cover
e9783641097134_cover.jpg

Inhaltsverzeichnis

Der Aufbruch ins Unglück
Orkan und Schiffbruch
Gestrandet
Zurück an Bord
Ein Wesen aus Fleisch und Blut
Die neue Wohnung
Das erste Jahr
Eine aufziehende Gefahr
Der Flüchtling
Die Dummheit
Freitag
Dunkle Vorahnungen
Der erste Sieg
Die List des Kapitäns
Glückliche Heimkehr
Copyright
e9783641097134_i0043.jpg

Der Aufbruch ins Unglück

Wenn ich doch auf meinen Vater gehört hätte! All das, von dem ich nun berichten werde, wäre niemals passiert. Und wie viel Leid und Mühsal wäre mir durch Vernunft und Gehorsam erspart geblieben. Aber ich will der Reihe nach erzählen.

 

Ich heiße Robinson Crusoe
und stamme aus der Stadt York.
Dort hatte es mein Vater als Kaufmann
zu Wohlstand und Ansehen gebracht.

 

Mit mir, seinem Jüngsten, hatte er große Pläne und schickte mich auf gute Schulen. Mir aber schmeckte das Lernen und Studieren überhaupt nicht und so wollte es mir auch nicht recht gelingen.

Ich muss ungefähr sechzehn Jahre alt gewesen sein, da rief mich mein Vater eines Tages zu sich in sein Kontor und sprach mit ernster Miene: „Mein Sohn, dir steht der Sinn nicht danach, durch Arbeit und Fleiß dein Glück zu machen.

Viel mehr locken dich die Abenteuer der weiten Welt. Für sie willst du dich in große Gefahren stürzen und sogar dein Leben riskieren.“

Ich wollte schon widersprechen, doch dann errötete ich und schlug die Augen nieder. Mein Vater hatte mir tief in die Seele geschaut. Tatsächlich schweiften meine Gedanken schon lange in die Ferne und ich träumte von einem Leben auf hoher See.

e9783641097134_i0004.jpg

„Lass ab von diesen törichten Plänen!", mahnte mein Vater eindringlich. „Sie werden dich ins Verderben führen. Eines Tages wirst du an meine Worte denken. Ganz allein auf dich gestellt wirst du dein Tun bereuen. Aber dann ist es zu spät. Denn niemand wird mehr da sein, der dir helfen könnte.“

Mein Vater ergriff meine Hand und Tränen liefen über sein Gesicht. In diesem Augenblick schämte ich mich, dass ich ihm solchen Kummer bereitet hatte. Ich nahm mir vor, nicht mehr an ein Fortgehen zu denken, sondern mich zu Hause niederzulassen und meinen Eltern nur noch Freude zu machen.

e9783641097134_i0005.jpg
Aber ach!
Schon nach einigen Tagen
waren diese guten Vorsätze vergessen.
Und ich sehnte mich umso mehr
nach einem Leben als Seemann.

 

Einmal, nur ein einziges Mal will ich es wagen, dachte ich bei mir. Dann wird meine Leidenschaft gestillt sein und ich kann die verlorene Zeit mit doppeltem Fleiß wieder aufholen.

Da ich den Kummer meines Vaters aber nicht miterleben wollte, beschloss ich, mich heimlich davonzustehlen. Wirklich ergab sich ein paar Monate später eine Gelegenheit dazu. Ich war zu einer Besorgung in Hull unterwegs. Dort im Hafen traf ich einen Kameraden, der gerade mit dem Schiff seines Vaters nach London segeln wollte. Er drang in mich, ihn zu begleiten, und bot mir sogar freie Fahrt an. Da konnte ich nicht widerstehen. Ohne meinen Eltern ein Wort des Abschieds zu sagen, ging ich an Bord.

Das Unglück aber ließ nicht lange auf sich warten. Es muss wohl um den sechsten Tag unserer Reise gewesen sein, als ein heftiger Sturm aufkam und das Meer grausam zu toben begann. Immer höher wälzten sich die Wellen heran, und ich glaubte, sie würden mich brüllend verschlingen. In meiner Herzensangst tat ich einen Schwur. Wenn ich nur mein Leben behalten dürfte, würde ich unverzüglich nach Hause reisen und niemals mehr ein Schiff betreten.

Zunächst sah es nicht so aus, als ließe sich das Schicksal dadurch besänftigen. Unser Schiff schlug leck und begann zu sinken.

e9783641097134_i0006.jpg

Doch als wir alle schon jämmerlich zu ertrinken drohten, wurden wir von einem Rettungsboot aus den Fluten gefischt und an Land gebracht. Dort trafen wir auf freundliche Menschen, die uns Schiffbrüchigen halfen und uns sogar etwas Geld für die Heimreise gaben. Es wäre mein Glück gewesen, wenn ich die unverzüglich angetreten hätte. Aber ich schämte mich wegen des missglückten Abenteuers und fürchtete die Strafe meiner Eltern und den Spott der Nachbarn. So machte ich mich zu Fuß auf den Weg nach London. Und je länger ich unterwegs war, umso mehr verblasste die Erinnerung an die ausgestandene Not, und die Abenteuerlust ergriff mich stärker als zuvor.

 

In London angekommen
hatte ich keinen anderen Gedanken,
als möglichst bald wieder
zur See zu fahren.
Aber was ich nicht bedacht hatte:
Wer das Schicksal so herausfordert,
kommt meistens nicht ungestraft davon.