! Spektrale Auswertung läuft noch! Funkverkehr, auf einfachen, lichtschnellen Funkwellen basierend, kommt vom dritten Planeten! Keine Hyperfunkverbindungen feststellbar!«
Was klar bedeutete: intelligentes Leben! Das System war bevölkert. Genau das Richtige für ein Forschungsschiff von Shanti!
*
Am Eingang des Fliegerhorstes fiel sein Blick flüchtig auf den Gedenkstein mit den Namen der Kameraden, welche in all den vergangenen Jahren, in Ausübung ihres Dienstes, zur Wahrung und Sicherung des Friedens, ihr Leben lassen mussten.
Sekundenlang beschlich ihn ein unangenehmes Gefühl. Wirklich, er legte keinen Wert darauf, hier ebenfalls namentlich erwähnt zu werden! Gleich darauf vergaß er diesen Gedanken wieder und bog in die Einfahrt zum Horst ab. Der Posten winkte ihn ohne Kontrolle durch, sein Fahrzeug und er waren hier gut bekannt. Er, David Thorstensen, Staffelkapitän im Rang eines Korvettenkapitäns, würde in wenigen Minuten seinen Dienst antreten.
Überraschungen gab es hier so gut wie nie. Für die heute beabsichtigte Übung waren die Flugkorridore seit Monaten angemeldet und längst freigegeben. Privatpiloten, sofern sie regelmäßig die offiziellen Bulletins lasen, würden einen weiten Bogen um die Flugschneisen der schnellen Jagdbomber, Tornado PA 200, schlagen. Bei Missachtungen wurde die Fluglizenz der Privatpiloten sofort eingezogen.
Eine möglicherweise überschallschnelle Maschine sah man erst, wenn es für Ausweichmanöver längst zu spät war. Soweit er sich allerdings erinnern konnte, hatte es bisher keinen ernsthaften Zwischenfall mit anderen Flugzeugen gegeben.
Die Morgenröte? Reiner Aberglaube! Heute war ein Tag wie jeder andere! Beruhigt stellte er seinen alten, dunkelblauen Opel Ascona ab. Gleich würde er seine Fliegerkombination anziehen, die Wetterberichte durchgehen, den Flugplan ausfüllen und bei der Flugleitung einreichen. Reine Routine, wie bereits unzählige Male zuvor.
Zufrieden schritt er in Richtung des Towers. Im dortigen Briefingroom wartete sein Waffensystemoffizier sicherlich längst auf ihn. Erich Weber war meistens überpünktlich. Selbst wenn er hie und da Probleme hatte. Aber gerade heute? Hoffentlich nicht! Nicht gerade erfreut nahm er dessen Verhalten zur Kenntnis: Erich hing regelrecht an dem im Vorraum stehenden Kaffeeautomaten. Missmutig betrat David Thorstensen den Befehlsraum, gefolgt von Erich, welcher leise fluchend in der rechten Hand mit spitzen Fingern seinen starken, viel zu heißen Kaffee-Aufguss hielt.
Im Briefingroom wurde zuerst die allgemeine Flugsicherheit und das geplante Vorgehen erörtert. Ihr Flugkorridor war angeblich frei von jeglichen Flug- und Seefahrzeugen, was dennoch nicht garantiert werden konnte. Stets die gleiche Leier, das übliche Gerede halt.
*
»An Navigator: Wir fliegen den dritten Planeten nicht auf kürzestem Wege an. Ich will eine Bahn, auf der wir im Vorbeiflug möglichst viele Planeten zusätzlich abtasten können. Ausführung!«
Seit mehreren Tagen steuerten sie langsam auf Planet Nummer drei zu. Das System bestand, den ersten Messungen nach, aus acht Planeten. Es sei denn, man rechnete den winzigen Himmelskörper auf der theoretisch möglichen äußersten Umlaufbahn hinzu. Dann kämen sie auf neun. Streng genommen konnte man diesen Planetoiden wirklich nicht voll anrechnen. War ja auch nicht wichtig. Interessanterweise klaffte zwischen den tatsächlich vorhandenen Planeten vier und fünf eine Lücke. Nach den Formeln für die mittleren Umlaufbahnen von Planeten musste hier ein Planet sein! Kurz darauf war alles klar: Durch unbekannte Ereignisse war der vermisste Planet nur noch in Form eines Asteroidengürtels vorhanden. Zumindest teilweise. Was unweigerlich zu der Frage führte: natürliche Ursachen oder, was erfahrungsgemäß viel wahrscheinlicher war, gewaltsame Eingriffe von hochstehenden Intelligenzen? Andererseits: Konnte man Lebewesen, die Planeten zerstörten, wirklich intelligent nennen? Vermutlich ja! Was nicht hieß, dass sie auf einer hohen geistigen Reife angelangt waren. Technisch hochstehend, ansonsten …
Kort Nagar bedauerte die Vernichtung einer jeden Welt zutiefst. Wie hätten sich diese Lebewesen wohl entwickelt, was hätten sie alles erreichen können? Wieder eine vertane Chance! Wirklich schade! Anschließend wandte er sich den hereinkommenden Daten betreffend Planet Nummer vier zu.
*
Missmutig begab er sich zu seiner Maschine, gefolgt von dem schweigsam hinter ihm hertrottenden Erich. Der für heute geplante Staffelflug von fünf Maschinen war kurzfristig auf einen Einzelflug zusammengestrichen worden. Wie war doch gleich wieder die Begründung gewesen? Sparmaßnahmen!
Klar, die gesamte Bundeswehr musste sparen, wo sie konnte. Afghanistan war teuer, andere Auslandseinsätze ebenfalls.
Die Ostsee hingegen? Seit dem Fall der Mauer, dem Beitrittsbegehren von ehemaligen Ostblockstaaten zur EU, war diese militärisch bedeutungslos geworden! Der frühere Auftrag des Marinefliegergeschwaders 2, nämlich feindliche Überwassereinheiten mit Abstandswaffen oder Bomben zu bekämpfen, Minen legen oder gegnerisches Feuerleit- und Überwachungsradar mit dem Flugkörper HARM – ausgeschrieben High Speed Anti-Radiation Missile, diesen langen Bandwurm schrieb und sprach niemand aus – zu unterdrücken und auszuschalten, war seither im Prinzip bedeutungslos geworden. Es gab keine Feinde mehr! Zumindest nicht in dieser Gegend!
Soweit allgemein bekannt, würde der operative Flugbetrieb des Geschwaders mit Ablauf des Jahres 2004 enden und ab Januar 2005 in die Verantwortung der Luftwaffe übergehen. Ende des Jahres 2005 würde es Schluss mit der 47-jährigen Geschichte des Marinefliegergeschwaders 2 und damit endgültig aus mit der Jetfliegerei im Verantwortungsbereich der Marine sein.
Was würde danach aus ihm und den Kameraden werden? Zur gewöhnlichen Luftwaffe? Nein, danke! Nicht umsonst war er damals zur Marine gegangen! Das Fliegen über dem Meer? Unvergleichlich!
Wirklich, heute war anscheinend kein guter Tag! Scheiß Morgenrot. Wenigstens konnte er bis dahin noch einige Male fliegen. Aber später? War derzeit unwichtig.
Vordringlich musste er sich um den jetzigen Auftrag kümmern. Ihre Maschine würde zumindest nicht alleine in der Luft sein. Eine englische Natomaschine, eine MRCA Tornado, ähnlich ihrer Maschine, jedoch nicht als Kampfmaschine, sondern als Aufklärer mit Radarwarnsystem, Infrarot-, Radar-Täuschkörper und einem elektrischen Störsender CERBERUS III ausgerüstet, würde nördlich von Rügen mit ihnen zusammentreffen. Gemeinsam wollten sie anschließend das weit draußen, außerhalb der üblichen Schiffsrouten schwimmende Ziel ausfindig machen und angreifen. Wobei der Engländer in erster Linie den Beobachter spielen und, zwecks späterer Auswertung, alles genau aufzeichnen musste.
Sein Tornado, in dem gepanzerten Unterstellbunker, wurde von den Bordmechanikern unter angenommenen gefechtsmäßigen Bedingungen zum Start vorbereitet. Jeder Handgriff musste sitzen. Die Begutachter hakten eifrig ihre Leistungsdatenblätter ab. Die Leitungen der externen Energieversorger wurden abgetrennt, die Waffensysteme für den scharfen Einsatz aktiviert. Als die beiden Männer in voller Montur zu dem Jet stießen, wurden die Bremsklötze vor den Rädern weggerissen und die roten Sicherungsleinen von den Waffenträgersystemen entfernt.
Das ›OK‹ des Bodenoperators zeigte dem Piloten, dass seine Tornado in Ordnung war. Handzeichen signalisierten, dass das Bodenpersonal vom Kampfjet weg musste. Daves Maschine war einsatzbereit.
*
Ein rötlicher, trockener, kalter Planet.
Die eine Hemisphäre kraterübersät, die andere überraschend kraterarm. Tiefe Schluchten, keine offenen Wasservorkommen. Diese wären sowieso sofort gefroren. Die geringe Atmosphäre bestand überwiegend aus Kohlendioxid. Für hochstehende, biologische Lebewesen absolut ungeeignet!
Trotzdem stimmte hier einiges nicht! Denn von dieser Welt ging ein Funksignal aus. Ausnehmend schwach zwar, dennoch deutlich anzupeilen. Ein Signal, stets von der gleichen Stelle kommend! Ein Signal von einer toten Welt?
Wozu waren sie ein Forschungsteam? Kort Nagar gab umgehend den Befehl zum Anfliegen der fraglichen Stelle. Gespannt beobachtete er die Schirme. Wie erwartet hielt das Schiff auf ein kraterfreies Gebiet zu. Eine Landschaft, in der technische Einrichtungen Jahrzehntausende überdauern konnten!
Ohne die auf höchste Empfindlichkeit eingestellten Metalltaster und das schwache Signal hätten sie die Anlage sicherlich niemals gefunden. Sie musste riesig sein!
Unter einer dicken Sandschicht begraben entzog sie sich erst einmal den neugierigen Blicken der Forschungscrew. Darauf waren sie jedoch vorbereitet. Das Ausschleusen von Grabungseinheiten war für sie reine Routine, oft und oft durchgeführt. Vom Schiff aus ferngesteuert, zusätzlich von eingebauten Kleinstrechnern geleitet, legten die Maschinen Quadratmeter um Quadratmeter des Gebäudes, oder was das war, frei. Das Ergebnis war recht enttäuschend. Nichts als eine glatte, kaum verwitterte Metallfläche.
Darüber hinaus konnte das Material nicht mal richtig analysiert werden. Eine extrem harte, widerstandsfähige Metall-Legierung auf der Grundbasis von Eisen, welche allen ihren Versuchen, sich Proben entnehmen zu lassen, unerwartet widerstand. Also, wenn das nicht die Überreste einer weit fortgeschrittenen Hochkultur waren, wollte er nicht mehr Kort Nagar heißen! Zu deren Lebzeiten wäre er denen ungern in feindlicher Absicht begegnet.
Andererseits, was hatte es dieser Kultur genützt? Nichts! Untergegangen, wie so viele vor ihr. Kort Nagar grübelte. Aufhören oder nicht? Hier würden sie mit ihren derzeitigen Mitteln kaum weiterkommen. Da mussten andere her.
»An Kommandant, hier ist eine Stelle mit unbekannten Schriftzeichen. Sie wird soeben freigelegt!«
Gut, dies half ihm, eine Entscheidung zu fällen.
»An Grabungsteam: Die Stelle mit den Schriftzeichen vollständig freilegen. Danach genaue Aufzeichnungen anfertigen. Anschließend fliegen wir weiter zum dritten Planeten. In der Zwischenzeit können wir versuchen, die Schriftzeichen zu entschlüsseln!«
*
Zufällig hatte Dave beim Einsteigen aus nächster Nähe in Erichs Gesicht geblickt. Im hellen Licht der frühen, tief stehenden Sonne sah dieses verkniffen, übernächtigt und gestresst aus.
Der hatte doch hoffentlich nicht, oder? Nachgewiesener Restalkohol oder Drogenrückstände führten zum sofortigen Flugausschluss und hatten für den Sünder zumeist noch weitere unangenehme Folgen. Erich ansprechen oder nicht? Die Kameradschaft siegte. Vorerst! Lange bevor sie zurück wären, würde sich Erich weitestgehend erholt haben.
Zukünftig konnte das in dieser Form nicht mehr weitergehen. Nach dem Einsatz würde er mit Erich ein ernstes Wort reden müssen. Bei einem einfachen Übungsflug wie diesem, unter simulierten Kampfbedingungen, war sein Waffensystemoffizier – Erich stand im Range eines Oberleutnants zur See – sowieso nicht besonders gefordert. Immerhin war ja er der Pilot. Und topfit!
Mental war er derzeit allerdings nicht besonders gut drauf. Flüchtig erinnerte er sich seiner Frau … Daniela … und an Sylvia, seine Kleine. Was Daniela anbetraf …
Die üblichen Eheprobleme … aber dies war nicht der Zeitpunkt, sich gedanklich damit zu beschäftigen. Erst nach dem Flug, wenn er einige Tage Zeit und Muße hatte. Eine Scheidung, in Offizierskreisen freilich nicht gerne gesehen, war auf Dauer sicherlich die sinnvollste Lösung. Besser jetzt nicht daran denken. Später!
*
Der dritte Planet war ein Paradies!
Abgesehen davon, dass die vorherrschende Rasse, eine Humanoidenart, alles tat, um dieses Paradies gründlich zu zerstören. Primitivlinge! Zu seinem Ärger entdeckten sie Lebewesen, die entfernt ihren Vorfahren ähnelten. Sehr entfernt!
Zu lange Schnauzen, die Körper in muskulösen Schwänzen endend. Außerdem krochen sie, ohne einen Funken Verstand, auf dem Boden herum. Als sie darüber hinaus feststellten, dass diese Wesen Eier legten, war schnell klar: Mit denen waren sie auf keinen Fall verwandt!
Daraufhin wandte sich das Interesse der Forschungsbesatzung diszipliniert den Humanoiden zu. Klugerweise waren sie von Anfang an im Tarnmodus geflogen, sodass sie von deren rückständigen Ortungsgeräten nicht erfasst und nicht gesehen werden konnten. Sie durften sich derart primitiven Intelligenzen nicht zeigen. Nicht allein, dass dies eine beträchtliche Aufregung oder gar Kriege heraufbeschwören konnte, nein, diese Primitiven würden sie ohne Rücksicht auf eigene Verluste erbarmungslos angreifen.
Natürlich konnten ihnen die Waffen der Humanoiden nichts anhaben, mit der Ruhe zur Forschung wäre es hingegen vorbei gewesen. Aufzeichnung um Aufzeichnung wurde angefertigt. Die Hauptsprache der Humanoiden, diese wurde ›Englisch‹ genannt, war schnell erlernt.
In einem halben Jahr Planetenzeit würden sie ein vollständiges Bild dieser Rasse mit den wichtigsten Pflanzen und Tieren erstellt haben. Danach konnten sie wieder abreisen, die gesammelte Datenflut vom Zentralrechner in Shanti auswerten lassen. Nicht einer der Eingeborenen würde auch nur das Geringste von ihrem Besuch bemerken.
*
Runway 01/19.
Gerade mal um 10 Grad von der genauen Nord-Südrichtung abweichend.
Über den Taxiway war er an das südliche Ende zum Holding Point der Piste gerollt und wartete auf die Startfreigabe. Sofort kam die Anfrage des Towers:
»Flug 1721! Melden Sie sich flugbereit, kommen!«
»1721, ready to go, kommen!«
»Wind aus 330, 4 Knoten, kommen!«
»Okay, kommen!«
»1721, Startfreigabe erteilt! Halten Sie Kurs 010 und steigen Sie auf 12 000. Danach haben Sie Flugfreigabe nach Sichtflugregeln. Kommen!«
»Verstanden, over!«
Die Triebwerke drückten den abflugbereiten Jet einige Zentimeter, zusätzlich zur eigenen Last von knapp 27 Tonnen, zu Boden, als der Schub erhöht wurde. Die Besatzung war hochkonzentriert und angespannt, immer wieder die Cockpitanzeigen genau überprüfend. Die Belastungen eines Starts forderten Mensch und Maschine stets von Neuem aufs Äußerste.
Mit eingeschaltetem Nachbrenner zog Dave die schwere Kampfmaschine steil nach oben. Kaum eine Minute später schwenkte er die Tragflächen von der 25°-Startposition mit einer Flügelspannweite von knapp 14 Metern auf 67° mit einer neuen, verringerten Spannweite von achteinhalb Metern. Links, unter ihnen, zog Flensburg vorbei. Dave legte den Jäger in eine flache Rechtskurve und schlug einen östlichen Kurs über die Ostsee ein. In wenigen Minuten würde die Insel Rügen mit ihren berühmten, weithin bekannten Kreidefelsen zur Rechten in Sicht kommen. Und hoffentlich auch ihr Übungspartner!
*
»Kapitän, wir haben hier äußerst ungewöhnliche Signale entdeckt. Bitte, Kapitän! Könnten wir nahe heranfliegen?«
Belustigt betrachtete Kort Nagar seinen jungen Funkoffizier. Keen Madai stand, aufgeregt von einem Bein aufs andere tretend, vor ihm.
»So, so! Was sind denn das für Signale, Keen?«
»Wir können keinen Sinn darin entdecken, Kapitän! Sie gehen von einem vollmetallischen Seefahrzeug aus. Seltsamerweise befinden sich keine Menschen an Bord. Höchst ungewöhnlich!«
Auffordernd fragend blickte Keen seinen Kommandanten an. Dieser überlegte.
Menschen …
So bezeichneten sich die Humanoiden dieser Welt. Der Planet selbst wurde von ihnen Erde genannt.
Menschen …
Eine notorisch streitsüchtige Rasse, voller Heimtücke und Hinterlist. Konnten sie eine Sache nicht bekommen oder behalten, zerstörten sie diese lieber, als sie einem anderen zu gönnen. Eine Rasse voller widersprüchlicher Eigenschaften. Großzügig und kleinlich, mutig und feige, wahrheitsliebend und verlogen. Jung, aufstrebend und rücksichtslos. Rücksichtslos vor allem gegeneinander sowie oft sich selbst gegenüber. Kort Nagar seufzte.
»Wo befindet sich diese Signalquelle?«
Keen atmete erleichtert auf. Dass Kort Nagar nachfragte, anstatt gleich rundweg abzulehnen, war schon einmal ein gutes Zeichen. Eifrig, auf das neben ihnen aufleuchtende, dreidimensionale Bild zeigend:
»Dort, Kapitän, sehen Sie! Die Menschen nennen das Gebiet ›Ostsee‹, kein echtes Binnenmeer, da eine Verbindung zu den Weltmeeren besteht. Viele Zuflüsse, verschiedene Wasserschichten aus reinem Salzoder Süßwasser und Brackwasser. Eine durchaus interessante Gegend. Darüber hinaus absolut friedlich. Keinerlei kriegerische Aktivitäten weit und breit, was heißt, wirklich ungefährlich!«
Der letzte Satz gab den Ausschlag.
»Von mir aus, sehen wir uns die Sache halt einmal an!«
Und an den Piloten gerichtet:
»Achte darauf, dass wir den irdischen Seefahrzeugen weiträumig ausweichen. Ich will nicht, dass Eingeborene durch versehentlichen Kontakt mit dem Dimensionsverzerrerfeld zu Schaden kommen!«
Rour Tiras nickte und der Shantiraumer nahm Kurs in Richtung Ostsee auf. Unsichtbar, unhörbar und mit menschlicher Technik niemals zu orten.
*
Wie befürchtet, war der erwartete Kollege noch nicht da. Also, Tragflächen wieder ausfahren und im langsamen Flug weit draußen auf dem Meer – ja keine Touristen mit dem Lärm der Turbinen verärgern! – weite Kreise ziehen. Und vor allem Treibstoff sparen.
»Hallo, Dave!«
Aha, Erich war voll wach. Na, wer sagt’s denn.
»Ankunft des Aufklärers in rund sieben Minuten!«
»Okay, danke, Erich!«
Sie beide kannten sich bereits seit zwei Jahren und waren ein eingespieltes Team. Wenige Worte genügten ihnen. Zumindest im Dienst.
*
Eine Nikon D70, eine hochwertige Digitalkamera neuester Bauart. Semiprofessionell. Sauteuer, jedoch eine der besten, welche derzeit am Markt erhältlich war. Gestern erst gekauft. Er war äußerst wild darauf, die Kamera ausgiebig zu testen. Sein neuestes Spielzeug sozusagen. Wenn man von seinem hochwertigen Laptop und seinem Handy mal absah.
Diese Kamera bot, unter vielen anderen Möglichkeiten, vor allem eine extrem kurze Verschlusszeit. Mit Serienbildfunktion natürlich! Hinzu kam ein ebenfalls überaus aufwendiges, lichtstarkes, in einem weiten Bereich zoombares Teleobjektiv. Nicht zu vergessen dessen automatischer Ausgleich gegen Verwackeln.
Das Ausflugsschiff, auf dem er eine mehrstündige Ostseerundfahrt gebucht hatte, war mit verhältnismäßig wenig Fahrgästen belegt. Dadurch hatte er ein freies Oberdeck zu seiner nahezu alleinigen Verfügung. Ausflugsschiffe füllten sich meist erst gegen Nachmittag. Morgens war selten viel los. Gut für ihn!
Das Geräusch eines Düsentriebwerkes über ihm brachte ihn auf einen Gedanken. Warum nicht einige Bildserien von der verhältnismäßig niedrig fliegenden Maschine schießen? Wenn er sich recht erinnerte, war dies, der Silhouette nach zu urteilen, eine Tornado, welche ungewohnt langsam weite Schleifen über der See flog. Kaum einen halben Kilometer hoch. Genau das richtige Testobjekt. Gezielt und abgedrückt.
Das Ergebnis? Soweit der winzige Monitor eine erste Beurteilung zuließ, war das Resultat recht gut. Dennoch nicht voll zufriedenstellend. Neue Einstellung: kleinere Blende, dafür den ISO-Wert auf 800 hochsetzen. Und den Autofokus von ›Einzel-AF‹ auf ›Kontinuierlich‹ stellen. Als er zufrieden seine neue Einstellung abgespeichert hatte und wieder aufnahmebereit war, stellte er fest, dass inzwischen eine zweite Maschine hinzugekommen war.
Sehr gut! Allerdings hatte sich unversehens das Triebwerksgeräusch gegenüber vorhin wesentlich verändert. Nichts war es mehr mit gemütlichem Schauflug. Mit hoher Geschwindigkeit kamen die beiden Tornados von der inzwischen fernen Küste her auf sein Schiff zugeschossen, rasten in geringer Höhe darüber hinweg und …
Die linke, hintere, kaum merklich tiefer fliegende Maschine feuerte! Irgendwohin. Er konnte kein Ziel erkennen. Jedenfalls hielt er voll drauf, hinter den zwei schnell kleiner werdenden Flugzeugen her. Seine Kamera schoss dabei emsig Bild um Bild. Gerade als er sie absetzen wollte, erschien weit vor ihm, nahe am Horizont, ein Feuerball. Und gleich darauf ein zweiter! Ein Flugunfall? Ein Unglück?
Wie verrückt schoss er Foto um Foto, so schnell die Kamera speichern konnte. Seine Kinnlade stand offen. Was zum Teufel war das denn eben gewesen? Danach rannte er umgehend zu seinem Laptop. Um eiligst die Bilder von der Kamera auf den Rechner zu überspielen und das erzielte Ergebnis auf dem hochwertigen TFT-Display in größter Auflösung anzusehen!
*
Über das XT-3000, das VHF/UHF-Funkgerät, kam der Kontakt schnell zustande. Nicht gerade verwunderlich, denn die genaue Frequenz war, wie alle anderen wichtigen Details, längst festgelegt.
Der Pilot stellte sich als Captain Mike Chester und seinen zweiten Mann, den Kampfbeobachter, als First Lieutenant George Swift vor. Unwichtig. Dieser eine gemeinsame Einsatz, danach würden sie sich nie wieder treffen. Bekannterweise hatten die Engländer, dank ihrer Aktivitäten in den nahöstlichen Gebieten, ebenfalls gravierende finanzielle Engpässe im Militäretat und würden jeden vermeidbaren Einsatz, außerhalb von aktuellen Krisengebieten, streichen. Allerdings war diese Übung schon vor einigen Monaten festgelegt worden und konnte schlecht zur Gänze ausfallen. Den Aufwand indessen, den hatten die Verantwortlichen auf beiden Seiten kräftig reduziert.
Schnell waren sich die zwei Besatzungen über die anzuwendende Taktik einig:
Ein gemeinsamer Schwenk übers Land, danach Fahrt aufnehmen und mit Mach 0,9 in einer Flughöhe von 300m über die See hinweg das angepeilte Ziel anfliegen. Störsender in beiden Maschinen aktiv, die Beobachtermaschine um gut zweihundert Meter nach rechts versetzt, dabei knapp zwanzig Meter höher fliegend und rund 250m voraus. Das Übungsziel, welches es zu treffen galt, war eine rostige, ausrangierte Fregatte, ebenfalls mit einem starken Störsender ausgestattet. Alles möglichst unkompliziert gehalten, ja kein Aufwand, somit alles in allem eine eher harmlose Übung ohne jeden Stress. Nicht umsonst hieß es bei der Kormoran: Fire and Forget!
Blitzschnell huschten sie über eines der üblichen, weißen Ausflugsschiffe hinweg. Verdammt, was hatte dieses Schiff da zu suchen, dachte Dave. Dieser Korridor war seines Wissens nach vorübergehend gesperrt worden, oder hatte da wieder jemand nicht aufgepasst? Selbst wenn sie im Unterschallbereich flogen, würden die da unten sich für einige Sekunden die Ohren zuhalten. Und sich tüchtig erschrecken.
»Ziel erkannt! Automatische Zielerfassung läuft!«
Erich schaltete die Störelektronik auf höchste Leistung. Schau an, Erich war also nicht versehentlich wieder eingeschlafen, sondern hellwach. Gut!
»Sind in Schussreichweite!«
Die Waffen waren bereit. Abdrücken und zur Seite hochziehen. Reine Routine. Interessiert sah er einige Herzschläge lang zu, wie die beiden Kormoran-Flugkörper auf das ferne Ziel zurasten.
Danach war nichts mehr so, wie es hätte sein müssen! Die Anzeigen spielten verrückt, die Triebwerksleistung brach schlagartig ein, hochziehen ging nicht, denn die Maschine reagierte nicht mehr auf sein verzweifeltes Zerren am Knüppel. Erich schrie. Die Engländer, über Funk, waren nicht zu verstehen, außer dass diese ebenfalls lauthals schrien und, wie er fassungslos zur Kenntnis nahm, die beiden Kormoran-Flugkörper weit vor dem Ziel explodierten.
Verschwommene Sicht und dies mitten im schönsten Sonnenschein. Eine Nebelbank? Eine Miniwindhose? Was zum Teufel ging da draußen vor? Ein Schatten oder eine Luftspiegelung? Wie auch immer, alles ging dermaßen schnell, dass er praktisch nichts wirklich erfasste. Er sah gerade noch, wie der Engländer die linke Tragfläche verlor und abstürzte. Und vor dem Aufschlag aufs Wasser in der Luft explodierte!
›… sogar das Meer sieht nicht so aus, wie es sollte … weißes Wasser …‹
Fünf Herzschläge später war die Welt wieder normal. Protestierend jaulten die Triebwerke auf und der Tornado gehorchte wieder seinen Steuerbefehlen. Beinahe hätte er die viel zu langsame Maschine überzogen. Also die Nase schnellstens wieder runternehmen, den Tornado flachlegen, die Tragflächen voll ausfahren und sich umsehen.
Erich schrie und schrie. Rechts von ihnen pendelte ein Schleudersitz an einem Fallschirm herab und schlug aufs Wasser auf. Nur einer? Verdammt, wo war der zweite? Er würde doch nicht …?
»Erich! Erich! Beruhige dich! Alles vorbei! Erich …!«
Immerhin wurde Erich endlich leiser und brabbelte andauernd geschockt vor sich hin. Er tat, was er bisher lediglich als theoretisch vorkommenden Fall gelernt und von dem er gehofft hatte, dass dieser niemals eintreten würde.
»Flight 1721 an Leitstelle! Kommen!«, sprach Dave mit vor Aufregung heiserer Stimme in den Funk.
»Hier Leitstelle! Was ist bei Ihnen geschehen? Die zweite Maschine ist vom Schirm!«
»Hier 1721! Mayday, Mayday! Die Engländer sind im Wasser … benötigen Unterstützung … kommen!«
Mehr konnte Dave in diesen Sekunden nicht sagen. Ja, was gab es denn zu berichten? Genau wusste er es selbst nicht so richtig. Also Vorsicht! Alles wurde automatisch aufgezeichnet und würde ihm hinterher Wort für Wort von den Marine-Juristen unter die Nase gehalten werden. Zumindest würde es eine hochrangig besetzte Untersuchungskommission geben, schließlich hatte er den Verlust einer Maschine zu melden. Hoffentlich war den beiden Männern an Bord der englischen Natomaschine nichts geschehen.
»Melde, dass beide abgefeuerten Übungsraketen aus unbekannter Ursache vorzeitig explodiert sind. Die Natomaschine ist bei dem Vorfall abgestürzt. Ich konnte lediglich beobachten, wie ein Schleudersitz ausgelöst wurde. Eine Person schwimmt unter uns, allem Anschein nach mit Rettungsweste. Ich kreise so lange über der Stelle, bis Hilfe in Sicht ist. Kommen!«
»In Ordnung, 1721! Zwei SARS sind bereits unterwegs. Schiffseinheiten in Ihrer Nähe haben wir derzeit leider nicht. Anfrage: Wie sieht es mit Ihrem Treibstoff aus? Ist Ihre Maschine ebenfalls beschädigt?«
»Negativ! Keine erkennbaren Schäden. Treibstoff reicht für weitere vierzig Minuten und den Rückflug!«
»Leitstelle an Flight 1721! Anweisung von Ihrem Kommodore: In spätestens dreißig Minuten Rückflug antreten! Die Wetterlage verschlechtert sich! Verstanden?«
»Verstanden!«
Er vergrößerte seinen Flugradius und kreiste weiter über der Absturzstelle. Wenn er keine allzu engen Kurven flog, konnte er verhältnismäßig langsam fliegen und Treibstoff sparen. Wer wusste schon, ob er diesen nicht später dringend benötigen würde?
›… sogar das Meer sieht nicht so aus, wie es sollte … weißes Wasser …‹
Wo zum Geier hatte er diese Beschreibung schon einmal gehört oder gelesen? Bewusst sah er nach Westen. Dort war eine in der Ferne deutlich auszumachende Gewitterfront im Anmarsch. Wie es ihm heute Morgen schon durch den Kopf gegangen war: Scheiß Morgenrot!
»Erich?«
»Bin okay, Dave! Alles Roger!«
Na schön, dachte er und kreiste weiterhin über einem bunten Fleck auf der Seeoberfläche.
*
Beunruhigt sah sich Kort Nagar in seiner Zentrale um. Aus irgendeinem Grunde, er hätte nicht sagen können warum, schien ihm die Angelegenheit plötzlich nicht mehr geheuer. Die Schirme zeigten das Menschenschiff in gestochen scharfer Qualität. Es dümpelte, anscheinend wirklich verlassen und führungslos, ziellos auf dem Wasser herum. Nichts Besonderes: ein altes Schiff, harmlos, antriebslos.
Wenn da nicht diese unverständlichen Signale gewesen wären! Ein starker Sender mit absolut sinnlosen Signalen? Das entsprach nicht der Art der Menschen. Unheimlich! Trotzdem, da war weit und breit wirklich niemand, wenn er von dem in kilometerweiter Entfernung kreisenden Flugzeug mal absah. Wieder wandten sich seine Gedanken dem unscheinbaren Schiff zu. Was war mit dem los? Was hatte er übersehen?
Im ersten Moment schien alles in bester Ordnung zu sein. Der Pilot flog mit der gebotenen Vorsicht an, die Funker versuchten, den eingehenden Wellensalat zu entschlüsseln. Alles im grünen Bereich! Ein entsetzter, durchdringender, anhaltender Schrei gellte durch die Zentrale.
Rijn Tubal, eine Frau des wissenschaftlichen Forschungsteams, starrte fassungslos auf einen der Schirme. Verdammt! Wie hatten sie nur derart nachlässig sein können? Minutenlang hatten sie nicht mehr auf ihre weitere Umgebung geachtet!
Zwei irdische Kampflugzeuge rasten heran und feuerten unbekannte Waffen auf sie ab! Von wegen friedliches Gebiet! Bevor er auf den für irdische Waffen absolut undurchlässigen Schutzschirm umschalten konnte, wurde ihr Schiff bereits heftig durchgeschüttelt. Kurzzeitig fiel die gesamte Energie aus und alle Schiffsfunktionen brachen für drei, vier Sekunden zusammen. Gleich danach schien alles wieder in Ordnung. Kort Nagar atmete auf. So lange, bis ihr Bordrechner in heller Panik bekannt gab:
»Triebwerke ausgefallen! Triebwerke …!«
Bevor er reagieren konnte, schlug sein Schiff auf der Wasseroberfläche auf. Schmerzvoll wurde er in den Sitz gedrückt. Wer nicht saß, wurde von der Wucht des Aufschlags voll überrascht und zu Boden geschleudert. Grimmig nahm er zur Kenntnis, dass Wasser in die Schächte mit den Landestützen eindrang. In Teile der Triebwerke ebenfalls.
Langsam sanken sie tiefer und tiefer. Auf den Schirmen sahen sie nichts als Wasser, und dies auch nur einige wenige Meter weit, sowie stumpfsinnig glotzende Fischgesichter. Ein leichter Stoß, eine hochwirbelnde Schlickwolke und sie waren angekommen. Auf dem Grund der Ostsee!
*
Die Bilder waren hervorragend! Der Kauf der teuren Kamera hatte sich wirklich gelohnt!
Aufmerksam betrachtete er Bild um Bild. Plötzlich stutzte er. Zwei Bilder zeigten in einer diffusen Wolke ein symmetrisches Gebilde! Einen nahezu regelmäßigen Schattenwurf, der in den Bildern vorher und nachher nicht zu sehen war. War da etwas in der plötzlich aufgetauchten und wieder verschwundenen Wolke gewesen, wenn das unscharfe, verwaschen aussehende Gebiet überhaupt eine Wolke war? Was hatte die Marine da wohl getestet?
Oder war es gar … ein UFO?
Seine Hände zitterten, als ihm die mögliche Bedeutung seiner Aufnahmen bewusst wurde. In allen denkbaren Fällen konnte er sich schwer in die Nesseln setzen. Eine beschlagnahmte Kamera samt Laptop und jede Menge Ärger. Also hieß es scharf nachdenken!
Nach der zweiten, nervös und hastig gerauchten Zigarette kam ihm ein Gedanke. Gab es da nicht ein paar überzeugte Fanatiker, welche begeistert UFO-Aufnahmen sammelten und analysierten? Vielleicht ein wenig den Kontrast verstärkten, unscharfe Konturen nachzogen und so?
Das Internet ergab – sein Computer war über sein Handy mit diesem verbunden – schnell zwei Adressen. Die CENAP, mehr für unerklärliche Himmelsphänomene zuständig und SETI, welche eher auf der Suche nach außerirdischen Signalen war. Am besten, er sandte beiden Gruppen die wichtigsten Bilder zu, komplett mit Datum und Uhrzeit, sowie der harmlos klingenden Frage: »Marine auf Ufojagd in der Ostsee?«
Jedenfalls würden die Bilder anschließend nicht mehr spurlos verschwinden können. Er freute sich. Vor allem auf die Schlagzeilen in der Presse!
*
»Flight 1721, hier SARS 13 und 17! Kommen!«
»Hier Flight 1721, kommen!«
»1721! Wir sind in drei Minuten bei Ihnen … verbleiben Sie bitte, sofern Ihr Treibstoff ausreicht, am Treffpunkt!«
Dave kreiste weiterhin langsam über der Absturzstelle, genauer über der im Wasser schwimmenden Person, bis er die beiden SARS-Hubschrauber sehen konnte.
»SARS 13, hier 1721, wir drehen ab. Viel Erfolg noch. Ende!«
»Verstanden, 1721! Ende!«
Vorsichtig beendete Dave seine Kreise und ging in einen leichten Steigflug Richtung Flensburg über. Dabei ärgerte er sich gewaltig. Im Abflug hatte er die verrostete alte Fregatte gesehen, welche ihm in der schwachen Dünung höhnisch zuzunicken schien. Gleichgültig, was geschehen war, den elenden Schrottkahn hatten sie nicht mal angekratzt. Eine Pleite auf der ganzen Linie!
In den Tornadotanks befand sich genügend Treibstoff, was bedeutete, dicht unter der Schallgrenze ab in Richtung Heimat. Ja nicht zu schnell fliegen und die braven, steuerzahlenden Bürger bloß nicht erschrecken. Andererseits, vielleicht sollte er denen für ihre Steuergelder wirklich einmal etwas bieten? Zudem das Unwetter immer näher kam. Also, mehr Schub und Mach 1,7!
Erich protestierte zwar pflichtgemäß, jedoch nicht allzu intensiv. Schließlich wollte der seinen Hintern ebenfalls sicher, schnell und vor allem unversehrt nach Hause bringen. Kurz vor Flensburg drehte Dave nach Süden ab und nahm die Geschwindigkeit zurück. Drei Minuten später lag die Runway westlich von ihnen und wanderte langsam nach hinten aus. Sie befanden sich im rechten Gegenanflug.
»Flight 1721 an Tower! Erbitte Landeerlaubnis!«
»Landeerlaubnis erteilt! Drehen Sie nach rechts auf rechten Queranflug! Wind aus 325 mit 7 Knoten!«
Na ja, ging noch, da hatte er schon deutlich widrigere Wetterverhältnisse überstanden!
»1721, drehen Sie nach rechts! Gehen Sie in den Endanflug!«
»Verstanden, Endanflug eingeleitet!«
Eine schöne Schüttelpartie. Der Wind war böig, zum Glück jedoch nicht allzu heftig. Voll ausgefahrene Tragflächen, Geschwindigkeit auf 250 km/h gedrosselt und das Fahrwerk ausfahren. Heute war wirklich nicht sein Tag. Zum Kotzen!
»1721 an Tower! Erbitte tiefen Vorbeiflug über Runway! Fahrwerksanzeige auf ›Rot‹! Kommen!«
Deutlich hatte er das Rumpeln der ausfahrenden Fahrwerke gehört. Nur, waren wirklich alle draußen, fehlte eines oder waren sie nur teilausgefahren? Im Tower würde es ab sofort recht hektisch zugehen. Wer konnte, würde seine verhältnismäßig langsam vorbeifliegende Maschine mit den starken Ferngläsern betrachten, der Rest würde sich die Alarmpläne für Notlandungen ins Gedächtnis rufen. Anscheinend war der Kommodore selbst im Tower anwesend:
»Dave, Ihre Fahrwerke scheinen ausgefahren zu sein. Wir können allerdings nicht feststellen, ob sie korrekt eingerastet und verriegelt sind. Sie müssen selbst entscheiden: Einziehen der Fahrwerke und Bauchlandung auf einem Schaumteppich oder Risikoaufsetzen mit erhöhter Geschwindigkeit und durchstartbereit. Ich will Ihnen nichts vorschreiben!«
Sicher, die letzte Entscheidung traf immer der Pilot. Einige Herzschläge lang überlegte er. Seinem Gefühl nach hatten die Fahrwerke beim Ausfahren geklungen wie immer. Diese blöde rote Lampe störte allerdings erheblich! Ignorieren oder nicht ignorieren? Selbst an einem Tag wie heute konnte nicht alles schiefgehen. Rein statistisch gesehen.
»Erich?«
»Ja, Dave?«
»Wo möchtest du aussteigen?«
Für einen Moment schien Erich empört die Luft anzuhalten.
»Spinnst du? Draußen regnet es! Ich will nicht nass werden. Also, lande gefälligst, roll in den trockenen Hangar und nerve mich nicht!«
Netter Kumpel, nicht wahr? Wider Willen lachte er und an den Tower gerichtet:
»Flight 1721 an Tower! Erbitte Erlaubnis zur Platzrunde mit erneuter Landefreigabe ohne Aufsetzen und Durchstarten!«
Dabei konnte er die Gedanken des Fluglotsen und der Männer im Tower förmlich riechen: ›Dieser Idiot! Langt es dem für heute wirklich noch nicht?‹
»Landefreigabe erteilt, Dave! Willst du dir das nicht noch mal überlegen? Eine Maschine ist zu ersetzen, aber …«
Der Kommodore brach ab. Deutlich hörte man die Sorge in seiner Stimme. Inzwischen war Dave bereits wieder im Gegenanflug. In wenigen Minuten würde es entschieden sein. So oder so! Eine lang gezogene Linkskurve und zum zweiten Male befand er sich im Endanflug. Geschwindigkeit reduzieren, Vorflügel, Landeklappen und Luftbremsen ausfahren. Und dann: Beten!
Schnell kam die Piste näher. Dave hatte kaum Zeit zum Überlegen, als bereits der Bodenkontakt erfolgte. Anscheinend hielten die Fahrwerke. Trotzdem, sicher war sicher! Er verzichtete auf die Bremsen im Fahrwerk und benutzte alleinig die Schubumkehr. Kein Problem, die Runway war lang genug. Als die Maschine beinah zum Stillstand gekommen war, vernahm er Erichs fragende Stimme:
»Äh, David, leben wir noch?«
Er musste lachen.
»Klar doch!« Und weiter: »Schau mal an, wir brauchen nicht mal mehr aus eigener Kraft weiter zu rollen, sie wollen uns ziehen!«
*
Niedergeschlagen saß Kort Nagar in seinem Sitz. Eine bittere Erkenntnis drängte sich in ihm auf: Sie waren gescheitert!
Die Haupttriebwerke waren zwar in Ordnung, aber die empfindliche Energieleitung zwischen Reaktor und Triebwerksenergieverteiler war gebrochen und an der Bruchstelle verdampft. Weder mit Bordmitteln und schon gar nicht mit irdischen Mitteln jemals wieder richtig instandzusetzen. Der Leitende Ingenieur hatte lediglich ein Konzept für eine provisorische Notlösung aufgezeigt. Wenn sie eine ausreichende Menge eines bestimmten, elektrisch gut leitenden Metalls bekommen konnten, würden sie zumindest starten und mit maximal einem vierhundertstel Lichtgeschwindigkeit fliegen können.
Energie, atembare Luft und Lebensmittel waren für viele Monate vorhanden. Hiermit würde es keine Probleme geben. Kritischer war, dass sie in salzigem Wasser lagen. Dies war von den Konstrukteuren nicht vorgesehen gewesen. Und ihr Schutzschirm? Derzeit mehr als nutzlos. Umgeben von Schlamm und Wasser, würde das Einschalten des gleich darauf überlasteten Schirmes das Ende ihres Schiffes bedeuten. Ihre Waffen? Im Wasser nicht zu gebrauchen. Was bedeutete, dass sie absolut wehrlos waren.
Kort Nagar fluchte lauthals. Da anzunehmen war, dass die Menschen in den nächsten Tagen die Unfallstelle gründlich untersuchen und beobachten würden, blieb allein eine Entscheidung übrig: Mehrere Tage lang ganz still abwarten. Später mit einem der Beiboote vorsichtig auftauchen und sich umsehen. Nachts natürlich. Sie unterschieden sich äußerlich zu stark von den Humanoiden, als dass diese sie tagsüber erblicken durften.
Eine gründliche Suchaktion irdischer Kriegsschiffe wäre ihr Ende. In ihrem Zustand waren sie gegenüber irdischen Wasserbomben total wehrlos. Kort Nagar war verzweifelt. Selbst wenn sie von diesem Planeten wieder wegkämen, ohne ihren Überlichtantrieb waren sie trotzdem in Raum und Zeit gestrandet!
*
Ein dunkel gebeizter Holztisch, schwer, wuchtig und gut vier Meter lang. Dahinter drei ernst, aber nicht unfreundlich blickende Männer. Zwei Kapitäne und ein Oberleutnant zur See.
Vor dem ausladenden Tisch stand quer ein kaum zwei Meter breiter, schmaler und deutlich niedrigerer Tisch. An diesem saß er selbst und zu seiner Rechten sein Waffensystemoffizier, Erich Weber.
Hinter ihnen hatten einige weitere Personen, vermutlich als Zuhörer oder Beobachter, Platz genommen. Sein Vorgesetzter, zwei seiner Offizierskollegen, einige ihm unbekannte Offiziere und Zivilisten. Sicherlich Beamte des MAD und dazu verschiedene wissenschaftliche Mitarbeiter der Marine sowie von der mit ihnen konkurrierenden Luftwaffe.
Seitlich von ihnen schrieb der Protokollführer bereits eifrig raschelnd in seinen Papieren.
›Blöder Hund‹, dachte er. Langsam wurde er ungeduldig. Nachdem sie ihn und Erich vor zwei Tagen, gleich nach der Landung, vorläufig vom Dienst suspendiert hatten, mit der Auflage, jederzeit kurzfristig erreichbar zu sein und nach Möglichkeit den Kasernenbereich in Tarp nicht zu verlassen, war er wegen der erzwungenen Untätigkeit ziemlich genervt. Gestern Nachmittag hatte eine Ordonnanz ihm und Erich die Anweisung überbracht, sich pünktlich um zehn Uhr in Kiel beim Marinefluggeschwader, dem MFG 5, zu einer offiziellen Anhörung einzufinden. Wenigstens mussten sie sich nicht selbst um eine Fahrgelegenheit bemühen. Ein Wagen der Fahrbereitschaft würde sie rechtzeitig nach Kiel bringen.
»Ziemlicher Aufwand, findest du das nicht, Dave? All diese netten Lamettaträger!«, flüsterte Erich ihm leise und respektlos zu. Er musste sich schwer zusammenreißen, um nicht laut herauszulachen. Hier ging es wirklich nach alter Marinetradition zu. Anscheinend hatte der in der Mitte sitzende Kapitän zur See, der Vorsitzende, das Zucken seiner Mundwinkel bemerkt. Ein strafender Blick, ein lautes Räuspern:
»Hiermit eröffne ich die Sitzung des Marine-Untersuchungsausschusses bezüglich des Vorfalls während einer Übung vor Rügen vom …«
Ziemlich langweilig, diese Einleitung, er hörte nur halb zu. Ein einziger Gedanke beherrschte ihn: Was hatte er wirklich gesehen? Schließlich wurde der Vorsitzende konkreter:
»Die Besatzung von Flight 1721, Pilot Korvettenkapitän David Thorstensen und der Waffenoffizier, Erich Weber, Oberleutnant zur See, wird beschuldigt, durch Fahrlässigkeit und Missachtung von Dienstvorschriften am Verlust eines Natoaufklärers und dem damit verbundenen Tod dessen Kampfbeobachters mitschuldig zu sein! Ich weise darauf hin, dass der Ausschuss lediglich vorläufige Empfehlungen aussprechen kann. Ein eventuell notwendiges Dienstgericht kann erst nach Auswertung der inzwischen geborgenen Data Acquisition Unit und des Crash-Recorders einberufen werden. Ihre Aussagen erfolgen nicht unter Eid!«
Kurze, effektvolle Pause, ein wirkungsvoller Rundblick und dann wandte sich der Vorsitzende an ihn:
»Herr Korvettenkapitän Thorstensen! Wären Sie bitte so freundlich, die Vorgänge aus Ihrer Sicht, beginnend mit dem Zielanflug, zusammen mit dem Natoaufklärer, zu schildern?«
»Also, das war folgendermaßen: Nach dem Einspielen des Zielkurses durch den Aufklärer …«
Kurz, knapp, ruhig und präzise schilderte er den Vorfall, ohne irgendwelche Mutmaßungen zu äußern oder eventuelle Folgerungen zu ziehen. Gänzlich ungeschoren kam er trotzdem nicht davon. Einer der Beisitzer hatte ein Blatt Papier in der Hand, vermutlich seine Aussage zum Vorfall gleich nach der Landung.
»Sie haben angegeben, dass das vorher klar sichtbare Zielobjekt plötzlich scheinbar verschwunden war. Sie gaben ferner an, dass die beiden Kormoran-Fluggeschosse beim Eintauchen in diese Zone unklarer Sicht explodiert sind. Können Sie sich das erklären?«
»Rein physikalisch gesehen nein, Sir! Ich persönlich nehme jedoch an, dass im Vorfeld der herannahenden Schlechtwetterfront heftige Wellen entstanden sind. Sie wissen ja, dass solche Wellen außer über Gebirgen, oft in der Nähe von Unwettern auftreten und für normale Flieger störend und manchmal gefährlich sind, ja in der letzten Zeit sogar mehrfach zum Absturz kleinerer Privat-Maschinen geführt haben!«
Scheinheilig, betont unschuldig achselzuckend, er kannte den ihn ausfragenden Kapitän zur See und dessen Hobby genau, fügte er hinzu:
»Meines Wissens nach freuen sich höchstens einige wenige Segelflieger über Wellen, um entweder ungewöhnlich hoch oder über eine weite Entfernung fliegen zu können. Ansonsten sind Wellen lediglich gefährlich. Des Weiteren gibt es Phänomene wie örtlich vorkommende, eng begrenzt auftretende Gewitterzellen mit relativ geringer Feuchtigkeit, bei der sich die extrem hohen statischen Aufladungen nicht durch einen Blitz entladen können. Ich kann lediglich vermuten, dass metallische Fluggeschosse beim Durchflug derartiger Zonen eine Art Kurzschluss bewirken könnten. Das ist jedoch bereits reine Spekulation, Sir!«
Für einen Moment holte er tief Luft, ehe er fortfuhr:
»Durch die unerklärlichen Störungen in der gesamten Bordelektronik hatte ich wirklich keine Zeit, mich um unbekannte Wetterphänomene zu kümmern. Ich war ziemlich damit beschäftigt, zuerst jedoch nicht besonders erfolgreich, meine Maschine wieder unter Kontrolle zu bringen!«
Für einige Sekunden war es still im Raum, ehe sich der Vorsitzende Erich zuwandte:
»Ich nehme an, Herr Oberleutnant, Sie können die Angaben Ihres Piloten bestätigen? Haben Sie darüber hinaus weitere Beobachtungen gemacht?«
»Nicht mit Sicherheit, Sir! Ich hatte allerdings kurz den unbestimmten Eindruck, als ob sich ein dunkler, regelmäßig geformter Schatten in einer weißlichen Nebelwolke verborgen hätte. Wobei ich als Waffensystemoffizier bekannterweise eine deutlich eingeschränkte Sicht nach vorne habe!«
Der vorsitzende Kapitän nickte verdrossen und hob eine Boulevard-Zeitung hoch. Die Schlagzeile war nicht zu übersehen:
– Tornadoabsturz bei UFO-Jagd? –
»Ich darf doch davon ausgehen, Herr Oberleutnant, dass Sie und Ihr ›regelmäßig geformter Schatten‹ mit diesem Unsinn hier nichts zu tun haben, oder?«
Hinter ihnen war jemand aufgestanden und trat nach vorne.
»Major Gubba, MAD! Herr Vorsitzender, ich bitte hierzu eine Aussage machen zu dürfen!«
Der zivil gekleidete Mann hielt kurz einen Ausweis in Richtung des Ausschusses hoch. Stirnrunzelnd erteilte der Kapitän seine Zustimmung.
Dave sah hoch und begegnete dessen Blick. Eiskalt und sezierend. Ein anscheinend unangenehmer, aalglatter Mann, schätzungsweise Anfang bis Mitte Vierzig. Eines war klar, dieser würde sicher nicht sein bester Freund werden.
»Herr Vorsitzender! Wir haben die Quelle der Aufnahmen ausfindig machen können. Ein harmloser Fotoamateur. Er hat schlechte, verwaschene, schattenhafte Aufnahmen an CENAP geschickt. Diese haben sie umgehend an die Presse weitergeleitet, welche die Bilder schnell schlagzeilenträchtig aufgearbeitet hat. Ihre Leute haben damit nichts zu tun!«
Der Major verbeugte sich kurz und setzte sich wieder. Schau an. Der MAD! Hoffentlich hielt Erich ab sofort seine Klappe. Ein Blick zu Erich zeigte ihm, dass der begriffen hatte. Finster, mit zusammengepressten Lippen, saß dieser neben ihm.
Die Schau ging weiter. Nacheinander kamen sogenannte Fachleute, genauer gesagt Wetterexperten, zu Wort. Eine wichtige Rolle spielten dabei die vorgeführten Aufzeichnungen von Flight 1721. Ab dem Abfeuern der Kormoran hatte eine Bordkamera deren Flug verfolgt und genau gefilmt. Bei Zielübungen ein durchaus übliches Verfahren.
Da diese Kamera mit einem eigenen Akkusatz versehen war, hatte der Ausfall der Bordelektronik keine Auswirkungen auf deren Aufzeichnung gehabt. Man sah wirklich alles: nämlich nichts! Ein unscharfes, dunstiges Gebiet, die explodierenden Kormoran-Flugkörper und hinwegwirbelnde Trümmerteile. Einige flogen in Richtung des Aufklärers, zumindest in Richtung dessen Flugbahn. Wie einwandfrei zu sehen war, hatte der englische Pilot keinerlei Ausweichmanöver eingeleitet. Anscheinend war dieser von der unerwarteten Explosion gründlich überrascht worden und hatte nicht mehr rechtzeitig reagieren können.