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Informationen zum Buch
BrunoBär
Ludger Lage liebt den Flohmarkt Hannover und noch mehr Bea Boßel. Sie verkauft Puppen und Teddys – doch eines Tages ist ihr BrunoBär verschwunden. Schon bald meldet sich ein hinterhältiger Erpresser. Bea Boßel ist verzweifelt und Ludger Lage in seinem Element. Kann er – unter Einsatz seines Lebens – den Fall lösen und zugleich Beas Herz gewinnen?
BlattSchuss
Von der Harkenblecker Wehrkapelle wurde die Wetterfahne abgeschossen. Ludger Lage wird mit der Aufklärung des delikaten Falls beauftragt und landet schon bald – na wo? – beim Schützenverein. Hat die frevelhafte Tat etwas mit dem Schützenfest Hannover zu tun? Vor Ludger Lages unkonventionellen Ermittlungsmethoden kapitulieren schließlich auch diejenigen, deren Gedächtnis – ob gewollt oder ungewollt – verdächtige Lücken aufweist!
EndSpiel
Die Frauenfußballmannschaft des VfvB Hiddestorf will eine große Fete feiern. Der Aufstieg in die Kreisliga ist geschafft! Doch eine anonyme, aber unmissverständliche Drohung platzt herein und könnte dem Verein das letzte Spiel und die Aufstiegsfeier vermiesen. Da ist Ludger Lage gefragt. Mit seinem Spürsinn kommt er dem anonymen Unhold auf die Schliche. Nun rollt die Kugel plötzlich in entgegengesetzte Richtung …
Informationen zum Autor
Günter von Lonski, Jahrgang 1943, ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und lebt in der Nähe von Hannover. Er schreibt Krimis, Romane, Kinder- und Jugendbücher, Theaterstücke, Kinderfunk- Sendereihen, Hörfunkbeiträge, Satiren und Glossen.
Günter von Lonski
BlattSchuss
Die ungewöhnlichen Fälle des Ludger Lage
Kurzkrimis
©2010 zu Klampen Verlag · Röse 21 · D-31832 Springe
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Herausgegeben von Susanne Mischke
Titelgestaltung: Angelika Konietzny (www.izwd.de), Hannover
Konvertierung: Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,
KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart
ISBN 978-3-86674-083-9
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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.ddb.de› abrufbar.
Für Anne und Anne und Anne
Ludger Lages Wohnwagen steht auf dem Campingplatz am Arnumer See. Eine unvorteilhafte Scheidung hat ihn hierher verschlagen. Doch Ludger Lage ist nicht nachtragend. Er hält die Nase in die Frühlingsluft. Das ist ein Tag, um sich zu recken, strecken und nach Hannover auf den Flohmarkt zu fahren. Frau Sikorski hat ihn für die Reparatur ihrer Satellitenschüssel ordentlich bezahlt. Ludger kann sich etwas leisten. Vielleicht findet er auf dem Flohmarkt ein Fernglas oder eine Kaffeemaschine oder … ach, Quatsch, es wird Zeit, Bea einen Besuch abzustatten, bevor sie sich noch in eins von den Windeiern verliebt, die ihr ständig den Hof machen.
Ludger sprüht sich Eau de Toilette auf das karierte Oberhemd, zieht die schwarze Lederjacke an und steckt sich ein Fisherman’s in den Mund. Dann holt er das blaue Damenfahrrad unter der ausgeblichenen grünen Plastikplane hinter dem Wohnwagen hervor. Ludger muss Luft in die Reifen nachpumpen, er braucht auch dringend neue Fahrradschläuche.
Er schiebt sein Rad den Holperweg hinauf, der sich großspurig Seestraße nennt, und grüßt Frau Braun. »Moin, moin, Frau Braun!« Ludger stellt den Fuß auf die Pedale, schiebt an und schwingt sich auf den Sattel. »Haben Sie es sich überlegt?«
»Fangen Sie nicht schon wieder davon an!« Frau Braun droht mit dem Finger.
»Ist doch ein tolles Angebot! Wenn wir uns zusammen in der Sonne räkeln, wäre Braunlage nicht mehr im Harz, sondern am Arnumer See. Das wäre doch prima für unseren Fremdenverkehr – besonders im Winter!«
»Herr Lage, Herr Lage, Sie sind ein Spötter!«
Ludger fährt zur Bushaltestelle, schließt sein Fahrrad ab und muss ein wenig auf den Bus warten. Auf der anderen Straßenseite geht Conny vorbei, die Bedienung in der Alten Schmiede. Ludger will ihr einen schönen Tag wünschen, doch die Verständigung leidet unter der endlosen Schlange vorbeifahrender LKWs, und Conny hebt nur freundlich, aber verständnislos die Schultern.
Der Bus kommt, Ludger steigt ein. »Einmal Steintor«, sagt er zu dem Busfahrer.
»Wollen Sie heute auch wieder zurück?«, fragt der Fahrer.
»Wenn Sie mich so fragen … ich kann noch nicht genau sagen, wann Sie mich abholen können!«
»Falls Sie heute noch zurück wollen, ist eine Tageskarte günstiger als zwei Einzelfahrscheine!«
»Der Hinweis ist echter Kundenservice«, sagt Ludger. »Danke!«
»Nicht dafür.« Der Busfahrer stempelt die Tageskarte, nimmt Ludger fünf Euro ab und schließt die Tür.
Ludger schaut sich im Bus um, der Bus fährt an, Ludger stolpert den Gang hinunter. Er setzt sich auf den Notsitz neben der Ausgangstür und schaut zum gegenüberliegenden Fenster hinaus. An der Haltestelle »Steintor« steigt er aus.
Er geht an der Goethestraße entlang zurück und biegt an der Leine ans Hohe Ufer ab. Ludger war nicht der Einzige, der auf die Idee mit dem Flohmarkt gekommen ist. Immer dichter wird das Gedränge und Ludger sichert sein Portemonnaie in der linken Jackentasche zusätzlich mit einem festen Griff.
Kunstblumen werden angeboten, Fahrräder und Fahrräder, dann kommen die Stände mit dem Computerzubehör. Ludger kauft einen USB-Hub für sechs Euro, im Sommer kann er dann einen kleinen Ventilator direkt an seinen Computer andocken. Der Batteriewechsel für die Armbanduhr kostet drei Euro, inklusive Batterie, und für fünf Euro gibt’s sogar noch eine neue Uhr dazu!
Ludger versucht, über die Köpfe der Menge vorauszublicken. Noch kann er Bea nicht entdecken. Rechts und links stehen Tische mit Porzellan und Gläsern, abgelaugte Kleiderschränke riechen nach Bienenwachs, Orden und Ehrenzeichen werden angeboten, Briefmarken und Bücher über Bücher.
Endlich kommt ihm der Platz vor dem Marstalltor ins Blickfeld. Doch wo ist Bea? Sie wird doch nicht … da steht sie abseits von ihrem Stand und spricht mit einem jüngeren Mann mit Schlapphut. Die beiden lachen. Worüber lachen sie? Jetzt umarmt sie den Schlapphutmann auch noch, drückt ihm sogar einen Kuss …
»Wollen Sie nicht endlich weiter gehen? Sie halten den ganzen Verkehr auf!« Ein Tonnenweib mit riesigen Plastiktüten und prall gefülltem Trolley versucht sich an Ludger vorbeizuschieben. Ludger stellt sich seitlich in die kleine Lücke zwischen dem Stand eines Schuhverkäufers und dem Verkäufer mit den mechanischen Rennmäusen.
Der Schlapphutmann ist verschwunden. Und Bea auch! Sie hat ihren Stand für diesen Kerl verlassen? Gott sei Dank, sie hatte sich nur gebückt. Bea ordnet ein wenig ihre Auslagen und tritt dann wieder hinter den Tapeziertisch.
Jetzt kann Ludger nichts mehr halten. Er muss zu Bea, bevor ihm wieder ein anderer dazwischenkommt.
»Erst wie angewurzelt herumstehen und dann die Leute in die Stände schieben!« Die Tonnenfrau mit ihren Plastiktüten mault, als sich Ludger an ihr vorbeidrängelt. »Man sollte die Marktaufsicht holen!«
»Ich bin die Marktaufsicht!«, ruft Ludger über die Schulter und zeigt seinen Busfahrschein.
»Und ich bin Claudia Schiffer!«
»Jetzt, wo Sie es sagen!« Ludger lacht und kämpft sich weiter durch, erreicht den Platz an der Rossmühle und schlendert wie zufällig angekommen an den Ständen entlang. Schaukelpferde werden angeboten, alte Schränke mit neuen Holzwürmern, Tische, Stühle und ein Sofa ohne Beine. Dann steht Ludger endlich vor dem breiten Tisch mit dem bunten Angebot an Blechspielzeug, Puppen und Teddys. Wie zufällig hebt er den Blick und entdeckt völlig überraschend die Frau hinter dem Tisch. »Bea! Wie schön, dich zu sehen!«
»Ludger!« Bea lächelt verschmitzt, »Ich hab dich schon gesehen, als du noch am Tisch mit dem Computerzubehör gestanden hast!«
»Trotzdem hast du …?«
»Was habe ich trotzdem?« Die kleine Frau mit den angenehmen Rundungen und dem kecken lila Hütchen auf dem Kopf kommt um den Tisch herum.
»Diesem, diesem … ach, ist schon gut!«
»Spuck es aus, Ludger, sonst verschluckst du dich!«
»Diesem, diesem Kerl an den Hals geschmissen?«
Einen Augenblick muss Bea überlegen. »Ach, du meinst Frank.«
»Ich meine den Kerl mit diesem dämlichen Schlapphut!«
»Frank ist völlig ungefährlich.«
»Ach, nee!«
»Er hat mir nur günstige Sommerreifen für mein Auto besorgt, außerdem ist er schwul!«
Ludger sieht sich um, entdeckt den Schlapphutmann an einem Tisch mit Bilderrahmen. Der Mann wirft Ludger eine Kusshand zu.
»Ach, so«, sagt Ludger.
»Außerdem sind deine Ansprüche verfallen!«
»Ich hatte doch nicht mal deine Adresse!« Ludger schmollt.
»Das war aber auch eine Nachlässigkeit von mir«, Bea lacht, »soll nicht wieder vorkommen!« Sie knufft Ludger in die Seite.
»Ist das ein echt antikes Spielzeug?« Eine junge Frau hat einen kleinen Blechaffen mit Trommel vom Tisch genommen.
»Da haben Sie sich aber ein besonders schönes Exemplar für Ihre Vitrine ausgesucht«, beginnt Bea das Verkaufsgespräch.
Die junge Frau betrachtet das bunte Blechteil von allen Seiten. »Was soll es denn kosten?«, fragt sie.
»Achtzehn Euro, aber nur, weil Sie es sind!«
»Achtzehn Euro?« Die junge Frau bläst die Backen auf. »Ich zahle höchstens zwölf!«
Ludger Lage drängt sich dazwischen. »Das schöne Stück fehlt mir gerade noch in meiner Sammlung!« Er nimmt der jungen Frau das Spielzeug aus der Hand und wendet sich an die Verkäuferin. »Sagten Sie achtzehn Euro?«
»Ich habe zuerst gefragt«, sagt die junge Frau dazwischen und reicht der Verkäuferin einen Zwanzig-Euro-Schein. Die Verkäuferin schaut die beiden Interessenten unschlüssig an.
»Ich überlasse das Schnäppchen der jungen Dame«, sagt Ludger. »Ihrem Charme kann man doch einfach nicht widerstehen.«
»Danke!« Die junge Frau nimmt Ludger das Spielzeug aus Hand, steckt die zurückgegebenen zwei Euro ein und wendet sich dem Gedränge zu. »So einen höflichen und netten Mann findet man äußerst selten!«
»Hast du gehört?«, fragt Ludger.
»Hat jemand etwas gesagt?« Bea ordnet den Schleier an ihrem Hütchen.
»Wir sind doch wirklich ein starkes Team«, stellt Ludger fest.
»Das wird sich noch herausstellen«, sagt Bea.
»Sei doch nicht immer so abweisend!«
»Komm, wir haben etwas zu besprechen!« Bea dreht sich zur Verkäuferin am Nachbartisch. »Wir gehen einen Kaffee trinken. In einer viertel Stunde bin ich zurück.« Sie fasst Ludger unter den Ellbogen und schiebt ihn quer durch die Menschenmenge zu einem Imbisswagen direkt am Ufer der Leine. Vom anderen Leineufer grüßt eine riesige Nana von Niki de Saint Phalle herüber. Bea stellt Ludger an einem Stehtisch ab und holt zwei Tassen Kaffee.
Ludger weiß nicht recht, wie er das Gespräch anfangen soll. »Wie gehen die Geschäfte?«
»Streng dich nicht an«, sagt Bea, »erst brauche ich einen Schluck Kaffee, dann geht’s los.« Sie pustet in die Tasse, schlürft, verzieht das Gesicht, pustet und schlürft einen größeren Schluck. »Das mit dem starken Team ist eventuell gar keine so schlechte Idee!«
Ludger überlegt, ob man in seinem Alter noch rote Ohren kriegen kann. Auf alle Fälle sind sie ziemlich heiß geworden.
»Ich hab nämlich ein Problem.« Bea trinkt ihren Kaffee. »Ich verlasse mich auf deine hundertprozentige Diskretion!« Bea fischt eine zerdrückte Zigarettenpackung aus ihrer Jackentasche, Ludger sucht nach einem Feuerzeug oder wenigstens Streichhölzern, Bea steckt sich ihre Zigarette selber an. Ihre Hände zittern leicht. »Wie soll ich bloß anfangen«, überlegt sie laut. »Am besten geradeheraus: Mein BrunoBär ist weg!«
Also hatte sich über den Winter doch ein Kerl bei ihr eingenistet! Sicher so ein gewiefter Antiquitätenhändler oder einer mit günstigen Autoreifen! »Muss mich das interessieren?«, fragt Ludger.
Bea schaut ihn überrascht an, lacht dann. »Nee, nee, kein Mann! Ich habe zu Hause eine ziemlich wertvolle Sammlung von Teddybären. Und BrunoBär ist der teuerste. Gut dreißigtausend würde er auf einer Auktion bringen.«
»Das ist verdächtig«, sagt Ludger, »sehr verdächtig! Vielleicht hast du ihn verlegt?«
»Quatsch! BrunoBär steht auf einem Sonderplatz in einer Vitrine, ganz für sich allein und mit indirekter Beleuchtung. Am Donnerstag war er noch da, und als ich am Freitag von der Fußpflege kam, war sein Platz in der Vitrine leer«, Bea drückt die Zigarettenkippe aus und schnieft. »Jemand muss ihn gestohlen haben!« Sie schnäuzt sich in ein Papiertaschentuch. »Wie kann die Welt nur so schlecht sein? BrunoBär war mein ein und alles, gegen ihn sind alle anderen Bären nur ausgestopfte Socken!«
»Beruhige dich«, sagt Ludger, »wir müssen die Sache systematisch angehen.«
»Du bist überall bekannt für deinen Spürsinn und deinen logischen Verstand.«
Ludger schaut mit verklärtem Lächeln über die Flohmarktbesucher hinweg.
»Nun komm schon wieder runter von deinem Podest.« Bea tupft sich die Nase mit einer Ecke des zusammengeknüllten Taschentuchs trocken. »Ich werde auch eine angemessene Belohnung für Brunos Wiederbeschaffung bezahlen.«
»Von dir würde ich doch kein Geld nehmen!«
»Dann kannst du dir eine andere Belohnung aussuchen.« Bea lacht Ludger verschmitzt an. »Aber eine anständige!«
»Wie wäre es mit einem gemeinsamen Abendessen, Ort und Zeit kannst du bestimmen?«
»Also abgemacht!«, sagt Bea und hält Ludger ihre Hand hin. Ludger schlägt ein.
Ludger kramt in seinen Jackentaschen und zieht dann einen längeren Kassenbon und einen Ikea-Bleistift heraus. »Zuerst einmal die Beschreibung des verschwundenen Gegenstands.«
»BrunoBär ist kein Gegenstand«, ereifert sich Bea. »BrunoBär ist ein, ein Familienmitglied!«
»Also dann: Beschreibung des verschwundenen, äh, Familienmitglieds.«
»Er war so groß …« Bea zeigt mit der Hand eine Höhe über dem Stehtisch an.
»Größe zirka vierunddreißig Zentimeter.«
»Seine Größe kann nur ermessen, wer ihn wirklich …«
»Ja, ja«, sagt Ludger ein wenig ungeduldig, »er hätte mir bestimmt auch imponiert!«
»Er war von Hand gestopft, hatte Pfoten aus Samt und Augen … Augenblick mal«, Bea scheint wieder nach ihrer Zigarettenpackung in den Jackentaschen zu suchen, zieht dann aber ein verknicktes Foto hervor und legt es vor Ludger auf den Tisch.
»Warum hast du das nicht gleich gezeigt?«, fragt Ludger.
»Ich bin so durcheinander.«
»Wenn du nachher nicht alleine nach Hause …«
»Nun bilde dir mal keine Schwachheiten ein!«
»Schon gut. Die Beschreibung des, äh, Opfers hätten wir also. Kommen wir zum Zeitpunkt der Tat.«
»Habe ich doch schon gesagt. Zwischen Donnerstag und Freitag.«
»Geht das vielleicht ein bisschen genauer?«
»Am Donnerstag gegen drei ist ein Sammler gekommen und hat nach einem weißen Bären gefragt. Ich konnte ihm den Bären für hundertzwanzig Euro anbieten, aber das fand er ziemlich teuer. Wir sind über die galoppierenden Bärenpreise ins Plaudern geraten und dabei haben wir auch über BrunoBär gesprochen. Da stand BrunoBär noch in seiner Vitrine und hat so gutmütig gelächelt.«
»War danach noch jemand bei dir?«
»Also hör mal, ich bin dir doch keine Rechenschaft schuldig!«
»Ob danach noch jemand Zugang zu deiner Bärensammlung hatte?«
»Nein. Nachdem der Interessent gegangen war, habe ich gleich abgeschlossen und erst am nächsten Mittag wieder aufgemacht. Weil ich doch zur Fußpflege war.«
»War irgendetwas an der Tür, an den Fenstern oder an sonstigen Zugangsmöglichkeiten beschädigt?«
»Nein, nichts! Absolut nichts! Ich habe natürlich alles gleich untersucht.«
»Dann hätte ich gerne eine genaue Beschreibung von diesem Interessenten.«
»Du meinst?«
»Ich meine gar nichts! Hier zählen nur Tatsachen!«
»Es war ein wahnsinnig gut aussehender Mann!«
»Ach, nee!«
»Ich wollte dich nur ein bisschen ärgern. Er sah ganz normal aus, trug aber eine Sonnenbrille bei dem diesigen Wetter und einen Hut hatte er auf – mit einer breiten Krempe.«
»Damit lässt sich doch schon etwas anfangen.«
Bea reckt sich auf die Zehen, schaut zu ihrem Stand hinüber, die Nachbarin winkt mit beiden Armen. »Ich muss zurück.«
»Wir bleiben in Verbindung«, sagt Ludger. »Bevor ich richtig in die Ermittlungen einsteigen kann, muss ich mir den Tatort natürlich persönlich ansehen.«
»Das hättest du wohl gerne?« Bea trägt ihre Kaffeetasse zum Imbisswagen zurück. »Wenn du etwas erfahren hast, kannst du dich gerne melden.«
»Aber ich habe doch gar keine Adresse von dir!«
Bea kommt an den Tisch zurück. »Und dabei soll es vorerst auch bleiben!« Sie nimmt Ludger den Bleistift aus der Hand und schreibt eine Zeile auf seinen Kassenbon. »Du kannst mich jederzeit über meine E-Mail-Adresse erreichen. Du hast doch Internet?«
»Ich bin doch nicht von gestern!«
»Ich verlasse mich auf dich!« Bea haucht Ludger ein Küsschen auf die Wange und verschwindet im Menschengewühl.
Ludger stellt seine Tasse auf die Ablage des Imbisswagens, in der Friteuse brutzeln die Pommes frites, Ludger bestellt sich ein Bier und einen Korn.
Wenn sich Ludger die letzten Stunden so durch den Kopf gehen lässt … also wenn er sich die Stunden … hier kann er sich nicht richtig konzentrieren! Er trinkt Bier und Korn aus, wischt sich den Mund mit dem Handrücken ab und windet sich durch das Menschengewühl in Richtung Historisches Museum. Einige Flohmarkthändler scheinen schon genug verdient zu haben und packen bereits ihre Waren ein. Ludger will zur Marktkirche. Hier wird er seine Ruhe finden und nachdenken können.
Ludger setzt sich auf einen der Stühle im Seitenschiff mit direktem Blick auf die monumentale Orgel. In seinem Kopf schwirrt noch immer alles durcheinander. Nur eins steht für ihn fest: Bea ist eine tolle Frau!
Ludger sucht nach dem Kassenbon und findet ihre Mail-Adresse. Aha: Bea-Punkt-Boßel und so weiter. Bea Boßel. Jetzt hat er schon ihren Namen. Und wenn sie im Telefonbuch … aber in welchem Telefonbuch … eine Frau wie Bea Boßel steht in keinem Telefonbuch! So wird er ihre Adresse wohl nicht herausfinden. Er könnte im Internet unter Teddys, Teddybaer oder Teddysammlung nachsehen. Aber das wäre wie ein Verrat an Bea! Wenn sie ihm ihre Adresse nicht freiwillig herausrückt, wird er sie sich nicht erschleichen. Keine Tricks mehr und keine Ausreden – die Zeiten sind vorbei. Ludger kauft für fünfzig Cent ein Teelicht und stellt es in den Kerzenhalter mit den vielen brennenden Lichtern. Auf gutes Gelingen!