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Studien zur Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts Ausgewählt von Jörg Baberowski, Bernd Greiner und Michael Wildt

Das 20. Jahrhundert gilt als das Jahrhundert des Genozids, der Lager, des Totalen Krieges, des Totalitarismus und Terrorismus, von Flucht, Vertreibung und Staatsterror – gerade weil sie im Einzelnen allesamt zutreffen, hinterlassen diese Charakterisierungen in ihrer Summe eine eigentümliche Ratlosigkeit. Zumindest spiegeln sie eine nachhaltige Desillusionierung. Die Vorstellung, Gewalt einhegen, begrenzen und letztlich überwinden zu können, ist der Einsicht gewichen, dass alles möglich ist, jederzeit und an jedem Ort der Welt. Und dass selbst Demokratien, die Erben der Aufklärung, vor entgrenzter Gewalt nicht gefeit sind. Das normative und ethische Bemühen, die Gewalt einzugrenzen, mag vor diesem Hintergrund ungenügend und mitunter sogar vergeblich erscheinen. Hinfällig ist es aber keineswegs, es sei denn um den Preis der moralischen Selbstaufgabe.

Ausgewählt von drei namhaften Historikern – Jörg Baberowski, Bernd Greiner und Michael Wildt – präsentieren die »Studien zur Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts« die Forschungsergebnisse junger Wissenschaftler. Die Monografien analysieren am Beispiel von totalitären Systemen wie dem Nationalsozialismus und Stalinismus, von Diktaturen, Autokratien und nicht zuletzt auch von Demokratien die Dynamik gewalttätiger Situationen, sie beschreiben das Erbe der Gewalt und skizzieren mögliche Wege aus der Gewalt.

Felix Schnell

Räume des Schreckens

Gewalträume und Gruppenmilitanz
in der Ukraine, 1905–1933

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Studien zur Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts

Hamburger Edition HIS Verlagsges. mbH
Mittelweg 36
20148 Hamburg
www.Hamburger-Edition.de

Meinem Vater Hilmar Schnell
(1943–2012)

Inhalt

Einleitung

Das Laboratorium der Gewalt

Voraussetzungen

Herrschaft unter staatsfernen Bedingungen

Gewalt als Teil der bäuerlichen Kultur

Soziale Spannungsfelder und Staatsferne in urbanen Räumen

Die Revolution von 1905

Bauernunruhen und -aufstände

Gruppenmilitanz im Untergrund

Ein Schüler des Gewaltraums: Nestor Machno

Pogrome

Offen auftretende Gruppenmilitanz: Selbstwehren und Milizen

Fallbeispiel: die revolutionäre Miliz von Grišino

Ein Gouvernement im Ausnahmezustand – Jekaterinoslaw 1905

Eine militante Gruppe in ihrem Gewaltraum

Die Dialektik von Gruppenmilitanz und Gewaltraum

Entgrenzung der Gewalt in Krieg und Bürgerkrieg

Der Erste Weltkrieg als Schule der Gewalt und der Entstaatlichung

Revolution als »blutiger Karneval«

Der Bürgerkrieg in der Ukraine: makrosoziale Konturen

Die Revolution in der Ukraine, 1917 bis 1918

Die deutsche Besatzung, März bis November 1918

Die Ukraine als Schlachtfeld, 1919 bis 1920

Der Bauernkrieg, 1918 bis 1921

Der Hobbesianische Raum aus der Perspektive der Schwachen

Dörfliche Gruppenmilitanz

Bauern gegen Besatzungstruppen

Innerdörfliche und zwischendörfliche Konflikte

Zwei Dörfer im Zwist: Botvinovka contra Bosovka

Ethnisierung und Politisierung lokaler Konflikte

Vom Widerstand zur Gruppenmilitanz

Verfestigte und dauerhafte Gruppenmilitanz

»Reguläre« Kriegführung

Atamanščina

Fallbeispiel I: der Ataman Volynec

Fallbeispiel II: der Ataman Zelenyj

Exkurs: Antonovščina

Ein Ataman und seine Armee: Nestor Machno

Vergangene und gegenwärtige Historisierung der Machnovščina

Eine kurze Geschichte der Machnovščina

Die Machnovščina in kulturhistorischer Sicht

Charismatische Führung und Machno-Kult

Gewalt als Qualifikation von Führerschaft

Fotografische Inszenierungen militanter Vergemeinschaftung

Exkurs: Frauen in der Machno-Armee

Vergemeinschaftung durch Gewalt

Gewalt gegen Schwache

Hinrichtungsrituale

Gewalt als sinnstiftendes Element einer Kämpfergemeinschaft

Umrisse einer gruppeninternen Gewaltkultur

Machnovščina – Sonderfall oder typische Erscheinung der Atamanščina?

Das Ende der Atamanščina in der Ukraine

Staatsbildung im Gewaltraum

Wirtschaftliche und strukturelle Hintergründe der Kollektivierung

Dörfliche Spannungsfelder in der NÖP-Periode

Ambitionen des Staates und ökonomische Realitäten

Der Bürgerkrieg als mentaler Steg

Stalin und die führenden Bolschewiki

Das Fußvolk der Partei

Lebende Tote, anwesende Abwesende – die Macht der Erinnerung

Gerüchte und Wunschdenken

Die Angst der Bolschewiki vor neuen Atamanen

Phantasmagorien à la carte: die Giftküche der OGPU

Der Angriff auf das Dorf

Die Kollektivierung als Staatsaktion

Abmessungen von Staatsferne

Gewalt gegen den eigenen Apparat

Bäuerlicher Widerstand

Militante Gruppen in lokalen Kontexten

»Banditismus«

»Gelegenheit macht ...« – Ausnutzung lokaler Parteistrukturen

Machtworte und Zuckungen revolutionärer Gesetzlichkeit

Wie man die Dorfsolidarität sprengt: »Stepanovka«, Herbst 1930

Aktivistenbanditismus – Kleinreiche des Terrors

Herrschaft im »Modus des Überfalls«

Praxis im Gewaltraum: konkrete Beispiele

Gewalträume als geschützte Zonen staatsferner Obrigkeit

Fazit: Gruppenmilitanz während der Kollektivierung

Schluss

Danksagung

Anhang

Glossar und Abkürzungsverzeichnis

Quellen- und Literaturverzeichnis

Zum Autor

Einleitung

»Bloodlands« hat Timothy Snyder den von Polen über Weißrussland bis hin zur Ukraine reichenden Großraum genannt, in dem Terror und Massenmord des stalinistischen und des nationalsozialistischen Regimes von 1933 bis 1945 Millionen von Menschen das Leben kostete.1 In der Ukraine2 beginnt die Geschichte entgrenzter Gewalt aber nicht erst in den 1930er-Jahren. Schon seit der Jahrhundertwende erlebte die Bevölkerung der südwestlichen Peripherie des Zarenreichs mörderische Wellen der Gewalt, die sich in der sowjetischen Zeit noch verstärkten. An vielen Orten und zu verschiedenen Zeiten entstanden immer wieder Räume des Schreckens, in denen Gewalt und Tod herrschten.

Die Erste Russische Revolution, der Erste Weltkrieg, der sich anschließende Bürgerkrieg und auch die Kollektivierung der sowjetischen Landwirtschaft waren mit Gewaltorgien verbunden, die unzählige Menschen ins Elend oder in den Tod rissen. In den 1930er-Jahren setzte eine bislang beispiellose Phase des staatlich organisierten Terrors und Massenmords ein – das Spektrum der Gewaltakteure war in den Dekaden zuvor jedoch sehr viel breiter. Zwar treffen wir auch hier Staaten oder staatliche Organisationen als Träger der Gewalt an, in hohem Maße aber auch nichtstaatliche Akteure: Banden, paramilitärische Verbände sowie staatliche Einheiten, die sich mangels Kontrolle und Steuerbarkeit in der Praxis nicht wesentlich von nichtstaatlichen Gewaltakteuren unterschieden. Ich bezeichne diese auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen, bei näherem Hinsehen strukturell aber sehr ähnlichen Phänomene als »militante Gruppen«. Sie spielten in den Räumen des Schreckens zeitweilig eine dominierende Rolle. In den ersten drei Dekaden des 20. Jahrhunderts ging ein großer Teil der Gewalt auf das Konto militanter Gruppen. Diese – salopp gesprochen – Gewalt von unten ist noch nie systematisch im Zusammenhang untersucht worden. Sie ist der Gegenstand dieses Buches.

Es ist kein Zufall, dass die südwestliche Peripherie des Russischen Kaiserreichs seit der Jahrhundertwende immer wieder zum Schauplatz von Gewalt wurde. Es gab eine Reihe struktureller Bedingungen, die die Ereignisse zwar nicht hinreichend erklären, aber zumindest günstigen Nährboden für Gewaltausbrüche darstellten. So war die Ukraine im Gegensatz zu den zentralrussischen Gebieten ethnisch viel differenzierter und sozioökonomisch heterogener. Neben Ukrainern und Russen stellten hier in einigen Regionen auch Juden, Polen und Deutsche starke Bevölkerungskontingente. Die verschiedenen Volksgruppen siedelten in der Regel geschlossen. Manche waren vorwiegend in den Städten anzutreffen, andere, wie die Ukrainer, fast ausschließlich auf dem Land. In der Tendenz kann man hier von einer soziogeografischen Exklusivität sprechen, die sich auch in Ökonomie und Gesellschaftsstruktur spiegelte: Viele Tätigkeitsfelder, soziale und politische Funktionen wurden hauptsächlich von bestimmten ethnischen Gruppen besetzt. Auch Wohlstand und ökonomische Chancen waren unter den verschiedenen Volksgruppen ungleich verteilt.3 Mit anderen Worten: Es war in der Ukraine sehr leicht, »Andere«, »Anderes« und »Fremdes« zu finden und zu erfahren – vor allem, wenn man es darauf anlegte. Für die Entstehung von Feindbildern herrschten insofern günstige Bedingungen.

Dazu kamen sozioökonomische Spannungen: Seit der Bauernbefreiung im Jahre 1861 war die bäuerliche Welt stark in Bewegung geraten. Vor allem der östliche Teil der Ukraine entwickelte sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu einem Zentrum der Modernisierung und Industrialisierung des Zarenreichs. Das Bevölkerungswachstum führte zu ökonomischen Problemen. Die Städte erhielten durch bäuerliche Arbeitsmigration ein neues Gesicht. Viele dieser Erscheinungen kann man auch in anderen Teilen des Imperiums beobachten – in der Ukraine stachen sie in einigen Regionen aber sehr stark hervor.

Der Staat wiederum zeichnete sich durch eine strukturelle Schwäche aus. Vor allem auf dem Land war er allenfalls symbolisch präsent, seine Vertreter physisch aber meistens abwesend. Wo das Gewaltmonopol zwar beansprucht, aber konkret nicht realisiert werden konnte, mussten im Alltag andere Gewalten an seine Stelle treten. Daraus resultierte ein Potenzial der bäuerlichen Gesellschaft, mit kollektiver Gewalt für Ordnung zu sorgen, die sich im Grenzfall aber auch gegen die Rechtsordnung des Staates selbst wenden konnte – umso mehr, als zwischen Staat und bäuerlicher Gesellschaft in den Rechtsauffassungen fundamentale Differenzen bestanden. Grundsätzlich änderte sich daran auch nach der Revolution von 1917 nichts. Für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung war »Staatsferne« zu Zarenzeiten eine fundamentale Lebenserfahrung und auch in der sowjetischen Epoche änderte sich daran bis Ende der 1920er-Jahre wenig.

Strukturen und Bedingungen allein erklären nichts, denn sie handeln nicht. Es bedarf immer der Akteure, die Chancen und Möglichkeiten nutzen. Und doch war es kein Zufall, dass gerade der Südwesten nach der Jahrhundertwende zum Schauplatz einer neuen Qualität der Gewalt wurde. Der Pogrom von Kišinev im Jahre 1903 eröffnete eine Welle der Gewalt, die ihren Höhepunkt während der Ersten Russischen Revolution im Jahre 1905 fand. Ganze Teile des Imperiums gerieten außer Kontrolle. Im Südwesten gab es kaum eine Stadt, in der es keinen Pogrom gegeben hätte. Opfer wurden vor allem die Juden, die Gewalt des Mobs zielte aber auch auf Angehörige der sozialen Eliten und Intellektuelle, die den gewaltbereiten Teilen der Unterschichten nicht weniger fremd waren. Der Staat und seine Vertreter waren in vielerlei Hinsicht in diese Ereignisse verwickelt. Manchmal offen parteiisch, manchmal verbrecherisch neutral ebneten sie in vielen Fällen der Gewalt den Weg. Bei den »Pogromlern« handelte es sich um sehr hybride Mengen, die sich meistens nur zur Aktion zusammenfanden. Ihren Kern bildeten gewalttätige junge Männer aus den urbanen Unterschichten, die im Vokabular der Zeit oft als »Hooligans« bezeichnet wurden.4 Bauern aus der Region stießen in der Regel dazu. Da der Staat diesen Pogrommengen keinen oder kaum Einhalt gebot, stellten sich ihnen Selbstwehren entgegen, militante Gruppen, die im Gegensatz zu den Pogromlern über einen gewissen Organisationsgrad verfügten. Es waren vor allem linke, revolutionäre Parteien, die solche Kampfgruppen gründeten. Ideologische Momente spielten dabei oft eine Rolle, aber hier wie dort gab die Situation unterprivilegierten Personen die Gelegenheit, in den Vordergrund zu treten, Macht auszuüben und ihre gewalttätigen Talente und Neigungen auszuleben. Sie waren der Stoff, aus dem »Räume des Schreckens« entstanden.5 Auch wenn diese erste konjunkturelle Hochphase kollektiver Partikulargewalt nicht lange andauerte, war die Zeit von 1905 bis 1907 eine Art »Laboratorium der Gewalt«. Viele Menschen machten hier – als Täter wie als Opfer – Erfahrungen in einem »Ermöglichungsraum«, der sich durch Schwäche und Wegfall staatlicher Autorität geöffnet hatte, durch gewalttätiges Handeln vergrößert und auf eine gewisse Dauer gestellt worden war.

Der Erste Weltkrieg entwurzelte nicht nur die Bevölkerungen des Zarenreichs und untergrub die Funktionsfähigkeit der Regierung – er war auch eine »Schule der Gewalt«, die Millionen von Bauern das Kämpfen lehrte und sie dem friedlichen Leben entfremdete. Tausende kehrten schwer bewaffnet in ihre Dörfer zurück und bildeten dort ein leicht mobilisierbares Reservoir potenzieller Kämpfer. Manchmal waren es Dörfer, die als bewaffnete Einheiten auftraten und sich 1917 mit Gewalt das Gutsland der Adligen nahmen, das sie ohnehin als ihr rechtmäßiges Eigentum betrachteten. Recht früh aber bildeten sich erneut lokale Gruppen und Banden, die aus dem Umstand ihren Nutzen zogen, dass es keinen Staat und keine Macht gab, die sie in die Schranken hätte weisen können. Es kam zu Kämpfen zwischen Anhängern der Bolschewiki in Moskau und solchen der nationalen Revolutionsregierung (Rada) in Kiew, aber auch einfache Räuberbanden hatten Hochkonjunktur.

Die Besetzung der Ukraine durch Truppen der Mittelmächte konnte diese Praktiken allenfalls zurückdrängen, aber nicht unterdrücken. Gerade aus dem Widerstand gegen die Besatzer gingen machtvolle lokale Anführer hervor, die dann während des Bürgerkriegs in der Ukraine den Ton angeben sollten. Nestor Machno war der bedeutendste und bekannteste unter ihnen. Aus einer kleinen Bande formte er im Laufe des Jahres 1918 im Südosten der Ukraine eine regelrechte kleine Armee und wurde für viele Monate zum Herrn eines ganzen Gouvernements. Auch an anderen Orten gingen »Warlords« aus dem Machtvakuum hervor, das der deutsche Abzug Ende 1918 hinterlassen hatte. Sie stützten sich auf jenes Reservoir an kampferprobten Bauernsoldaten, das der Weltkrieg produziert hatte, und boten ihren Anhängern eine Alternative zum langweiligen Alltag auf dem Dorf, die Chance, unter den gegebenen Umständen eher Täter als Opfer zu werden und schließlich auf Kosten anderer Menschen Arbeit leben, plündern, rauben und vergewaltigen zu können. Politische und ideologische Momente sind auch hier wiederum nicht ganz zu vernachlässigen, sofern sie überhaupt von Bedeutung waren, gerieten sie im Lauf des Bestehens solcher Kampfgruppen jedoch in den Hintergrund.

»Atamane« nannte man die Anführer solcher Kleinarmeen und das Phänomen als solches »Atamanščina«. Sie traten oft mit politischen Programmen an, kämpften dann im Lauf des Bürgerkriegs aber im Wesentlichen nur noch um ihre schiere Existenz und begründeten damit eine Lebensform, die Krieg und Bürgerkrieg selbst hervorgebracht hatten. In der Ukraine waren sie zeitweilig das beherrschende Element – die Bolschewiki und die Weißen Armeen nur Konkurrenten um Macht und die Kontrolle des Territoriums. Anders als jene konnten sich die Atamane in der Regel einer gewissen Unterstützung durch die Bauern versichern, als deren Beschützer sie auftraten. Nicht zuletzt dies garantierte lange Zeit ihr Überleben. Gewalt gegen Schwächere und Wehrlose spielte im Bürgerkrieg eine größere Rolle als Kämpfe militärischer oder paramilitärischer Verbände gegeneinander. Pogrome, vor allem gegen Juden, aber auch gegen Deutsche und andere Minderheiten, Strafexpeditionen und Tötung von Gefangenen standen auf dem Kerbholz aller Bürgerkriegsparteien – auch die Atamanenarmeen hatten am Morden, Foltern, Rauben, Plündern und Vergewaltigen großen Anteil. Gewalträume waren im Bürgerkrieg nicht mehr Einsprengsel in einer lediglich erschütterten Ordnung, sondern wurden vielmehr selbst zur herrschenden Ordnung.

Der Sieg der Bolschewiki beendete den Bürgerkrieg und damit auch die Atamanščina. Es war durchaus nicht nur ein Sieg der Waffen gewesen. Mit der »Neuen Ökonomischen Politik« (NÖP), die den Bauern seit 1921 wieder gestattete, ihr Getreide selbst auf dem Markt zu verkaufen, verloren die Atamane ihre Funktion als Beschützer. Mit Amnestieangeboten lockten die Bolschewiki viele Anführer aus den Wäldern und nahmen sie zum Teil in eigene Dienste. Andere wurden im Kampf umgebracht. Aber die Atamanščina war nicht tot, zumindest lebte viel davon in der Erinnerung der Bauern, aber auch der Bolschewiki weiter. Außerdem waren die Bolschewiki weit davon entfernt, das Land so zu beherrschen, wie es ihnen vorschwebte. Die Beendigung der Atamanščina hatte ihnen Kompromisse abgefordert und die Neue Ökonomische Politik nötigte sie, weiter mit Kompromissen zu regieren. Ende der 1920er-Jahre war der sowjetische Staat auf dem Land kaum stärker als sein zarischer Vorgänger.

Stalin war entschlossen, dem ein Ende zu setzen. Als er 1927/28 die Kollektivierung der Landwirtschaft einleitete, verfolgte er damit sowohl ökonomische als auch politische Interessen. Die Bolschewiki begannen einen Krieg gegen das Dorf und die Bauern, die ihrer Ansicht nach das größte Hindernis auf dem Weg zu einer modernen sozialistischen Industriegesellschaft waren. Was sie allerdings faktisch taten, war die Schürung von Konflikten auf dem Dorf unter staatsfernen Bedingungen. Weit davon entfernt, die Gründung von bäuerlichen Kollektivwirtschaften (Kolchosen) administrativ durchsetzen zu können, gaben sie lokalen Funktionären und Aktivisten die Chance, mit dem Revolver in der Hand die Politik des Zentrums umzusetzen. Kontrollieren konnten sie diese Umsetzung kaum und das Ergebnis war in vielen Fällen, dass mächtige lokale Gruppen mehr ihre eigenen Interessen verfolgten als die des Staates. Erneut entstanden Ermöglichungsräume der Gewalt.

Kollektive Partikulargewalt nahm während der Kollektivierung sehr unterschiedliche Formen an. Bauern gingen in den Wald, gründeten Banden und überfielen sowjetische Einrichtungen; lokale Aktivisten rissen mit der Waffe in der Hand die Herrschaft in Dörfern an sich, plünderten vermeintliche Großbauern (Kulaken) aus, steckten den Erlös aber in die eigene Tasche anstatt in den Aufbau der Kolchosen; aus den regionalen Zentren in die Dörfer geschickte Getreidebeschaffungsbrigaden nahmen den Bauern nicht nur das Getreide, sondern auch alles andere von Wert und verhielten sich der Sache nach nicht anders als Räuberbanden. All das vollzog sich unter Ausnutzung von Symbolen und Ressourcen, aber nicht unter der Kontrolle des sowjetischen Staates. Gleichwohl wusste man in Moskau sehr wohl, was auf dem Land vor sich ging, und tolerierte es, weil diese Vorgänge dem Zentrum auch in die Hände spielten: Sie untergruben die Dorfsolidarität und schwächten damit die Widerstandskräfte der Bauernschaft, die sich in den Aufständen des Frühjahrs 1930 noch ein letztes Mal aufgebäumt hatte. Durch die innere Zerrüttung der Dörfer bekam die Sowjetmacht die Lage sukzessive und nicht ohne Rückschläge in den Griff, den Rest besiegelte der »Große Hunger« der Jahre 1932/33.6

Spätestens 1933 war der Widerstand der Bauern gegen die Kollektivierung gebrochen und der Sieg des Zentrums zu einem immensen Preis perfekt. Ökonomisch waren die Dörfer gebrochen und sollten sich nie wieder ganz erholen. In politischer Hinsicht hatte die sowjetische Führung durch die Schaffung des Kolchos-Systems endlich eine Staatsbildung »nach unten« erreicht und ihre Herrschaft auf das Dorf ausgedehnt. Sie verfügte jetzt auch außerhalb der urbanen Zentren über jenes Gewaltmonopol, das Grundlage von Terror und Massenmord in den 1930er-Jahren wurde. Kollektive Partikulargewalt hatte in der stalinistischen Sowjetunion keinen Platz und keine Entfaltungsmöglichkeiten mehr. Gewalt war nunmehr fast ausschließlich von oben angeordnete und dirigierte Staats-Gewalt. Damit trat nicht nur die Ukraine, sondern die gesamte Sowjetunion in eine neue Phase, in der das nun auch faktisch realisierbare Gewaltmonopol Basis von Massenterror und Massenmord wurde. Die »Räume des Schreckens« waren jetzt keine unkontrollierbaren Zonen mehr, sondern eine staatliche Veranstaltung – allem voran die sich jetzt ausdehnende Lagerwelt des GULag und der »Spezialsiedlungen«.7

Es geht in diesem Buch zum einen darum, die Gewalt nichtstaatlicher oder lediglich unter Ausnutzung staatlicher Symbole auftretender Akteure als epochenübergreifendes Phänomen zu betrachten. Zum anderen wird aber vor allem versucht, die Gewalt dieser Akteure und ihre Bedingungen anders zu interpretieren, als es bislang der Fall gewesen ist. Gewalt ist in der Geschichtsschreibung allzu oft nur als Mittel zur Durchsetzung politischer oder ideologischer Ziele oder als Konsequenz bestimmter Ursachen betrachtet worden. Selbst für den nationalsozialistischen und stalinistischen Massenmord ist mittlerweile aber gezeigt worden, dass die Erklärung dieser Phänomene nicht einfach in der Kombination von radikaler Ideologie mit moderner Staatlichkeit aufgeht.8 Werden Gewaltprozesse in Gang gesetzt, so laufen sie in der Regel nicht mechanisch nach vorher formulierten Plänen ab. Oft entwickeln sie eine Eigendynamik, die sich von den jeweiligen Ausgangssituationen, Motiven und Intentionen löst. Denn Gewalt verändert die Umstände und die Menschen, die unter ihnen handeln. Deshalb darf eine an der Gewalt interessierte Forschung nicht bei der Analyse von Ursachen und Motiven stehen bleiben. Nur dann haben wir eine Chance, Gewalt zu verstehen.9 Es ist das Verdienst der »neuen Gewaltsoziologie«, auf diesen Umstand hingewiesen und eine neue Perspektive auf Gewaltphänomene angeregt zu haben.10

Für diese Studie sind zwei Begriffe zentral: »Gewaltraum« und »Gruppenmilitanz«. Hierbei handelt es sich um keine gänzlich neuen, aber auch nicht um gängige oder ausgearbeitete theoretische Konzepte. Eine solche Ausarbeitung gewährleisten auch die folgenden kurzen Anmerkungen nicht. Sie sollen lediglich die Begriffe grob umreißen, um sie später in der Anwendung auf empirische Beispiele klarer herauszuarbeiten. Das bildet auch den intellektuellen Entstehungsprozess dieses Buches ab, denn beide Begriffe haben sich erst im Lauf der Arbeit als »idealtypische« analytische Kategorien herauskristallisiert.11

Zunächst zum Begriff des »Gewaltraums«. Physische Gewalt ist eine Jedermanns-Ressource, die prinzipiell immer und jedem zur Verfügung steht.12 Sie ist allerdings nicht immer das vernünftigste Mittel oder die beste Chance, eigene Interessen zu verfolgen. Normalerweise sanktionieren Gesellschaften den willkürlichen Gebrauch von Gewalt und legitimieren Personen oder bilden Institutionen aus, die sich der Gewalt in bestimmten Situationen gerechtfertigterweise bedienen. Wird Gewalt zum Grenzfall gemacht und ist gewaltlose Interaktion die Norm, dann kann auf Grundlage der Berechenbarkeit des sozialen Lebens Vertrauen entstehen. Davon – das ist eine gängige Ansicht – profitieren prinzipiell alle.13

Gewalt kommt aber in der Regel leichter in die Welt, als sie aus ihr herauszuhalten ist.14 Wenige können den Frieden der Vielen stören. Umstände mögen sich ändern, so dass Gewalt eine aussichtsreiche Handlungsoption wird, aber auch Gewalttaten selbst können die Umstände in dieser Hinsicht verändern. Das kann so weit gehen, dass Gewalt zur wichtigsten Handlungsressource wird und gewissermaßen als Prinzip den »sozialen Raum« beherrscht.15 Gewalträume sind soziale Räume, die den Gebrauch von Gewalt begünstigen oder wahrscheinlich machen, weil sie Chancen bieten, eigene Interessen oder Bedürfnisse gewaltsam durchzusetzen.16 Da diese Chancen aber grundsätzlich auch anderen zur Verfügung stehen, bergen Gewalträume stets Chancen und Gefahren.17 Letztere sind in der Regel aber sehr ungleich verteilt, da Menschen unterschiedliche Gewaltaffinitäten und auch unterschiedliche Fähigkeiten und Erfahrungen in der Gewaltausübung haben. Aus diesen Gründen sind Gewalträume in der Regel das Biotop junger, gewaltbereiter Männer – der »violent few«, der gewalttätigen Minderheit, wie Randall Collins sie nennt.18

Meistens sind Gewalträume mit der Schwäche oder dem Ausfall staatlicher oder anderer übergreifender Ordnungen verbunden. Solche Situationen, die auch in »staatsfernen Räumen« auftreten, müssen freilich nicht von selbst zur Entgrenzung von Gewalt führen.19 Es bedarf immer des Handelns von Akteuren, die gebotene Chancen wahrnehmen. Andererseits kann man auch sagen, dass die Schwäche staatlicher Ordnungen oft erst durch ihre gewalttätige Infragestellung durch Akteure hervorgerufen wird. Offenbar hat man es hier mit dem Problem von Henne und Ei zu tun, denn Gewalträume begünstigen Gewalt, sind aber auch eine Folge von Gewalt. Damit ist eine alte Streitfrage angesprochen – die nach der Priorität des Handelns oder der Struktur. Viele historische und soziologische Ansätze entscheiden sich für die eine oder andere Variante und damit für ein kausales Erklärungsmodell.20 Anthony Giddens hat demgegenüber schon vor einiger Zeit vorgeschlagen, Handeln und Strukturen als wechselseitig aufeinander bezogene Elemente eines Zusammenhangs zu denken: ohne Handeln keine Struktur, ohne Struktur kein Handeln. Daher entfällt die Frage, ob dem einen oder dem anderen Priorität zukommt, denn keines ist hinreichend ohne das andere zu erklären.21 Gewalthandeln und Gewalträume müssen in diesem Sinne als wechselseitige Momente eines dialektischen sozialen Prozesses verstanden werden.22 Strukturen, Ereignisse, Motive und Intentionen mögen Aufschluss darüber geben, warum es zu Gewalt kommt, nicht aber darüber, wie sie sich entwickelt. Wir werden später an einem Fallbeispiel diese Dialektik am Werke sehen können.23

Gewalt verändert nicht nur den sozialen Raum, sondern bringt auch neue Formen der Vergemeinschaftung hervor, für die Gewalt nicht nur die wichtigste Handlungsressource ist, sondern auch zu einer Art Lebensform werden kann. Das Gewalthandeln von Akteuren im Gewaltraum ist typischerweise gemeinschaftlich. Damit kommen wir zu einem anderen zentralen Begriff dieser Studie – zur »Gruppenmilitanz«.

Militante Vergemeinschaftung ist eine naheliegende Reaktion auf die Bedingungen von Gewalträumen. Wo staatliche oder andere Institutionen und Strukturen kollektiver Sicherheit ausfallen, verspricht nur die Gemeinschaft Stärke und Schutz. Bei solchen Kollektiven kann es sich um »Banden« bis hin zu größeren militanten Gruppen handeln.24 Da es sich dabei um traditionslose und nichtinstitutionalisierte Vergemeinschaftungen handelt, die über eine rasche Aktionsfähigkeit verfügen müssen, sind sie in der Regel nach einem simplen Führer-Gefolgschaftsprinzip organisiert. In Verbindung mit ihren speziellen Existenz- und materiellen Reproduktionsbedingungen zeichnen sich solche Gruppen in der Regel durch eine Tendenz zur Gewalttätigkeit aus, die nicht nur instrumentell und zweckrational begründet ist.

Bekämpfung und Abwehr konkurrierender Mächte in Gewalträumen setzen gewaltsame Aktivität voraus, zumindest die Bereitschaft dazu. Außerdem sind militante Gruppen typischerweise »Raubökonomien«, die sich mit Gewalt von der Bevölkerung nehmen müssen, was sie zu ihrer materiellen Versorgung benötigen. Beide Faktoren verweisen sie auf Gewalt.25 Neben solchen zweckrationalen Dimensionen hat Gruppenmilitanz gruppendynamische und gruppenpsychologische Aspekte. Führung in militanten Gruppen ist mit Max Weber als »charismatische« Form der Herrschaft zu verstehen. Es ist in erster Linie der Erfolg, durch den sich der Anführer bewährt, und es ist der Glaube seiner Gefolgschaft an kommende Erfolge, der ihn in seiner Position hält. Charismatische Herrschaft lässt sich nicht verfestigen, sondern ist an stetige Bewährung gebunden.26 Daraus ergibt sich ein gewisser Zwang zur Aktion, die in Gewalträumen kaum anders als gewalttätig sein kann. Kollektives Gewalthandeln hat auch vergemeinschaftende Wirkung – der Angriff vereint, die Flucht vereinzelt, wie Hannah Arendt einmal pointiert festgestellt hat.27 Abgesehen davon kann die Gewöhnung an Gewalt und die Existenz in einem Gewaltraum auch dazu führen, dass Gewaltbereitschaft und Grausamkeit zu regelrechten Tugenden werden, über die sich militante Gruppen definieren und die sie deshalb auch symbolisch und rituell ausagieren. Von hier aus ist es dann nur ein kleiner Schritt hin zur Ausprägung einer Art von »Gewaltkultur«, in der gewalttätige Praxis zur ungeschriebenen Regel geronnen ist und umgekehrt das Verhalten der Gruppenmitglieder prägt.28 Wir werden diese Phänomene nicht nur, aber vor allem am Beispiel von Nestor Machno und seiner Gefolgschaft kennenlernen.29 Strukturell bedingte Gewalttätigkeit militanter Gruppen ist eine wichtige Triebkraft der Reproduktion von Gewalträumen, die nichts mit den Ursachen von Gewaltprozessen zu tun haben, sondern vielmehr ein Element ihrer Eigendynamik sind.

Ein weiteres zentrales Element dieser Eigendynamik sind die Interaktionen der in einem Gewaltraum miteinander konkurrierenden Parteien und Gruppen, die oft nach dem Schema der Eskalation verlaufen.30 Gewaltprozesse haben eine Tendenz zur Verselbständigung und die Ausbildung regelrechter »Kriegs«- oder »Warlord-Ökonomien« kann ihnen zusätzliche Dauer und sogar Stabilität verleihen.31 Weil Gewalt immer ein Mittel ist, die Bedingungen ihrer chancenreichen Anwendung zu reproduzieren, haben Gewaltprozesse idealtypisch die Eigenschaft eines perpetuum mobile. Und doch zeigt die Erfahrung, dass die Gewalt durch verschiedene Faktoren in der Regel zu einem Ende kommt und Gewalträume kollabieren: durch Übermächtigung von außen, durch den Sieg einer der konkurrierenden Konfliktparteien oder schließlich auch durch ökonomische Erschöpfung des umkämpften Gebiets, seiner Bevölkerung und der Kämpfer.

Abschließend noch ein Wort zur generellen Ausrichtung dieses Buches. Gewalt hat viele Wurzeln – grob unterscheiden lassen sich folgende Aspekte, wobei man ganz im idealtypischen Sinne Webers darauf hinweisen muss, dass sie in der Praxis selten »rein« vorkommen, sondern oft Mischungen vorliegen und die Übergänge fließend sind:

a) Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer/ideologischer und ökonomischer Ziele – der Akteur ist hier meistens der Staat;

b) Gewalt als Mittel zur Durchsetzung partikularer, primär ökonomischer Interessen – Akteure sind hier vorwiegend nichtstaatliche Akteure, aber auch staatliche Akteure, die eher in eigenem als in staatlichem Interesse handeln;

c) Gewalt als habituelle oder rituelle Praxis, die nichtinstitutionalisierte Gruppen »zusammenhält« und wichtig für ihre Existenz und ihr praktisches Funktionieren ist.

Mir kommt es in diesem Buch darauf an, deutlich zu machen, dass in der Ukraine die Gewalt in den ersten drei Dekaden des 20. Jahrhunderts stärker durch die Faktoren b) und c) zu verstehen ist, während wir es seit Anfang der 1930er-Jahre zunehmend mit dem Faktor a) zu tun haben.

Ich belasse es bei diesen einführenden theoretischen Bemerkungen zu den zentralen Begriffen, die man besser anhand empirischer Beispiele explizieren kann. Stattdessen noch einige allgemeine und technische Hinweise.

Dieses Buch ist in gewisser Weise Diener zweier Herren. Auf der einen Seite will es einen besonderen und prägenden Aspekt der Geschichte der Ukraine im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts darstellen. Auf der anderen Seite ist es auch als Versuch der empirischen Einlösung verschiedener Theoreme und Ideen der »neuen Gewaltsoziologie« gedacht und versteht sich als genuiner Beitrag zu einer historischen Gewaltforschung. Beide Aspekte stehen nicht im Widerspruch zueinander, die Durchführung mag aber an der einen oder anderen Stelle irritieren. Immerhin werden hier drei Epochen angesprochen, die jede für sich ein eigenes Forschungsfeld mit einer umfangreichen Forschungsliteratur darstellen. Unter den gegebenen Umständen kann dabei weder der Forschung noch den Gegenständen Gerechtigkeit widerfahren. Die Erste Russische Revolution, der Bürgerkrieg und die Kollektivierung werden hier nur als Beispiele genutzt, nicht im eigenen Recht untersucht. Dasselbe gilt für bestimmte Aspekte, die in dieser Arbeit gestreift werden. Oft waren Verallgemeinerungen und Vereinfachungen notwendig, die Experten der jeweiligen Felder nicht zufriedenstellen werden. Das gilt etwa für die »bäuerliche Kultur«, die hier sicherlich verkürzt dargestellt wird. Auch die Pogrome mögen manchen Lesern zu kurz kommen, wofür es allerdings sachliche Gründe gibt. Auch so ist das Buch schon dicker geworden als beabsichtigt. Wenn es von den hier dargelegten Deutungen stark abweichende Interpretationen gibt, wird darauf ebenso wie auf die wichtigste Forschungsliteratur in den Fußnoten hingewiesen.

In methodischer Hinsicht ist anzumerken, dass mit Blick auf die Schwierigkeiten, vor denen eine historische Gewaltforschung in praktischer Hinsicht steht, auf jede Quellenform zurückgegriffen wurde, die in irgendeiner Weise nützlich und greifbar war: Gerichtsurteile, Berichte von Polizei, Geheimdiensten und sonstigen Behörden, aber auch Memoiren, Tagebücher oder Zeitungsartikel. Auf die damit verbundenen Interpretationsprobleme wird direkt im Text Bezug genommen, wenn es notwendig schien.

Ortsnamen werden in der Regel in der im Deutschen üblichen Form angegeben – etwa Kiew, Charkow, Moskau – oder aber, wenn es eine solche nicht gibt, in der russischen Variante: etwa Tripol’e statt Tripillja (ukrainisch). Das geschieht nicht aus Ukrainophobie oder Russophilie, sondern vor allem aus Gründen der Quellennähe und darstellerischen Geschlossenheit. Ebenfalls dem deutschen Sprachgebrauch entsprechend werden bestimmte Abkürzungen wiedergegeben – so »NÖP« statt »NEP« für »Neue Ökonomische Politik« oder »ZK« statt »CK« für »Zentralkomitee«.

An verschiedenen Stellen sind Erklärungen von Begriffen und Institutionen gegeben, die dem Fachpublikum überflüssig erscheinen mögen, aber notwendig sind, weil sich dieses Buch auch an eine Leserschaft wendet, die über keine speziellen Kenntnisse der russischen und ukrainischen Geschichte verfügt.

Zum Schluss noch ein paar Worte zum Selbstverständnis des Autors: Ich erhebe nicht den Anspruch, das letzte Wort zu dem von mir gewählten Thema gesprochen zu haben. Vieles von dem, was folgt, ist auch ein intellektuelles Abenteuer und Wagnis, das vielleicht die eine oder der andere als zu gewagt und womöglich als gescheitert betrachtet. Aber wenn dieses Buch zum Widerspruch und zur Diskussion anregt, dann hat es sein Ziel erreicht.

1 Snyder, Bloodlands.

2 Wenn im Titel von der »Ukraine« die Rede ist, so ist damit stets die »historische Landschaft« gemeint. Das gilt selbstredend für die zarische Zeit, in der es noch keine Ukraine als territoriale Einheit gab, aber auch für die postrevolutionäre Zeit, denn einige der angeführten Beispiele stammen auch aus dem Don-Gebiet oder der Region um Tambov. Präziser wäre jeweils die Rede von der südwestlichen Peripherie des russischen respektive des sowjetischen Imperiums, was aber aus rein stilistischen Gründen unterlassen wurde.

3 Vgl. dazu die ausführlichere Darstellung S. 46f.

4 Es handelt sich dabei um ein Lehnwort aus dem Englischen, das als chuligan/chuliganstvo fester Bestandteil der russischen Sprache wurde und es bis heute blieb.

5 Wenn der Titel dieses Buches eine Nähe zu Wolfgang Sofskys »Zeiten des Schreckens« herstellt, dann ist dies nicht unbedingt gewollt, aber gleichwohl gern in Kauf genommen. Sofskys Überlegungen zur Gewalt mögen aus guten Gründen umstritten sein, aber sie haben viele wertvolle Anstöße gegeben. Die hier beschriebenen Gewalträume sind »Räume des Schreckens«, vor allem für die Schwachen, bis zu einem gewissen Grade aber auch für die in militanten Gruppen vergemeinschafteten Starken. Denn auch sie führen eine Existenz, die von potenzieller Vernichtung geprägt ist. In Gewalträumen dürften die Schwachen immer in der großen Mehrheit sein, sie sind jedoch nicht zwangsläufig nur Opfer, haben aber meistens wenig Gelegenheit, zu Tätern zu werden. Täter wiederum sind oft auch potenzielle und in vielen Fällen irgendwann reale Opfer.

6 Der sogenannte »Holodomor« und die damit verbundene Genozid-Diskussion wird in diesem Buch nicht behandelt.

7 Lager, Folterkeller und Terror gab es vorher auch. Das Kloster auf den Solovki-Inseln war Prototyp des politischen Gefangenenlagers seit 1918. Die revolutionäre Gewalt der Bolschewiki hat ihre frühe und eindrückliche Darstellung in Melgunow, Der rote Terror, gefunden. Aber erst seit Anfang der 1930er-Jahre entstand das, was Alexander Solschenizyn als »Archipel Gulag« bezeichnet hat, jene zweite Welt, durch die im Verlauf von mehr als zwanzig Jahren ein großer Teil der sowjetischen Bevölkerung ging und in der Millionen ums Leben kamen. Siehe dazu Applebaum, Gulag; Viola, The Unknown Gulag.

8 Browning, Ganz normale Männer; Welzer, Täter; Gerlach, Extrem gewalttätige Gesellschaften; Wildt, Generation des Unbedingten.

9 Baberowski, »Gewalt verstehen«, S. 11f. Vgl. dazu auch Semelin, »Extreme Violence«, S. 431.

10 Von Trotha, »Zur Soziologie der Gewalt«, bes. S. 20ff. Zu den wichtigen Wegbereitern dieser Forschungsrichtung gehören vor allem Heinrich Popitz, der in »Phänomene der Macht« nicht nur für eine »Engführung« des Gewaltbegriffes plädierte (S. 48), sondern neben der zweckrationalen Dimension auch auf andere Aspekte der Gewalt hingewiesen hat: Lust, Beiläufigkeit, Anlaßlosigkeit (S. 49). Diese Hinweise sind von Wolfgang Sofsky aufgenommen worden, der mit seinem Traktat über die Gewalt wesentlich zur Entfachung einer Debatte über die Gewaltforschung beigetragen hat. Zu dieser Debatte siehe die Beiträge in Heitmeyer (Hg.), Gewalt.

11 Sie sind ein typisches Beispiel für den zirkulären Prozess, in dem Begriffe aus der Empirie abgeleitet werden, um sie dann wieder als analytische Kategorien an die Empirie heranzutragen. Vgl. hierzu Max Webers Anmerkungen zu den methodischen Grundlagen in seinen »soziologischen Grundbegriffen«, Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 1–30, bes. S. 9f. Von »Zirkularität« hätte Weber nicht sprechen wollen, aber sie ergibt sich aus seiner Methode selbst. Und es gibt gute Gründe anzunehmen, dass ihr nicht zu entkommen ist. Vgl. dazu auch Hans-Georg Gadamers Bemerkungen zum »hermeneutischen Zirkel«, Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 250ff.

12 Popitz, Phänomene der Macht, S. 50.

13 Schon die Staatstheorie von Thomas Hobbes basiert auf diesem Gedanken. Vgl. Kap. XIII, »Vom Naturzustand der Menschen in bezug auf ihr Glück und ihr Elend«, Hobbes, Leviathan, S. 102–107.

14 Randall Collins hat darauf hingewiesen, dass die Anwendung von Gewalt keineswegs einfach oder leicht sei und Menschen normalerweise hohe Hürden überwinden müssen, um gewalttätig zu sein. Das gilt sogar für Kampfsituationen im Krieg, in denen oft ein großer Teil der Soldaten Gewalt eher vermeidet. Andererseits weist Collins aber auch auf das Phänomen der »gewalttätigen Minderheit« hin, deren Angehörige sich sehr viel leichter mit der Gewalt tun – sie sind diejenigen, die im Kampf am aktivsten sind. Diese »gewalttätige Minderheit« ist nicht nur im Krieg, sondern auch bei der Polizei oder auf dem Schulhof zu finden. Und trotz ihrer geringen Zahl reichen ihre Angehörigen in der Regel aus, um angespannte Situationen in gewaltsame zu verwandeln – sie sind in erster Linie die Gewaltakteure, von denen in diesem Buch die Rede ist. Vgl. Collins, Dynamik der Gewalt, 558ff.

15 Zum Begriff des »sozialen Raums« vgl. Dünne/Günzel, Raumtheorie, S. 289–302. Wichtig dabei ist, dass es sich bei sozialen Räumen nicht um physische Räume handelt – soziale Räume sind Geltungsbereiche bestimmter Regeln sozialer Interaktion.

16 Wolfgang Sofsky wies auf den Einfluss der Gewalt auf Raum und Zeit hin und brachte damit den Begriff des Gewaltraums in die Diskussion ein. Sofsky, Traktat über die Gewalt, S. 178f. Georg Elwert prägte bald darauf den Begriff der »gewaltoffenen Räume«, in denen »keine festen Regeln den Gebrauch der Gewalt begrenzen«. Elwert, »Gewaltmärkte«, S. 88. Andere Autoren haben in der Folge von »Gewaltraum« (Baberowski, »Kriege in staatsfernen Räumen«, S. 293f.), »Ermöglichungsräumen« oder »Gelegenheitsräumen der Gewalt« (Greiner, Krieg ohne Fronten, S. 25), schließlich auch von »coordination salience spaces« (Tilly, The Politics of Collective Violence, S. 14f.) oder »Gewaltsituationen« (Collins, Dynamik der Gewalt) gesprochen. All diese Begriffe kreisen letztlich um dasselbe soziale Phänomen. Dabei bestehen interessante Parallelen zu zwei anderen Raumtypen: Meer und Frontier. Carl Schmitt stellte fest, »daß das Meer ein freies Feld freier Beute ist. Hier konnte der Seeräuber, der Pirat, sein böses Handwerk mit gutem Gewissen treiben. Hatte er Glück, so fand er in einer reichen Beute den Lohn für das gefährliche Wagnis, auf das freie Meer hinausgefahren zu sein. Das Wort Pirat kommt vom griechischen peiran, das heißt von erproben, versuchen, wagen. Keiner der Helden Homers hätte sich geschämt, der Sohn eines solchen wagemutigen, sein Glück erprobenden Piraten zu sein. Denn auf dem offenen Meer gab es keine Hegungen und keine Grenzen, keine geweihten Stätten, keine sakrale Ortung, kein Recht und kein Eigentum.« Schmitt, Der Nomos der Erde, S. 14 [Hervorhebung F. S.]. Im Grunde ist das eine sehr treffende Beschreibung dessen, was in diesem Buch als Gewaltraum bezeichnet wird. Man beachte auch, dass das Meer zwar aufgrund natürlicher Bedingungen ein nicht ungefährlicher Ort ist, aber erst durch das Handeln von Menschen (Piraten) zu einer gefährlichen Zone wird. Die andere Parallele ist die Frontier, in der ebenfalls keine allgemein akzeptierten Regeln der Gewalt herrschen. Vgl. Riekenberg, »Mikroethnien, Gewaltmärkte, Frontiers«, S. 114f.

17 Man könnte sagen, dass es sich hier um einen »symmetrischen« oder »offenen« Typ des Gewaltraums handelt. Als »asymmetrische« oder »geschlossene« Gewalträume könnte man Situationen bezeichnen, in denen für eine bestimmte Gruppe nur Chancen und für alle anderen nur Gefahren bestehen. Letzteres entspräche beispielsweise einem Folterkeller, in dem der Gewalttäter absolute Gewalt über sein Opfer hat. Das ist eher der Typus Gewaltraum, den Sofsky im Sinn hat, wenn er den Begriff benutzt. In diesem Buch ist aber in erster Linie von symmetrischen Gewalträumen die Rede, was nicht ausschließt, dass die Chancen und Gefahren sehr ungleich verteilt sind.

18 Collins, Dynamik der Gewalt, S. 558ff.

19 Beispiele dafür sind viele südamerikanische Staaten, die faktisch kein Gewaltmonopol und auch keinen »neutralen« Staat kannten. Der Gewalteinsatz war dort oft regional und lokal geregelt. Vgl. Riekenberg, Gewaltsegmente, S. 35ff.

20 Die klassische Politikgeschichte ist ein Beispiel für die Priorität des Handelns, die Sozialgeschichte eine für diejenige der Struktur. Sehr gut konnte man diese beiden Pole in der jahrelangen Diskussion zwischen »Intentionalisten« und »Funktionalisten« in der Geschichtsschreibung über den Nationalsozialismus verfolgen. Michael Wildt hat kürzlich in seiner Studie über das Personal des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) eine Interpretation vorgelegt, die beide Modelle miteinander kombiniert und den Widerspruch gewissermaßen durch dialektische Vermittlung überwindet. Er zeigt, wie Intentionen und Praxis sich gegenseitig verstärkten und in einen Eskalationsprozess exterminatorischer Gewalt mündeten. Vgl. Wildt, Generation des Unbedingten, S. 26.

21 Giddens, Die Konstitution der Gesellschaft, S. 77ff.

22 »Dialektik« erscheint manchen als ein verfemter Begriff. Er wird hier nicht im Sinne einer »positiven Dialektik« verwandt, die der Geschichte eine Teleologie unterstellt, wie sie im Anschluss an Hegel vor allem von Marx und Engels formuliert wurde, sondern im Sinne einer »negativen Dialektik«, die von der grundsätzlichen Offenheit historischer Prozesse ausgeht. Kausalität ist ein einfaches Geschäft, zumal sie auch besser zur narrativen Struktur passt. Dialektisch zu denken und dialektische Prozesse darzustellen, ist ungleich schwieriger, da dies der Sprache sozusagen quer im Halse liegt. Wahrscheinlich ist in der Geschichte aber sehr viel mehr Dialektik, als sich ein an Kausalitäten gewöhnter Wissenschaftsbetrieb träumen lässt. Vgl. dazu etwa die Bemerkungen zur Französischen Revolution in: Adorno, Zur Lehre von der Geschichte, S. 52ff.

23 Vgl. S. 131ff.

24 Auf den ersten Blick scheint »paramilitärische Gruppen« der gegebene Begriff für die hier behandelten Probleme zu sein. Wenn ich den allgemeineren Begriff »militante Gruppen« vorziehe, so ist das unter anderem darin begründet, dass unter paramilitärischen Verbänden meist in Form und Organisation stark an das reguläre Militär angelehnte Erscheinungen oder oft auch verselbständigte Armee-Einheiten verstanden werden. Viele der hier behandelten Gruppierungen weisen aber eine sehr viel einfachere Struktur auf.

25 Elwert, »Gewaltmärkte«, S. 87f.

26 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 140ff. u. 654ff.

27 Arendt, Macht und Gewalt, S. 67; vgl. dazu auch Helbling, Tribale Kriege, S. 339f.

28 Michael Riekenberg hat mit Blick auf lateinamerikanische Beispiele die brauchbarste Typologie von Gewaltkulturen geliefert. Er unterscheidet Gewaltkulturen als »Teil«- oder »Subkulturen«, als »residualer Brauch gewalttätiger Selbsthilfe oder als gewalterzeugendes, jedoch umgrenztes Sozialisationsmilieu« von »agglomerierten« Gewaltkulturen, bei denen es sich um strukturierende Phänomene ganzer Gesellschaften handelt. Riekenberg, »Fuzzy Systems«, S. 311f., 314f. u. 317f. Zur Prägung ganzer Gesellschaften durch Gewalt vgl. auch Waldmann, »Is there a Culture of Violence in Columbia?«, S. 71f. Davon zu unterscheiden ist die »normale« oder gewöhnliche Verortung, Symbolisierung und Ritualisierung in Kulturen. Siehe dazu die Beiträge in Sieferle/Breuninger (Hg.), Kulturen der Gewalt; bes. Sieferle, »Einleitung«, S. 9–29.

29 Vgl. S. 345ff.

30 Kalyvas, The Logic of Violence, S. 55; Baberowski, »Gewalt verstehen«, S. 6; Elwert/Feuchtwang/Neubert, Dynamics of Violence, S. 9–31; Waldmann, »Gesellschaften im Bürgerkrieg«, S. 353ff.

31 Elwert, »Gewaltmärkte«, S. 92ff.; Münkler, Die neuen Kriege, S. 131ff.

Das Laboratorium der Gewalt

Seit der Jahrhundertwende nahmen im Russischen Kaiserreich extreme Gewalttaten an Ausmaß und Häufigkeit zu. Was mit den Pogromen von Kišinev und Odessa im Südwesten des Imperiums begann, wuchs sich während der Ersten Russischen Revolution in den Jahren 1905 bis 1907 zu einem regelrechten Flächenbrand aus. Judenpogrome, Bauernunruhen und Aufstände in den Städten fegten die Ordnung des Ancien Régime zeitweise hinweg. Die staatliche Reaktion war brutal und übertraf oft noch das Ausmaß der Gewalt, auf die sie reagierte. Lag die Anzahl der getöteten Regierungsvertreter bei ungefähr fünftausend, so war diejenige der Opfer militärischer Repressions- und Strafaktionen noch um ein Vielfaches höher. Allein in Moskau kamen im Dezember 1905 im Stadtteil Presnja fast tausend Menschen ums Leben. Bei Strafexpeditionen auf dem Land wurden über 30000 Bauern erschossen.1

Diese Gewalt kam nicht aus dem Nichts und sie verschwand auch nicht spurlos, obwohl die letzten Vorkriegsjahre mit wenigen Ausnahmen relativ ruhig blieben.2 In diesem Kapitel werden Voraussetzungen und Folgen dieser ersten großen Gewaltwelle im 20. Jahrhundert behandelt, vor allem aber auch die dynamischen Entwicklungen in den Ermöglichungsräumen der Gewalt, die in der Situation von 1905 entstanden. Hier entstanden regelrechte »Laboratorien der Gewalt«, in denen Menschen sowohl als Akteure wie auch als Opfer neue Gewalterfahrungen machten.3 Zwar hatte es Unruhen und kollektive Gewalt auch vorher schon gegeben. Nun aber gab es eine Steigerung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Wenn Gewalt vorher eine punktuelle und ephemere Erscheinung war, so erschütterte sie im Jahre 1905 das Imperium im Ganzen. Ein wichtiger Aspekt bestand dabei in veränderten Rahmenbedingungen. Das Gebälk der alten Ordnung war schon morsch, die Lebenswelten von Bauern auf dem Land oder als Arbeitsmigranten in den Städten hatten sich rapide verändert, neue Identitäten und Wahrnehmungen bildeten sich heraus.4 Immer mehr Intellektuelle verloren das Vertrauen in das Bestehende und stellten die Autokratie grundsätzlich infrage. Die Regierung flüchtete sich in einen Krieg gegen Japan und verspielte die Aura der Macht durch ihre demütigenden Niederlagen gegen einen vermeintlich zweitklassigen und minderwertigen Gegner.5 Die Grenzen des Möglichen sind nicht einfach sichtbar oder unmittelbar gegeben, sondern ergeben sich durch soziale Praxis. Sie werden durch aktives Handeln ausgetestet oder passiv erfahren: In diesem Sinne waren die revolutionären Unruhen zu Beginn des Jahrhunderts ein Laboratorium der Gewaltentgrenzung, das die Entstehung neuer »Erwartungshorizonte« zur Folge hatte.7 Schon während des Weltkriegs und dann in Revolution und Bürgerkrieg konnte deshalb die Gewalt auf einem sehr hohen Niveau wieder einsetzen.