Absturz und Neustart
der westlichen Demokratie
Rotbuch Verlag
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Siehe hier © Piratenpartei Deutschland Landesverband Bayern.
Nicht in allen Fällen konnten die Rechte geklärt werden.
Berechtigte Ansprüche bleiben gewahrt.
eISBN: 978-3-86789-531-6
1. Auflage
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Die Ausgangslage
TEIL I: DIE GEGENWART IN DER KONZERNREPUBLIK
1: Herausforderung WikiLeaks
Die Idee hinter WikiLeaks
Das Dilemma der Revolution
Der arabische Frühling – Vorbote der Wiki-Revolution?
2: Netzguerilla
Computer und Freiheit
Die Geschichte von UNIX
Initiative für freie Software
Der Weg in die Politik
Cypherpunks
Wikipedia und die Piratenpartei
Die historische Tragweite der Wiki-Revolution
3: Konzernrepublik und Wiki-Republik
Die Konzernrepublik
Sicherheit – die Einschränkung bürgerlicher Freiheiten
Public Relations – die Kunst der Intransparenz
Politische Korrektheit – neudeutscher Konformismus
Globalisimus – »Harmonisierung« im Namen des Zentralismus
Wiki-Republik in Sicht!
Die Kathedrale und der Basar, oder: Warum Linux ein Erfolg wurde
Raymonds acht goldene Regeln der Wiki-Republik
4: Postmoderne und Politik
Das Jahr 1977
Parteien in der Gegenwart
Die Geschichte der politischen Parteien in Deutschland
Eine veränderte politische Kultur
5: Gutenbergs Enkel
Konzernmedien
Medien, Macht und Kapital
Eine Medienrevolution hat begonnen
Die Buchdruck-Revolution
Historische Dimensionen: Ein Vergleich
6: Die Krise des Kapitalismus
Verschuldung und Zins – eine Geschichte des Scheiterns
Das Ende des Ostblocks
Die Französische Revolution als Verschuldungskrise
Abgewirtschaftet
Steigende Vermögenskonzentration
Arbeitslosigkeit
Überschuldung
Das Verschuldungsproblem unter der Lupe
Folgen der Verschuldung
Europa am Scheideweg
Die europäische Verschuldungskrise
Wohin die Reise geht
TEIL II: DIE ZUKUNFT IN DER WIKI-REPUBLIK
7: Flüssige Demokratie oder Demokratie 2.0
Direkter Parlamentarismus
Konzepte einer Internet-Demokratie
Politikfeldparlamente
Bündnisse
Neue Formen des Diskurses
Die Umsetzung einer internetbasierten Demokratie
Direkter Parlamentarismus in der Praxis
»Schritt für Schritt ins Paradies«
Mehrheitswahl versus Verhältniswahl
Der Parteienstaat und das Ende der Parteien
8: Ein politischer Kompass für die Wiki-Revolution
Das Ende des Rechts-Links-Schemas
Nationalismus und Internationalismus
Eine unkonventionelle Allianz
Eine Landkarte der Ideologien
Kant und die drei Schulen
Das politische Wertedreieck
Eine freiere Gesellschaft
9: Die Grundwerte der Wiki-Republik
Individualität
Bürgerrechte verteidigen
Informationelle Selbstbestimmung
Transparenz – der gläserne Staat
Pluralität
Subsidiarität
10: Wiki-Wirtschaft
Business 2.0
»Das Wunder von Wörgl«
Peer-to-Peer-Kredite und Bitcoins
Zwei Formen der Marktwirtschaft
Eigentum 2.0
Sozialismus – staatliche Unternehmen
Konservativismus – Unternehmen in Privathand
Liberalismus – genossenschaftliche Unternehmen
Das ökonomische Wertedreieck
Geld 2.0
Schwundgeld
Vollgeld
Währungspluralismus
Der Weg aus der Krise
11: Wiki-Schulen und Wiki-Unis
Der Ausverkauf des Bildungswesens
Vom Phlegma des Bildungswesens
Struktureller Konservativismus der Bildungseinrichtungen
Eine Frage der Macht
Die Probleme digitalisierter Pädagogik
Wiki-Unis
Zukunft der Bildung – Bildung der Zukunft
12: Wiki-Medien
Internet killed the Videostar
Vorreiter Musikindustrie?
Neue Strukturen braucht das Land
Zeit aufzuwachen
Anmerkungen
Weiterführende Literatur
Danksagung
Für Justine
Wir leben in beklemmenden Zeiten. Die Welt um uns befindet sich im Umbruch. Dieser Umbruch hat viele Gesichter: politische, ökonomische, kulturelle. Zwei davon sind WikiLeaks und Wikipedia. Beide sind eng verknüpft mit dem Leitmedium der Zukunft, dem Internet. Beide stehen für eine grundlegende Veränderung unserer Kultur. Sie stehen für eine Revolution, die Wiki-Revolution.
Gewiss, im 20. Jahrhundert gab es viele Revolutionen. Noch größer ist die Zahl der belanglosen Ereignisse, die von irgendeiner PR zu einer solchen hochgejubelt wurden. Es ist daher nicht selbstverständlich zur ursprünglichen Bedeutung der Revolution als einer »gesellschaftlichen und politischen Totaländerung« vorzudringen. Die grundlegende These dieses Buches besteht darin, dass die Menschheit, wenigstens aber die »westliche Welt«, an der Schwelle zu einer solchen Totaländerung steht.
Wie der Buchdruck zu Beginn der Neuzeit ist das Internet heute das Medium einer geistigen Avantgarde, die das Tor zu einem neuen Zeitalter aufstößt. Dazu kommt, dass das politische System der westlichen Staaten in einer fundamentalen Krise steckt. Diese Krise hat zwei Aspekte: Durch eine Verschuldungskrise historischen Ausmaßes droht allen westlichen Staaten der ökonomische Kollaps. Im historischen Vergleich wird klar, dass dies regelmäßig ein entscheidender Begleitumstand von Revolutionen war. Auch passt das System der repräsentativen Parteiendemokratie nicht mehr zum politischen Denken der Menschen. Sie fühlen sich immer weniger durch diejenigen repräsentiert, die sie wählen, und drängen auf stärkere direkte Beteiligung, etwa in Form von Bürgerentscheiden.
Revolutionen geschehen nicht zufällig. Ihnen gehen in der Regel Phasen der Erstarrung voraus. Der Sowjetkommunismus unter Breschnew schien für die Ewigkeit zementiert und brach doch wenige Jahre nach dem Tod des Diktators wie ein Kartenhaus zusammen. In den Jahrzehnte währenden autokratischen Regimen von Tunesiens Ben Ali und Ägyptens Husni Mubarak scheint dieses Muster erneut wirksam geworden zu sein. So gesehen, wird die Anfang der 90er Jahre von Francis Fukuyama aufgestellte These vom »Ende der Geschichte« vielleicht einmal als Vorbote eines sich anbahnenden grundlegenden Wandels der westlichen Welt erachtet werden. Einen Augenblick lang schien der Gedanke Fukuyamas durchaus treffend. Nach dem Fall des Ostblocks war die Menschheit für ein paar Jahre tatsächlich einem gesellschaftspolitischem Endzustand nahe. Marktwirtschaft und Demokratie, jene bis heute zitierten Verheißungen aufgeklärten Fortschritts, schienen den Sieg davongetragen zu haben – ein Endzustand, der pessimistisch als eben die genannte Erstarrung begriffen werden könnte.
Die Kehrseite dieses Sieges war, dass das »westliche Gesellschaftsmodell« sich seitdem nicht mehr gegen Konkurrenz zu behaupten hatte. Der Kapitalismus hat eine ideologische Monopolstellung errungen. Der Monopolist musste sich nicht mehr anstrengen. Die Qualität des Angebots sank. Diese ökonomische Faustregel bestätigt sich auch in der Politik.
Wenn die Demokratie also nominell über den Kommunismus gesiegt hatte, so verkam dieser Sieg sehr bald zu einem Pyrrhussieg. Die Demokratie hat den Rückwärtsgang eingelegt, in Deutschland und anderswo. Unter dem Firnis politisch korrekter Grundgesetztreue gärt es schon lange.1 Noch sind sie zahlreich, die Ulrich Wickerts, die halb moralisierend, halb flehend an das Volk appellieren, doch ja zur Wahl zu gehen. Doch diese Appelle klingen von Jahr zu Jahr hilfloser, ihre Verkünder von Jahr zu Jahr resignierter. Sinkende Wahlbeteiligungen verweisen auf vieles. Etwa darauf, dass der bürgerliche Konsens, der letztlich unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung trägt, nach und nach schmaler wird. Immer mehr erscheint unsere Gesellschaftsordnung nicht mehr als gut, sondern nur mehr als das geringere Übel. Auch mangels Alternativen.
Das kann auf Dauer nicht gutgehen. Den westlichen Demokratien läuft die Gefolgschaft davon. Es gibt mehrere, zunehmend an Gewicht gewinnende gesellschaftliche Gruppen, die nicht mehr als aktive Stütze unserer öffentlichen Ordnung anzusehen sind.
Ein seit Jahrzehnten wachsender Teil der Bevölkerung fristet sein Dasein mit staatlichen Almosen und muss tagtäglich erfahren, dass er zwar geduldet, aber nicht wirklich erwünscht ist. Der Segen, nicht weiter sinken zu müssen als auf Hartz-IV-Niveau, verwandelt sich für diese Menschen in dem Augenblick zum Fluch, wenn klar wird, dass es – auch dank des zweiten Arbeitsmarktes – schwer ist, das Leben am Existenzminimum zu verlassen. Selbst wenn man Arbeit hat. Das Motto für das obere Drittel der Gesellschaft »Arbeit muss sich wieder lohnen« gilt auch für das untere Drittel. Menschen, deren Dasein sich zwischen Jobcenter, Aldi und RTL2 abspielt, denen die Gesellschaft täglich zu verstehen gibt, nur für einen Hungerlohn oder gar nicht mehr zu gebrauchen zu sein, Menschen, die tagtäglich erfahren, noch nicht einmal ihr eigenes Schicksal zum Besseren wenden zu können, werden kaum den Idealismus aufbringen, diese Hoffnung bezogen auf das Gemeinwesen hegen zu können. Politisches Engagement ist von ihnen kaum zu erwarten.
Lange Zeit aus historisch motivierter Rücksicht tabuisiert, dämmert es mittlerweile auch linken Zeitgenossen, dass eine multiethnische Gesellschaft nur dann funktionieren kann, wenn alle Beteiligten bereit sind, sich auf einen kulturellen Minimalkonsens zu einigen. Auch das Immigrationsland USA hätte andernfalls nicht zu der kulturellen und geopolitischen Hegemonialmacht werden können, die es Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg war. Viele Migranten, vor allem orientalischer Herkunft, sind nicht Teil der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Vielleicht schlägt hier ein nomadisches Erbe durch, Heimat nur in den eigenen vier Wänden zu finden, seien es die eines Zeltes oder einer Mietwohnung. Eine Heimat, die dann eben auch eine türkische oder arabische sein kann, ganz gleich in welchem Staat man sich befindet. Diese Menschen partizipieren nicht an der Bundesrepublik und nicht an dem, was das einzige ökonomische Kapital dieses Landes darstellt: eine auf Tradition fußende intellektuelle Kultur, deren Verbindung von Unternehmertum und Wissenschaft, von Individualismus und Kollektivismus Deutschland stets zu einem Ort der Ideen machte.
Die Debatte um Migration, Parallelgesellschaften und Integration nimmt an Intensität zu, allerdings auch an Nervosität. Das zeigte der Fall Sarrazin nur allzu deutlich. Integration, so wird klar, kostet Geld und kann nicht erzwungen werden. Die Religion des Islam trägt eminent politischen Charakter, das wird von dem an die Trennung von Staat und Kirche gewohnten Europäer häufig übersehen. Milieus, in denen die Scharia als einzig legitime Basis von Staat und Gesellschaft angesehen wird, sind mit der christlich-abendländischen wie mit der wissenschaftlich-aufklärerischen Tradition Europas, auf der auch das Grundgesetz beruht, nicht vereinbar.
Doch auch viele, die scheinbar in der Mitte der Gesellschaft leben, fühlen sich ihr längst nicht mehr verpflichtet. Es sind dies all jene, für die Marktwirtschaft vor allem die Lösung einer simplen mathematischen Optimierungsaufgabe darstellt: die Optimierung des Shareholdervalues, des Einkommens, des persönlichen Bonus. Freie Marktwirtschaft ist Kultur. Nicht umsonst gibt es den Begriff Unternehmenskultur. Gewiss – unternehmerische Tätigkeit heißt zunächst einmal nicht mehr als die entgeltliche Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen. Doch unternehmerische Tätigkeit meint auch die Gestaltung des Lebensraumes, in dem die Arbeitenden die meiste Zeit des Tages verbringen. Sie bedeutet Sorge um das Wohl der Menschen. Dafür sind Kreativität, Engagement, Risikobereitschaft und Idealismus notwendig. All das ist weit mehr als das Streben nach dem maximalen Profit. Es geschieht in gesellschaftlicher, kultureller und historischer Hinsicht nicht voraussetzungslos und ist mit Verantwortung verbunden.
Die gesellschaftliche Desintegration vollzieht sich schleichend. Ebenso schleichend laufen zur Gewohnheit gewordene bürgerliche Freiheiten Gefahr, sich zu verflüchtigen. Diese schmerzhafte Erfahrung mussten die westlichen Gesellschaften in den letzten Jahren machen. Ein zur Parole ausgegebener »Kampf gegen den Terrorismus« wird nur allzu oft betrieben auf Kosten grundlegender Bürgerrechte. Zugleich droht ein zunehmend krankhafter Kapitalismus die bürgerliche Mitte unserer Gesellschaft ökonomisch auszuhöhlen. Der Westen hat seinen Glanz endgültig verloren.
Noch reagieren die Menschen auf diese Missstände überwiegend passiv. Noch ziehen sie sich zurück, bleiben zunehmend den Wahlurnen fern. Misstrauen und Resignation sind immer häufiger als politische Grundbefindlichkeiten auszumachen. Man könnte meinen, das Volk sei ignorant. Aber das war es zu anderen Zeiten auch. Die Klage über geistige Scheuklappen ist häufig gleichbedeutend mit der uralten Klage der Intellektuellen über die Nichtintellektuellen. Man könnte schlussfolgern, die Menschen seien heute unpolitischer als früher. Und gewiss ist jene politisch aufgeladene Atmosphäre der späten 60er bis frühen 80er Vergangenheit. Doch das muss nicht unbedingt von Nachteil sein.
Die 68er stießen das Kreuz vom privaten Altar der weltanschaulichen Geborgenheit. Den Altar schafften sie nicht ab. Die Säulenheiligen hießen nun eben Mao und Marx. Politik war Religionsersatz. Ist nun aber eine Generation, bei der das nicht so ist, deswegen schon unpolitisch? Nein. Die weltanschauliche Entschärfung des politischen Diskurses ist im Gegenteil ein bedeutender Fortschritt. Denn wo in Wahrheit nicht über politische Sachfragen diskutiert wird, sondern über weltanschauliche Geborgenheitssysteme, da ist eben der politische Diskurs nur teilweise aufgeklärt.
Das Volk ist nicht prinzipiell schlechter als früher. Die allgemein verbreitete Politikverdrossenheit liegt nicht darin begründet, dass mit dem Volk etwas nicht stimmt. Die Menschen sind nicht der Politik an sich überdrüssig, sondern der Politik, die ihnen angeboten wird. Die Fehler sind in der politischen Kultur und dem politischen System unseres Landes und allgemein des Westens zu suchen. Von diesen Fehlern handelt dieses Buch unter anderem. Es wird um die Erstarrung der westlichen Demokratie gehen und wie sie überwunden werden kann. Es wird um das neue Leitmedium Internet gehen und wie es neue Formen der Demokratie ermöglicht. Es wird um die Bedeutung einer historischen Schwelle gehen, an der wir uns gegenwärtig befinden und um Ähnlichkeiten zu vergangenen Revolutionszeitaltern. In letzter Konsequenz wird also darüber verhandelt, dass den westlichen Staaten insgesamt Umwälzungen von revolutionärem Ausmaße bevorstehen.
Ein Kennzeichen der sich andeutenden Revolution, der Wiki-Revolution, ist die zentrale Bedeutung des Internets und der neuen Medien. Sie werden unsere politische Kultur grundlegend und nachhaltig verändern. Dieser Wandel hat längst begonnen. Ein erstes unübersehbares Zeichen war der plötzliche stürmische Zulauf für die Piratenpartei nach der Europawahl 2009. Von gut 1 000 Mitgliedern Mitte 2009 stieg deren Zahl bis Anfang 2010 auf über 10 000 an.
Bei der Bundestagswahl im September 2009 schließlich war die Partei mit einem Ergebnis von knapp zwei Prozent unerwartet erfolgreich. Vor gut zwei Jahren war dieses Ergebnis eher ein Schauspiel am Rande, denn am Wahlabend tauchte die Farbe Orange in den Balkendiagrammen der Fernsehsender nicht auf. Anders war dies am 18. September 2011 bei der Landtagswahl in Berlin. Mit sensationellen 8,9 Prozent zog die Piratenpartei in das Abgeordnetenhaus des achtgrößten Bundeslandes ein. Dass dies mehr als ein lokales Ereignis war, zeigte eine Forsa-Umfrage wenige Tage später. Bundesweit erhielten die Piraten bei der Sonntagsfrage ein Ergebnis von sieben Prozent.2 Entscheidend ist, dass die orange Partei die erste politische Kraft darstellt, welche sich ausdrücklich zum Internet als dem bevorzugten Raum der politischen Aktion und Agitation bekennt.
2006 war nicht nur das Gründungsjahr der Piratenpartei, sondern auch das eines weiteren Projektes, das 2010 für einen Paukenschlag sorgen sollte: die Enthüllungsplattform WikiLeaks. Ein gutes Dutzend Internet-Aktivisten forderte die Weltmacht USA heraus und schaffte es mehrfach auf die Titelseiten der Weltpresse. Stärker noch als bei der Piratenpartei wurde deutlich, dass wir uns mitten in einem Informationskrieg befinden. Das Internet ist zu einem zentralen Schlachtfeld der informatorischen Kriegsführung geworden. Hier tummeln sich Regierungen, Blogger, Hacker-Gruppen und Geheimdienste und kämpfen um die Vorherrschaft im neuronalen Gewebe der Menschheit. Facebook, Twitter und eben auch WikiLeaks sind längst bevorzugte Instrumente der politischen Agitation geworden – von welcher Seite auch immer.
Das allein wäre schon aufregend genug. Zusammen mit der Entfremdung breiter Teile der Bevölkerung von der Politik ergibt sich eine explosive Mischung. Der Parteienproporz repräsentiert schon lange nicht mehr das Meinungsbild der Bevölkerung. Die etablierten Parteien sind von Teilhabern am politischen Meinungsbildungsprozess zu einem Kartell der erlaubten Überzeugungen geworden. Dieses Meinungskartell aber zementiert vor allem das Bestehende. Die Systemfrage stellt sich nicht. Denken wir nur einmal daran, wie Politiker über Demokratie reden. Es ist eines ihrer Lieblingswörter – besonders auch in seiner Verneinung, wenn es darum geht, politisch unliebsame Staaten oder Bewegungen zu diskreditieren. Gleichwohl wird Demokratie meist synonym mit dem bestehenden politischen System gebraucht. Demokratie heißt im Sprachgebrauch unserer Politiker Demokratie, so wie sie in der Gegenwart in westlichen Ländern in Form des repräsentativen Parlamentarismus und des Parteienwesens besteht. Das ist aber eine höchst spezifische Art von Demokratie. Sie stellt beileibe nicht die einzige Möglichkeit dar, den uns zur Gewohnheit gewordenen Minimalstandard an humanitären Grundrechten zu garantieren. Damit aber ist der Begriff Demokratie ins Gegenteil verkehrt. Denn Demokratie heißt gerade, dass die politische Wirklichkeit gestaltbar ist. Und das gilt auch und besonders für die konkrete Weise, in der Demokratie sich verwirklicht.
Der Protest gegen Stuttgart 21 und die 2010 neu entfachte Anti-Atomkraft-Bewegung zeigen eines: Die Bürgerinnen und Bürger wachen langsam auf. Sie nehmen die bestehenden Verhältnisse nicht mehr länger hin und rebellieren gegen eine Politik, in der echte Debatten zunehmend Mangelware geworden sind und die den Bürger allzu oft außen vor lässt. Die Politik der Gegenwart muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ihren despotischen Charakter durch leicht durchschaubare Worthülsen wie »alternativlos« oder »Sachzwang« zu verschleiern. In der von Menschen gemachten Politik ist nichts alternativlos. Und seit jeher verbargen sich totalitäre Ideologeme hinter angeblich naturgesetzlicher Notwendigkeit. Vonseiten der Politik wäre es naiv anzunehmen, dass dies dem Bürger verborgen bliebe. Der Demokratie auf Abwegen – damit haben wir es zu tun – soll ein Name gegeben werden. Ich bezeichne diese Zustände als Konzernrepublik. Und diese Konzernrepublik gilt es zu überwinden.
Es ist das Hauptanliegen dieses Buches, eine Horizonterweiterung in unserem Demokratieverständnis zu bewirken. Mehr Demokratie wagen – dieses Motto ist aktueller denn je und heißt vor allem auch: andere Formen der Demokratie wagen. Demokratie kann so viel mehr bedeuten, als wir heute in unserer Konzernrepublik vorfinden. Wir leben bei weitem nicht in der besten aller möglichen Welten. Wir können aber entscheidend dazu beitragen, dass unsere Welt ein gutes Stück besser wird. Dazu bietet die Gegenwart eine einmalige, bisher so nicht da gewesene Chance. Die Chance zu einem grundlegenden Wandel der politischen Verhältnisse. Wir machen uns im zweiten Teil dieses Buches auf die Suche nach einer Utopie. Dieser Utopie wollen wir auch einen Namen geben. Ich nenne sie die Utopie von der Wiki-Republik.
1 Hierzu und im Folgenden auch Kurbjuweit, Dirk: »Sieg der Ängstlichkeit«. In: Der Spiegel 44/2009, S. 54 ff.
2 »Piratenpartei liegt in Umfrage bei sieben Prozent«. In: Spiegel Online, 28. 9. 2011.
3 Werckmeister, Otto Karl: »Das Collateral Murder Video«. Auf: www.faz.net, 6. 5. 2010.
4 Rosenbach, Marcel / Stark, Holger: Staatsfeind WikiLeaks. München 2011, S. 218. Mitunter kursieren auch andere Zahlen: The Guardian spricht von 109 000 Todesopfern, von denen 66 081 Zivilisten gewesen seien: Davies, Nick / Leigh, David / Steele, Jonathan: »Iraq war logs: secret files show how US ignored torture«. Auf: www.guardian.co.uk, 22. 10. 2010.
5 Rosenbach / Stark: Staatsfeind WikiLeaks, S. 126.
6 Ebd., S. 223.
7 Ebd., S. 242 f.
8 Paulsen, Nina: »Gefährliches Datenleck bei Enthüllungsplattform WikiLeaks«. Auf: www.abendblatt.de, 2. 9. 2011.
9 Schwarzkopf, Andreas: »Wettrüsten im Datennetz«. In: Frankfurter Rundschau, 6. 2. 2011.
10 Fischermann, Thomas / Hamann, Götz: »Baut ein neues Internet!« In: Die Zeit 37/2011.
11 Weinberger, Sharon: »What Is SIPRNet?« Auf: www.popularmechanics.com, 1. 12. 2010.
12 »Netze, Tricks und Informanten«. Auf: www.tagesschau.de, 29. 11. 2010.
13 So zumindest das Urteil gemäß Sommerbauer, Jutta: »WikiLeaks: Die geheimen irakischen Kriegstagebücher«. Auf: diepresse.com, 23. 10. 2010.
14 Benesch, Alexander: »George Soros – der Globalist hinter WikiLeaks?« Auf: www.infokrieg.tv, 3. 12. 2010.
15 Madsen, Wayne: »CIA, Mossad and Soros behind Wikileaks«. Auf: www.daily.pk, 28. 7. 2010. Ähnlich äußerte sich Christoph Hörstel (auf: www.youtube.com/watch?v=AvywJQ3m4Ps) in Russia Today. Dass Assange den Kontakt zu einer Stiftung von George Soros’ Kontakt aufgenommen hat, berichten auch Rosenbach / Stark: Staatsfeind WikiLeaks, S. 65.
16 Rosenbach / Stark: Staatsfeind WikiLeaks, S. 99 ff.
17 Ebd., S. 101 ff.
18 »Mark Zuckerberg wird Mensch des Jahres«. Auf: www.golem.de, 15. 12. 2010. Zuckerberg wurde von der Time-Redaktion, Assange von den Lesern zum »Mann des Jahres« gewählt.
19 »Meet the Press«. NBC, 5. 12. 2010.
20 Geiselberger, Heinrich (Red.): WikiLeaks und die Folgen. Berlin 2011, S. 21 ff.
21 »Datenlecks: Pentagon verbietet USB-Sticks und Co.« In: Der Standard, 10. 12. 2010.
22 Dworschak, Manfred: »Lustverlust in der Lexikon-Maschine«. In: Spiegel Online, 1. 12. 2009.
23 Cáceres, Javier: »Spanische Revolution«. In: Süddeutsche Zeitung, 19. 5. 2011.
24 Lopez, Alejandro: »Massenproteste gegen Sparmaßnahmen in Spanien«. Auf: www.wsws.org/de, 23. 6. 2011.
25 Hackl, Andreas: »Weder faul noch verwöhnt«. Auf: www.taz.de, 14. 8. 2011.
26 Beispielsweise »Tottenham brennt«. In: Spiegel Online, 7. 8. 2011.
27 Rothöhler, Simon: »Relative Gemütlichkeit«. In: Der Freitag, 23. 9. 2011.
28 Wilkens, Andreas: »Ägypten blockiert Twitter und Facebook«. In: Heise Online, 26. 1. 2011.
29 »Die erste Wikileaks-Revolution?« Auf: www.faz.net, 17. 1. 2011.
30 Putz, Ulrike: »Neda, die Ikone des Protests«. In: Spiegel Online, 21. 6. 2009.
31 »Über 100 Tote bei Unruhen«. Auf: www.derstandard.at, 19. 1. 2011.
32 Peters, Katharina: »Tunesien-Revolution zwingt Europa zum Umdenken«. In: Spiegel Online, 24. 1. 2011.
33 »Deutschland sagt Lebensmittel-Spekulanten den Kampf an«. In: Spiegel Online, 2. 9. 2010.
34 Lehmann, Birgit: »Die Armut ist groß«. Auf: www.rhein-erft-online.ksta.de, 7. 2. 2011.
35 »Twitter und Wikileaks zwingen Tunesiens Präsident zur Flucht«. Auf: www.derstandard.at, 15. 1. 2011.
36 In: Berliner Morgenpost, 20. 8. 2011.
37 Hierzu etwa Schieb, Jörg: »Sind Hacker kriminell?« Auf: www.schieb.de, 2. 2. 2005.
38 SAP wurde bereits 1972 gegründet.
39 »The Free Software Definition«. Auf: www.gnu.org/philosophy/free-sw.html, 15. 12. 2011.
40 So etwa Hans-Peter Uhl (CSU): »Solche Anschläge im Vorfeld vereiteln«. Auf: www.faz.net, 25. 7. 2011.
41 »Sieg im Test gegen Online-Ausgabe des Brockhaus«. Auf: www.stern.de, 5. 12. 2007.
42 »The Free Software Definition«. Auf: www.gnu.org/philosophy/free-sw.html, 15. 12. 2011.
43 Bartels, Henning: Die Piratenpartei: Entstehung, Forderungen und Perspektiven der Bewegung. Berlin 2009, S. 26 ff.
44 Ebd., S. 26.
45 »The Pirate Bay: Tracker wird abgeschaltet«. Auf: www.gulli.com, 17. 11. 2009.
46 »The 5 Most Popular BitTorrent Trackers«. Auf: www.torrentfreak.com/5-most-popular-bittorrent-trackers-070924, 24. 9. 2007.
47 Stalder, Felix: »Angriff auf die Piratenbucht«. In: Die Wochenzeitung, 16. 4. 2009. Auf: www.woz.ch/artikel/2009/nr16/wirtschaft/17786.html.
48 »USA nutzten WTO als Druckmittel beim ›Problem PirateBay‹«. In: Heise Online, 21. 6. 2006. Auf: www.heise.de/-134649.
49 Falkvinge, Rickard: »Mein Name ist Rickard Falkvinge und ich bin der Anführer der Piratenpartei«. Auf: www.gulli.com, 5. 6. 2006.
50 Birnbaum, Robert / Sirleschtov, Antje: »Bundesregierung traut Magna Opel-Rettung zu«. In: Der Tagesspiegel, 23. 5. 2009.
51 »GM verkauft Opel nicht an Magna«. Auf: www.rponline.de, 4. 11. 2009.
52 Hoß, Dieter: »Käßmann und Afghanistan: Pazifistin unter Beschuss«. Auf: www.stern.de, 10. 1. 2010.
53 Scholl-Latour, Peter: Rußland im Zangengriff. Berlin 2007.
54 Rudi Dutschke im Fernsehinterview mit Günter Gaus, ausgestrahlt am 3. 12. 1967 in der ARD-Sendereihe »Zu Protokoll«.
55 DAAD: »Untersuchungsergebnisse im Überblick: Internationale Mobilität im Studium. Studienbezogene Aufenthalte deutscher Studierender in anderen Ländern«, 10. 5. 2007. Auf: www.go-out.de/downloads/HIS-Bericht_final.pdf, 15. 12. 2011.
56 Ich halte die Metapher der Kathedrale für nicht ganz geglückt, da mittelalterliche Kathedralen in der Praxis wesentlich stärker nach der Methode des Basars errichtet wurden, als dies Raymond darstellt. Zwar gab es meist große einheitliche Pläne für Kathedralen, doch wurden nur die wenigsten vollständig nach einem solchen errichtet. Die meisten gotischen Kathedralen zeigen ein wesentlich uneinheitlicheres Bild als Bauwerke späterer Epochen.
57 Auf: gnuwin.epfl.ch/articles/de/Kathedrale, 1. 10. 2011.
58 Grötker, Ralf: »Willkommen im Schwarm!« In: Telepolis, 9. 11. 2006. Auf: www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23822/1.html.
59 »Ihr direkter Draht in die Politik«. In: Spiegel Online, 18. 9. 2009.
60 Allemann, Ulrich von / Spier, Tim: »Die deutschen Parteien unter veränderten Rahmenbedingungen«. In: Andersen, Uwe (Hrsg.): Parteien in Deutschland. Schwalbach/Ts. 2009, S. 39–61.
61 »Jeder Fünfte glaubt an US-Verschwörung«. In: Spiegel Online, 23. 7. 2003.
62 Hierzu und im Folgenden: Schmid, Josef / Zolleis, Udo: »Entwicklung ausgewählter Parteien: Dramatische Krise – oder geplanter Wandel?« In: Andersen: Parteien in Deutschland, S. 62–85.
63 Esslinger, Detlef: »Seit’ an Seit’ – das war einmal«. In: Süddeutsche Zeitung, 19. 8. 2009.
64 Zahlen der Bundeszentrale für politische Bildung. Auf: www.bpb.de/themen/1YML48,0,Mitgliederentwicklung.html, 15. 12. 2011.
65 Krüger, Thomas: »Trau keinem über 30«. Rede, 24. 11. 2003, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung auf: www.bpb.de.
66 Jurkuhn, Anika / dpa: »Deutsche hadern mit der Demokratie«. Auf: www.stern.de, 25. 9. 2008.
67 »Mehrheit für mehr direkte Demokratie«. Auf: www.tagesschau.de/inland/dtrend482.html, 23. 7. 2010.
68 Hierzu und im Folgenden Claßen, Elvi: »Am Anfang stand die Lüge«. In: Telepolis. Auf: www.heise.de/tp, 26. 2. 2003; »Deception on Capitol Hill«. In: The New York Times, 15. 1. 1992.
69 »Bilder, Berichte, Betroffenheit – Die Medien und die Katastrophe«, Politmagazin »Panorama«. ARD, 20. 9. 2001.
70 Zitiert nach Selbstdarstellung des ZDF, 2. 10. 2011.
71 Auf: www.forbes.com/wealth/billionaires, 3. 9. 2011.
72 Marquardt, Kirstin: »Journalisten erfüllen Erwartungen nicht«. Auf: www.akademie-fuer-publizistik.de, 7. 9. 2010.
73 »Nur 35 Prozent vertrauen Journalisten«. Auf: www.meedia.de, 19. 5. 2009.
74 Hierzu und im Folgenden Schütz, Hans Peter: »Fahrt auf schwäbischem Filz«. Auf: www.stern.de, 7. 10. 2010.
75 Ebd.
76 Zapp: »Das PR-Desaster von Stuttgart 21«. NDR, 1. 9. 2010.
77 Ebd.
78 Volkery, Carsten: »Big Brother sieht sich satt«. In: Spiegel Online, 20. 7. 2010.
79 »Das Vorgehen der Polizei war rechtswidrig«. In: Süddeutsche Zeitung, 7. 10. 2010.
80 Grumbach, Detlef: »Re-Feudalisierung und Privatisierung der Macht? Zur Bilderberg-Konferenz 2010«. In: Deutschlandfunk, 2. 6. 2010.
81 Zur Geschichte des Buchdrucks: Giesecke, Michael: Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Frankfurt a. M. 1991.
82 Ebd., S. 176 f.
83 Im Folgenden Bischof, Henrik: »Das Ende der Perestrojka? Systemkrise in der Sowjetunion«. Bonn 1991, S. 15.
84 Im Folgenden Keil, Lars-Broder / Hertle, Hans-Hermann: »Unsere Republik geht pleite«. In: Welt Online, 2. 10. 2004.
85 Auf: www.ddr-wissen.de/wiki/ddr.pl, 15. 12. 2011.
86 Ebd.
87 »Wachsendes Unbehagen«, In: Der Spiegel 45/1991. S. 156 f.
88 Stürmer, Michael: »Wenn der Ölpreis sinkt, wird Russland nervös«. In: Welt Online, 25. 1. 2008.
89 Entsprechende Zahlen finden sich auf: www.bundesbank.de/statistik/statistik_wirtschaftsdaten_tabellen.php in der Tabelle »Sparquote in wichtigen Industrieländern«, 6. 10. 2011. Die Zahlen weisen für die Mehrzahl der großen Industrieländer seit den 70er Jahren eine sinkende Sparquote auf. Die Ausnahme einer seit 2000 wieder steigenden Sparquote in der Bundesrepublik ist auf die Einführung der Riester-Rente 2001 zurückzuführen und glich die sinkende Sparquote während der 90er Jahre dennoch nicht aus.
90 Steindel, Charles: »How Worrisome Is a Negative Saving Rate?« In: Current Issues in Economics and Finance 13, 4/2007. Auf: www.bit.ly/dqPppS.
91 Im Folgenden Knauß, Ferdinand: »Die Ursachen der wachsenden Ungleichheit«. In: Handelsblatt, 21. 12. 2009.
92 »Junge Menschen in der EU leiden am meisten unter Krise«. In: Der Standard, 10. 8. 2011.
93 Der »Schuldenreport 2010« wird von der Kindernothilfe und dem Entschuldungsbündnis erlassjahr.de herausgegeben. Auf: www.bit.ly/bpdWfp, 25. 2. 2011.
94 Zit. nach Heilmann, Dirk: »Die Angst vor der Staatspleite geht um«. In: Handelsblatt, 30. 12. 2009.
95 Auf: www.gewerbeimmobilien.com/gewerbeimmobilienmarkt, 15. 12. 2011.
96 »Unemployment in Iceland Reaches 9.1 Percent in April«. Auf: www.icelandreview.com, 14. 5. 2009.
97 Zahlen des Auswärtigen Amtes auf: www.auswaertigesamt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Island/Wirtschaft.html, 6. 3. 2010.
98 Hierzu auch Glötzl, Erhard: »Arbeitslosigkeit. Über die kapitalismusbedingte Arbeitslosigkeit in alternden Volkswirtschaften und warum Keynes recht hatte und doch irrte«. Auf: www.userpage.fu-berlin.de/roehrigw/gloetzl/keynes.htm, 7. 9. 2011.
99 »Stellenabbau: Empörung über Deutsche Bank«. In: Focus Online, 4. 2. 2005.
100 Rede des Vorsitzenden der Geschäftsführung der Henkel KGaA, Prof. Dr. Ulrich Lehner, anlässlich der Bilanzpressekonferenz am 27. 2. 2008. Auf: www.henkel.de/de/content_data/Rede_UL_BPK_08_d.pdf, 15. 12. 2011.
101 Pressemitteilung der deutschen Bundesbank: »Meinungsumfragen der Deutschen Bundesbank zur Euro-Akzeptanz«, 18. 12. 2001. Auf: www.bundesbank.de/download/presse/pressenotizen/2001/20011218bbk1.pdf, 15. 12. 2011.
102 Hankel, Wilhelm: Die EURO-Lüge … und andere volkswirtschaftliche Märchen. Wien 2007; Hannich, Günter: Börsenkrach und Weltwirtschaftskrise. Rottenburg 2002.
103 »Staatsanleihen im Euro-Raum«. In: Focus Money 15/2008.
104 »Europa – Europäische Banken drängen EU auf Hilfen für Griechenland«. Auf: www.ad-hoc-news.de, 11. 9. 2010.
105 Thielbeer, Siegfried: »Parlamentswahl im Internet«. Auf: www.faz.net, 3. 3. 2007.
106 »Strikte Rauchgegner siegen in Bayern«. In: Spiegel Online, 4. 7. 2010.
107 »Volksentscheid zu Flughafen Tempelhof gescheitert«. In: Spiegel Online, 27. 4. 2008.
108 »Klare Mehrheit für Stuttgart 21«. In: FAS, 27. 11. 2011.
109 Pflüger, Tobias: »Lissabon-Vertrag durchpeitschen, Militarismus ausbauen, neoliberale Offensive starten«. In: IMI-Magazin, 8/2008.
110 Etwa Böll, Sven: »Europa muss mehr Europa wagen«. In: Spiegel Online, 15. 12. 2010.
111 Gedenkrede im Deutschen Bundestag anlässlich des Volkstrauertages am 16. 11. 2008. Auf: www.gouvernement.lu/salle_presse/discours/premier_ministre/2008/11-novembre/16-juncker/index.html, 15. 12. 2011.
112 »Linke klagt gegen EU-Reformvertrag«. Auf: www.stern.de, 25. 6. 2008.
113 »Die Linke verteidigt die europäische Integration«. Auf: www.die-linke.de, 11. 2. 2009.
114 »MdB Dr. Gauweiler legt Verfassungsklage gegen das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon ein«. Pressemitteilung vom 23. 5. 2008. Auf: www.peter-gauweiler.de, 15. 12. 2011.
115 »Keine Antwort auf die Krise – Kritik am Lissabon-Vertrag bleibt«. Presseerklärung DIE LINKE. Auf: www.die-linke.de, 3. 10. 2009.
116 Seeliger, Julia: »Die Freiheit, die wir meinen«. In: taz, 15. 9. 2009.
117 Alemann, Spier: »Die deutsche Parteien unter veränderten Rahmenbedingungen«. In: Andersen: Parteien in Deutschland, S. 39–61.
118 Aust, Stefan / Rosenbach, Marcel / Stark, Holger: »Es kann uns jederzeit treffen.« Interview mit dem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. In: Spiegel Online, 9. 7. 2007.
119 Krempl, Stefan: »Die totale Informationsüberwachung, die Demokratie und die Hacker«. In: Telepolis. Auf: www.heise.de/tp, 28. 12. 2002.
120 Mathiesen, Thomas: »Die Globalisierung der Überwachung«. In: Telepolis. Auf: www.heise.de/tp, 20. 6. 2000.
121 Hörz, Michael: »Heimlich und Co.« In: Telepolis. Auf: www.heise.de/tp, 13. 2. 2010.
122 Schmidt, Volker: »Die Systemfrage«. Auf: www.fr-online.de, 9. 11. 2009; »Studie offenbart weltweite Unzufriedenheit mit Kapitalismus«. In: Spiegel Online, 9. 11. 2009.
123 Schönbeck, Svenja: »Das Wunder von Wörgl«. Auf: www.berliner-zeitung.de, 28. 3. 2009.
124 Hoak, Amy: »Bypassing the bank: How to use peer-to-peer lending sites to borrow money«. Auf: www.marketwatch.com, 28. 1. 2008.
125 Meyer, Thomas: »Welcome to the machine«. Auf: www.dbresearch.de, 2009.
126 Etwa Frank, Stefan: »Die Kriminellen sind in der Minderheit.« Interview mit Reuben Grinberg. In: Zeit Online, 21. 7. 2011.
127 Stöcker, Christian: »Geld aus der Steckdose«. In: Spiegel Online, 31. 5. 2011.
128 »Wirtschaftsverband erwartet Bitcoin-Verbot«. In: Spiegel Online, 1. 6. 2011.
129 Lee, Felix: Die Gewinner der Krise. Berlin 2011, S. 52.
130 Ebd., S. 79.
131 Wagner, Wieland: »Peking forciert Comeback der Staatswirtschaft«. In: Spiegel Online, 18. 3. 2010.
132 »Bayern LB verklagt Ex-Manager auf Schadenersatz«. Auf: www.faz.net, 28. 6. 2011.
133 Auf: www.bayernlb.de/internet/de/presse/konzinf/ver-wrat/verwrat.html. Stand: 15. 12. 2011.
134 »60 000 Euro jährlich reichen für vollendetes Glück«. In: Spiegel Online, 7. 9. 2010.
135 Rollwilm, Christoph: »Warum China gegen den Dollar schießt«. Auf: www.manager-magazin.de, 25. 3. 2009.
136 »In England galt die deutsche Universität als Vorbild«. Interview mit Wilhelm F. Kuhne. In: FAZ, 6. 8. 2008.
137 Bolzen, Stefanie: »Depression bald Volkskrankheit Nummer eins«. In: Welt Online, 25. 2. 2009.
138 Ebd.
139 Auf: www.knowledgebay.de, 15. 12. 2011.
140 Zitat und im Folgenden »US-Schulen schwören Computern ab«. In: Spiegel Online, 8. 5. 2007.
141 Patalong, Frank: »Die Raubritter des Codec«. In: Spiegel Online, 21. 8. 2007.
142 Wilkens, Andreas: »IT-Branche erwartet für 2009 2,5 Prozent Umsatzminus«. In: Heise Online, 2. 7. 2009.
143 »Musikindustrie im Krisenjahr 2009 gut behauptet«. Pressemitteilung des Bundesverbandes Musikindustrie. Auf: www.musikindustrie.de, 24. 3. 2010.
144 Krempl, Stefan: »Richard Stallman kritisiert Urheberrechtskurs der schwedischen Piratenpartei«. In: Heise Online, 25. 7. 2009.
145 Laut Jahresbericht 2008 des Bundesverbandes Musikindustrie. Auf: www.musikindustrie.de/uploads/media/ms_branchendaten_jahreswirtschaftsbericht_2008.pdf, 15. 12. 2011.
Die Wiki-Revolution hat mehrerlei Aspekte. In vielen Bereichen hat sie schon angefangen. Die Mitmach-Enzyklopädie Wikipedia hat in Sachen Popularität längst Brockhaus und Co. auf die hinteren Plätze verwiesen. Die Piratenpartei beginnt damit, die Parteienlandschaft in Deutschland umzukrempeln. Die Blogosphäre ist in ihrer Gesamtheit längst wichtiger für die politische Meinungsbildung als die »Tagesschau«. Und doch hat sich an einem zentralen Punkt erstaunlich wenig verändert: an der ökonomischen und politischen Grundordnung des Westens. Ein Konflikt, der genau auf der Frontlinie der Wiki-Revolution liegt, ist die Auseinandersetzung um die Enthüllungsplattform WikiLeaks.
http://wikileaks.org/
Im Abstand von wenigen Monaten veröffentlichte die Enthüllungsplattform 2010 Dokumente, die die Vereinigten Staaten in Erklärungsnot brachten. Unschwer ist hinter der Reihenfolge des Erscheinens ein Plan zu erkennen – sie folgte der Partitur eines Crescendos: Am 5. April 2010 verbreitete WikiLeaks »Collateral Murder« – jene grausige Videoaufnahme des Angriffs eines Apache-Kampfhubschraubers, dem mindestens zwölf Menschen zum Opfer fielen.3 Die meisten Getöteten, wenn nicht alle, waren Zivilisten, zwei waren Reporter der Nachrichtenagentur Reuters. Am 25. Juli 2010 tauchten 76 911 Feldberichte aus dem Afghanistan-Krieg auf, am 22. Oktober 2010 entsprechende 391 832 Dokumente aus dem Irak-Krieg. Unter anderem verzeichnen sie 104 111 Todesopfer im besetzten Zweistromland, von denen 92 003 Zivilisten waren.4
Die Reaktion der US-Administration war bei »Collateral Murder« noch verhalten. Nicht hilfreich sei die Veröffentlichung des Videos, so der US-Verteidigungsminister Robert Gates. Sie zeige den Krieg wie durch einen Strohhalm, ohne den entsprechenden Kontext.5 Erst die nachfolgende Publikation der Feldtagebücher scheint die US-Administration aufzuschrecken. Sie ließ sich zu absurden Argumentationen hinreißen. Einerseits stellte sie fest, die Berichte enthielten »nichts Neues«. Andererseits warnte sie, die Veröffentlichungen würden Menschenleben in Gefahr bringen – gemeint waren etwa die Identitäten von Informanten des US-Militärs, die durch die Berichte enttarnt werden könnten. Wie allerdings durch das Bekanntmachen von »nichts Neuem« plötzlich Menschenleben in Gefahr geraten können, erklärte die Regierung nicht.6 Vor allem in den USA schlossen sich weite Teile der Konzernmedien der offiziellen Sichtweise an. Den vorläufigen Höhepunkt der Enthüllungswelle stellte die am 28. November 2010 begonnene Veröffentlichung von 251 287 Depeschen der US-Botschaften dar. Darin finden sich Anweisungen an US-Diplomaten, UNO-Vertreter anderer Nationen nach allen Mitteln der Kunst auszuspionieren.7 Erneut kam diese bald »Cablegate« getaufte Aufdeckung in die Schlagzeilen, als WikiLeaks seinen eigenen »Leaking-Skandal« hatte. Hatte die Enthüllungsplattform bislang darauf geachtet, Klarnamen von Personen zu schwärzen, die durch eine Veröffentlichung in Gefahr geraten könnten, war nun ein Passwort an die Öffentlichkeit gedrungen, mit dessen Hilfe man Zugang zu den unbearbeiteten Rohdaten der Botschaftsdepeschen erhalten konnte.8
Wenngleich dies nicht die einzigen Bekanntgaben von WikiLeaks in dem Zeitraum waren, so stellen sie doch die Höhepunkte einer völlig neuen Form der medialen Kommunikation dar. Zwar kennzeichnete den investigativen Journalismus schon immer, mit zugespielten, als geheim klassifizierten Informationen zu arbeiten, aber die entsprechenden Veröffentlichungen enthielten in der Regel nicht das Quellenmaterial. Mit dem baren Stoff politischer und militärischer Administration konfrontiert, scheint die Öffentlichkeit mithin fast überfordert. Und doch verändert die prinzipielle Verfügbarkeit derartiger Originale über das Internet die Sicht auf die politische Wirklichkeit ebenso wie auf die Massenmedien. Mit dem schonungslosen Blick auf die Dokumente lässt sich die Brille der massenmedialen Vermittlung grundsätzlich ablegen. Dies führt eindringlich vor Augen, dass die von Reuters und AP definierte Realität schon immer eine im hohen Maße gefilterte war.
Doch die Veröffentlichung der Botschaftsdepeschen war noch mehr. Sie war der Startschuss für eine neue Dimension des politischen Kampfes. Die Vereinigten Staaten entdeckten in WikiLeaks einen neuen Staatsfeind, der rhetorisch nicht selten auf eine Stufe mit islamistischen Selbstmordattentätern gestellt wurde. Dieser Kampf ist symbolisch und steht für eine der großen Auseinandersetzungen des 21. Jahrhunderts. Ausgefochten wird nichts weniger als die Herrschaft über das Internet. Die Staaten der Welt beginnen zu erkennen, dass sie auf dem Wege der elektronischen Kommunikation angreifbar geworden sind. Es ist wohl kein Zufall, dass auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die den großen WikiLeaks-Veröffentlichungen folgte, das Thema »Cyber-Security« ganz oben auf der Agenda stand.9 Der britische Premier David Cameron ließ verlauten, dass sein Land 2011 900 Millionen Pfund für Sicherheitsmaßnahmen im Internet ausgeben werde. Die US-Regierung hat laut Medienberichten gar eigene Cyberwar-Stützpunkte eingerichtet und dafür einige Hundert Hacker eingestellt. Man sollte sich jedoch nicht täuschen lassen. Es soll nicht nur verhindert werden, dass von Schurkenstaaten beauftragte Hacker friedliebende westliche Staaten attackieren könnten. Vielmehr droht das Internet als eben jenes revolutionäre Medium angegriffen zu werden, als welches es sich in den letzten zwanzig Jahren herauskristallisiert hat. Schon werden öffentlich Forderungen nach einem »neuen Internet«10 diskutiert, die schlimmstenfalls in einem durch staatliche Regelungswut bis zum Ersticken gegängelten Netz enden könnten.
Bei der Bewertung der Enthüllungen durch WikiLeaks muss bedacht werden: Sowohl die irakischen und afghanischen Feldberichte als auch die Botschaftsdepeschen waren von relativ niedriger Geheimhaltungsstufe. Das ist auch nicht anders zu erwarten, entstammte das Material doch größtenteils dem SIPRNet, einem Netzverbund des Pentagons, des US-Außenministeriums und anderer US-Behörden, zu dem – je nach Quellen – 400 0001112