Wenn Ihr in Rom gewesen seid, so sind Euch gewiß die kleinen Landgüter vor der Stadtmauer aufgefallen. Man hat ein paar Hufen Land, auf denen man Artischocken, Erbsen und Blumenkohl zieht, je nach der Jahreszeit. Man hat ein paar niedrige strohbedeckte Wohnhäuser, einen Eselstall, einen großen, gemauerten Brunnen und ein paar Hühnersteigen. Man hat natürlich eine Menge Federvieh und nicht nur Hühner, Truthähne, Enten, sondern auch Pfauen und Fasane.
Und dann schafft man sich, um ein bißchen besser zu leben, denn Grünzeug und Hühner werfen keinen glänzenden Gewinn ab, ein paar große Fässer römischen Schloßwein an und legt sie in eine der langen Hütten, die jede nicht mehr als ein Gelaß haben; dahin stellt man auch einen Ladentisch und ein Wandbrett mit Gläsern und Literflaschen, aber draußen auf dem Hof, rings um den Brunnen und die Hühnersteigen, ordnet man lange Bänke und feste Tische. Doch es weht von der Campagna, und der Wind streicht scharf und ungehemmt hier vors Stadtthor her. Darum bringt man kleine Schutzdächer über den Bänken an und umgiebt sie mit Schilfwänden, durch die die Sonne, gelb wie Gold, hereinrieselt. Zuletzt denkt man auch daran, ein Schild zu malen und hängt es über das kleine Mauerpförtchen, das nach der Straße und der Stadt führt. Und die Osteria ist fertig.
Nino Beppone war nun zehn Jahre in solch einer kleinen Osteria Kellner gewesen, man darf jedoch nicht glauben, des Lohnes und der Trinkgelder wegen, oder weil Nino zu nichts anderem taugte. Nino war ein prächtiger, ja ein gebildeter junger Mann; wenn er Jahr um Jahr Kellner in einer Osteria vor dem Stadtthor blieb, geschah es, weil er in Teresa, die älteste Tochter des Hauses, verliebt war.
Ah, wie Nino sie liebte! Sie war so schön. Sie war gerade in der Art schön, wie Nino es haben wollte, mit großen starken Zügen und warmen klaren Farben. Sie ging, sie ging wie eine Königin. Sie sprach mit einer hellen, klingenden Stimme, und keine Silbe ihrer Worte konnte verloren gehen. Sie lachte so rein, wie eine Silberglocke läutet. Ihre Hände waren schön, weiß und fest, und ihr Händedruck stärkend wie ein Segen.
Alle, die in die Osteria kamen, wollten bei ihr bestellen und wollten, daß sie immer hinter dem Schanktisch zur Hand sei. »Wo ist Teresa?« fragten sie ganz gewiß, wenn sie sie nicht sahen. Und das begriff Nino sehr wohl. Wußte er nicht selbst, um wie viel besser die Suppe schmeckte, wenn sie sie aus dem Kochtopf schöpfte, als wenn die Schwestern es thaten? War es nicht schon eine Freude, im selben Raume zu weilen wie sie?
Die Leute kamen nicht so sehr herein, um Wein zu trinken, als um Teresa alle ihre Sorgen erzählen zu können. Sie mußte hören, daß der Esel gestorben war, daß man sie im Ballspiel besiegt hatte, oder daß der tolle Pietro wieder jemandem das Messer in den Leib gestoßen. Nino wußte, daß junge, frische Bursche, die gar keine Sorgen hatten, zuweilen dasaßen und sich lange traurige Geschichten ausdachten, nur damit sie ein Weilchen bei ihrem Tische stille stand, ihnen zuhörte und sich ein wenig ihrer annahm. Ach nein, sie waren nicht in sie verliebt, sie wollten nur, daß sie den Wein in ihr Glas goß, oder ihnen eine Mandarine zusteckte, wenn sie gingen, oder sagte, daß sie in ihren Gebeten sich ihrer erinnern wollte.
Die anderen Schwestern verheirateten sich, sobald sie ihr sechzehntes Jahr erreicht hatten; eine zog fort, und eine blieb mit Mann und Kindern daheim. Aber Teresa wollte sich nicht verheiraten, und Nino wußte schon, warum. Sie wollte weder ihn noch irgend einen anderen aus dem Landvolk, einen Signor wollte sie.
Du lieber Gott, ja, sie war so stolz. Das sah man schon an der Art, wie sie das Haar aufsteckte, ganz wie eine Signorina, und an ihren Sonntagskleidern. Zuhause trug sie eine grüne Schürze und ein rotes Tuch um den Hals, aber wenn sie nach Rom ging, war sie schwarz gekleidet. Und sie hatte einen großen Hut mit vielfach gebogener Krempe und einen Federkragen um den Hals, so lang, daß er bis zum Kleidersaum reichte.
Eigentlich war es Nino nicht unerwünscht, daß sie keinen Tampagnolo nehmen wollte. Er, Nino, hatte keine Hoffnung, sie je zu bekommen. Er war dick und rund wie ein Mehlsack, und er hatte auch solch eine graue Müllerhaut. Und nur ein paar kleine Striche, anstatt Augen, rein ohne Farbe. Er war zu häßlich für sie. Aber da es nun seine guten Wege hatte, bis ihr Signor kam, und kein anderer den Versuch wagte, sie fortzunehmen, konnte Nino wenigstens Jahr aus Jahr ein als ihr Kamerad umhergehen. Und das war kein geringes Glück.
Natürlich sagte es ihr zu, eine Signora zu werden. Das einzige Unnatürliche war bloß, daß sie nicht einsah, daß sie schon eine war.
Die Tage draußen aus dem Meierhof dünkten Nino voll Seligkeit. Des Morgens, wenn Teresa ihre Vögel betreute, trug Nino ihr die Schale mit dem Mais. Vormittags half er ihr, das Unkraut ausjäten oder das Gemüse in Ordnung bringen, das auf den Markt geschickt werden sollte. Und abends, wenn die Arbeitsleute auf ihrem Heimweg eintraten, um ein Glas goldgelben Castello romano zu trinken, da stand sie am Fasse und füllte in die Maße ein, und er nahm sie aus ihrer Hand. Wenn es ein großer Tag war, Festtag oder Markttag und das Volk war zusammengeströmt, so daß alle Bänke übervoll waren und der ganze Hof von Drehorgelspielern und Verkäufern von gebratenen Äpfeln und Kastanien wimmelte, und er und sie atemlos und heiß zwischen den Tischen mit ihren Flaschen und Gläsern hin-und hereilen mußten, dann nickten sie einander zu, wenn sie zusammentrafen. Da fühlten sie sich so kameradschaftlich wie Soldaten, die in den Kampf ziehen.
An anderen Abenden, wenn keine Gäste kamen, saß Nino da und erzählte ihr aus Büchern, die er gelesen hatte. Sie wollte von nichts anderem hören, als vom alten Rom und am liebsten vom Aufstand der Plebejer gegen die Patrizier und von den mächtigen römischen Matronen. Nino wußte wohl, warum. Dasselbe Blut, sie fühlte sich vom selben Blut. Am nächsten Tage trug sie den Kopf noch viel stolzer, als früher. Nino wußte, daß er wie ein Tollhäusler handelte. Jedesmal, wenn er von Cornelia, der Mutter der Gracchen erzählte, entfernte er sie weiter von sich. Warum konnte er diese Erzählungen nicht sein lassen? Warum liebte er sie am Allermeisten, wenn sie den Nacken so hoch hob, und wenn ihre Augen blitzten?
Als sie vierundzwanzig Jahre alt war, hörte Nino die Leute sagen, daß es bald zu spät für sie sein würde, einen Mann zu bekommen. Sie war nicht mehr schön. Nino konnte nicht begreifen, was sie meinten. War sie nicht schön?
Eines Tages jedoch merkte er, daß sie recht gehabt hatten. Sie war wirklich im Begriff gewesen, alt zu werden. Sie mußte ganz verblaßt gewesen sein, obgleich er es nicht gemerkt hatte. Nun merkte er es daran, daß sie wieder aufzublühen anfing. Ihre frische Jugendschönheit kam aufs neue unter irgend einer grauen Hülle hervor. Was war das für ein Wunder? Nino erschrak beinahe, als er es sah.
Beinahe jeden Abend erschien jetzt ein kleiner Leutnant in der Osteria. Ach, ach, Nino konnte nicht leugnen, daß er das Niedlichste war, was man sehen konnte. Er hatte eine Uniform in Schwarz und Silber und ein weiches kindliches Gesicht. Und er war verliebt vom ersten Augenblick, da er sie sah. Und sie, war ihre Schönheit um seinetwillen wiedergekommen? Gefiel ihr der kleine Leutnant? War der Signor nun endlich erschienen?
Nino begann den Krieg und die Krieger zu hassen. Italien führte jetzt Krieg mit Abessinien, und es war Elend genug, daß man ein fremdes Volk angriff, das nichts Böses gethan hatte, es war Elend genug, das, was die Kriegsleute dort draußen anrichteten, hier zu Hause konnten sie es doch lassen, die Leute ins Unglück zu bringen.
Nino suchte Gleichgesinnte auf und kam in Friedensvereine. Hier trat er als Redner auf und forderte gebieterisch die Abschaffung des Kriegsheeres. Italien sollte nicht mehr als Land des Streites groß sein, sondern als ein Land des Friedens. Nino legte Ziffern vor, er tummelte sich mit Statistik und anderen wunderbaren Wissenschaften. Er merkte, daß man sich darüber wunderte, daß er nicht mehr war, als Bursche in einer Campagna-Osteria.
Bei diesen Versammlungen stellte Nino seinen Mann. Er beschloß Adressen an die Minister und Adressen an den König. Und in seinen Reden widerlegte er die kriegsfreundlichen Zeitungen Punkt für Punkt. ›Laßt uns diesem afrikanischen Unfug ein Ende machen, wir wollen unsere Soldaten wieder haben, um sie in die landwirtschaftlichen Schulen zu schicken!‹ das waren Ninos Worte.
Aber wenn Nino von solch einer Friedensversammlung nach Hause kam, bei der er den Krieg und die Kriegsheere abgeschafft hatte, ging Teresa ihm entgegen. Sie blieben bei dem Brunnen stehen, wo sie immer zu sitzen und zu plaudern pflegten, und Teresa wollte vom Krieg sprechen. Um den jetzigen Krieg kümmerte sie sich nicht, aber sie wollte wissen, was die Römer in früheren Tagen ausgeführt hatten. Nun war es Scipio, von dem er erzählen sollte. War es nicht Scipio, der nach Afrika gezogen war und die Schwarzen besiegt hatte? Und Nino mußte von ihm berichten. Nino mußte die halbe Nacht aufsitzen und von Krieg, Krieg, Krieg sprechen.
Während er davon sprach, wurde sie so strahlend schön. Die Laterne, die auf dem Brunnenstaket hing, zeigte sie Nino wunderbar schön und mit einem geheimnisvollen Lächeln um die Lippen. Nino begriff, daß sie nur einen Helden lieben konnte. Und was war er? Er, der es ihr nicht einmal abschlagen konnte, von diesen verabscheuungswürdigen Gemetzeln zu erzählen. Wenn sie einen Nero geliebt hätte, wäre Nino gezwungen gewesen, die Tyrannen zu preisen. Nino war gewiß kein Held.
Als sie sich mit Leutnant Ago verlobte, beschloß Nino sich frei zu machen und einen anderen Dienst zu suchen, aber er konnte nicht. Sie war gerade da so gut gegen ihn. Er mußte wohl bis nach der Hochzeit warten. Sie vergaß Nino keinen Augenblick. Sein Geburtstag kam, am Tage nach der Verlobung, und Nino war am Morgen düster und glaubte, dies würde der traurigste Tag seines Lebens werden. Aber er war noch nie vorher so gefeiert gewesen. Sie hatte ihm Taschentücher gestickt, mit Monogrammen, die über das halbe Tuch reichten. Sie hatte ihm auch eine Torte gebacken und bei ihrem Schutzpatron für ihn gebetet. Sie scherzte mit ihm. Nino mußte sich froh zeigen. Er mußte den ganzen Tag lachen, weil sie es wollte. Jetzt sollten alle glücklich sein. Aber bei Nacht konnte Nino nicht umhin zu weinen. Er hatte gemerkt, daß sie in diesen Tagen den Vögeln doppelte Rationen gab, der Esel hatte frisches Stroh bekommen, und die Katze durfte auf ihrer Schulter sitzen, so lange sie wollte. Nie hatte sich Nino so gleich gestellt mit der Katze, dem Esel und den Hühnern gefühlt.
Wie sie sich darüber freute, daß ihr Bräutigam Offizier war! Nächst dem, daß er ein Signor war, gefiel ihr sein militärischer Beruf. Als man sie einmal fragte, ob sie nicht Angst hätte, daß er nach Afrika geschickt würde, hörte Nino, wie sie antwortete:
»Wollte Gott, er könnte fahren. Dann würdet ihr sehen, wie alles anders werden würde,« denn dies war im Winter 1896, und da sah es aus, als sollte aus diesem Kriege mit Menelik und seinen Schoanern nichts rechtes werden. Man schickte nur Schiffe auf Schiffe mit Truppen aus. Die Truppen lagerten sich dort in der Aduagegend, aber man hörte nie, daß es zu etwas kam. Es war so, wie wenn Bienen aus dem Korbe fliegen und außerhalb des Fluglochs in einem großen Beutel hängen bleiben, und man geht jeden Tag hin und sieht sie an und ärgert sich, daß sie nicht schwärmen wollen.
Sie benahm sich auch großartig, als sie gegen Ende Februar erfuhr, daß er nach Afrika abgehen mußte. Nino sah keine Thräne in ihren Augen. Sie dachte nur daran, daß es nun endlich zu Schlachten und Siegen kommen würde. Jetzt sollte ihrem armen Italien geholfen werden.
Sie gab ein Abschiedsfest für ihn und seine Kameraden. Es war ein herrliches Fest. Der Castello Romanowein floß in Strömen. Sie hatte ihre fettesten Truthühner geschlachtet und die ersten Artischocken gepflückt. Und sie hatte Torten und Zuckerwerk bis in die Unendlichkeit gebacken.
Am Brunnenstaket hatte sie eine Fahnenstange errichtet und die italienische Flagge gehißt, und der arme Nino mußte ihr behilflich sein, Transparente zu verfertigen, auf denen zu lesen war: ›Es lebe die Armee! Sieg unseren tapferen Soldaten! Für Italien!‹ und andere hochgestimmte Worte. Er hatte ihr helfen müssen, farbige Lampions unter den Strohdächern zu befestigen, Sänger zu mieten, die die neuen Kriegslieder singen konnten; aber er hatte geschworen, daß sie ihn nicht dazu bringen würde, eine Rede zu halten. Armer Nino, sie forderte ihn nicht dazu auf, sie wagte es nicht, ihm etwas so hochwichtiges anzuvertrauen.
Aber abends, als die kleinen Feuerwerkskörper zu den Füßen der Gäste knallten, und als nicht nur die Strohdächer über den Bänken, sondern auch die Hühnersteigen, das Wohnhaus und der Brunnen von grün-rot-weißen Lampions strahlten, und als Nino drüben zwischen den Artischocken bengalische Feuer entzündete, da sah er, wenn sonst niemand, was sie eigentlich meinte. Es war, als wollte sie mit jedem Glas Wein, das sie den Soldaten kredenzte, sagen: ›Gehet hin und machet Ernst aus diesem. Roms Frauen wollen neue Triumphzüge hinauf gen Campidoglio schreiten sehen!‹
Niemand wußte besser als Nino, wie sehr Teresa diesen zierlichen kleinen Mann liebte, der gegen die Barbaren ausziehen sollte. Und als er sah, wie sie ihn gehen ließ, ohne zu klagen, ohne einen Augenblick schwach zu werden, mußte er sie fast gegen seinen Willen bewundern. Sie hätte eine der Matronen des alten Rom sein können, dachte Nino. Es rollt echtes Römerblut in ihren Adern.
Als Leutnant Ago mit seiner Truppe nach Neapel abreiste, von wo aus sie sich nach Afrika einschiffen sollte, begleitete Nino sie zur Eisenbahnstation.
Es war Nacht. Die Soldaten kamen in raschem Takt heranmarschiert, rings um sie schwärmten Gassenjungen, Verwandte und Kriegsenthusiasten. Unten an der Station war Roms Sindaco und mehrere Generale. Es wurden Reden gehalten, man rief: ›Es lebe Italien,‹ man küßte sich und man warf Blumen. Teresa stand bleich vor Begeisterung da und klagte nicht mit einem Worte. Es waren feine Damen da, die an die Soldaten Blumen verteilten. Das that sie nicht.
Sie dachte nur an einen, und sie gab ihm keine Blumen, aber er mußte ihr versprechen, Meneliks Hauptstadt zu erobern. Leutnant Ago versprach, mit der Krone der abessinischen Kaiserin zu ihr zurückzukommen. Und so schieden sie.
Aber Leutnant Ago war noch keine zwei Tage fort, er war noch gar nicht nach Afrika abgereist, als die Nachricht eintraf, daß der große Schwarm, der in Adua gelagert war, sich zu rühren anfing, er zog gegen die Abessinier und wurde geschlagen und zerstreut.
Das war gerade um die Zeit, als niemand an etwas anderes dachte, als den Sieg, der dort drüben erkämpft werden müßte, nachdem man so unerhört viele Menschen hingeschickt hatte. Der König selbst hatte sich nach Neapel begeben, um die Abfahrt der letzten Truppen anzusehen. An einem Tage sprach er ihnen von dem Ruhme, den sie dem geliebten Italien erringen würden, am zweiten Tage kam ein Telegramm, das von verlorener Schlacht, zerstreutem Heer, Flucht und Panik erzählte.
Ganz wunderlich, wie die Telegramme in diesen Tagen trafen. Meneliks Kugeln hatten nur etwa siebentausend Mann fällen können, aber die Depeschen nahmen das Werk der Kugeln auf, sie kamen von der Hochebene Aduas, passierten das Mittelmeer und erreichten ihr Ziel. Ach, kein italienisches Herz kam unversehrt davon!
Teresa kam ganz vernichtet zu Nino. »Was ist dort geschehen, Nino? Wie konnte es so schlecht gehen?«
Nino erzählte ihr, daß die Italiener nicht so sehr von ihren menschlichen Feinden geschlagen worden waren, als von der übermächtigen Natur. Dort mußte man Berge erklimmen, von denen die niedrigsten höher waren, als das Sabiner-und Albanergebirge aufeinander gelegt. Da gab es keinen Weg, sondern man zog über Halden, die mit so steifen und dornigen Disteln bewachsen waren, daß nicht einmal ein Esel sie fressen konnte. Mit der Nahrung war es so schlimm bestellt, daß die Soldaten sich über die Maultiere warfen, die auf dem Wege zusammengebrochen waren, und die Fleischstücke an sich rissen.
Aber das war doch nichts, um Menschen hinzuschicken! Ein Land, wo man Maulesel essen mußte!
Nein, das meinte Nino eben auch.
Nun konnte er frei von der Leber reden, endlich durfte er ihr sagen, wie gräßlich der Krieg war. Sie lasen die Zeitungen zusammen. Sie lasen, daß man fürchtete, daß die Truppen, die jetzt auszogen, Menelik und die Schoaner im Hafen von Massaua treffen würden; die jetzt fuhren, zogen dem sicheren Tod entgegen.
Sie las auch, daß die Barbaren vor Allem auf die Offiziere schossen. Sie lagen da und zielten auf ihr blaues Rangzeichen und holten sie von den Hügelabhängen herab, wenn sie mit ihren Soldaten vorrückten.
Und es gab so viel Grausamkeiten und Entsetzlichkeiten, die diese Schwarzen begingen; ihre Weiber plünderten die Toten und zerstückelten sie.
Da war es um sie geschehen. Sie bebte vor Entsetzen und wagte nicht mehr zu lesen.
Nino schob seine Mütze zurück und fragte, was sie eigentlich geglaubt habe, was die Leute im Kriege anfingen? Hatte sie sich nicht gedacht, daß sie sich dort töteten? Nein, sie wußte nicht, was sie geglaubt hatte. Das hatte sie nicht gedacht.
Da kam ein Brief vom Leutnant Ago, in dem er Abschied von ihr nahm. Das Dampfschiff, das ihn nach Afrika führen sollte, ging am nächsten Abend ab. Am Abend waren sie und Nino auf dem Wege nach Neapel. Was wollte sie dort? Nino glaubte, sie wolle ihren Bräutigam noch einmal sehen, bevor er abreiste. Selbst hatte sie sich es nicht so klar gemacht, warum sie fuhr, aber sie konnte es nicht lassen. Und keinen anderen als Nino hatte sie zur Begleitung haben wollen.
Als sie morgens in Neapel angelangt waren, suchte sie ihren Leutnant in der Kaserne auf.
Er kam ihr entgegen, verwirrt und hastig, aber sichtlich geschmeichelt und gerührt, daß sie gekommen war, um ihm Lebewohl zu sagen. Aber Teresa wurde totenbleich, als sie ihn erblickte. Er trug jetzt eine helle Uniform aus gelblich-grauem Leinen mit einem blauen Bande über der Brust. Das war das blaue Band, das die Schwarzen sich zur Schießscheibe nahmen.
Er mußte gleich wieder zu seinen Soldaten zurück. Konnte sie denn den ganzen Tag über nicht mit ihm zusammentreffen? Ja, sie wollten gegen ein Uhr miteinander frühstücken. Er konnte zwei Stunden abkommen. Sie besprachen den Ort, und er eilte weg.
Das war ein Tag! Nino und sie gingen hinab in die »Villa« und setzten sich auf eine Bank um zu warten. Sie that nichts anderes, als daß sie unaufhörlich Nino fragte, wie viel es auf seiner Uhr war. Und als sie nun allein mit Nino blieb, da war ihr Gesicht starr und bleich, wie das der Statuen, die rings um sie standen, und ihre Augen schienen nicht mehr zu sehen, als die steinernen. Nino fragte sie, warum sie so wunderlich vor sich hinstarre. Sie sagte, sie säße da und sähe seine Leiche an. Die ganze Nacht hatte sie ihn tot in einer Bergkluft liegen sehen, und auch die alten Weiber der Schwarzen waren ihr erschienen, wie sie herbeieilten, um zu plündern und zu zerstückeln. Nino hatte ja gesagt, daß sie dort die Leichen zerstückelten.
Nino versuchte, etwas Tröstliches zu sagen. Alle würden ja nicht fallen, meinte er, und Leutnant Ago, der so tapfer war, konnte sich der Barbaren schon erwehren.
Was half es, tapfer zu sein, sagte sie, wenn der Feind in Schlupfwinkeln verborgen lag und auf das blaue Band zielte. Hatte Nino das blaue Band bemerkt? Warum war es blau, das Todesband, warum war es nicht rot wie Blut?
Sie nahm Nino das Versprechen ab, daß er sie nicht verlassen würde. Sie nicht verlassen, den ganzen Tag.
»Nein, nein, Teresa.«
Er war auch mit beim Frühstück. Leutnant Ago bestellte ein Zimmer, und so aßen die drei zusammen.
Im Anfang war Teresa munter, sie zeigte sich ebenso sorglos, als säße sie daheim in der Osteria. Nino dachte; daß sie für diese zwei Stunden allen Kummer von sich werfen und einzig und allein glücklich sein wollte. Sie war sogar viel munterer, als gewöhnlich, sie kokettierte mit Leutnant Ago, bis er ganz toll war. Und sie ließ es zu, daß er sie küßte.
Nino sah in seinen Teller, aber er merkte es doch. von Zeit zu Zeit sah er sie an, und seine kleinen grauen Äuglein bettelten, gehen zu dürfen. Aber da kam ihre Hand, die ganz eiskalt und zitternd war, unter dem Tisch herangeschlichen und legte sich auf die seine und hielt ihn zurück. Der Leutnant fand ihn wohl höchst überflüssig, aber sie wollte ihn offenbar da haben.
Es gab sowohl Asti spumante, als Lacrimae Christi, und Nino trank, wie er nie zuvor getrunken hatte. Aber es gelang ihm nicht, sich taub oder blind zu machen.
Plötzlich, als Nino sich dachte, daß Leutnant Ago ganz berauscht von ihren Blicken und ihren Küssen sein müßte, neigte sie sich zu ihm und fragte schelmisch, ob er es nicht lassen könnte, zu reisen. Könnte er es nicht so einrichten, daß er daheim bleiben konnte?
Er lachte. Nein, er konnte nicht entrinnen.
Konnte er nicht krank werden? Sich krank stellen? Nein, nein, das konnte er nicht.
Aber hatte er denn daran gedacht, wie lange es dauern würde, bis sie ihre Hochzeit feiern konnten?
Der Leutnant glaubte kaum, daß sie im Ernst sprach. Gewiß hatte er daran gedacht, aber das ließ sich ja nicht ändern.
Teresa lächelte nicht mehr, sondern sprach mit einer Stimme, die vor Rührung bebte.
Sie bekannte, daß sie sich furchtbar gesehnt hatte, seit er abgereist war. Sie konnte keinen Tag ohne ihn sein. Könnte er sich nicht irgend einen Vorwand ausdenken, um bleiben zu können?
»Teresa,« sagte er, »ich wäre ja ein ehrloser Mann. Bitte mich nicht!«
»Ehrlos,« sagte sie mit schmeichelnder Stimme. »Wie kannst Du so etwas sagen? Du würdest ja nicht hier bleiben, weil Du feig bist, sondern weil ich Dich so liebe, daß ich Dich nicht ziehen lassen kann.«
Und sie lächelte und bat, aber Leutnant Ago war unbeweglich.
Da fing sie mit etwas anderem an. Wenn es nun zur Schlacht käme, und die Schwarzen zu schießen begännen? Wollte er ihr da versprechen, das blaue Band fortzunehmen?
Nein, das wollte er nicht. Er durfte es nicht.
Überhaupt glaubte der Leutnant eigentlich, daß sie im Grunde nur scherzte.
Nino sah sie, wie ermattet, den Kopf sinken lassen.
Als sie aufblickte, war jede Spur von Heiterkeit aus ihrem Antlitz verschwunden. Sie war so, wie sie am Vormittag gewesen.
Nun begann sie, ihm mit Heftigkeit alles zu erzählen, was sie von dem fremden Lande und der Kriegsführung der Schwarzen gehört hatte. Sie sprach von den Bergen und den Distelgewächsen und der Hungersnot. Als sie von den Mauleseln erzählte, lachte er und sagte, das sei nicht wahr.
Sie sprach vom Leutnant Petrini, der von den Weibern der Schoaner verbrannt worden war. Wußte er das, ja, wußte er das? Und was für eine Ehre war es, im Kampf mit den Barbaren zu siegen? Und sie schossen alle Offiziere nieder, wußte er das? Sie zielten auf die blauen Bänder und schossen auf die Offiziere.
»Ah, Teresa,« sagte er, »willst Du mich erschrecken? Sind das Worte für eine Römerin?« »Ja, ja gerade für eine Römerin. Roms Frauen hatten nie zugelassen, daß man ihnen raubte, was sie liebten.« Und sie war nur gekommen, um ihm zu sagen, sie wüßte bestimmt, daß er fallen würde, wenn er jetzt reiste. Sie sah ihn tot vor sich. Sie sah seinen Körper zerstückelt und blutig. Und nachdem sie dies gesagt hatte, war es mit aller Beherrschung vorbei, und sie zeigte ihm ihre ganze Verzweiflung. Sie warf sich vor ihm auf die Knie, bettelte, weinte, flehte.
Er war sehr gerührt, aber auch befangen. Einen Augenblick sah er zu Nino hin, gleichsam unschlüssig, was er beginnen sollte. Nino zog seine Uhr hervor. Ja gewiß, das war das Einzige, was er thun konnte. Sagen, daß die Zeit abgelaufen war, und dann gehen.
»Was willst Du?« sagte er. »Was willst Du, daß ich thun soll? Ich kann mich nicht losmachen.«
»Stelle Dich krank. Es reisen ohnehin so viele. Es ist unrecht, zu reisen. Die dort drüben verteidigen nur Haus und Heim. Sage, daß Du nicht gegen sie kämpfen willst.«
»Dann ist es um mich geschehen.«
»Du wirst dort sterben. Das ist nichts, um dafür zu sterben. Die Schwarzen haben uns nichts gethan. Laß sie in Frieden. Sie wollen uns ja unser Land nicht nehmen, warum sollen wir ihres rauben?«
»Teresa,« sagte Leutnant Ago, »sage mir jetzt mutig Lebewohl, so wie in Rom. Nun muß ich gehen.«
»Du mußt?«
»Ja.«
»Nun so geh!«
»Teresa!«
»Geh doch. Ich werde versuchen, nicht an Dich zu denken. Du bist für mich tot.«
Sie stand nicht auf, sondern blieb auf dem Boden liegen. Sie sah ihn nicht einmal an. Er strich über ihr blauschwarzes Haar. Sie rührte sich nicht. Er seufzte tief, wußte nicht, was er sagen oder thun sollte, und ging wirklich.
Mit einem angstvollen Griff drückte er Ninos Hand. Es war, als vertraute er Teresa ihm an. Abends, gegen zehn Uhr, standen Nino und Teresa am Hafen. Ein paar große Dampfer lagen da, bereit, abzugehen, und eine Menge Boote wartete darauf, die Soldaten hinzubringen. Einige tausend Menschen standen auf dem Quai, um die Abfahrt anzusehen.
Aber das war ein Unterschied, jetzt nach der Niederlage! Früher im Winter hatte man nicht genug jubeln können, als die Truppen an Bord geführt wurden. Jetzt lag nichts als Düsterkeit über den Wartenden. Man würde am liebsten die Boote und die Dampfer versenkt haben, damit sie keinen Sohn Italiens nach dem verfluchten Barbarenland führen konnten. Die Soldaten kamen so still, als wollten sie sich fortschleichen. Keine Musik, keine Schüsse, keine Hochrufe. Aber aus der wartenden Menge stieg ein dumpfes Murren der Empörung auf, und man beschleunigte die Einschiffung so viel, als nur denkbar. Man war nicht ganz sicher, daß das Volk nicht auf den Gedanken verfiel, die Abfahrt zu verhindern.
Teresa schien etwas Ähnliches zu hoffen. »Sie werden es nicht zulassen, Nino,« sagte sie. »Alle diese Männer werden es nicht zulassen, daß man ihre Söhne fortführt, damit sie von den Barbaren geschlachtet werden.«
Aber ein Boot voll nach dem anderen wurde weggebracht, und die Menge ließ es geschehen. Einige Menschen brachen in die Reihen der Soldaten ein, aber nur um zu küssen und Abschied zu nehmen. Nino sah Leutnant Ago am Quai stehen und das Einsteigen in die Boote überwachen.
Ah, wo war Teresa? Eben erst hing sie an Ninos Arm, aber jetzt sah er sie unten am Landungsplatz. Sie schlang die Arme um Leutnant Ago. Er küßte sie, dann wollte er sich aus ihrer Umarmung lösen. Es war nun die Reihe an ihm, einzusteigen.
Sie schien sich zurückzuziehen, aber da sah Nino etwas Blankes in ihrer Hand leuchten. Sie schien den Leutnant noch einmal umarmen zu wollen. Im selben Moment wankte dieser und schrie auf.
Nino war dort unten. Er riß Teresa an sich. Er zog sie in den Volkshaufen, in das heißeste Gedränge.
»Stehe stille hier.«
Sie lachte beinahe irrsinnig. »Jetzt wird er nicht reisen, Nino,« sagte sie.
Nino packte sie beim Handgelenk. »Schweig,« sagte er und drückte, so daß es schmerzte.
»Meinethalben können die Gendarmen …«
Nino drückte mit eiserner Faust zu, und sie schwieg.
Das war ein Drängen, ein Hin-und Herstoßen. Nino blieb gelassen in dem dichtesten Getümmel. Er versuchte nicht zu fliehen.
»Recht so,« flüsterte ein Neapolitaner Nino zu. »Nur stille stehen, so daß die Gendarmen keinen Verdacht schöpfen. Kein Neapolitaner wird Euch verraten.«
Teresa begann plötzlich zu schluchzen.
»Laß das sein,« sagte er, »Du darfst nicht.«
Und ihre Thränen versiegten. Sie stand stumm und still da, so lange Nino es wollte. Er hatte sie ganz in seiner Gewalt.
Leutnant Ago wurde fortgetragen, die Polizei begann nach der zu forschen, die ihn verwundet hatte. Nino und Teresa hörten, wie man der Menge Fragen stellte. »Wohin war sie geflohen? Wer hatte sie gesehen?«
Es war eine große Signorina – nein, eine kleine. – Hier hatte man sie gesehen – nein, hier. Sie hatte den Weg zur Station genommen – nein, nach Santa Lucia. Und die Polizisten zerstreuten sich nach rechts und links.
Nino führte Teresa zur Eisenbahnstation, und sie reisten kühn nach Hause. Er verließ sich darauf, daß Leutnant Ago sie nicht angeben würde.
In der Zeitung las er auch am nächsten Tag, daß der Leutnant erklärt habe, er kenne die Frau nicht, die ihn verwundet hatte.
Er war verwundet, aber nicht gefährlich. In der nächsten Woche kam ein Brief von ihm an Teresa.
Seit der Reise nach Neapel ließ sie sich in Allem von Nino lenken und leiten. Nun kam sie auch mit dem Briefe zu ihm.
»Lies ihn, Nino,« bat sie.
Er erbrach das Couvert, sie stand zitternd daneben.
»Ist es aus, Nino?« fragte sie.
Nino antwortete ja, so angstvoll, als verkündete er ihr ein Todesurteil.
»Laß mich hören,« sagte sie und richtete sich auf. Nino las ihr vor, daß Leutnant Ago sie nicht mehr liebte. »All meine Liebe ist tot,« schrieb er, »meine arme Liebe ist tot.«
Sie zuckte verächtlich die Achseln.
»Die Liebe eines Signor verträgt es wohl nicht, Blut zu sehen,« sagte sie.
»Du, Teresa,« schrieb Leutnant Ago, »Du warst für mich des Vaterlandes Stolz, Du warst das wiedergeborene Rom, Du warst das starke Weib der Vorzeit. Du warst die, die die Römer einst zu Helden machen sollte, Du solltest Seelenstärke genug haben, um uns hinauszuschicken, um die Welt zu erobern. Vergieb mir, daß ich mich täuschte. Nun weiß ich, daß die alten Römerinnen tot sind, die Töchter des neuen Rom senden keinen Mann hinaus, um Ehre zu erringen, sie haben nur den Mut, ihn zu hindern, seine Pflicht zu thun.«
Teresa legte ihre Hand auf die Ninos. »Ich will nicht mehr hören,« sagte sie.
Nino schwieg.
»Wenn ich es nicht gethan hätte, Nino,« sagte sie, »würde er jetzt tot sein. Ich verstehe nicht, was er meint. Ich sah ihn tot in einer Bergschlucht liegen. Da läge er jetzt, wenn ich nicht gewesen wäre. Wie konnte ich ihn da ziehen lassen?«
»Findest auch Du, Nino, daß ich feige bin?« fragte sie. »Bin ich entartet? habe ich keinen Tropfen Römerblut in meinen Adern?«
Nino sah zu ihr auf, wie sie da schön und stolz und trotzig vor ihm stand. Er liebte sie, so wie er sie immer geliebt, und er sah seine ganze Zukunft vor sich. Sie würde nie heiraten, er würde sie nie verlassen können, und sie würden das Leben zusammen leben, sie als Herrscherin, er als Knecht. Die Zeit, die nun vorbei war, in der er beinahe Herrscher gewesen, die kehrte nicht zurück. Sie nahm bald wieder die Zügel der Gewalt an sich.
»Sag mir, Nino,« fragte sie, »waren die Frauen des alten Rom wilde Tiere? Gaben sie zu, daß man ihnen das raubte, was sie liebten?«
Nie hatte Nino so wie jetzt begriffen, was das neue Italien von dem alten unterschied, aber er schloß die Augen vor allen Zeugnissen der Geschichte, denn er war aufs neue Teresas Sklave und Knecht geworden und antwortete, so wie sie es wünschte, daß in ihren Adern Römerblut floß, das edelste Römerblut.
Niemand darf glauben, daß das Mädchen, das eine so schwere Stunde vor dem Gerichtstisch durchgemacht hatte, selbst meinte, sie habe etwas Rühmenswertes getan. Sie meinte im Gegenteil, daß sie vor der ganzen Gemeinde beschämt sei. Sie begriff nicht die Ehre, die darin lag, daß der Richter auf sie zugekommen war und ihr die Hand geschüttelt hatte. Sie glaubte, dies bedeutete nur, daß die Verhandlung zu Ende sei, und sie ihrer Wege gehen könne.
Sie sah auch nicht, daß die Leute ihr freundliche Blicke zuwarfen, und daß ihr mehrere die Hand drücken wollten. Sie schlich sich nur davon und wollte fort. Aber unten an der Tür herrschte ein großes Gedränge. Der Thing war zu Ende, und viele wollten wieder ins Freie. Sie drückte sich an die Wand und war wohl die letzte, die den Thingsaal verließ. Sie meinte, daß alle andern vor ihr hinausgehen müßten.
Als sie endlich ins Freie kam, stand Gudmund Erlandssons Wägelchen angespannt vor der Freitreppe. Gudmund saß darin, die Zügel in der Hand, und schien auf jemand zu warten. Sowie er ihrer unter allem Volk, das aus dem Thingsaal strömte, ansichtig wurde, rief er ihr zu: »Komm her, Helga! Du kannst mit mir fahren, wir haben denselben Weg.«
Aber obgleich sie ihren Namen hörte, – sie konnte nicht glauben, daß er sie rief. Es war nicht möglich, daß Gudmund Erlandsson sie kutschieren wollte. Er war der schmuckste Bursche im ganzen Kirchspiel, jung und schön und aus gutem Hause und in Gunst bei allen Leuten. Sie konnte nicht glauben, daß er etwas mit ihr zu tun haben wolle.
Sie ging, das Kopftuch tief in die Stirn geschoben, und eilte an ihm vorbei, ohne aufzusehen oder zu antworten.
»Hörst du nicht, Helga, daß du mit mir fahren kannst?« fragte Gudmund, und es lag ein so recht freundlicher Ton in der Stimme. Aber sie konnte es nicht in ihren Kopf hineinbringen, daß Gudmund es gut mit ihr meine. Sie glaubte, er wolle sie in der einen oder andern Weise verspotten und wartete nur darauf, die Umstehenden in Kichern und Lachen ausbrechen zu hören. Sie warf ihm einen erschrocknen und zornigen Blick zu und lief vom Thingplatz fort, um außer Hörweite zu sein, wenn das Lachen begänne.
Gudmund war damals noch unverheiratet und wohnte bei seinen Eltern. Der Vater war ein kleiner Bauer. Er hatte keinen großen Hof und war nicht vermögend, aber er konnte sorgenfrei leben. Der Sohn war zum Thing gefahren, um einige Urkunden für seinen Vater zu holen, aber da er noch eine andre Absicht mit seiner Fahrt verfolgte, hatte er sich sehr fein hergerichtet. Er hatte das neue Wägelchen genommen, dessen Lackierung keine Schramme aufwies; das Pferd hatte er gestriegelt, bis es wie Seide glänzte, und das Sattelzeug fein geputzt. Er hatte eine schmucke, rote Decke neben sich auf den Sitz gelegt, und sich selbst hatte er mit einem kurzen Jagdrock, einem kleinen, grauen Filzhut und hohen Stiefeln geputzt, in die die Hosen hineingesteckt waren. Es war wohl kein Feiertagsgewand. aber er wußte, daß er männlich und stattlich darin aussah.
Als Gudmund am Morgen von daheim fortfuhr, hatte er allein im Wagen gesessen, aber er war in angenehme Gedanken versunken, und die Zeit war ihm nicht lang erschienen. Als er ungefähr auf halbem Wege war, fuhr er an einem armen Mädchen vorbei, das sehr langsam ging und aussah, als könnte es vor Müdigkeit kaum einen Fuß vor den andern setzen. Es war Herbst, der Weg war vom Regen aufgeweicht, und Gudmund sah, wie sie bei jedem Schritt tief in den Schmutz einsank. Er hielt an und fragte, wohin sie gehe, und als er erfuhr, daß sie zum Thing wolle, bot er ihr an, mitzufahren. Sie dankte und stieg rückwärts auf den Wagen, auf das schmale Brett, an dem der Heusack festgebunden war, ganz so, als wagte sie es nicht, die rote Decke neben Gudmund zu berühren. Es war auch nicht seine Absicht gewesen, daß sie sich neben ihn setze. Er wußte nicht, wer sie wäre, aber er vermutete, daß sie die Tochter irgendeines armen Kleinhäuslers wäre, und fand, es sei wohl genug Ehre für sie, wenn sie rückwärts aufsitzen dürfte.
Als sie an einen Hügel kamen und das Pferd den Schritt verlangsamte, begann Gudmund zu plaudern. Er wollte wissen, wie sie heiße, und wo sie daheim sei. Als er hörte, daß sie Helga hieß und von einem Waldgütchen stammte, das man den Moorhof nannte, begann er unruhig zu werden. »Bist du immer daheim gewesen oder warst du im Dienst,« fragte er. Das letzte Jahr wäre sie daheim gewesen, früher hätte sie einen Dienstplatz gehabt. »Bei wem denn?« fragte Gudmund sehr hastig. Und es schien ihm, als daure es lange bis die Antwort kam. »Im Sternhof, bei Per Martensson,« sagte sie endlich und senkte die Stimme, als wollte sie am liebsten nicht gehört werden. Aber Gudmund verstand sie doch. »Ja so, du bist also die,« sagte er, sprach aber den Satz nicht zu Ende. Er wendete sich ab, richtete sich gerade auf und sprach kein Wort mehr zu ihr.
Gudmund versetzte dem Pferde einen Hieb nach dem andern, fluchte laut über den schlechten Weg und schien recht schlechter Laune zu sein. Ein Weilchen verhielt sich das Mädchen still, aber bald fühlte Gudmund seine Hand auf seinem Arm. »Was willst du?« fragte er, ohne den Kopf zu wenden. Ja, er solle halten, damit sie abspringen könne. »Ach, warum denn?« sagte Gudmund in verächtlichem Tone. »Fährst du nicht gut?« – »Ja, danke, aber ich gehe doch lieber.« Gudmund kämpfte ein wenig mit sich selbst. Es war ärgerlich, daß er gerade an diesem Tage eine solche wie Helga aufgefordert hatte, mitzufahren. Aber er fand doch, daß er sie, nun er sie einmal in den Wagen genommen hatte, nicht wieder vertreiben könnte. »Halte, Gudmund,« sagte das Mädchen noch einmal. Sie sprach sehr bestimmt, und Gudmund zog die Zügel an. – »Wenn sie durchaus aussteigen will,« dachte er, »brauche ich sie doch nicht zu zwingen, gegen ihren Willen zu fahren.« Sie war schon unten auf der Straße, bevor noch das Pferd ganz stehen geblieben war.
– »Ich glaubte, du wußtest, wer ich bin, als du mir sagtest, ich kann mitfahren,« sprach sie, »sonst wäre ich gar nicht eingestiegen.« Gudmund sagte kurz: »Behüt Gott!« und fuhr weiter. Sie hatte wohl Grund gehabt, zu glauben, daß er sie kenne. Er hatte ja das Dirnlein vom Moorhof oftmals als Kind gesehen; aber sie hatte sich verändert, seit sie herangewachsen war. Zuerst war er sehr froh, die Reisekameradin los zu sein, aber allmählich begann er mit sich selbst unzufrieden zu werden. Er hatte kaum anders handeln können, aber er war nicht gern grausam gegen irgend jemand.
Ein kleines Weilchen, nachdem Gudmund sich von Helga getrennt hatte, bog er von der Straße ab, fuhr ein enges Gäßchen hinauf und kam zu einem prächtigen großen Bauernhof. Als Gudmund vor dem Hause anhielt, öffnete sich die Eingangstür, und eine der Töchter zeigte sich auf der Schwelle. Gudmund zog den Hut und grüßte, und dabei huschte eine leichte Röte über sein Gesicht. »Ich möchte wohl wissen, ob der Herr Amtmann daheim ist,« sagte er. – »Nein, Vater ist zum Thing gefahren,« antwortete die Tochter.
– »So, so, ist er schon fort?« sagte Gudmund. »Ich bin hergekommen, um zu fragen, ob der Herr Amtmann nicht mit mir fahren möchte. Ich will auch zum Thing.« – »Ach, Vater ist immer so überpünktlich,« klagte die Tochter. – »Es ist ja weiter kein Schade geschehen,« sagte Gudmund. – »Vater wäre gewiß gern mit einem so prächtigen Pferd und in einem so schmucken Wagen gefahren,« sagte das Mädchen freundlich. Gudmund lächelte ein wenig, als er das Lob hörte. – »Ja, da muß ich also wieder abziehen,« sagte er. – »Du willst nicht hereinkommen, Gudmund?« – »Danke schön, Hildur, aber ich muß ja zum Thing. Ich darf nicht zu spät kommen.«
Gudmund fuhr nun gerades Wegs zum Thinghause. Er war sehr vergnügt und dachte nicht mehr an seine Begegnung mit Helga. Es war doch schön, daß gerade Hildur herausgekommen war, und daß sie den Wagen und die Decke und das Pferd und das Sattelzeug gesehen hatte. Sie hatte wohl alles bemerkt.
Es war das erste Mal, daß Gudmund auf einem Thing war. Er fand, daß es da sehr viel zu hören und zu erfahren gäbe, und blieb den ganzen Tag dort. Er saß im Thingsaal, als Helgas Sache geführt wurde, und sah, wie sie die Bibel an sich riß und Gerichtsdienern und Richter standhielt. Als alles zu Ende war, und der Richter Helga die Hand gedrückt hatte, stand Gudmund hastig auf und verließ den Saal. Rasch spannte er das Pferd vor den Wagen und fuhr zur Treppe hin. Er fand, daß Helga sehr tapfer gewesen war, und nun wollte er sie ehren. Aber sie war so verschüchtert, daß sie seine Absicht nicht verstand, sondern sich vor der Ehre, die ihr zugedacht war, flüchtete.
An demselben Tag kam Gudmund spät abends zum Moorhof. Das war ein kleines Gehöft auf dem Abhang des bewaldeten Hügels, der das Kirchspiel abschloß. Der Weg, der hinführte, war nur im Winter bei Schlittenbahn fahrbar, und Gudmund hatte zu Fuß gehen müssen. Es war ihm recht sauer geworden, vorwärts zu kommen. Fast hätte er sich an Stock und Stein die Beine gebrochen, auch hatte er Bäche durchwaten müssen, die den Pfad an mehreren Stellen durchschnitten. Wäre nicht Vollmond gewesen, so hätte er überhaupt nicht hinfinden können; und er dachte, daß das ein beschwerlicher Weg wäre, den Helga an diesem Tag hatte gehen müssen.
Der Moorhof lag an einer ausgerodeten Stelle, etwa auf halber Höhe des Hügels. Gudmund war noch nie dort gewesen, aber er hatte den Ort oftmals unten vom Tale aus gesehen und kannte ihn genügend, um zu wissen, daß er richtig gegangen war.
Rings um die ausgerodete Stelle zog sich ein Reisigzaun, der sehr dicht und sehr schwer zu übersteigen war. Er sollte wohl gleichsam eine Wehr und ein Hort gegen die Wildnis sein, die das Gehöft umgab. Die Hütte selbst stand am oberen Rand der Einzäunung. Davor breitete sich ein abschüssiger Hof aus, mit kurzem, grünem Gras bewachsen, und unterhalb des Hofes lagen ein paar graue Schuppen und ein Keller mit grünem Torfdach. Es war ein geringes und ärmliches Anwesen, aber es ließ sich nicht leugnen, daß es dort oben schön war. Das Moor, nach dem das Gütchen seinen Namen hatte, lag irgendwo in der Nähe und sandte Nebel empor, die sich im Mondschein prachtvoll und silberglänzend heranwälzten und einen Kranz um den Hügel bildeten. Der höchste Gipfel ragte noch aus dem Nebel empor. Und der Kamm, der zackig von Tannen war, zeichnete sich scharf gegen den Himmel ab. Unten über dem Tal lag der Mondschein so hell, daß man die Felder und Gehöfte und einen geschlängelten Bach unterscheiden konnte, über dem der Nebel wie der leichteste Duft schwebte. Es war nicht weit dort hinunter, aber das Seltsame war, daß das Tal wie eine fremde Welt dalag, mit der das, was dem Wald angehörte, nichts gemein hatte. Es war, als wenn die Menschen, die hier auf dem Waldgut hausten, immer unter diesen Bäumen gehen müßten. Sie konnten unten im Tale ebensowenig fortkommen wie Auerhähne und Bergeulen und Luchse und Heidelbeerkraut.
Gudmund ging über die Wiese auf die Hütte zu. Durch das Fenster drang Feuerschein, die Scheiben waren nicht verhangen; er warf einen Blick hinein, um zu sehen, ob Helga in der Hütte wäre. Auf einem Tisch am Fenster brannte ein kleines Lämpchen, und davor saß der Hausvater und flickte alte Schuhe. Im Hintergrunde des Zimmers neben dem Herd, auf dem ein schwaches Feuer brannte, saß die Hausmutter. Sie hatte den Spinnrocken vor sich, aber hatte zu arbeiten aufgehört, um mit einem kleinen Kinde zu spielen. Sie hatte es aus der Wiege genommen, und man hörte es bis zu Gudmund hinaus, wie sie mit ihm lachte und scherzte. Ihr Gesicht war von vielen Runzeln durchfurcht, und sie sah strenge aus; aber wie sie sich so über das Kind beugte, bekam ihr Gesicht einen sanften Ausdruck, und sie lächelte dem Kleinen ebenso zärtlich zu wie nur seine eigene Mutter.
Gudmund spähte nach Helga aus, konnte sie aber in keinem Winkel der Hütte entdecken. Da schien es ihm am besten, draußen zu bleiben, bis sie käme. Er wunderte sich, daß sie noch nicht zu Hause war. Vielleicht wäre sie auf dem Heimweg bei Bekannten eingekehrt, sich auszuruhen und einen Imbiß zu nehmen? Aber bald müßte sie auf jeden Fall kommen, wenn sie vor Einbruch der Nacht unter Dach sein wollte.
Gudmund blieb eine Weile mitten im Hof stehen und horchte nach Schritten aus. Es war ganz ruhig. Kein Lüftchen regte sich. Es kam ihm vor, als ob ihn nie vorher eine solche Stille umgeben hätte. Es war, als hielte der ganze Wald den Atem an und stünde da und wartete auf etwas Merkwürdiges.
Niemand ging durch den Wald. Kein Zweiglein wurde geknickt, und kein Stein rollte. Helga war wohl noch lange nicht zu erwarten. »Ich möchte wohl wissen, was sie sagen wird, wenn sie sieht, daß ich hier bin,« dachte Gudmund. »Sie wird vielleicht schreien und in den Wald laufen und sich die ganze Nacht nicht heimwagen.«
Dabei fiel ihm ein, es sei doch recht sonderbar, daß er nun auf einmal soviel mit dieser Häuslerdirne zu schaffen hatte.
Als er vom Thing heim kam, war er wie gewöhnlich zu seiner Mutter hineingegangen, ihr alles zu erzählen, was er während des Tages erlebt hatte. Gudmunds Mutter war klug und hochsinnig und hatte es immer verstanden, gegen den Sohn so zu sein, daß er noch ebensoviel Vertrauen zu ihr hatte wie einst als Kind. Seit mehreren Jahren war sie krank und konnte nicht gehen, sondern saß den ganzen Tag still in ihrem Lehnstuhl. Es war immer eine gute Stunde für sie, wenn Gudmund von einer Reise heimkam und ihr Neuigkeiten brachte.
Als Gudmund nun von Helga vom Moorhof erzählte, sah er, daß die Mutter gedankenvoll wurde. Lange saß sie stumm da und sah gerade vor sich hin. »Es scheint doch ein guter Kern in diesem Mädchen zu stecken,« sagte sie dann. »Man darf keinen verwerfen, weil er einmal ins Unglück gekommen ist. Es kann wohl sein, daß sie sich dem, der ihr jetzt beistünde, dankbar erweisen würde.«
Gudmund begriff sogleich, woran die Mutter dachte. Sie konnte sich nicht mehr selbst helfen, sondern mußte beständig jemand um sich haben, der ihr zu Diensten stand. Aber es war immer schwer, jemand zu finden, der auf diesem Platz bleiben wollte. Die Mutter war anspruchsvoll und nicht leicht zu befriedigen, und außerdem wollten alle jungen Mägde lieber eine andre Arbeit haben, bei der sie mehr Freiheit genossen. Nun war es sicherlich der Mutter eingefallen, daß sie die Helga vom Moorhof in Dienst nehmen könnte, und Gudmund fand, daß dies ein guter Vorschlag sei. Helga würde der Mutter sicherlich sehr ergeben sein. Es wäre wohl möglich, daß ihnen auf diese Weise für lange geholfen wäre.
»Am schwersten wird es mit dem Kinde sein,« sagte die Mutter nach einer Weile, und Gudmund begriff, daß sie ernsthaft an die Sache dachte. – »Das muß wohl bei den Großeltern bleiben,« sagte Gudmund. – »Es ist nicht ausgemacht, daß sie sich von ihm trennen will.« – »Sie wird es sich abgewöhnen müssen, daran zu denken, was sie will und nicht will. Ich finde, daß sie förmlich verhungert aussieht. Dort oben auf dem Moorhof ist wohl Schmalhans Küchenmeister.«
Darauf antwortete die Mutter nichts, sondern begann von etwas anderm zu sprechen. Man merkte, daß ihr neue Bedenklichkeiten aufstiegen, die sie verhinderten, einen Entschluß zu fassen.
Gudmund begann nun zu erzählen, wie er den Amtmann auf Älvåkra aufgesucht und Hildur getroffen hatte. Er berichtete, was sie über das Pferd und den Wagen gesagt hatte, und es war leicht zu merken, daß er sich der Begegnung freute. Auch die Mutter schien sehr vergnügt. Wie sie so unbeweglich in ihrem Lehnstuhl saß, war es ihre stete Beschäftigung, Pläne für die Zukunft des Sohnes auszuspinnen; und sie war zuerst auf den Gedanken verfallen, daß er es versuchen solle, um die schöne Amtmannstochter zu werben. Das war die prächtigste Heirat, die er machen konnte. Der Amtmann war ein richtiger Großbauer. Er hatte den größten Hof im Kirchspiel und viel Macht und viel Geld. Es war eigentlich töricht, zu hoffen, daß er sich mit einem Eidam begnügen würde, der kein größeres Vermögen hatte als Gudmund, aber es war immerhin möglich, daß er sich nach dem richtete, was seine Tochter wollte. Und daß Gudmund Hildur gewinnen könnte, wenn er es nur wollte, davon war die Mutter fest überzeugt.
Dies war das erste Mal, daß Gudmund die Mutter merken ließ, wie der Gedanke bei ihm Wurzel geschlagen hatte, und sie sprachen nun ein langes und breites von Hildur und von allen den Reichtümern und Vorteilen, die dem zufallen würden, der sie einmal bekäme. Aber bald stockte das Gespräch wieder, weil die Mutter von neuem in ihre Grübeleien versunken war. »Könntest du diese Helga nicht holen lassen? Ich möchte sie doch sehen, bevor ich sie in meine Dienste nehme,« sagte sie schließlich. – »Das ist schön, daß du dich ihrer annehmen willst, Mutter,« entgegnete Gudmund und dachte bei sich: wenn die Mutter eine Pflegerin bekäme, mit der sie zufrieden wäre, würde seine Gattin hier daheim ein behaglicheres Leben führen. »Du wirst sehen, daß du mit dem Mädchen zufrieden sein wirst,« fuhr er fort. – »Es ist ja auch ein gutes Werk, sich ihrer anzunehmen,« sagte die Mutter.
Als es zu dämmern begann, begab sich die Kranke zu Bett, und Gudmund ging in den Stall, um die Pferde zu striegeln. Es war schönes Wetter, die Luft war klar, und der ganze Hof lag vom Mondschein übergossen da. Da fiel es ihm ein, daß er schon heute in den Moorhof gehen und die Botschaft der Mutter bestellen könne. Wäre morgen schönes Wetter, dann würde man es so eilig haben, den Hafer einzubringen, daß weder er noch irgend ein andrer Zeit hätte, hinzugehen.